03

Entsetzt betrachte ich die Untoten. Einige laufen mehr oder weniger auf zwei Beinen, andere kriechen ohne Beine herum und alle sind gleich hässlich und eklig.

An sich eine schaurige, gruselige Szene, aber wenn ich genauer darüber nachdenke, ist das Ganze mehr ekelhafter als alles andere. Fassungslos schaue ich zu, wie ein Zombie versucht, seinen Kopf durch die Fensterscheibe zu stecken, und anstatt die Scheibe zu zerbrechen, bricht sein Schädel. Ungläubig oder nicht, ich bete zu Gott, dass das verdammte Glas besser hält als sein Kopf.

Aber ich weiß nicht, ob da oben gerade alle Leitungen besetzt sind oder ob Gott mich einfach nicht hören will – was ich ihn eigentlich nicht übelnehmen kann. Jedenfalls bekommt das Glas vor mir Risse. „Scheiße!", ruft ein Mann direkt neben mir, als er auch die Risse entdeckt und diesen gottverdammten Zombie, der versucht, in den Bus zu kommen. Oh ja, Scheiße ist ein schönes Wort, um das alles hier zu beschreiben, auch wenn es zu harmlos klingt. Aber habt ihr es schon einmal auf Russisch gehört? Дерьмо. Ja, das klang passend.

Дерьмо! Дерьмо! Дерьмо!

Wobei Fuck auch sehr treffend wäre. Weiß zufällig jemand, wie das auf Russisch heißt? Nein? Ist auch egal. Wie alles hier. Egal wie oft ich die Zombies verfluche, egal wie oft ich das Glas verfluche. Am Ende läuft es auf das Gleiche hinaus! Wir sind alle am Arsch, wenn uns niemand hilft.

Plötzlich kommt mir eine Idee. Die da draußen sind tot oder nicht - und wenn nicht, ist es mir auch egal – und wir sitzen hier in einem Bus, der jeden aus dem Leben reißen kann, wenn er nur schnell genug fahren würde. Warum zum Teufel überfahren wir sie nicht einfach?

Ich bahne mir einen Weg zwischen altem Damenparfüm und Herrenschweiß und Angstgeruch nach vorne. Das klingt einfacher als es schlussendlich ist. Bei jeder Bewegung schreit mindestens einer auf oder zuckt zusammen. Selbst ich erschrecke immer wieder, wenn sich der Bus bewegt, weil irgendein Zombie dagegen gerannt ist. Wenn ich nicht wegen den Zombies umkomme, dann ganz sicherlich wegen Herzversagen.

Endlich vorne angekommen, suche ich den Busfahrer, der sich irgendwie in Staub aufgelöst hat. Mein Blick sucht immer panischer die Fahrerkabine ab und... Ah, da ist er. Der arme Kerl sitzt zusammengekauert unter seiner Jacke auf seinem Sitz und als ich neben ihm zu stehen komme, blicken mich seine panisch aufgerissenen grauen Augen an. Kurz bin ich etwas enttäuscht, dass er nicht einer der knallharten, immer grimmig blickenden alten Busfahrer ist, sondern ein zwar grimmiger, aber doch recht junger Mann.

„Aufstehen! Sofort!", befehle ich ihm und fühlte mich plötzlich wieder in meine Bundeswehrzeit zurückversetzt. Verwirrt, aber entschlossen steht der Fremde auf. Vielleicht auch Bundeswehr? Und wenn ich Zeit hätte, würde ich ihn von oben bis unten mustern und mir überlegen, ob versuchen sollte ihm ins Bett zu bekommen oder nicht. Aber die Zeit fehlt mir jetzt natürlich. Und so dränge ich mich an ihm vorbei und setze mich auf den warmen Sitz. Erfreut stelle ich fest, dass der Schlüssel noch steckt.

„Was zum fick haben Sie vor?", fragt er und am liebsten hätte ich geantwortet: „Eure Ärsche retten und mich wichtig fühlen!". Aber da das alles eher eine Kurzschlussreaktion war, hatte ich keinen passenden Spruch parat.

