◇Kapitel dreizehn◇
»Habt Ihr verstanden?«, will ich die Bestätigung des Generals, der just vor wenigen Minuten befördert wurde. Der junge Mann erwidert meinen eisblauen Blick mit goldenen Augen. Die Arroganz, die in diesen aufblitzt, steht ihm. Seine Mundwinkel zucken.
»Ihr habt es ausführlich und ausgezeichnet erklärt«, gesteht er und ich neige den Kopf, um das Kompliment anzunehmen. Es ist nicht so, dass ich eine andere Antwort erwartet habe - Nach ewigem Nachdenken und Organisieren ist es eine Selbstverständlichkeit, mein Vorhaben auch im Schlaf erläutern zu können.
Xendar Torése fährt ein letztes Mal mit von Kratzern übersäten Händen über das raue Papier der Karte, ehe er sie unter meinem aufmerksamen Blick zusammenrollt. Ehrfürchtig überreicht er mir das Dokument, doch ich winke ab. Bei ihm ist es gut aufgehoben.
»Behaltet es hier, ich habe meine eigenen Unterlagen«, meine ich. Mein Rock rauscht, als ich mich aus dem Stuhl erhebe und zum Ausgang begebe. Der General eilt voraus, um mir die Tür zu öffnen. Seine Hand ruht bereits auf der Klinke, doch er hält inne und wendet sich mir zu. Die Narbe, die sein Gesicht von rechts nach links teilt und von einem heftigen Kampf zeugt, wird in diesem Licht besonders sichtbar.
Erwartungsvoll hebe ich die Augenbrauen bei seinem zögernden Ausdruck.
»Habt Dank, dass Ihr mir einen solch hohen Posten überlasst«, wird er rasch los, senkt den Blick respektvoll und zieht schließlich die Tür auf. Beinahe verlässt ein amüsiertes Auflachen meine Lippen. Herzallerliebst.
»Ihr solltet auch dankbar sein«, erwidere ich anstelle dessen. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, schreite ich auf den Flur, meine Absätze klackern leise auf dem spiegelnden, steinernen Boden. Meine eisblauen Augen suchen den mit Rüstungen gesäumten Gang nach meinen Wachen ab, doch werden nicht fündig. Ein genervtes Seufzen entweicht mir und ich wende mich dem General zu.
»Lasst meine Wachen zum Eingang kommen, ich möchte aufbrechen.«
»Natürlich.«
Ein belustigtes Schmunzeln ziert meine vom Schleier verdeckten Lippen, als ich den rasch eilenden Mann mit kalten Blicken verfolge. Er biegt um die Ecke, was ich als Zeichen nehme, mich zu meiner Kutsche zu begeben. Herzogin Sharai müsste mich bereits erwarten und ich enttäusche sie ungern.
Schon von Weitem kann man die Schmiede ausmachen. Nicht nur, weil Lio überenthusiastisch darauf zuschreitet, auch, weil sich der vom Feuer geschwärzte Stein deutlich von den hellen Wänden der umgebenden Häuser unterscheidet. Durch einen langen Schornstein tritt Rauch aus der Werkstatt aus.
»Die Pferde können wir hier anbinden«, erklärt Lio und deutet auf einen hölzernen Balken neben dem offenen Eingang. Mit Handbewegungen, die so schnell sind, dass ich ihnen kaum folgen kann, bindet er Offizier Willow fest, um in die Schmiede sprinten zu können.
Jade und ich tun es ihm mit Flynn und Duchess nach, auch wenn wir nicht ganz so geschickt wie er sind, bevor wir ihm in die Werkstatt folgen.
Runa, Lurai, Sam, Jade und ich werden von einem herzerwärmenden Szenario begrüßt. Lio liegt in den Armen eines rothaarigen, jungen Mannes und beide wirken so als würden sie dem jeweils anderen erwürgen wollen - Aber auf eine freundschaftliche Art und Weise. Das klingt paradox, besser beschreiben könnte man es jedoch nicht.
»Du ahnst nicht wie sehr ich dich vermisst habe«, nuschelt der Fremde - Netsu, nehme ich an - in Lios Haare. Ein Schmunzeln schleicht sich auf meine Lippen.
»Ich könnte dasselbe sagen, du elendiger Feuerjunge«, neckt Lio seinen Freund und klopft ihm auf den Rücken.
Um den beiden Zeit für sich zu lassen, schweift mein Blick über den Innenraum der Schmiede. Generell ist es dunkel hier und sehr warm - Ich bin froh, dass ich nicht wie die meisten aus dem Reich der ewigen Kälte so wärmeempfindlich bin. Die Wände sind geschwärzt und mit Regalen vollgestellt, auf denen sich Metall und Werkzeuge, die ich nicht benennen kann, stapeln.
Der Hingucker ist natürlich der große Ofen in der Mitte des Raumes, in dem - wie man durch ein kleines Fenster sehen kann - Feuer lodert. Aber auch der mächtige Amboss ist nicht ohne. Der rußgeschwärzte Klotz aus Eisen steht neben dem Schmelzofen.
