36. Das Ende
Das Gebäude der Island High lag größtenteils in Trümmern. Der ganze östliche Teil war eingestürzt, außer ein Haufen Schutt war nichts mehr davon übrig. Gesteinsbrocken hatten auch umliegende Bäume getroffen, die jetzt klaffende Löcher in ihrem Stamm aufwiesen. Trotzdem regte sich auf der Insel geschäftiges Treiben. Bewusstlose Schüler wurden aus den Trümmern geholt, Verletzte hockten sich am Waldrand ins Gras. Taina hatte alle Hände voll zu tun, schien aber einer Erschöpfung nahe, und auch die Krankenschwester Leonora wuselte überall herum. Am Rand des eingestürzten Gebäudes schlug William die Augen auf. Sein ganzer Körper schmerzte und als er sich ein wenig zu voreilig aufsetzte, zwang ihn der Schwindel dazu lieber noch eine Weile sitzen zu bleiben. Sein Blick glitt über das eingestürzte Gebäude, an einer Stelle ragte noch die Spitze eines Schreibtisch heraus. Schlagartig fiel Will Vince wieder ein und um sich nicht weiter mit der Frage quälen zu müssen was in diesem tödlichen Berg an Trümmern noch von Jeremy übrig geblieben war, strauchelte er leicht benommen zu dem Schreibtisch herüber. "Mr. Blavory!", rief er heiser. Unter dem Schreibtisch lag in einem kleinen Hohlraum geschützt der bewusstlose Körper des Lehrers. Will fühlte sofort seinen Puls, aber der war noch da. "Hey!", winkte er erleichtert einem Lehrer zu, der sofort angerannt kam und noch jemanden dazuholte, damit sie gemeinsam den bewusstlosen Vince aus dem Geröll befreien konnten. "Alles in Ordnung bei dir?", fragte Anatol nach und Will nickte schnell. Zwar war ihm schlecht und er fühlte sich schlapp, aber ihm schien wie durch ein Wunder nichts Schlimmes passiert zu sein. Nur wo war Jeremy? Während die beiden Lehrer Vince wegtrugen, kämpfte sich Will auf die Beine und kletterte in die Richtung, in die er Jeremy vermutete.
Auf dem Vorplatz hatte sich auch die fünfte Klasse versammelt. Alle waren zum Glück rechtzeitig aus dem Gebäude entkommen, nur Louise hatte ein Stück der Decke auf den Kopf bekommen und war gerade von Taina geheilt worden. "Wie fühlst du dich?" Dylan hockte bei ihr und sah sie besorgt an. "Schon besser", lächelte sie leicht. Es kam ihr wie ein Wunder vor, dass sie es alle überhaupt überlebt hatten. Ihre Vision hatte sich zwar bewahrheitet, aber Dylan und Adam hatten mit ihrer Vermutung richtig gelegen, dass sie nur bewusstlos wurde und nicht sterben würde. Die Lehrer und älteren Schüler waren zwar immer noch dabei alle durchzuzählen, aber bis jetzt sah es so aus, als sei niemand unter dem Schutt begraben worden. "Danke", flüsterte Louise Dylan leise zu. Er lächelte nur.
"Jeremy!" Will hatte Jeremy entdeckt, der auf wundersame Weise nicht zwischen Gestein eingeklemmt oder sogar verschüttet worden war. Reglos lag er oben in einer Kuhle zwischen den Steinen und rührte sich nicht, die Augen hatte er geschlossen. Wahrscheinlich lag es an seiner Fähigkeit, dass er nicht von dem Sturm beeinträchtigt wurde, außer auf Basis der Anstrengung. "Jeremy!", wiederholte er leiser als er zu ihm geklettert war, zog ihn an sich und legte seinen Kopf zärtlich auf seinen Schoß. Jeremy war blass und eiskalt und eine Sekunde lang dachte er, er wäre tot, aber ganz schwach war ein Herzschlag zu spüren, Jeremy atmete, er lebte! Vor Erleichterung traten Will Tränen in die Augen. Was jetzt mit ihm passieren würde, das würde sich noch klären, Hauptsache er lebte und war noch bei ihm.
