Kapitel 1
[Der Anfang vom Ende]
~Ordinary Life~
||Zwei Wochen und fünf Tage nach Casmiels Verschwinden||
Der junge Mann stieg aus dem Auto und sah sich das kleine Haus an, in dem er zukünftig wohnen würde. Es war nicht viel, nicht größer als eine Wohnung für zwei und er würde es vollkommen neu einräumen müssen, doch es war seines und das war alles, was ihm wichtig war.
Er nahm den Karton, mit seinen wichtigsten Gegenständen und trug ihn hinein. Doch bevor er überhaupt seinen kleinen Garten überqueren konnte, ertönten Stimmen von nebenan.
„Hallo! Sie müssen der neue Nachbar sein, der hier einziehen wird, nicht wahr?" fragte eine weibliche Stimme und der junge Mann wandte sich zu ihr um. Es war eine Frau, Mitte 30, vielleicht schon 40 und sie winkte ihm hinüber. Er stellte seinen Karton kurzerhand ab und ging zu dem hüfthohen, weiß-gestrichenen Zaun, der die beiden Häuser voneinander trennte.
„Der bin ich wohl. Charles Trout. Es ist mir eine Freude Sie kennenzulernen," stellte der junge Mann sich vornehm vor und anstatt ihre Hand einfach nur zu schütteln, hob er sie an seine Lippen und küsste sie sanft.
Die Frau errötete leicht und sah beschämt zur Seite. „Oh. Sie sind aber ein reizender junger Mann, Mister Trout. Und so gut erzogen. Ich hoffe doch sehr, Sie werden Ihre Eltern einladen, damit ich sie loben kann. Solch vornehme Männer wie Sie einer sind trifft man selten," plänkelte die Frau und nickte nur zu ihren Worten, als würde sie ihrer eigenen Aussage zustimmen wollen.
„Ich danke für die gütigen Worte, Miss. Dürfte ich jedoch noch Ihren Namen erfahren?" fragte er höflich und ließ ihre Hand wieder los ohne die Frau aus den Augen zu lassen. Es war kein unangenehmer Augenkontakt. Es passte mehr zum vornehmen und höflichen Verhalten des jungen Mannes, der sich als Charles Trout vorgestellt hatte.
„Aber natürlich, mein Lieber. Ich bin Melissa Abbot. Ich wohne hier schon seit zehn Jahren mit meinem Ehemann, Henry, doch noch nie kam mir ein solch charmanter junger Mann unter. Vor allem nicht hier, in dieser kleinen Stadt. Die Jugend von heute will doch immer in die große Stadt, ihre Abenteuer erleben und sowas. Hirngespinste eben. Dürfte ich also erfahren, was solch ein hübscher, junger Mann hier zu suchen hat? Wollen Sie nicht auch Ihre Jugend ausleben und sich dann erst in einer solch friedlichen Gegend niederlassen?" fragte Melissa Abbot noch immer höflich, doch ehrlich interessiert an der Geschichte von Trout.
„Oh, es ist kein wirklich interessanter Grund. Ich habe bereits genügend Abenteuer hinter mir, Miss Abbot. Ich brauche nicht noch mehr davon, vor allem nicht in der großen Stadt, wo ich aufgewachsen bin. Lieber genieße ich meine Jugend hier, wo es friedlich und ruhig ist. Außerdem wäre ich in der Stadt doch nie Ihnen begegnet," erwiderte er nur mit einem charismatischen Lächeln und Miss Abbot schlug ihm spielerisch gegen die Schulter, während sie belustigt kicherte.
„Oh, Sie Charmeur. Lassen Sie das ja nicht meinen Henry hören," lachte sie nur herzhaft und auch der junge Mann stieß ein kurzes aber aufrichtiges Lachen aus.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Abbot. Ihren Mann werde ich auch noch um meine Finger wickeln" sagte er mit einem frechen Zwinkern und er ging wieder zurück zu seinem Karton, den er hochhob und in Richtung seines Hauses trug.
„Es hat mich wirklich gefreut, Sie kennenzulernen, Miss Abbot. Wenn Sie wollen, dann lade ich Sie und Ihre Familie zum Dinner ein. Ich bin ein hervorragender Koch, wie mir gesagt wurde" rief er ihr noch hinterher und Miss Abbot winkte dem jungen Mann noch nach.