Die beiden Jungs lösen sich und strahlen sich an, was mich etwas an Lurai, Runa und mich erinnert. Automatisch wechseln wir Blicke und lächeln. Ich kann nicht ausdrücken, wie erleichtert ich bin, dass ich diese Reise mit ihnen machen kann. Ohne die beiden wäre ich aufgeschmissen.
»Kommt doch mit in den Wohnraum!«, lädt Netsu uns ein und schenkt allen ein breites Lächeln. Er versprüht Fröhlichkeit wie das Feuer Funken. Kein Wunder, dass er sich so gut mit Lio versteht, die beiden sind wie füreinander gemacht.
»Mir wäre es lieber, wenn wir direkt an einem Ausgang sind«, wirft Jade ein und verschränkt die Arme. Lurai deutet ein Nicken an, ihre Stirn ist gerunzelt. Es überrascht mich nicht, dass sie dagegen sind - Bei Jade ist wohl das Misstrauen die Ursache, bei meiner Freundin mischt sich wahrscheinlich ihre Angst dazu.
»Wenn ich euch etwas antun wollte, hätte ich das längst getan. Und für Netsu lege ich meine Hand ins Feuer«, verteidigt Lio seinen Freund. Mal wieder schweifen die Blicke zu mir, klar. Ich stöhne genervt auf. Nur weil ich den Brief entdeckt habe, heißt es noch lange nicht, dass ich diese Gruppe anführe!
»In einem Wohnraum wird uns schon nichts passieren, gehen wir«, entscheide ich spontan und blicke dem jungen Schmied in die Augen, »Durch welche Tür?«
Er stürmt voran und reißt beinahe das Holz aus den Angeln, so enthusiastisch ist er. Ein Schmunzeln schleicht sich auf meine dunklen Lippen.
Der Wohnraum ist genauso gemütlich wie ich es erwartet habe. Er ähnelt zwar in keinster Weise den hellen Räumen mit hoher Decke und klaren Fenstern des Palastes, aber die Kerzen, die Holzbänke und der grob gearbeitete Tisch strahlen ein Gefühl von Heimat aus. Die Plätze um die Tischplatte allerdings sind begrenzt und so müssen Lurai, Runa und ich uns auf eine kurze Bank an der Stirnseite quetschen, die definitiv nicht für drei Personen gebaut wurde.
Jade lehnt sich skeptisch an den Türrahmen und winkelt ein Bein an. Mir entgeht nicht, dass ihr rechter Arm näher an ihrer Waffe am Gürtel liegt als sonst. Ob ich auch etwas vorsichtiger sein sollte? Wahrscheinlich. Die Prinzessin ist skrupellos. Aber hierher wird sie niemals kommen.
»Kann ich euch was bringen?«, fragt Netsu und stützt sich mit den Armen auf dem Tisch ab, die Haare fliegen wild um seinen Kopf. Ich lasse meinen Blick über die anderen wandern, aber jeder schüttelt den Kopf.
»Nein, danke«, antworte ich für alle und schenke ihm ein Lächeln.
Der Schmied setzt sich neben Lio. Das heißt, er versucht es, jedoch ist der Platz so gering, dass Lio ihn falsch einschätzt und ehe man es sich versehen kann, liegt der junge Mann am Boden. Sein Aufprall wird von einem dumpfen Geräusch begleitet.
Ich zucke zusammen und muss mich zusammenreißen, um nicht aufzuspringen, da ich dann Lurai und Runa ebenfalls zu Boden befördern würde. Sam hat die dunkelblauen Augen weit aufgerissen und blickt den gestürzten Mann bestürzt an. Ein Wortspiel, witzig. Aber passt gerade nicht!
»Ich hasse es«, grummelt Lio in den Boden und steht in wenigen Sekunden wieder aufrecht, während Netsu sich kaum einkriegt.
»Nicht lustig«, brummt sein Freund und wischt sich den Staub vom Mantel. Das Grinsen kann ich nicht verhindern, eigentlich ist das schon lustig. Genauso haben wir Lio in der Taverne getroffen, er fliegt öfters hin, wie er uns bereits gesagt hat.
»Wer seid ihr alle eigentlich?«, erkundigt sich Netsu, nachdem er erneut Luft bekommt und mustert uns neugierig.
»Meine neuen Freunde«, verkündet Lio stolz, ehe einer von uns antworten kann, und zwängt sich neben den Schmied auf den Platz. Diesmal fliegt keiner von beiden.
»Sie sind auf der Flu-«
»Durchreise«, komme ich ihm rasch zuvor und werfe ihm einen strafenden Blick zu, »Wir sind auf der Durchreise.«
»Sie wollen die Drachen finden!«, platzt es aus Lio heraus und er hüpft so sehr auf seinem Platz herum, dass er eigentlich wieder abrutschen könnte. Netsu hebt skeptisch die Augenbrauen.
»Die Drachen? Aha.«
»Wir würden auch gleich wieder aufbrechen. Es ist ein langer Weg«, mischt sich Jade ein und schreitet zu uns an den Tisch. Sam nickt zustimmend.
