◇Kapitel zwei◇

Beinahe lautlos eilen wir durch die langen Gänge des Palastes, bis wir im Angestelltentrakt ankommen. Der Prunk lässt nach, dennoch ist alles hübsch mit Statuen, Beistelltischen und Wandornamenten geschmückt.

»Und wo ist euer Zimmer jetzt?«, fragt Jade ungeduldig. Ihre Blicke huschen wachsam umher.
»Gleich hier um die Ecke«, erwidere ich und öffne die Tür.

Gleich gegenüber des Eingangs sitzt Lurai in einem festlichen Kleid über einen Block gebeugt, den Stift in der Hand, auf ihrem Bett. Ertappt sieht sie nach oben, als wir das Zimmer betreten, dann aber wechselt ihr Gesichtsausdruck von beschämt zu überrascht und verwirrt.

»Leytun? Runa? Und...«, sie denkt kurz nach, »Generalin Jade Burnwood? Was wollt ihr denn hier?«
Voller Misstrauen mustert sie Jade.

Mit schnellen Worten erklärt Runa ihr die Sachlage und Lurai versteht zum Glück schnell.

»Ich habe es schon die ganze Zeit vermutet. Der Prinzessin ist einfach nicht zu trauen!«, empört sie sich.
»Wir müssen weg hier«, erinnere ich die drei, »Ich habe keine Ahnung, was die Prinzessin macht, wenn sie erfährt, dass ich weg bin und ehrlich gesagt will ich das nicht wissen. Sie scheint wirklich skrupellos.«
Lurai nickt.

»Gut, gebt mir eine Minute, dann bin ich fertig«, meint sie, schnappt sich im Vorbeigehen Bluse und Hose vom Bett und verschwindet im Badezimmer.

»Waffen zu besorgen wird schwer, aber wir brauchen Mäntel und etwas Proviant. Runa, meinst du, du kannst uns gute Wegzehrung und Wasser aus der Küche besorgen? Und Leytun, wir brauchen Kleidung, kriegst du das hin?«, kommandiert Jade mit einer beeindruckenden Sicherheit, die sie auch ausstrahlt.

Nunja, kein Wunder, befehlen war ihr Beruf.

»Müsste ich hinkriegen. Bin gleich wieder da.«
Mit diesen Worten huscht Runa aus dem Zimmer und ich öffne unseren Kleiderschrank. Glücklicherweise haben wir zwei Erstatzmäntel und einer passt Jade, wenngleich er etwas zu groß ist.

Zum Glück habe ich mich noch nicht umgezogen und mich heute für Bluse und Hose entscheiden, das ist weitaus praktischer als das Kleid.

Ich stopfe einige Kleidungsstücke in zwei Rucksäcke, sowie zwei Bücher für Runa und mich und Lurais Block und Stifte. Diese kommt auch gerade in dem Moment umgezogen aus dem Badezimmer, die braunen Haare zu einem Zopf im Nacken zusammengebunden.

»Dann gehen wir also wirklich...«, murmelt sie, als sie die zwei Rucksäcke sieht.
»Was hält uns noch hier?«, erwidere ich.
»Du hast Recht«, stimmt Lurai mir zu, »Nichts.«

»Fertig mit dem dramatischen Dialog?«
Jade zieht ihren Mantel fest. Lurai und ich nicken uns zu.
»Ja. Lasst uns Runa entgegen gehen.«
Die ehemalige Generalin nimmt einen der Rucksäcke, ich den anderen und wir verlassen das Zimmer.
Als ich im Türrahmen stehe, werfe ich noch einen Blick zurück. Mein Leben lang habe ich hier gewohnt und jetzt soll das vorbei sein.

Ist das die richtige Entscheidung? Oder nur rein impulsiv?
Ich denke an den Brief und das merkwürdige Verhalten der Prinzessin zurück. Ja, ich denke, das ist das Richtige.

Tatsächlich kommt uns Runa schnell entgegen und es dauert nicht lange, bis wir den Proviant und die Trinkschläuche verstaut haben. Die Gänge sind glücklicherweise so gut wie leer.

»Was machen wir, wenn wir draußen sind?«, bricht Runa die Stille.
»Wir sollten Nyma Taësi auf jeden Fall verlassen, die Prinzessin wird nach uns suchen lassen. Am besten flüchten wir in das Reich der ewigen Wärme«, überlegt Jade.
»Aber ist das das Richtige?«, frage ich.
»Wie meinst du?« Lurai sieht mich verwirrt an.