Also verkneife ich mir jeglichen Kommentar, bevor ich mich blamiere, und lasse den Motor des großen Wagens aufheulen, bevor ich das Gaspedal durchtrete. Erschrocken stelle ich fest, dass alles nach Plan läuft. Denn das tut ein Plan von mir eigentlich nie. Meistens ging alles schief. Aber jetzt rase ich mit so vielen Stundenkilometern durch die Zombie-Massen, dass es nur so von Gliedmaßen und Blut regnet.

Habe ich schon erwähnt, dass ich keinen Führerschein habe? Wenn nicht, dann wird es Zeit. Also ja, ich habe keinen Führerschein. Gut, das haben wir geklärt. Weiter geht's mit der Geschichte.

Neben mir höre ich immer wieder die anderen Fahrgäste schreien, fluchen und meine nicht vorhandenen Fahrkünste kommentieren. Das tut mir wirklich weh. Ich meine, ich habe noch keinen Unfall gebaut und überfahre nur Untote. Das ist schon eine Verbesserung zu dem, wie ich sonst fahre! „Wo haben Sie denn das Fahren gelernt?", fragt eine recht jung aussehende Dame mit streng hochgestecktem braunem Haar und schwarzer Brille. Frau Rottenmeier, sind Sie das? Grinsend drehe ich mich zu der Frau um, die dem Kindermädchen aus Heidi verdächtig ähnlichsieht. „Nirgendwohin, ich habe nie meinen Führerschein gemacht!"

Ob sie das hören wollte, weiß ich nicht. Ich vermute eher nicht, denn die Dame schien über diese Information nicht sehr erfreut zu sein. Aber was sollte ich denn sonst tun? Den Tod riskieren, nur weil sonst niemand mit Führerschein fahren wollte? Auf keinen Fall! So unbedeutend mein Leben auch sein mag, ich will auf keinen Fall so sterben.

„Und wohin wollen Sie bitte?", fragt der Busfahrer.

Oh, das ist eine gute Frage. Fuck, die Frage ist wirklich verdammt gut. Wohin will ich überhaupt fahren? Aber die Antwort nicht. Denn meine Antwort würde lauten: „Stell keine verdammten Fragen, du scheiß Hurensohn. Sehe ich aus, als wüsste ich, was ich hier mache? Woher soll ich dann wissen, wo ich verdammt nochmal hinwill?" Aber da ich so sozial bin und heute ausnahmsweise mal keine Mordgedanken an die Allgemeinheit habe, überlege ich mir sorgfältig, was ich antworten werde, um die anderen nicht noch mehr zu stressen.

„Ich versuche irgendwo hinzukommen, wo wir sicher sind!", erkläre ich also ganz nett und konzentriere mich darauf, möglichst viele Zombies auf meinem Weg mitzunehmen. Irgendwie macht es sogar Spaß, all die hässlichen Gesichter zu überfahren und zu wissen, dass man im Moment sicher ist. Vielleicht sollte man daraus ein Videospiel machen.

Und so fahre ich einfach weiter, einem Ziel entgegen, das ich noch nicht kenne und versuche verzweifelt weiter zu Gott oder sonst irgendeinem Heiligen zu beten.

Aber weit lässt mich das Schicksal nicht kommen. Irgendjemand muss gesagt haben: „Es könnte schlimmer sein" oder andere magische Worte. Was auch immer es war, es war genau das, was den Bus von der Straße gedrängt hat.

Von was fragst du dich?

Na, von Zombies! Aber nicht von normalen, neee das wäre ja langweilig.

Nein, von übermenschlichen Zombies, die es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht haben, den Bus wie Fußballspieler zu takeln. Als wäre das Fahrzeug nicht groß und schwer.

Und plötzlich scheint es, als würden wir alle im Bus fliegen. Als hätte jemand einfach die Schwerkraft im Fahrzeug ausgeschaltet. Aber was wirklich passiert, ist leider nicht so schön. Denn wir fliegen nicht, wir fallen. Wir und der Bus fallen von der verdammten Brücke, von der ich schwören könnte, dass ich nicht darauf gefahren bin.

Дерьмо!

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top