03. Habt Geduld
Tim
Seine erste richtige Mission zu bestreiten und dabei sogar ein entführtes Mädchen befreien - falls alles nach Plan lief - war eine Ehre für Tim. Es fühlte sich gut an, etwas für die Gerechtigkeit zu tun, Menschen zu helfen und versuchen Verbrecher zu schnappen.
Während die erste Gruppe von Alexander zum Internat gefahren wurde, war Lynn Juran mit der zweiten Gruppe beschäftigt. Sie hatte sie zu sich auf den Innenhof der Pension gerufen und sah sie nun nacheinander streng an. Tim stand zwischen Aurí und Jack und warf Letzterem einen gespannten Blick zu. Was hatte Lynn vor?
Noch immer schweigend fing sie an hin und her zu laufen und sie eingehend zu mustern, als würde sie prüfen wollen, ob ihnen zu trauen war. Tim hatte gestern Abend von Niyol erfahren, dass Lynn keine Fähigkeit hatte und ein ganz gewöhnlicher Mensch war, aber in diesem Moment fühlte er sich ihr doch unterlegen. Ihr stechender Blick machte ihm Angst und so wagte er es nicht mal in ihre Gedanken einzudringen und da die Antworten auf dieses komische Verhalten zu finden.
"Kommt da noch was?", meldete sich Luna wie immer in ihrem abschätzigen Ton zu Wort. Sie schien als einzige überhaupt nicht nervös, hatte nur ganz lässig die Arme verschränkt und verfolgte Lynns Hin- und Hergehen mit hochgezogener Augenbraue. Lynn ignorierte sie, blieb aber trotzdem plötzlich stehen und holte eine kleine, silberne Kugel aus ihrer Jackentasche.
"Ich möchte euch darüber informieren, dass euer Schweigen auch für diesen Teil der Mission gilt. Ihr werdet alle eine solche Kugel erhalten und sie werden nur bei absoluten Notfällen eingesetzt und nach Abschluss der Mission augenblicklich an mir zurückgegeben, verstanden? Ihr werdet sie keiner Person zeigen und auch keiner Person etwas davon erzählen."
"Und was soll dieser missglückte Ball uns bitte bringen?" Tim sah wie Aurí Luna einen strafenden Blick zuwarf, aber die Schwarzhaarige nur ganz unschuldig mit den Schultern zuckte. "Ich frage doch nur was ihr alle denkt."
"Dieser missglückte Ball ist eine Portalkugel", erklärte Lynn und drückte Jedem von ihnen eine kleine Dose mit darin eine solche Portalkugel in die Hand. Tim besah die kleine, silberne Kugel genauer und entdeckte ein filigran eingearbeitetes Muster. Er konnte nicht genau sagen aus welchem Material sie gefertigt war, denn obwohl sie so grau war wie Metall, war die ganze Dose unbeschreiblich leicht, er vermutete daher dass die Kugel hohl war und die Dose deswegen auch zu ihrem Schutz diente.
"Das Anwesen der Kings liegt viele Kilometer von hier entfernt, deswegen werden wir die Portalkugel nutzen, um zu reisen. Diese hier öffnen sich für zehn Sekunden, das sollte genügend Zeit sein, um hindurchzuspringen. Wenn ihr sie benutzt, dann müsst ihr ein genaues Ziel festlegen, dieses laut und deutlich aussprechen und die Kugel auf den Boden schmeißen. Dann wird ein Portal erscheinen und ihr müsst zügig hindurch. Wie ich bereits erwähnte, haben wir nur zehn Sekunden."
Tim verstaute seine Portalkugel schnell in seiner Tasche und reihte sich nach Lynn ein, die anderen hinter ihm. Er hörte ihre Stimme, wie sie laut "Lärchenalle 10, Arnold Kings Büro" sagte und dann mit aller Kraft die Kugel auf den Boden schmiss. Ein Klirren, wie von zerbrechendem Glas ertönte und vor ihnen öffnete sich innerhalb von Millisekunden eine bläulich bis lila schimmernde Wand, die sich in der Mitte zu einem schwarzen Strudel zusammenzog.