„Schön, charmant und ein guter Koch. Das es solch perfekte Männer noch gibt" seufzte Miss Abbot als er in seiner Tür verschwunden war und sie drehte sich um, um ihrer Arbeit wieder nachzugehen.
||Sechs Wochen nach Casmiels Verschwinden||
Einige Wochen schon lebte Charles Trout in der friedlichen Nachbarschaft und war bereits in aller Munde. Die gesamte Umgebung hatte von dem mysteriösen aber scheinbar unfassbar hübschen, jungen Mann gehört, der seit kurzer Zeit in Fairfield, genauer noch der Acacia Street 12 in einem kleinen Haus lebte und seine Nachbarn bereits in seinen Bann gezogen hatte.
Melissa Abbot berichtete stets von ihrem neuen Nachbarn beim wöchentlichen Kaffeekränzchen mit der Organisation für ein schönes Miteinander, kurz auch OSM, wo sie in höchsten Tönen über ihn schwärmte.
Seitdem hatten es sich mehrere Mitglieder der OSM zur Aufgabe gemacht, diesen jungen Prinzen, wie er in den Sitzungen genannt wurde, kennenzulernen und mehr über ihn in Erfahrung zu bringen.
Deshalb klopfte um exakt 3 Uhr an einem Sonntagnachmittag das jüngste Mitglied der OSM, Madeleine Goldstein, an der weißen Tür des jungen Mannes und wartete nervös, bis dieser die Türe öffnen würde.
Sie hörte bereits Schritte und wollte einen Schritt zurücktreten, um dem Hausbesitzer genügend Platz zu lassen, als die Türe geöffnet wurde und sie in die schönsten Augen sah, die sie jemals zu Gesicht bekommen durfte. Der Mann war unheimlich nahe, doch schien keinerlei Scham oder Überraschung zu empfingen.
Seine langen, weiß-blonden Haare waren noch nass und tropften auf ein weißes Handtuch, dass um seine recht schmalen Schultern gelegt worden war und sein Oberkörper war nackt, mit ein paar vereinzelten Tropfen geschmückt. Unten herum trug der junge Mann jedoch eine bequem-wirkende Jogginghose.
„Entschuldigt mein Auftreten, Miss, doch ich war gerade duschen und konnte mein T-Shirt nicht finden. Ich wollte Sie jedoch nicht länger warten lassen als nötig. Wenn Sie wollen, kann ich aber noch einmal hinein gehen und mir etwas überziehen" erklärte er seine Aufmachung und Madeleine bekam kein Wort über ihre Lippen.
Ihr Blick wanderte immer wieder hinunter zu den dezenten aber definierten Muskeln des Mannes, die sich auf seinem recht schmalen Körper abzeichneten und dann zurück zu seinen wunderschönen, blauen Augen, während sie ihren Mund öffnete und wieder schloss, wie ein Karpfen.
„Wenn Sie meine Aufmachung nervös machen sollte, dann werde ich natürlich schnell etwas anziehen. Sie müssten nur einen Moment wa-" doch bevor Charles Trout seinen Satz beenden konnte, schüttelte Madeleine nur schnell den Kopf.
„Ne-nein. Keine Ur-ursache, Mister Trout" beruhigte Madeleine ihn nur, auch wenn sie selbst nicht wirklich ruhig war. Wie konnte sie auch, wenn sie gerade vor dem attraktivsten und höflichsten Mann stand, der ihr je begegnet war, in ihren 23 Jahren.
„Nennen Sie mich doch bitte Charles, Miss...," zuerst realisierte Madeleine die Frage nicht wirklich, sondern war abgelenkt von den Armmuskeln des Mannes, der noch immer geduldig auf eine Antwort von ihr wartete.
„O-oh. Madeleine. Madeleine Goldstein. Doch es reicht Madeleine!" versicherte ihm die junge Frau und Trout lachte nur leicht über ihre nervöse Antwort.
„Wollen Sie hereinkommen, Madeleine?" fragte der junge Mann und Madeleine vergaß einen Moment zu atmen, als er ihren Namen tatsächlich aussprach und seine Stimme dabei so weich und unglaublich angenehm klang, bevor sie zögerlich nickte und hereintrat.
„Machen Sie es sich im Wohnzimmer gemütlich. Ich werde bald zu ihnen stoßen" versicherte er ihr und Madeleine betrat das offene Wohnzimmer, dass durch einen großen Bogen mit der Küche verbunden war. Alles wirkte sehr einladend und freundlich, doch nichts ließ auf eine Vergangenheit von Charles schließen. Keine Bilder, keine persönlichen Gegenstände.
