◇Kapitel eins◇
Mit dem gewohnten leisen Klicken schließt sich die edelweiße Holztür meines Gemachs. Ich hole die Luft tief in meine Lungen, lasse sie wieder entweichen und schüttele den Kopf leicht, um den Ärger auf meinem Gesicht zu vertreiben.
Ein erhabenes Lächeln setze ich auf, dann ist meine Maske perfektioniert, und ziehe den Schleier zurecht.
Ich wende mich von meinem Gemach ab, im Gegensatz zu meinen Gedanken. Diese verweilen bei Leytun, die ich dank der Kommode eingesperrt habe - Meine Magie zu verwenden wäre zu anstrengend gewesen - und wie ich sie unauffällig beseitigen kann. Mir war schon immer bewusst, dass sie eines Tages von der Bildfläche verschwinden müsste - Meine Zofe ist viel zu neugierig als dass es ihr guttäte.
»Königin, endlich habe ich Euch auffinden können!«
Herzogin Sharai schreitet eilig auf mich zu und verneigt sich von mir. Ihr dunkelbrauner Blick sieht ehrfürchtig zu mir hinauf.
»Seid gegrüßt, Herzogin. Es gab etwas, das erledigt werden musste... Wie dem auch sei, erhebt Euch. Noch darf ich mich nicht mit dem Titel der Königin schmücken«, lächle ich und die junge Frau tut, wie ihr geheißen.
»Begleitet Ihr mich in den Saal?«, erkundige ich mich. Das freudige Aufblitzen in ihren Augen entgeht mir keinesfalls und symbolisiert mir, dass ich sie tatsächlich unter Kontrolle habe. Da der Schleier meine vollen Lippen verdeckt, erlaube ich mir ein Lächeln.
»Es wäre mir eine große Ehre, Eure königliche Hoheit.«
Die Herzogin neigt den Kopf.
Ich biete ihr meine manikürte Hand an und sie nimmt diese an. Sanft führe ich meine Begleitung durch die prächtigen Flure.
»Ich muss Euch herzlichst gratulieren. Diese Krönung ist weit mehr als verdient«, beginnt Herzogin Sharai ein Gespräch und ich gehe gerne darauf ein.
»Habt Dank, Herzogin. Auch für gewisse andere Dinge...«
»Das war ein mit Vergnügen erfüllter Gefallen. Für eine Person wie Euch sind Dinge wie dieser Vorfall eine reine Selbstverständlichkeit.«
Sorgfältig streiche ich mir eine Falte meines weiten Kleides zurecht und warte eine Weile mit meiner Antwort. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie sie zunehmend unsicherer wird und sich selbst fragt, ob ihre Aussage denn von mir akzeptiert werde. Ich entscheide, sie nicht länger warten zu lassen.
»Dies ist mir durchaus bewusst, doch seid Euch sicher, dass ich mich revanchieren wer-«
Ich halte inne, löse mich von der Herzogin und gehe zwei Schritte zurück, um den nach rechts abzweigenden Gang nach dem merkwürdigen Huschen zu überprüfen, das mir soeben aufgefallen ist. Just in diesem Moment verschwindet der Rock eines typischen Angstelltenkleides hinter einer dekorativen Rüstung.
»Alles in Ordnung, Hoheit?«
Meine Begleitung überwindet die kurze Distanz zwischen uns und legt mir die Hand auf die Schulter, nicht nach einem kurzen Zögern, das ich gerade so bemerke. Nach kurzem Nachdenken beschließe ich, die Angestellte sein zu lassen und mich lieber meiner Krönung zu widmen.
»Es ist wohl die Aufregung.«
Ich wende mich wieder der Herzogin zu.
»Ihr seid aufgeregt? Ich dachte, Ihr seid die Personifikation der Selbstsicherheit«, neckt sie. Sie benötigt nur eine Sekunde, um sich ihrer Aussage bewusst zu werden, blickt beschämt zu Boden und nimmt die Hand von meiner Schulter.
Ich muss leise lachen und hebe ihren Kopf sanft mit meinem Zeigefinger, sodass die Herzogin mir direkt in die eisblauen Augen sehen kann.
»Jedem anderen würde ich sagen, dass dieser in Zukunft auf seine lose Zunge achten soll, doch Euch lasse ich das noch durchgehen.«
Verlegene Röte färbt ihre Wangen. Wie ich es liebe, sie so perfekt unter Kontrolle zu haben.
Fassungslos starre ich den Brief in meiner Hand an. Ist das wirklich wahr? Ist die Prinzessin wirklich für die Lähmung ihres Bruders verantwortlich? Ich hätte nie gedacht, dass sie so skrupellos ist.
Ungläubig lese ich mir das Dokument wieder und wieder durch, aber es ändert sich nichts.
Da steht schwarz auf weiß-gelblich, dass der Unfall perfekt organisiert worden war. Und dass der Schütze auch noch dafür belohnt worden war.
Ich lege den Brief beiseite und betrachte die Karte der zwei Reiche genauer.
Sie ist super detailliert und ich erkenne alles, aber da sind auch merkwürdige Linien, die von Nyma Taësi ausgehen und sich zu einzelnen Städten und bis zu Nyma Alora ranken. Ais ist ebenfalls besonders gekennzeichnet.
»Leytun?«
Ein weiterer Schrei entweicht mir und ich zucke zusammen. So schnell ich kann, falte ich den Brief wieder zusammen und stopfe ihn in den Umschlag.
»Bist du hier?«
Ich atme erleichtert aus, als ich die Stimme meiner Freundin Runa erkenne, und stürme an die Tür.
»Ja, hier drin! Hilf mir bitte raus!«, rufe ich und hämmere gegen das Holz.
