◇Prolog◇
»Kommt nach, wenn Ihr dieses Chaos beseitigt und Euch hergerichtet habt.«
»Natürlich, Prinzessin.«
Die Eisblumenprinzessin nickt knapp, wendet sich von mir ab, wobei der Rock ihres kostbaren, weißen Kleides leicht weht, und schreitet zur Tür. Als diese ins Schloss fällt, atme ich erleichtert auf.
Wie lange habe ich gebraucht, sie für die Krönung fertigzumachen? Mein Blick schweift zur Wanduhr. Ich weiß es nicht, aber ich habe es rechtzeitig geschafft. Siebzehn Uhr, die Feier beginnt. Zuerst mit einem prächtigen Ball, im Anschluss findet die Krönung statt.
Nach der Anweisung der Prinzessin muss ich erst die ganzen verstreuten Accessoires und Kleider aufräumen und mich zurechtmachen, bevor ich gehen darf. Ich seufze erneut. Das wird wohl eine Weile dauern, also beginne ich damit, den silbernen Haarschmuck aufzuklauben.
Als ich die perlenverzierte Spange finde, die die Prinzessin bei wichtigen Ereignissen immer trägt, zögere ich kurz. Ich könnte ihr natürlich hinterherrennen, aber wenn es sie kümmert, soll sie sich die Spange selber holen. Schulterzuckend lege ich sie auf die Ablage neben dem großen Spiegel, in dem die Prinzessin sich immer ausgiebig betrachtet, während ich sie ankleide.
Dabei ist nicht zu vermeiden, mein Spiegelbild anzusehen.
Im Gegensatz zur Prinzessin bin ich nicht mehr als ein Witz. Meine dunkelbraunen Locken sind nichts gegen ihre strahlendweiße, glatte Haarpracht. Während ihr blasses Gesicht absolut makellos ist, zeichnen sich bei mir des Öfteren tiefe, dunkle Augenringe ab. Und anstelle eines teuren Seidenkleids trage ich das typische hellblau-weiße Kleid der Angestellten.
Mein Blick wandert von meinem Spiegelbild zum Hintergrund. Ich muss immer noch aufräumen. Ich schenke mir selbst ein schiefes Lächeln, bevor ich mich umdrehe.
Hat sie mit Absicht so viel Unordnung gemacht?, kommt es mir in den Kopf, nachdem ich gerade ein Paar Schuhe in den Kleiderraum nebenan gebracht habe. Ich lehne mich gegen die Wand gegenüber des Spiegels - Nungut, ich habe ziemlich dagegen fallen lassen.
»Wenn ich in diesem Tempo weitermache, kann ich auf den Ball auch gleich verzi-«, murmle ich zu mir selbst, als ich einen erschrockenen Schrei ausstoße.
Ich stolpere vorwärts von der Wand weg, die einen merkwürdig hohlen Ton von sich gegeben hat. Ich kneife die Augen zusammen und taste das Holz. Tatsächlich, ein etwa 50 Zentimeter breites Holzpaneel der Wandverkleidung lässt sich wie eine Tür öffnen.
»Eine Geheimtür?«, frage ich mich selbst.
Mein Schock wird von Aufregung verdrängt. Das ist ja fantastisch! Könnte das ein Zufluchtsort für mich sein? Weiß die Prinzessin davon?
Meine Aufgabe ist vergessen und neugierig drücke ich das Paneel weiter auf. Es lässt sich problemlos öffnen und ich staune weiter.
Ein vollständig eingerichtetes Arbeitszimmer mit Bücherregalen, einem prunkvollen Schreibtisch, einem großen, gepolsterten Sessel dahinter und mehrere kleinere an der Wand.
»Wow!«, entweicht es mir.
In dem Moment höre ich die Zimmertür.
»Kammerzofe, Ihr müsst mir die Spange- Oh.«
Ich drehe mich um.
»Prinzessin, wusstet Ihr das? Ist das nicht großartig?«
Anstelle von Begeisterung zeichnet sich Ärger in dem kalten Gesicht der Prinzessin ab und überrascht weiche ich einen Schritt zurück. Sie ist selten wütend, aber ich habe sie einige Male wutentbrannt erlebt - Und das will ich nicht erneut tun.
»Oh, Leytun, es ist alles, nur nicht großartig.« Sie spuckt das Wort beinahe aus.
»Ihr hättet das nie sehen sollen, aber nun kann ich es nicht ungeschehen machen«, säuselt sie und kommt näher. Mit jedem Schritt, den sie macht, gehe ich einen zurück.
Ich habe immer Respekt vor ihr gehabt, aber ich glaube, jetzt ist dieser Angst gewichen.
»Prinzessin, was meint Ihr...?«, frage ich vorsichtig. Sie hat mich auf die Schwelle zum Arbeitszimmer gedrängt.
Die Eisblumenprinzessin macht einen weiteren Schritt und reflexartig stolpere ich zurück, sodass ich nun im Geheimraum stehe.
»Ich vergaß wohl, mein Arbeitszimmer zu versiegeln«, lächelt sie. Meine Augen weiten sich.
»Doch dies wird mir nicht erneut passieren. Ich werde mich später mit Euch befassen, nun habe ich einer Krönung beizuwohnen. Wir sehen uns, Zofe.«
Ehe ich irgendetwas tun kann, zieht sie die Tür blitzschnell zu.
»Nein!«
Ich versuche verzweifelt, sie aufzureißen. Es geht nicht.
»Nein... Wieso nur...?«
Ich höre, wie ein Möbelstück verschoben wird - vermutlich die Kommode neben dem Bett und dann das Klackern der Schuhe. Diesem nach zu urteilen ist die Prinzessin der Eisblumen gerade aus ihrem Zimmer stolziert.
Nach einigen Minuten gebe ich es auf, gegen die Tür zu hämmern. Wer sollte mich auch hören? Es sind sowieso alle auf dem Weg in den Thronsaal.
Seufzend sinke ich an der Wand entlang auf den Boden und massiere mir die Schläfen, um die sich anbahnenden Kopfschmerzen zu vertreiben. Ich gehe das nochmal durch.
Schon seit ich denken kann, benimmt sich die Prinzessin merkwürdig abweisend.
Und als ich einen Geheimraum finde, sperrt sich mich darin ein.
Das ergibt doch keinen Sinn!
Frustriert schreie ich auf.
Da fällt mein Blick wieder auf den Schreibtisch. Hat die Prinzessin nicht gesagt, dass das ihr Arbeitszimmer sei? Sie hat doch bereits eines!
Ich kneife die Augen zusammen und stehe auf. Vorsichtig setze ich mich in die weichen Polster des Sessels und betrachte den Tisch. Eine große, detaillierte Karte der zwei Reiche ist darauf ausgebreitet, sowie mehrere kleinere, die Städte zeigen. Sofort erkenne ich Nyma Taësi und nach dem Entziffern der Schrift auch Nyma Alora, die Hauptstadt des Reiches der Wärme.
Da sticht mir ein Brief ins Auge, der mit dem rubinroten Siegel des Herzogtums Ais verziert ist. Mir ist bekannt, dass die Prinzessin eine relativ gute Beziehung zur jungen Herzogin Sharai hat, aber wieso ist hier ein Brief von ihr?
I
ch zögere. Soll ich die Nachricht lesen oder nicht? Ach was, die Prinzessin hat mich hier immerhin eingesperrt, da kann ich über das Briefgeheimnis mal hinwegsehen.
Vorsichtig öffne ich den Umschlag und ziehe den Brief heraus. Er ist kurz, aber als ich ihn lese, klappt mir der Mund immer weiter auf.
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