Nur ein himmelblaues Sofa, einen hellen Boden, einen dunkelblauen, kunstvoll-verzierten Teppich und einen großen, bestimmt teuren Fernseher. Außerdem passende Kasten und Tische, als hätte Charles alles farblich aufeinander abgestimmt. Sogar die Lampe hatte dunkelblaue Akzente und einen goldenen Rahmen, sowie alle metallenen Gegenstände in diesem Raum.
„Ich hoffe, Sie können mein Auftreten entschuldigen. Ich hatte nur keinen Besuch erwartet. Schon gar keinen Besuch von einer schönen Frau, wie Sie eine sind. Ich hoffe Sie können meinen Fauxpas verzeihen und wir können uns über einer Tasse Tee besser kennenlernen, Madeleine" drang da die sanfte Stimme des jungen Mannes wieder an ihre Ohren und sie sah zu ihm auf. Dieses Mal trug er ein T-Shirt, auch wenn Madeleine seinen nackten Oberkörper äußerst reizend gefunden hatte und ein charmantes Lächeln zierte sein sanftes Gesicht.
„Ich würde mich se-sehr freuen, Charles" antwortete Madeleine und wurde leicht rot, als sie wieder einen Gedanken an Charles' Muskeln verlor, die er zuvor so schön zur Schau gestellt hatte. Sie konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass es tatsächlich absichtlich gewesen war, um sie zu beeindrucken. Charles schien keiner dieser Machos zu sein, die dachten, Mädchen würde auf dieses unsinnige Getue und die lächerlichen Sprüche stehen. Charles war höflich und charmant. Er würde niemals seinen Körper nutzen, um ein Mädchen abzubekommen. Das war nicht einmal nötig. Schließlich war er reizend genug ohne sich nackt auszuziehen. Madeleine genoss diesen Charakter.
„Zu welchem Tee dürfte ich Sie denn verführen?" fragte er nur charismatisch und war bereits auf dem Weg in die Küche, wo er Wasser ansetzte und Tassen vorbereitete.
„Ach. Bitte duze mich doch, Charles. Ich nehme gerne einen Früchtetee, wenn du einen zur Verfügung hättest" bat Madeleine und baute langsam Selbstvertrauen auf. Sie hatte den wahren Grund, weshalb sie hier war, vergessen. Eigentlich sollte sie ihn kennenlernen und mehr über ihn in Erfahrung bringen, aufgrund der Zweifel von einigen Mitgliedern der Organisation. Charles Trout war manchen suspekt. Etwas zu perfekt und etwas zu geheimnisvoll. Mysteriös und zu höflich. Doch Madeleine hatte all ihre Zweifel verloren, sobald sie in diese wunderschönen, blauen Augen gesehen hatte.
„Früchtetee kommt sofort. Gibt es einen Grund, wieso du hier bist?" fragte der junge Mann aus der Küche und Madeleine sah sich weiter in seinem Wohnzimmer um. Ein Bild fiel ihr ins Auge, doch sie konnte das Motiv nicht wirklich erkennen, durch die Spiegelungen auf dem Glas.
„Nichts besonderes. Ich habe nur so viel von dir gehört und wollte wissen, ob die Gerüchte stimmen, die man sich erzählt" seufzte sie leichtfertig und ihre Neugierde wollte sie dazu bringen aufzustehen und das Bild näher zu begutachten.
„Gerüchte? Welche Gerüchte denn?" fragte Charles weiter und Madeleine hatte die Konversation nur nebenbei laufen, während ihre Gedanken sich um das Bild drehten, für das sie nun aufgestanden war, um es näher zu inspizieren.
„Oh, du kannst es dir bestimmt schon denken. Das typische Gerede. Schließlich geschieht nicht viel spannendes in einer solch kleinen Stadt. Normalerweise ziehen hier keine vollkommen Fremden her. Vor allem nicht so junge Fremde, wie du einer bist. Doch ich denke, all die Zweifel über dich sind falsch" erzählte Madeleine ohne Filter und betrachtete das Bild nun genauer.
Es zeigte Charles, das war ganz klar, mit einem kleinen Mädchen. Sie beide schienen auf dem Bild jünger zu sein, vielleicht 12 oder 13 Jahre alt. Das Mädchen hatte braune Haare und blasse Haut. Sie schien das Foto gemacht zu haben und grinste breit während Charles neben ihr saß, noch kurze, blonde Haare gehabt hatte und sie ansah, während ein leichtes Lächeln seine Lippen zierte. Es war wirklich niedlich und Madeleine wollte wissen, wer das Mädchen war.
„Eine alte Freundin von mir" meldete sich eine Stimme direkt neben ihr und plötzlich konnte sie Charles' Atem spüren. Sein Arm glitt um sie herum, nahm das Bild aus ihrer Hand und hielt es noch einen Moment, bevor er es wieder an seinen Platz stellte.