»Woraus? Wo bist du?« Die Verwirrung ist deutlich zu hören.
»Hinter der Wand. Ich glaube, die Prinzessin hat die Kommode verschoben«, erkläre ich.
»Hä?«
Ich seufze.
»Ich erzähle es dir, wenn ich draußen bin. Schieb einfach die Kommode wieder zurück!«
»Wenn du meinst...«
Ich höre das Scharren über den Holzboden und Runas angestrengte Laute. Nach einer Weile, die deutlich länger dauert, als die Prinzessin die Kommode verschoben hat - Entweder sie ist unglaublich stark oder Runa ziemlich schwach... Ich tippe auf beides - ruft meine Freundin: »Jetzt müsste es gehen!«
Ich lehne mich gegen die Tür und tatsächlich! - Ich falle beinahe in das Zimmer.
»Danke, Runa!«
Ich umarme sie überschwänglich und erleichtert. Sie erwidert die Umarmung.
»Immer wieder gerne, aber was ist passiert?«
Wir lösen uns wieder.
»Wir müssen weg hier«, meine ich ernst.
»Wie jetzt?«
»Komm einfach.«
Ich nehme sie am Handgelenk und ziehe Runa energisch aus dem Zimmer. Verwirrt stolpert sie mir hinterher. Die Gänge sind leer, es sind wohl alle im großen Saal.
»Ich bin zufällig auf den geheimen Raum gestoßen und als die Prinzessin zurückkam und mich gesehen hat, hat sie mir gedroht und mich eingesperrt. Ich habe einen Brief gefunden, der eindeutig macht, das die Lähmung des Eiskristallprinzen inszeniert war - Von ihr und Herzogin Sharai. Die Prinzessin wird bald zurückkehren und sie hat sicher Ungutes mit mir vor. Deswegen müssen wir jetzt weg, ich habe wirklich Angst vor ihr! Sie war unglaublich unheimlich. Und wo ist Lurai?«, prasselt meine Erklärung auf Runa ein. Diese bleibt stehen.
»Also nochmal zum Mitschreiben: Die Prinzessin hat uns alle verraten? Und will uns jetzt wahrscheinlich töten? Alles klar...«
»Wenn du es so sagst, klingt es ziemlich erfunden«, gebe ich zu.
Runa schüttelt den Kopf.
»Nein, nein! Also ja. Also nein. Ach, keine Ahnung. Was ich eigentlich sagen will: Ich glaube dir. Ich vertraue dir, verdammt! Und die Prinzessin war schon immer irgendwie komisch.«
Ich atme erleichtert auf.
»Und wo ist Lurai jetzt?«, komme ich wieder auf meine Frage zurück.
»Keine Ahnung, ehrlich gesagt«, meint Runa schulterzuckend.
»Hey! Ist das wahr?«
Meine Freundin und ich erstarren absolut synchron. Eilige Schritte kommen auf uns zu und zögerlich drehen wir uns um.
Vor uns steht Generalin Jade Burnwood in schwarzer Uniform mit goldenen Ornamenten. An ihrem breiten Gürtel baumelt ein langes Schwert. Jades Gesichtsausdruck ist neutral.
»Ist das wahr, was du ihr gerade erzählt hast?«, wiederholt sie sich. Ihre braunen Augen bohren sich wissbegierig in mich.
»Ähm... Ja...?«, bringe ich sehr wortgewandt heraus.
»Bei den Drachen!«, entfährt es der Generalin und sie fährt sich durch die Haare.
»Ich wusste schon immer, dass da was nicht stimmt! Diese verdammte, arrogante-«, flucht sie, wird aber von Runa unterbrochen.
»Ja. Es ist schlimm. Wir wollten gerade flüchten. Nunja, zumindest, wenn Lurai hier wäre.«
»Ich komme mit euch«, beschließt Jade sofort, »Für eine Verräterin will ich nicht arbeiten.«
Ich wechsle einen kurzen Blick mit Runa. Sie deutet ein Kopfschütteln an, aber ich mustere Jade nochmal genau. Sie sieht wirklich entschlossen und wütend aus - Nein, das kann man nicht spielen.
»In Ordnung, Generalin. Wir müssen nur Lurai finden, ohne sie werden wir nicht gehen«, erwidere ich.
»Ich helfe euch. Und Jade reicht aus. Ich bin keine Generalin mehr«, meint sie angewidert.
»Kann man so einfach kündigen?«, fragt Runa und hebt die Augenbrauen.
Die ehemalige Generalin zuckt mit den Schultern.
»Ich bin sowieso die Beste, die es für den Job gibt, da muss ich mich nicht zusätzlich mit einem Titel schmü-«
»Leute, Lurai finden, böse Prinzessin, schon vergessen?«, unterbreche ich Jade.
Runa nickt knapp.
»Du hast Recht. Lass uns zuerst in unserem Zimmer suchen, vielleicht macht sie sich noch fertig«, schlägt sie vor.
»Gute Idee. Dann können wir uns auch Mäntel und so nehmen, draußen ist es bestimmt nicht so warm wie hier«, bringe ich mit ein.
»Dann ist es also beschlossen.«
Jade nimmt das Abzeichen von ihrer Uniform und legt es auf einen der Beistelltische.
»Nimm das als meine Kündigung, Prinzessin.«
Runa und ich verdrehen synchron die Augen, bevor wir uns gemeinsam mit der ehemaligen Generalin auf die Suche nach Lurai machen.
Anmerkung der Autorin (also ich, hallo):
Danke schon mal an die Leute, die bereits Charaktere eingesendet haben! Ich hoffe, ich habe schon alle Aesthetics bis jetzt und niemanden vergessen. Falls doch, erinnert mich gerne daran.
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