"Dahlia, ich muss dir etwas zeigen." "Ist es wichtig oder kann es noch kurz warten?" Dahlia hatte gerade wieder einen verletzten Schüler getröstet und würde sich wirklich gerne zu ihrem Neffen Dylan begeben, aber Luna hielt sie auf. "Glaub mir, du wirst das hier erfahren wollen." Verwirrt schaute Dahlia die Schwarzhaarige an. Wovon redete sie da? Was wollte sie erfahren? Das fast schon vergnügte Funkeln in Lunas Augen machte die junge Lehrerin noch vorsichtiger. "Was ist denn los?", fragte sie nach, aber Luna winkte nur einen weiteren Schüler heran, Max Collins. Verwirrt trat der näher, die Aufmerksamkeit sämtlicher Lehrer und vor allem auch der Schüler der elften Klasse lag jetzt auf dem Geschehen. "Es wird dich vielleicht interessieren, Dahlia, dass vor dir nicht der hilflose Schüler mit der tragischen Vergangenheit steht, sondern dein Bruder." Dahlia schnappte erschrocken nach Luft, Max wich mit immer noch sehr verwirrter Miene zurück. "Was redest du da?!", zischte Dahlia. "Maximilian ist tot, ich war dabei, ich habe...". "...ihn umgebracht, ja", führte Luna den Satz fort und ein leises, geschocktes Getuschel stieg in den Reihen der Schüler auf. "Im Gegensatz zu dir habe ich aber meine Fähigkeiten als Spionin richtig genutzt." Und mit einer blitzschnellen Bewegung hatte Luna sich gebückt und zog ein dünnes Fußkettchen von Max' Knöchel. Sofort veränderte sich seine Gestalt vor den Augen der anderen. Max rotbraunes Haar wurde etwas dunkler, feuerrote Strähnen zogen sich hindurch, seine einst grauen Augen strahlten jetzt in einem dunklen blau und er fixierte Dahlia mit einem plötzlich sehr kühlen Blick.
Dahlia stand einfach nur da und starrte ihren Zwillingsbruder an, stumm rannen Tränen über ihre Wangen. Sie hatte jahrelang gedacht, dass er tot war, dass sie ihn umgebracht hatte, aber er war die ganze Zeit hier gewesen. Deswegen hatte Max sich ihr angenähert, deswegen hatte er nur ihr seine Geschichte erzählt. Umrundet von den geschockten Lehrern und Schülern hatte Maximilian keinen Ausweg und er versuchte auch gar nicht zu entkommen. Vince, der mittlerweile wieder auf den Beinen war, führte Max ab zum Boot, Isaac näherte sich Dahlia und zog sie sanft in eine Umarmung.
"Ja klar, dankt mit später", schnaubte Luna und wedelte unbeeindruckt mit der dünnen Kette herum. "Ist ja nicht so, als hätte ich gerade euren bösen Spion geschnappt, weil ich die einzige hier an der Schule bin, die tatsächlich die Bezeichnung "Spionin" verdient hätte." "Aber was ist mit Jeremy?", fragte Corey verwirrt. "Ich dachte er wäre der böse Spion? Den Einsturz hat er ja auch verursacht." "Dann gibt es eben zwei, meine Güte", verdrehte Luna die Augen. "Stichwort Jeremy... wo ist er überhaupt?"
Will war noch nicht von Jeremys Seite gewichen. Seine Haut fühlte sich immer noch eiskalt an und seine Augenlider flatterten, manchmal kam es Will so vor, als würde er zusammenzucken oder zittern, aber er war sich nie sicher. Was auch mit ihm los war, er brauchte Hilfe. Will rappelte sich auf und hob vorsichtig Jeremys schlaffen Körper hoch. Er war zwar schwer, aber er würde ihn hier raustragen, egal wie das jetzt aussah und wie anstrengend es sein mochte. Jeremy mochte vielleicht falsche Entscheidungen getroffen haben, aber er war kein schlechter Mensch, sonst würde er nicht lieben können. Und wie wütend Will auch auf ihn sein wollte, dass er es zwischen ihnen ernst gemeint hatte, das hatte er spüren können. Oben auf dem Schuttberg stoppte er kurz, um zu verschnaufen und erblickte unten seine Klassenkameraden. Würden sie ihn überhaupt mit Jeremy helfen wollen? Oder waren sie alle so wütend auf ihn, dass sie ihn einfach in diesem Zustand auf das Boot brachten und ihn irgendwie dem Gefängnis auslieferten? Aber bevor Will es sich anders überlegen konnte, war er schon entdeckt worden und Summer und Felix rannten schon auf ihn zu, um ihm zu helfen. Zusammen trugen sie den bewusstlosen Jeremy nach unten auf den Vorplatz, Felix holte Taina.