Madeleine drehte ihren Kopf etwas um Charles' Blick zu sehen, der etwas traurig wirkte, doch ein Lächeln war in seinem Gesicht zu sehen. Sie wollte einen Schritt zurückweichen, um ihn besser sehen zu können, doch er war ihr näher als erwartet und sie stieß gegen das Tablet mit den Teetassen und fiel beinahe um, wäre nicht Charles' starker Arm, der sie auffing, den Tee gerade hielt und keinen Tropfen davon verschüttete.
Sie wurde nur von seinem Arm getragen, ohne ihn wäre sie auf den Boden gekracht und hätte sich wohlmöglich weh getan, doch Charles hatte weder Tee noch sie auf den Boden fallen lassen, sondern beides gefangen.
„Vorsichtig. Nicht so hastig" meinte er amüsiert und half Madeleine wieder auf die Beine, während er das Tablet auf den Kaffeetisch abstellte und auf das Sofa deutete.
„Setz dich doch bitte. Geht es dir gut?" fragte er nur und Madeleine fiel erneut, jedoch nur in ihren Gedanken. Sie fragte sich, wie perfekt ein Mann sein konnte und wieso sie jemals an Charles gezweifelt hatte.
„J-ja. Ja. Alles in Ordnung. Dank dir. Du hast mich schließlich gefangen" Madeleine setzte sich und lachte leicht beschämt. Sie kratzte sich am Hinterkopf und sah zur Seite, um Charles' Blick nicht zu treffen.
„Das freut mich zu hören. Ich hätte nur ungern einen Krankenwagen gerufen. Vermutlich hätte das ein paar Gerüchte nur verstärkt" meinte er lachend und auch Madeleine kicherte leicht. Er hatte vermutlich recht. Natürlich hatte er recht.
„Also. Wer ist das Mädchen auf dem Bild? Hinter dieser alten Freundin steckt doch bestimmt eine Geschichte, oder nicht?" fragte Madeleine vorsichtig um keine Grenzen zu überschreiten. Sie hatte ihre Mission tatsächlich vergessen und fragte aus rein egoistischen Gründen. Schließlich könnte dieses Mädchen inzwischen Charles' Freundin sein und Madeleine würde mit einem gebrochenen Herzen leben müssen. Sie verliebte sich mit jedem Moment in diesem Haus etwas mehr in den charmanten, humorvollen und äußerst attraktiven Mann, der im Moment ihren Tee vor sie stellte und auch Zucker sowie Milch etwas in ihre Richtung schob, damit sie einen leichteren Zugang dazu hatte.
„Sie war jemand besonderes. Tatsächlich nur eine alte Freundin. Sie ist leider verstorben. Eine Krankheit. Sie war nur 13 Jahre alt und dieses Bild ist das einzige Andenken, dass ich an sie habe wie auch eine Violine, die sie selbst gebaut hat. Ein wirklich talentiertes Mädchen, doch leider wurde sie uns zu früh genommen" erzählte Charles und Madeleine bereute ihren Egoismus sofort. Natürlich musste sie mit ihrer Frage alte Wunden aufreißen. Sie war ja so eine Idiotin!
„Das- das tut mir so leid, Charles. Ich- ich weiß gar nicht was ich sagen soll" entschuldigte sie sich sofort und legte unsicher eine Hand auf seinen Oberschenkel.
Er atmete einmal tief durch und lächelte Madeleine dann sanft an. „Du trägst keine Schuld, Madeleine. Mach dir keine Sorgen. Es ist schon Jahre her und ich habe damit abgeschlossen. Ich bin dankbar, dass ich sie kennenlernen durfte. Doch manchmal müssen wir eben Verluste ertragen in unserem Leben" meinte er nur und auch Madeleine lächelte leicht.
Wie konnte sie nur jemals an diesem Mann zweifeln?
||Zehn Monate und drei Wochen nach Casmiels Verschwinden||
Nun waren es schon Monate und Charles Trout war noch immer Stadtgespräch Nummer 1. Die Gerüchte waren weniger geworden, doch dass hinderte die Leute nicht daran, noch immer über ihn zu reden. Die Zweifel waren verschwunden und es wurde nur mehr von dem jungen Mann in der Acacia Street 12 geschwärmt. Von seiner Höflichkeit, seinem guten Benehmen und natürlich seinem Aussehen, dass keiner wirklich leugnen konnte. Sogar die wenigen Leute, die noch immer misstrauisch dem neuen Nachbar gegenüber waren, sahen ihm immer etwas länger nach als nötig, sollte er ihnen begegnen.