Bevor Tim überhaupt Blinzeln konnte, war Lynn schon hindurch gegangen und verschwunden. Er hatte gar keine Zeit darüber nachzudenken und lief ihr nach, genau durch das Portal hindurch. Ganz kurz war alles schwarz und ein Kribbeln breitete sich überall in seinem Körper aus, als er auch schon mitten in einem großen Raum vor einem Büro stand und durch ein Schubsen in seinem Rücken erfuhr, dass auch Luna hinter ihm angekommen war.
Jack kam als Letzter gerade noch hindurch, als das Portal sich schon an den Seiten zusammenzog, immer kleiner wurde und schließlich mitten in der Luft zu einem dunklen Punkt wurde und verschwand.
Etwas benommen wechselte er einen Blick mit den anderen. Tim wusste, dass sie alle dieses seltsame Kribbeln gespürt haben mussten. Es war ganz kurz so gewesen, als hätten sie im Nichts geschwebt und er wollte nicht wissen was passiert wäre, wenn einer von ihnen es nicht rechtzeitig aus dem Portal heraus und in Arnold Kings Büro geschafft hatte.
Besagter stand schon hinter seinem Schreibtisch bereit und musterte die Neuankömmlinge aus kalten grauen Augen hinter dicken Brillengläsern hervor.
"Sie sehen noch etwas jung aus, nicht wahr?", fragte er und sah Lynn fragend an. Tim fiel es schwer zu glauben, dass dieser Mann der Vater des entführten Mädchens war, so ruhig und beherrscht wie er da stand und seinen Blick prüfend über sie gleiten ließ, als wären sie hier für ein Vorstellungsgespräch.
"Oh kein Problem, wir können auch gleich wieder gehen. Es war eigentlich auch nicht unsere...". Aurí trat Luna hart auf den Fuß und schob sich mit einem entschuldigenden Lächeln vor sie, während Luna vor Schmerzen zischte.
"Tut uns Leid, Mr. King. Wir sind vielleicht jung, aber wir sind gut ausgebildet und verfügen über nützliche Gaben, die helfen können Charlotte wieder zu finden. Wir werden alles tun, um ihnen zu helfen, davon können sie ausgehen."
Kings Blick wanderte von Luna zu Aurí und wieder zurück und schließlich nickte er nur knapp. "Folgt mir, die Polizei ist im Moment nicht im Haus, deswegen könnt ihr euch umsehen und die Leute befragen, wenn ihr das wollt. Die zwei Jungen schlafen im einen, die zwei Mädchen im anderen Gästezimmer und ein weiterer Raum ist für eure Untersuchungen bereitgestellt. Wenn ein Anruf oder ein Brief kommt, dann seid ihr die ersten, die davon erfahren werden. Und so ganz nebenbei... Lynn hat mir nicht genau erzählt welche Fähigkeiten ihr habt?"
Der schwarzhaarige Mann hielt an der Tür noch kurz inne, die Hand auf der Türklinke und sah sie voller unverhohlenem Interesse an. "Ich kann Menschen einschlafen lassen und sehen wen sie zuletzt getroffen haben", machte Aurí etwas zögerlich den Anfang. Tim brauchte ihre Gedanken nicht zu lesen, um zu wissen, dass es ihr unangenehm war mit einem ganz gewöhnlichen Menschen darüber zu sprechen, der von solchen Kräften wohl nur träumen konnte.
"Unsichtbar machen im Dunklen und so", murmelte Luna mit immer noch wütend funkelnden blauen Augen. "Ich habe keine magische Gabe", sagte Jack ruhig, "aber ein Händchen für Technik, Lynn hat mir schon gesagt was ich machen muss."
Tim räusperte sich kurz, als er merkte wie Mr. Kings durchdringender Blick auf ihn landete. "Ich kann Gedanken lesen", sprach er es schließlich aus und dies war eine der Momente, wo es sich einfach komisch anfühlte.