Während sie auf die Heilerin warteten krampfte sich Jeremy plötzlich zusammen und fing an zu husten. "Was hat er?", fragte Will panisch, aber keiner wusste eine Antwort. Entsetzt musste Will mitansehen wie Jeremy Blut hochwürgte und unkontrolliert zu zittern anfing. "Das sind die Folgen seiner Fähigkeit", sagte eine sanfte Stimme, Taina war endlich gekommen. "Dann machen Sie schnell dass es aufhört!", rief Will fast schon panisch. Er konnte es nicht ertragen Jeremy so zu sehen, blass, verletzt und beinahe leblos. "Das kann ich nicht", flüsterte Taina traurig. "Ich kann nur Verletzungen heilen, Jeremy ist nicht verletzt." Erschlagen sah Will wieder auf den Jungen hinab und er konnte die Blicke der anderen förmlich auf seiner Haut brennen fühlen. Ihm war klar, dass die anderen es jetzt wussten, sie wussten von seinen Gefühlen für Jeremy, aber im Moment war ihm das sogar egal. Wichtiger war, dass Jeremy wieder zu sich kam und wieder gesund wurde, dass er die Chance bekam sich zu erklären und sich und alle anderen nie wieder so in Gefahr brachte. Will merkte nur noch wie Summer tröstend einen Arm um ihn legte und den anderen das Signal gab zu verschwinden und sie alleine zu lassen.
Vince hatte Max derweil in die Obhut des Kapitäns gegeben. Gefesselt war er auf das Boot transportiert und dort von dem Lehrer zurückgelassen worden, aber Vince bat ihn noch eben zu warten bis er wieder zurück war. Er musste jetzt unbedingt nochmal nachschauen, ob er Kate finden konnte, denn seit dem Einsturz war sie verschwunden. Natürlich hatten auch die anderen Lehrer die Abwesenheit der Schulleiterin bemerkt, hatten aber nur traurige Blicke wechseln können. Kate war bei Jeremy gewesen als es passierte und viele Tonnen Schutt lagen jetzt an dieser Stelle. Es war unwahrscheinlich, dass Kate es überlebt hatte. Zu diesem traurigen Entschluss kam er auch, als er noch mal das ganze Gebiet absuchte, Stücke der Wand oder von Möbeln zur Seite schob. Kate konnte nicht mehr leben, ihre Leiche musste irgendwo unter diesem Geröllberg liegen. Nein, das kann nicht sein, sie hat sich bestimmt retten können und taucht gleich auf als wäre nichts passiert, so ist sie. Also konzentrierte Vince sich darauf den gesundheitlich schon wieder etwas stabileren Jeremy ebenfalls zum Boot zu bringen. Es ging jetzt wahrscheinlich keine Gefahr mehr von ihm aus, aber trotzdem war er es gewesen, der die Kinder in Gefahr gebracht hatte und egal wie sehe William protestiert hatte, Jeremy wurde weggebracht. An Bord nahm der Kapitän ihm den Jungen ab und brachte ihn nach unten in den Frachtraum zu Max. "Bringen sie die beiden ans Festland und lassen sie sie erstmal bewacht und gefesselt an Bord, danach kommen sie mit weiteren Booten her, alle müssen von der Insel runter." Der Kapitän brummte nur und nickte und Vince ging von Bord.
Und während das Boot langsam davonfuhr, lag der gefesselte und geknebelte Kapitän bewusstlos unten im Frachtraum...
Das wars! Aaaah! Es ist vorbei! Ich kann es nicht glauben! Ich will gerade weinen und schreien und lachen und alles gleichzeitig, aber ich sitze nur hier und werde von meinem Bruder genervt. Es ist noch nicht in meinen Kopf durchgesickert glaube ich...
Btw ich habe das hier mitten in der Nacht irgendwo geschrieben und nicht drüber gelesen, weil ich keine Zeit mehr hatte... also... xD
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