Seine Vergangenheit war noch immer ein Geheimnis, doch es interessierte keinen mehr wirklich, wieso der junge Mann in die kleine Stadt Fairfield gezogen war, wenn er doch ebenso nach New York hätte ziehen können, was in der Nähe war.
Alles was man von ihm in Erfahrung gebracht hatte, war, dass seine Familie aus England stammte und nach Amerika gezogen war, als Charles noch klein gewesen war. Scheinbar hatte das Geschäft seines Vaters floriert und er wollte expandieren. Mehr hörte man jedoch nicht von dem jungen Mann.
Er war hilfreich. Charles Trout half überall in der Nachbarschaft, wo er nur konnte. Sei es Reparaturen, Unfälle oder ganz einfach Babysitting. Er schien in allem einfach ein Ass zu sein und jede Familie wünschte sich einen Sohn wie ihn.
Zugleich wünschten sich alle Junggesellen des Ortes einen Mann wie ihn zu daten, oder noch besser, Charles Trout selbst zu daten, doch er hatte bisher alle Versuche abgelehnt. Man konnte ihm jedoch nicht wirklich böse sein, denn er tat es mit einer solch aufrichtigen Entschuldigung, dass man ihm verzeihen musste.
Doch eines Tages wollte Jason Hale, der Sohn des Chefs der Nachbarschaftswache, erfahren, was Charles Trout davon abhielt die Junggesellen anzunehmen.
„Er hat bestimmt irgendein Geheimnis. Und sieh ihn dir an! Dieser Mann ist definitiv nicht vollkommen straight! Das erkenne ich!" meinte Jason als er mit Madeleine Goldstein die Acacia Street entlangging und sich Haus 12 näherten, in dem der besprochene Mann lebte.
„Vielleicht ist er nur noch nicht bereit für eine Beziehung. Oder er hat schon jemanden" schlug Madeleine vor, auch wenn dieser Gedanke sie traurig machte. Der Mann, mit dem sie ihr ganzes Leben verbringen wollte, sollte bereits vergeben sein? Wer auch immer der oder die Glückliche war, Madeleine konnte nicht anders als eifersüchtig sein. Schließlich war es hier Charles Trout, von dem sie sprachen.
„Ach ja? Und wo ist dieser mysteriöse Lover? Hm? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wirklich jemanden hat. Wieso sollte derjenige ihn dann alleine lassen? Jeder weiß, dass Charles Trout nicht nur heiß, sondern auch noch charmant ist und er könnte jeden haben. Wenn man ihn alleine in eine Stadt ziehen ließe, würde man ihn freiwillig aufgeben! Niemand kann für immer treu bleiben und ich werde das beweisen!" stellte Jason klar und er verschnellerte seinen Schritt.
Madeleine wusste nicht ganz, was sie davon halten sollte. Jason wollte, dass Charles fremd ging, sollte er tatsächlich jemand anderen haben. Sie verstand zwar seinen Ansatz, schließlich war die gesamte Stadt verzaubert von dem jungen Mann, mit den brustlangen, weiß-blonden Haaren und den wohl schönsten Augen, die man je gesehen hat. Es war bekannt, dass man ihm nachsah, wenn er seine Haare halb hochband oder wenn er dabei half die Einkäufe der alten Frau neben ihm zu ihr nachhause zu tragen. Er war schließlich wie ein Star hier, obwohl niemand außerhalb von Fairfield von ihm wusste. Er war ihr ganz privates Highlight und Fairfield wäre nicht mehr Fairfield ohne das Gerede über den jungen Mann in der Acacia Street 12.
„Vielleicht ist es gut, wenn er niemanden hat. Ich meine, man würde damit Freundschaften zerstören, möglicherweise sogar Beziehungen! Jeder wäre eifersüchtig auf dich, Jason. Selbst wenn du ihn rumkriegst. Ich weiß nicht...das ist keine gute Idee..." meinte Madeleine nur unsicher, doch Jason warf ihr nur eine wegwerfende Handbewegung zu und schüttelte den Kopf.
„Ach was. Ich werde beweisen, dass der perfekte Mister Trout doch nicht so perfekt ist, wie alle immer denken!" verkündete er selbstsicher und er war schon bei der weißen Haustüre angekommen, die das Schild der Nummer 12 trug.
Ohne zu Zögern drückte er die Klingel und wartete mit verschränkten Armen.