An der Schule, mit so vielen anderen magischen Schülern, war es ganz normal, auch wenn um seine Gabe immer ein kleiner Konflikt hing, aber die anderen wussten, dass er niemals einfach so in deren Gedanken herumgrub. Für Mr. King musste es gruselig sein zu wissen, dass das was er gerade dachte für ihn öffentlich war.
"Ich werde diese Gabe natürlich nicht an Ihnen anwenden", beeilte er sich hinzuzufügen. Aber der Mann schien nach der ersten Überraschung sogar erfreut über diese Fähigkeit. Als die anderen hinausgingen hielt er ihn kurz zurück und sagte leise: "Erzähl' mir alles was du aus den Gedanken meines Personals erfährst." Tim konnte nur nicken und fragte sich gleichzeitig, ob es einfach nur Misstrauen oder ein direkter Verdacht war, der Mr. King dazu führte ihm diese Aufgabe zu geben.
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Das Personal schien aus einer Haushälterin, einer Gärtnerin und einem Hundesitter zu bestehen. Mrs. King hatte nämlich einen anscheinend sehr wertvollen schwarzen Pudel namens Callisto, der laut ihren Aussagen schon unzählige Preise gewonnen hatte.
Mrs. King selbst war eine äußert temperamentvolle und in Tims Augen auch arrogante Frau. Sie kommandierte ständig alle herum und verlangte mal ein Glas Wasser von ihrer Haushälterin - welches sie sich auch selbst hätte holen können - und mal ihren Callisto an der Seite - was der Hundesitter mit so vielen fremden Menschen in der Küche aber lieber nicht wollte - und als ihr die Gäste vorgestellt wurden, brüllte sie ihren Mann an was das solle und warum jetzt noch mehr Menschen kamen, weil sie ihre Ruhe haben wollte und die ganze Angelegenheit sie stresste.
Tim war einfach sprachlos. Gerade eben im Sonnenhof hatte er noch gedacht er würde eine trauernde Familie treffen, die in Angst und Unsicherheit auf einen Erpresserbrief wartete, aber das hier war ja ein reiner Zirkus. Mr. Kings Gefasstheit hatte ihn schon überrascht, aber wie Mrs. King sich aufführte war einfach unmöglich.
Er versuchte sie noch irgendwie zu verstehen, denn vielleicht war dies ihre normale Reaktion auf eine Entführung, man wusste es nicht bis man es erlebte und zum Glück mussten das sehr wenige Menschen wirklich durchmachen. Trotzdem fiel es Tim schwer in der schreienden Frau irgendwo Trauer zu sehen. Nein, sie war einfach nur wütend. Wütend auf die Entführer? Auf Charlotte? Auf sich selbst? Das ließ sich doch leicht herausfinden.
Tim konzentrierte sich auf Mrs. King, sah sie ganz genau an und als ihr Blick seinen streifte war er drin. Es war wie einen Code knacken, er musste alles um sich herum ausblenden und sich nur auf diese eine Person konzentrieren, im richtigen Moment war es dann wie ein Sog und unzählige Sätze liefen durcheinander in seinem Kopf ab.
Es war so durcheinander, dass es Tim immer einige Zeit kostete, um Wörter und schließlich ganze Sätze aus dem Wirrwarr herauszuhören. Menschliche Gedanken waren so schnell und sprunghaft und bei Mrs. King in ihrer Rage schien das ganz Besonders der Fall zu sein.
Er schnappte etwas über Callisto auf, dann wie sehr es sie störte, dass diese fremden Menschen hier waren und ob die vielleicht einen Schulausflug machten und dachten es wäre witzig einer armen Frau in ihrem Leid zuzusehen. Dann dass sie der Polizei schon gesagt hatte sie wisse von nichts und dass sie einfach in Ruhe gelassen werden wollte und endlich hörte er irgendwo Charlotte. Er konzentrierte sich auf diesen einen Satz.