»Je eher wir ankommen, desto besser.«
Wenn wir nur endlich wüssten, wohin wir reisen müssen. Das Gedicht, das Lio uns gegeben hat, erwähnt gleißendes Licht, das untergeht, und einen Ort, an dem alles aus Felsen besteht. Letzteres klingt für mich eindeutig wie ein Gebirge. Ich kenne nur zwei: Das hinter Nyma Alora und das um Thalsgroth.
Mit dem gleißenden Licht könnte die Sonne gemeint sein... Das könnte passen, Thalsgroth liegt im Westen, wo die Sonne untergeht. Oder das Licht ist Nyma Alora - Das Reich der ewigen Wärme endet an der Stelle mit seiner Hauptstadt und dem Gebirge und besonders in der Poesie nennt man dieses >das helle Reich<.
Ich muss die anderen auch mal nach ihrer Meinung fragen. Das sollte ich gleich machen, wenn wir aufbrechen.
»Wir wollten nur einen kurzen Zwischenstopp machen«, erhebt Runa die Stimme und streicht sich verlegen eine Strähne hinters Ohr. Wie immer hat sie sich eher im Hintergrund gehalten.
»Verstehe«, meint Netsu, auch wenn er aussieht als würde er alles nur nicht das.
Ich schenke ihm ein dankbares Lächeln, ehe ich mich erhebe. Meine Freunde tun es mir gleich.
»Geht ihr schon mal vor und macht die Pferde fertig? Ich will kurz etwas mit Netsu besprechen und komme dann nach«, fragt Lio. Ich zucke mit den Schultern und nicke ihm zu.
»Aber nicht das Thema«, ermahne ich ihn. Er schüttelt abwehrend den Kopf.
Flynn und Duchess erwarten uns bereits. Der rote Hengst stupst mich fröhlich mit seiner Schnauze an, als ich ihn losbinde. Zuerst zucke ich reflexartig zurück. Er neigt fragend und mitleidserregend den Kopf, sodass ich mich ihm doch wieder nähere und vorsichtig über seine Mähne streiche. Pferde sind nach wie vor einschüchternd. Er ist nur eine Ausnahme.
Jade murmelt leise auf Duchess ein und Runa und Sam unterhalten sich mit gesenkter Stimme. Nachdenklich beobachte ich die beiden, sie scheinen sich gut zu verstehen. Automatisch muss ich lächeln. Runa ist generell eine ruhige Person und spricht kaum, Freunde gewinnen war schon immer schwierig für sie. Aber wenn sie in Sam eine tolle Person sieht, freut mich das ungemein für sie, für beide. Denn auch Sam hat sich nicht als gesprächigste Persönlichkeit herausgestellt.
Auch die Gegend hier ist still, nur wenige Menschen befinden sich auf den Straßen. Ob es noch zu früh ist? Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich diese Leere oder eher Mengen bevorzugen würde. Bei letzterem wäre es für Verfolger schwieriger uns zu finden, aber bei ersterem können wir diese schneller entdecken.
War da nicht ein Geräusch um die Ecke? Reflexartig wirbele ich herum, Flynn schnaubt empört. Niemand ist zu sehen. Diese ganze Sache macht mich wohl schon paranoid, großartig... Ich streichele den Hengst, um mich zu beruhigen. Mir kann nichts passieren, versuche ich mir einzureden, auch wenn ich weiß, dass das alles andere als wahr ist.
Wie um meine Gedanken zu vertreiben, verlassen die zwei Männer die Schmiede. Beide sind mit Schwertern und Gürteln ausgerüstet, die sie uns in die Hand drücken. Perplex nehme ich Waffe und Accessoire entgegen. Die Klinge ist schwerer als ich es erwartet hätte.
»Da ich mir vorstellen kann, dass ihr bewaffnet bessere Chancen habt«, Lio zwinkert uns wissend zu, »Habe ich Netsu um etwas Ausrüstung gebeten.«
»Kannst du das überhaupt entbehren?«, platzt es aus mir heraus. Schwerter sind sicher nicht günstig.
»Die sind alle alt, gebraucht und teilweise mit Makel. Das verkauft sich sowieso nicht. Also, nicht dass das minderwertige Ware wäre!«, fügt Netsu rasch hinzu und hebt abwehrend die Arme. Ein erleichtertes Lachen verlässt meine Lippen und da bin ich nicht die Einzige.
»Dann danke euch«, lächele ich, während ich mir den Gürtel um die Hüfte lege und die Waffe daran anbringe. Das gibt doch gleich ein besseres Gefühl von Sicherheit, auch wenn ich nach wie vor keinerlei Erfahrung im Kampf habe. Aber ich habe eine Vorahnung, dass sich das bald legen wird...
Als ich aufblicke und auf Runas Augen treffe, kann ich ihr ansehen, dass es ihr genauso geht. Das ist schlecht. Runa hat schon immer gruselig gute Vorraussagen getroffen.
Anmerkung der Autorin:
No... I can't explain. This just happened.
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