„Ich erzähle dir später, ob es funktioniert hat oder nicht, Madeleine. Du musst nicht warten" sagte er nur nebensächlich und Madeleine nickte leicht, bevor sie ging, wie es ihr gesagt worden war.
Die Türe öffnete sich nur Momente später und vor Jason stand der attraktivste Mann, den er jemals gesehen hatte. Der Mann, der ihm gehören würde. Schließlich war er ebenso einer der besten Partien in Fairfield. Es war also Schicksal, wenn er und Charles zusammen kommen würden! Da war er sich sicher.
„Ah. Jason. Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?" fragte Charles lässig und lehnte locker an der Tür. Jason konnte seine Muskeln sehen, die durch das anliegende T-Shirt definiert abgebildet wurden und seine starken Arme, die er um sich wünschte. Die Vorstellung daran, wie Charles ihn nach oben in sein Schlafzimmer tragen würde und aufs Bett schmiss-
Er bekam allein davon schon Gänsehaut.
„Charles. Schön dich zu sehen. Ich war gerade in der Gegend, meine Tante Marigold besuchen und wollte noch einen Sprung bei dir vorbeischauen. Darf ich?" fragte er nur und Charles machte Platz, damit er in sein Haus konnte.
Es war einladend, friedlich. Als hätte dieser Mann tatsächlich sein Leben vollkommen im Griff. Es war sauber und aufgeräumt, doch nicht zu sauber und aufgeräumt, dass man denken könnte, er wäre ein absoluter Psychopath. Ein bisschen dreckiges Geschirr war noch in der Spüle und wartete wohl, verräumt zu werden. Eine Tasse mit irgendeinem Getränk stand am Kaffeetisch und ein dunkelblauer Mantel lag über dem Sofarücken. Er war wunderschön und war wohl teuer gewesen, wenn Jason es richtig beurteilte.
„Das ist ein wunderschöner Mantel. Woher hast du ihn?" fragte er nur interessiert während er über den weichen Stoff strich und sich davon abhalten musste, daran zu riechen. Er roch bestimmt nach Charles.
„Oh, er ist schon alt. Ein Geschenk meines Vaters" meinte der junge Mann nur und nahm den Mantel von der Lehne um ihn aufzuhängen. Im Sommer war es wohl zu heiß für einen solchen Mantel, doch Jason würde gerne sehen, wie sich der dunkle Stoff um Charles' sanfte Kurven schmiegte.
Einen Moment war es still und sie saßen in angenehmer Ruhe nebeneinander auf dem Sofa. Charles beobachtete Jason interessiert, als würde er nur darauf warten, bis er seine Frage stellte, die ihm bereits auf der Zunge brannte wie billiger Alkohol im Rachen.
„Charlie. Darf ich dir eine Frage stellen?" fragte Jason nur und er rückte etwas näher an den jungen Mann, der nicht zurückwich. Jason nahm dies als Gewinn und lehnte sich noch etwas vor, um Trout tief in die blauen Augen zu sehen.
„Ich wäre enttäuscht, wenn du es nicht tätest" erwiderte Charles nur lässig und Jason schnaubte amüsiert bei dieser Aussage.
„Bist du vergeben? Ich meine, ich würde verstehen, wenn so ein attraktiver Mann wie du jemanden hätte, doch es wundert mich dennoch wieso du ganz alleine in diesem Haus lebst" äußerte er die Frage und er legte seine Hand auf Charles'. Einen kurzen Moment wanderte Charles' Blick zu Jasons Hand und dann wieder zurück zu seinen Augen.
Ein leichtes Lächeln zierte seine Lippen und er nahm Jasons Hand von der seinen.
„Ich fühle mich geschmeichelt, Jason, wirklich. Aber ich kann das nicht annehmen. Tatsächlich habe ich bereits jemanden in meinem Leben und ich habe nicht vor ihn zu betrügen," erklärte Charles selbstsicher und Jason fühlte, wie Wut in ihm aufstieg, als er diese Aussage hörte.
„Aber wieso? Ich meine, du kannst nicht so perfekt sein und deinen Partner nicht einmal betrügen, wenn er dich ein ganzes Jahr allein gelassen hat!" beschwerte sich Jason nur und verschränkte empört seine Arme.
