~ 1 ~
Die runde, helle Scheibe am Horizont neigte sich der Ferne zu. Der Himmel färbte sich erst Orange, dann Rosa, dann in tiefstes Abendrot und schließlich in ein dunkles, magisches Blau.
Der erste Stern am Himmel erschien.
Tristan saß auf dem Dach eines kleinen Bauernhauses.
Es war nicht groß, aber es langte für ihn und seine Großeltern. Sie lebten einfach und schlicht. Mehr brauchte es nicht für sie. Die zwei Schweine und die Kuh die im kleinen Anbau neben an lebten, ermöglichten es ihnen, einigermaßen zu überleben.
Er schaute in den Himmel. So viele funkelnde Sterne. Bei diesem atemberaubenden Anblick kam sich Tristan erneut so unbedeutsam und klein vor.
Der Nachthimmel bot so viele Möglichkeiten der Veränderung und der Spiegel der Erde bot immer nur ewig vorherrschende Dunkelheit.
"Tristan. Komm rein. Es ist schon dunkel. Du weißt wie gefährlich das ist, wenn die Wächter fliegen." rief seine Großmutter Elenor von unten.
Er stand auf und schaute noch ein letztes Mal 'gen Himmel. Er schloss die Augen und Atmete einmal tief ein und aus.
Der Wind blies ihm die dunklen Locken aus der Stirn.
Beim Abstieg sah er die besorgte Miene seiner Großmutter. Er liebte sie - aber sie machte sich nur immer Sorgen um ihn und ließ ihn nicht aus ihren aufmerksamen Adler-Augen.
"Ach komm," rief er ihr entgegen "jetzt schau doch nicht so. Noch bin ich da und wurde noch nicht von ihnen getötet oder verschleppt." Er sprang die letzten Meter vom Dach herunter und landete vor ihr.
Sie schob ihn durch die knorrige, alte Tür und und stellte den Riegel vor.
"Du sag das nicht noch einmal! Sonst verschließe ich die Tür vor deiner Nase während du noch draußen stehst. Du undankbarer Grünschnabel!" sagte sie mit tot ernster Mine in ihrem sonst so liebevollen Gesicht.
"Elenor, Liebes. Er weiß es nicht besser. Er hat keine Ahnung wozu diese Viecher fähig sind." verteidigte sein Großvater ihn.
Tristan ging zum kleinen Kaminfeuer mittig des großen Raumes und fütterte es mit morschen Ästen.
Er starrte in die tanzenden Flammen.
Da hatte sein Großvater nicht ganz unrecht. Die Wächter waren grausame Biester mit schwarzer Lederhaut. Ihre Schwingen zierten messerscharfe Krallen und ihr Schnabel - dunkel, gefährlich und in jedem Fall, tödlich.
Keiner hatte je diese Kreaturen von nahem gesehen. Und jeder, der sich ein falsches Wort erlaubte, oder versuchte sie herauszufordern - bezahlte mit seinem Leben.
Wie auch seine Eltern.
Aber trotz allem was man über die Jahrhunderte über sie an Wissen gesammelt hatte, erfasste nicht im geringsten die enorme Tödlichkeit, die ihnen zu Teil wurde.
Sie standen im Dienste des Herren.
"Setz dich und iss. Du musst morgen früh aufstehen und eines der Schweine zum Gebieter bringen."
"Was? Wieso? Wir haben doch kaum genug um uns selbst zu ernähren! Wieso sollen wir ihm dann noch zusätzlich den fetten Wanst stopfen? ", fuhr Tristan zu seiner Großmutter erbost herum.
"Wir haben keine andere Wahl, Tristan! Entweder eines der Schweine oder unser Leben. Was wäre dir lieber?", entgegnete sie wütend.
"Ich sage es schon seit ewiger Zeit! Wir müssen hier weg! - In die Berge. Zu den Elben wo uns niemand findet! Esraim wird uns noch alle in den Tot stürzen! Egal in wir ihm gehorchen oder nicht!"
"Wage es nicht seinen Namen auszusprechen!", fuhr ihn sein Großvater an. "Er ist unser Herr und wir müssen ihm gehorchen! Du erwähnst diesen Gedanken nie wieder so lange du unter meinem Dach lebst! Es sind schon zu viele wegen ihm gestorben. Die Wände haben Ohren Tristan!"
"Aber..."
"Nichts aber! Du gehst sofort in deine Kammer. Ich will heute Abend in Frieden schlafen gehen!", ermahnte sein Großvater ihn.
Tristan stand entgeistert auf und nahm seinen Laib Brot, den seine Großmutter für ihn hingestellt hatte. Er sah sie beide flehend und unverständlich an, aber sie blieben weiterhin still.
Mit wütender Miene zog er ab. Und blieb bis zum Morgengrauen in seiner Kammer.
*****
Er konnte nicht begreifen wie alte Menschen nur so stur sein konnten. Hatte Esraim dem Lande nicht schon genug angetan?
Sein Vater hatte ihm als er noch klein war, Geschichten über das einst so wunderschöne Land erzählt, in dem sie lebten. Ein Held habe früher die Bürger beschützt und Frieden und Geborgenheit im Land verbreitet.
Diese Zeiten waren vorbei. Keiner wusste warum sie ihr Held verlassen hatte.
Selbst sein Großvater, Argo Wofsbein, der berüchtigt, berühmte Barder, konnte ihm nicht antworten.
Jedes mal verzog er nur schmerzlich das Gesicht und gab keine Antwort mehr.
Er war ein alter, gezeichneter Mann, welcher nur mit Krücken laufen und mit Hilfe arbeiten konnte.
Sein Körper war am Ende - aber sein Geist so scharfsinnig wie eh und je.
Tristan liebte ihn und seine Großmutter über alles, denn sie waren die letzten Menschen auf Esträda, die ihm geblieben waren.
Wieso verstanden sie ihn nur nicht?
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