»Wir sind wahrscheinlich die einzigen - mit Ausnahme der Herzogin -, die von dem Verrat wissen. Sollten wir nicht irgendetwas tun?«

Die drei schweigen.

»Oder?«, frage ich nochmal.

»Eigentlich schon«, murmelt Runa.
»Sie hat Recht«, stimmt Lurai ihr zu.
»Ich habe dem Reich der ewigen Kälte lebenslange Treue geschworen... Und ich denke, ich sollte diesen Schwur nicht brechen«, überlegt Jade.
»Nur was können wir tun?«, meint Runa.
»Darüber müssen wir uns später Gedanken machen. Da vorne ist der Ausgang.«
Jade deutet mit einem Nicken auf die Ecke. Hinter dieser ist eines der Tore und das ist bekanntermaßen bewacht.

»Wie sollen wir an den Wachen vorbeikommen?«
Daran habe ich noch gar nicht gedacht...

»Wir könnten mit ihnen reden«, schlägt Runa vor.
»Oder sie niederschlagen«, murmelt Jade.
»Ich bitte dich, das waren deine ehemaligen Kollegen«, grinst Lurai.
»Ja, genau!«, rufe ich aus, bekomme aber sofort strenge Blicke von den dreien, die aussagen, dass ich gefälligst leiser sein soll.

»Kannst du ihnen nicht befehlen, uns durchzulassen?«
»Hmm... Könnte klappen«, stimmt sie mir zu, »Also gut.«

Selbstbewusst stolziert Jade hinter der Ecke hervor, wir anderen folgen ihr rasch. Die zwei jungen Männer salutieren sofort, als die die Generalin sehen.

»Seid gegrüßt!«, sagen sie synchron.
»Seid gegrüßt!«, erwidert Jade und geht einfach weiter auf das Tor zu.
»Generalin Jade Burnwood, weshalb wollt Ihr den Palast verlassen? Noch dazu in diesem Aufzug und in Begleitung dieser drei jungen Frauen?«, fragt einer der beiden.

Ich beiße mir nervös auf die Lippe.

»Ich habe meine Gründe, Soldat«, meint Jade sicher.
»Auf Anweisung der Prinzessin dürfen wir niemanden durch das Tor lassen«, widerspricht der andere, allerdings zittert seine Stimme etwas.
»Ihr stellt Euch mir entgegen?«, empört sich die Generalin.
Lurai, Runa und ich wechseln unsichere Blicke.

»Bitte bleibt im Palast«, weist der Erste an.
Jade stöhnt genervt.
»Lasst uns einfach durch.«
»Nein, Generalin, der Zorn der Prinzessin wäre unglaublich gro-«
Ehe er weitersprechen kann, zieht Jade ihr Schwert und kurz darauf sind die drei in einen Kampf verwickelt.

Ich zucke jedes Mal zusammen, als das Metall von Jades Schwert auf die Lanzen der Wachen treffen, Runa hält sich die Hand vor die Augen, Lurai starrt Jade an, die sich geschickt und elegant bewegt. Es dauert höchstens zwei Minuten, dann hat sie beide ohnmächtig geschlagen.

»Krass«, bringe ich raus.
»Ist es vorbei?«, fragt Runa.
»Ja, das ist es.«
Jade schiebt die beiden Männer zur Seite, schnappt sich eine Lanze und öffnet die Tür.

»Worauf wartet ihr noch? Kommt endlich!«

»Habt Ihr dieses Fest organisiert? Es ist wahrlich großartig«, spricht mich eine Frauenstimme an und ich wende mich so schwungvoll um, dass ich meine wunderbare Krone gefährlich wanken spüre. Nun, daran habe ich mich noch zu gewöhnen.

»Habt Dank, Eure hochfürstliche Durchlaucht, tatsächlich ist die Organisation mein Werk«, erwidere ich der Fürstin von Tarumburg lächelnd, obwohl sie mein Lächeln unter dem hellweißen Schleier nicht sehen kann. Neben ihr steht ein junger Mann, ebenfalls äußerst festlich gekleidet.

Als ich ihn mit einem Blick streife, legt er sich die Faust aufs Herz und verneigt sich.
»Eure königliche Hoheit.«
Ich neige den Kopf leicht.
»Wärt Ihr so frei, Euch mir vorzustellen? Mir deucht, Euch bin ich noch nicht begegnet«, meine ich leicht missbilligend.

»Dies ist mein Sohn Kai Zeron Raith«, kommt die Fürstin eben diesem zuvor.
»Ich hatte ihn gefragt, doch habt Dank«, spreche ich zu ihr, »Sehr erfreut«, meine ich dann an den jungen Mann gewandt. Er ist wirklich jung, ich schätze ihn auf höchstens 18 Jahreskreise.