„Ich liebe ihn, Jason. Und nichts kann mich davon stoppen ihn jemals zu lieben. Der Abstand war meine Entscheidung und meine Entscheidung allein. Er wird kommen und hier einziehen, sobald ich bereit bin, doch im Moment habe ich wichtigere Dinge, um die ich mich kümmern muss, selbst wenn es mich jeden Tag schmerzt, ihn nicht bei mir zu haben" sagte Charles ruhig und Jason konnte nicht verstehen, wie er damit so entspannt umgehen konnte. Als Jasons erster Freund, Dylan, weggezogen war und ihn damit ganz alleine ließ, war er vor lauter Trauer und Wut nicht mit der Fernbeziehung klar gekommen und hatte ihn verloren. Doch Charles nahm es so locker, als wäre es tatsächlich okay einfach so verlassen zu werden, vielleicht sogar ohne einen guten Grund.
„Das tut mir so leid, Charles. Ich- ich wollte nicht so in dein Privatleben eindringen. Es tut mir wirklich leid" entschuldigte er sich beschämt, doch Charles schüttelte nur leicht den Kopf.
„Es muss dir nicht leid tun, Jason. Ich wäre dir nur sehr verbunden, wenn es unter uns bleiben würde. Schließlich weiß ich, wie schnell sich Gerüchte hier verbreiten und es kann wirklich anstrengend sein dauernd Stadtgespräch Nummer 1 zu sein" meinte er nur freundlich und Jason nickte.
Irgendwie hatte er nicht mehr das Bedürfnis, jedem zu erzählen, was tatsächlich hinter Charles steckte. Er wollte nur ein guter Freund für ihn sein.
||Ein Jahr und sechs Monate nach Casmiels Verschwinden||
Charles war alleine in seinem Haus. Es war spät. Besser gesagt bereits 3 Uhr morgens, doch für den jungen Mann war es normal so spät noch auf zu sein. Er hatte die Lichter in seinem Haus ausgeschalten und fand sich sehr gut ohne jegliche Lichtquelle zurecht, da sich seine Augen schon an die Dunkelheit gewohnt hatten, die nur durch die Straßenlaternen ausgeglichen wurde. Doch manchmal war es einsam so ganz allein auf dem himmelblauen Sofa in seinem aufgeräumten und sauberen Wohnzimmer zu sitzen, dass sich nicht wirklich wie ein Zuhause anfühlte. Noch nicht.
Eineinhalb Jahre waren vergangen, seitdem er hier her gezogen war, in die kleine Stadt namens Fairfield, genauer noch in der Acacia Street 12, doch noch immer fehlte etwas innerhalb der weißen Wände.
Sein Blick landete auf dem dunkelblauen Mantel, der bei seinen anderen Jacken hing, nahe der Eingangstür. Er war schon lange dort. Nicht einmal im Winter hatte er es gewagt, diesen Mantel anzuziehen und war lieber bei einem anderen, billigeren und weniger emotionsschweren Mantel geblieben, der nur ein langweiliges Schwarz getragen hatte. Dennoch war er in bester Verfassung, noch immer so schön wie einst, als er ihn das erste Mal angezogen hatte.
Auf einmal schalteten sich sein Warnsinn ein und vorsichtig stand er von seinem bequemen Platz auf. Ohne ein Geräusch zu machen, schlich in die Küche und nahm eines der scharfen Messer aus seinem Messerblock, die er normalerweise zum Kochen gebrauchte, jedoch auch für etwas gewalttätigere Zwecke nützlich waren. Er hatte zwar gehofft, sie niemals für etwas dergleichen zu benutzen, doch Charles war schon immer etwas paranoid gewesen und auf jede mögliche Situation vorbereitet.
Er schlich weiter und blieb hinter einer Mauer stehen, die den Torbogen in das Wohnzimmer von der Küche darstellte und kauerte dort einige Momente lang, bis er Stimmen vernehmen konnte.
„Sagt mir nicht, ihr habt ihn verloren!" zischten sie leise. Wäre Charles nicht gewohnt, leisen Stimmen lauschen zu müssen, hätte er sie vermutlich nicht gehört. Ihre Schritte waren wohl stumm gewesen. Sie waren also ausgebildet.
„Wir haben Anweisungen. Findet ihn. Tötet ihn nicht. Sie brauchen ihn. Unbeschadet" zischte eine andere Stimme, die wohl das Sagen hatte.
„Was wenn er sich wehrt?" fragte jemand. Charles erkannte keine der Stimmen. Das war seltsam. Ungewohnt. Normalerweise kannte er die Leute, die ihn finden wollten.
„Unversehrt, Nummer 7. Unversehrt. Das sind alle Informationen, die wir bekommen haben" ermahnte die führende Person erneut und Nummer 7, wie sie ihn genannt hatte, war wieder still. Sie suchten ihn also jetzt.