"Charlotte ist so ein nerviges Kind, warum konnte sie auch nicht brav in ihrem Zimmer bleiben und sich nachts nicht mit diesem Arschloch von Freund rausschleichen, sie hätten es ja auch in ihrem Bett..." und der Satz ging unter in einem neuen Gedanken.
Wie arrogant und egoistisch sich Mrs. King auch verhielt, für Tim war es eigentlich deutlich, dass sie nichts mit der Entführung zu tun hatte. Ob sie eine gute Mutter war, das absolut nicht, sie hatte wirklich noch Einiges mit ihrer Tochter zu klären, wenn sie von diesem Höllentrip zurückkam. Charlotte an ihrer Entführung die Schuld zu geben war wirklich unterste Schublade und am liebsten hätte er es ihr gesagt, aber sie wusste nicht - und durfte auch nicht wissen -, dass er ihre Gedanken lesen konnte.
▪︎▪︎▪︎
Eine Stunde später hatte er mit Aurí zusammen das Personal befragt. Auf Mr. Kings Anweisung hin hatten sie es einfach über sich ergehen lassen und keine weiteren Fragen gestellt, was auf jeden Fall für sie sprach.
Während Aurí die offensichtlichen Fragen gestellt hatte, war Tim in die Gedanken eingedrungen und hatte versucht irgendetwas ausfindig zu machen, aber weder die Haushälterin, noch die Gärtnerin, noch der Hundesitter schienen mehr über Charlotte zu wissen als sie zugaben. Ihre Gedanken kreisten die ganze Zeit um die Fragen, die Aurí ihnen stellte und sie dachten wirklich nach wann sie Charlotte zum Beispiel zum letzten Mal gesehen hatten.
"Auf mich macht keine Person hier im Haus einen verdächtigen Eindruck", sagte er später auch Aurí, als sie zusammen die Treppe hochstiegen zu ihrem "Überwachungsraum", wie Jack ihn scherzhaft getauft hatte.
"Auf mich ehrlich gesagt auch nicht. Hast du auch diese Mrs. King überprüft? Du hast nämlich so ausgesehen vorhin und Gründe sie zu verdächtigen gibt es genug." Aurí rollte mit den Augen und Tim grinste, weil er anscheinend nicht der Einzige gewesen war, der Mrs. King als unausstehlich wahrgenommen hatte.
"Habe ich, sie hat Charlotte die Schuld an der Entführung gegeben und über ihren Freund Jason gemeckert, ich denke also nicht, dass sie eine Verdächtige ist. Leider."
Aurí schüttelte fassungslos den Kopf. "Ich verstehe ja, dass die Entführung ihrer Tochter sie mitnimmt, aber sich so aufzuführen ist doch auch übertrieben. Und warum sollte es Charlottes Schuld sein?! Kein Wunder, dass die Arme in einem Internat wohnt", fügte sie leiser hinzu.
Tim betrat zusammen mit Aurí den Überwachungsraum, wo Jack die Zeit damit verbracht hatte die Computer irgendwie einzurichten. Auf einem Bildschirm war der ganze Bereich vor der Haustür zu sehen und Lynn hatte erzählt, dass mit dieser Technik ein Anruf, der auf dem Haustelefon oder dem Handy von Mr. King einging, zurückverfolgt werden konnte.
Jetzt hieß es nur noch warten und Geduld haben bis die Entführer sich melden würden...
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Auftritte:
Tim Johnson
Luna Night
Aurí Loédo
Jack Olson
Lynn Juran
Ja hi, wie gesagt ich bin motiviert xD. Ich verbringe einfach den ganzen Tag damit zu schreiben und ratet Mal: ich sitze an einer Karte der Insel und des Schulgebäudes mit allen Etagen, es sind also sozusagen mehrere Karten. Wie findet ihr die Idee mit den Portalkugeln? Es wird hier auch noch ein weiterer magischer Gegenstand vorkommen und in den Infokapiteln zu Band zwei wird das Ganze noch genauer erklärt ;). Ich bin schon die ganze Zeit am anteasern, dabei dauert es noch ziemlich lange bis zur Veröffentlichung, sorry xD.
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