»Die Ehre ist ganz meinerseits«, gibt er mir zur Antwort. Seine Eltern scheinen ihn gut erzogen zu haben, dennoch kann er die dezente Ablehnung in seinen Augen nicht verbergen.

Durchaus ungünstig, denn er wird der baldige Fürst Tarumburgs sein und dieser sollte möglichst mir ergeben sein. Doch nun gut, das Problem werde ich wohl noch beseitigen können. Und wenn nicht das Problem, dann ihn.

»Ich wollte mein herzlichstes Beileid für den Vorfall Eures Bruders aussprechen und will Euch dennoch zur Krönung gratulieren«, lächelt der junge Fürst.

»Das war wahrlich eine Katastrophe für das Volk, meine hochgeschätzten Eltern und...«, ich halte für eine Kunstpause inne, »auch mich.« Ich sehe betrübt in die Ferne.

»Oh, Hoheit, entschuldigt vielma-«, will Kai Zeron Raith seine eigentlich kaum verletzende Aussage zurücknehmen, doch ich falle ihm ins Wort.

»Ich werde mich wohl oder übel damit abfinden müssen, denn immerhin bin ich nun Königin.«
Ich blicke ihm gespielt fröhlich in die Augen.
»Lasst uns feiern, der heutige Tag soll unvergesslich werden und meinen verehrten Gästen als Tag reiner Freude in Erinnerung bleiben.«
Mein Gegenüber nickt mir zustimmend zu.

»Es wird Zeit für den traditionellen Tanz«, macht sich die Fürstin bemerkbar. Mein Blick schweift kurz von ihr zu ihrem Sohn. Es wäre natürlich eine vorzügliche Gelegenheit, mich bei der Fürstenfamilie beliebter zu machen, wenn ich mit Kai Zeron Raith tanzen würde, doch ich habe eine andere Verbindung zu stärken.

»Ihr habt Recht, Fürstin, dies wäre mir glatt entfallen«, wende ich mich an sie, bevor ich mich zu ihrem Sohn drehe, »Weshalb sucht Ihr Euch nicht einen Tanzpartner? Es gibt eine reizende Auswahl hier.«
Mit einer eleganten Handbewegung verweise ich auf den gefüllten Saal.

Ehe mir einer der beiden etwas erwidern kann, stolziere ich von ihnen auf meinen Thron zu. Aus dem Augenwinkel bemerke ich Herzogin Sharai, die sich gerade mit einem jungen Baron unterhält und ihn allem Anschein nach loswerden möchte. Nun, da wird sie wohl einen weiteren Grund haben, auf einen Tanz mit mir eingehen zu wollen.

Meine Eltern stehen vor dem Podest, der zu meinem Thron hinaufführt.

»Das Fest ist großartig. Ihr seid eine wahrlich gute Königin«, lobt mich meine Mutter.
»Ich kann meiner Frau nur zustimmen«, meint mein Vater.
»Habt Dank«, erwidere ich zwinkernd und schreite die wenigen Stufen hinauf.

»Verehrte Gäste!«, schallt meine Stimme durch den Saal und augenblicklich wird es ruhiger. Wie ich es liebe, wenn alles nach mir läuft.
»Es ist an der Zeit für den traditionellen ersten Tanz der Königin!«, verkünde ich und gehe die paar Stufen elegant wieder hinab. Rasch suche ich die Menge nach Herzogin Sharai ab.

»Und ich wähle«, beginne ich und die Luft scheint vor Spannung und Hoffnung aller zu knistern, »Herzogin Sharai. Würdet Ihr mir die Ehre erweisen?«

Röte färbt ihre Wangen, doch sie tritt vor und schreitet zu mir. Ich halte ihr die Hand hin.

»Das würde ich nur zu gerne«, erwidert sie und nimmt meine Hand an. Sanft ziehe ich sie zu mir.
»Ich habe nichts anderes erwartet«, hauche ich ihr so leise ins Ohr, dass es niemand sonst vernehmen kann.

»Musik, bitte!«
Das Orcherster beginnt zu spielen und ich Herzogin Sharai zu führen.

Anmerkung der Autorin:

Hey! Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen - Es sind grob 1650 Wörter. Passt die Länge so?

Und was haltet ihr von dem Umgang der Prinzessin mit Sharai?

Frage zum Mitentscheiden:
Sollen Leytun, Runa, Lurai und Jade das Risiko eingehen und versuchen Pferde zu stehlen oder so abhauen?
Falls ich keine Antworten erhalte, entscheide ich :)




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