Rasch schlich er weg von den Stimmen und ging zu einer gewöhnlich-wirkenden Diele im Boden der Küche und drückte an der oberen, rechten Ecke etwas, sodass sie sich verschieben ließ. Darunter war eine Waffe. Sie würde still sein, ein Schussdämpfer war daran angebracht. Schließlich wollte Charles seine Nachbarn nicht stören, die zu dieser Zeit vermutlich schliefen.
„Wieso sollte er nicht in seinem Bett sein? Es ist drei Uhr morgens! Sicher das er nicht ausgegangen ist?" fragte eine weitere Stimme. Inzwischen zählte Charles vier von ihnen.
„Sie haben uns doch gesagt, dass er nicht viel schläft. Vermutlich ist er hier irgendwo. Aufmerksam!" erinnerte ihn die führende Person, Charles war sich inzwischen ziemlich sicher, dass sie weiblich war, während sie ihre Stimme gedämpft hielt und weiter durch das Haus schlich.
Ihre Auftragsgeber kannten ihn also. Interessant. Also kannten die Einbrecher ihn nicht. Das war ein wichtiger Fakt.
Er schlich zurück in die Küche, die bald von den Tätern betreten werden würde und füllte sich so leise wie nur möglich ein Glas mit Wasser ein. Dann drehte er sich um und ließ es mit einem geschockten Gesichtsausdruck fallen. Das Glas zersprang, Wasser floss auf seinen schönen Holzboden, doch Charles konzentrierte sich momentan auf etwas anderes.
„W-was machen Sie in meinem Haus? Ich w-werde die Polizei rufen!" warnte er seine Angreifer mit zitternder Stimme und aufgerissenen Augen.
Die vier Einbrecher bedrohten ihn mit ihren Waffen. Ihre Gesichter waren bedeckt, sodass er sie nicht erkennen konnte. Großartig.
„Ihre Kraft wurde von uns lahm gelegt! Sie sind machtlos gegen uns!" sagte die führende Person ruhig und ließ die Waffe langsam sinken.
Die Auftragsgeber kannten ihn also wirklich gut.
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden!" versuchte er sie ängstlich zu überzeugen, doch die Täter ließen ihn nicht einen Moment aus den Augen.
„Geben Sie es auf. Wir wissen wer Sie wirklich sind!" sagten die Täter und kamen immer näher.
Charles beschloss in diesem Moment, dass es vermutlich besser sein würde, einen anderen Plan zu verfolgen. Er rollte sich blitzschnell am Boden ab und hielt die Person, die ihm am nächsten war fest, ein Messer an ihre Kehle gedrückt und ein charmantes Lächeln auf seinen Lippen. Die Pistole würde seine letzte Initiative sein.
„Na, na. Es ist doch unhöflich einfach in ein Haus zu kommen ohne vorher zu klingeln. Ich bin Überraschungsbesuche inzwischen gewohnt, doch sogar diese Leute waren in der Lage mich vorzuwarnen und mich dann nicht in meinen eigenen vier Wänden zu bedrohen" meinte er nur mit einem herablassenden Unterton und die Waffen waren nun wieder alle auf ihn gerichtet, während der Mann in seinem Griff die seine fallen gelassen hatte.
„Lassen Sie ihn los! Wir werden Ihnen nichts tun. Unsere Auftragsgeberin will nur mit Ihnen sprechen, mehr nicht" versuchte die Anführerin die Situation zu beruhigen. Charles war nicht überzeugt und ließ die Person nicht los. Er war schließlich kein Idiot.
„Ach ja? Worte sind gefährlich, wenn sie von bestimmten Personen kommen, die wissen, wie man sie als Waffe benutzt. Wer ist diese Auftragsgeberin denn?" fragte er nur ruhig während er das Messer etwas fester an die Kehle des Mannes drückte.
Plötzlich hörte Casmiel ein seltsames Geräusch, doch er wagte es nicht, sich umzudrehen. Er hatte dieses Geräusch das letzte mal vor eineinhalb Jahren gehört und er konnte sich nicht sicher sein, ob es nicht eine Täuschung seines eigenen Geistes war.
„Ganz ruhig, mein lieber Charles. So hast du dich doch genannt, nicht? Ein wirklich idiotischer Name. Basic" meldete sich eine Stimme zu Wort und Charles gefror. Es konnte nicht sein. Sie konnte es nicht sein. Niemals.
„Ich dachte, du würdest mich nicht so schnell vergessen, mein Lieber. Schließlich haben wir so einiges zusammen erlebt. Aber ich sollte nicht verwundert sein. Schließlich bist du immer schon so gewesen. Habe ich nicht recht, Casmiel Tripe?"
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