◇Kapitel drei◇





Als wir nach draußen gehen, schlägt uns eiskalter Wind entgegen und das typische Geräusch des Schnees entsteht unter unseren Sohlen. Ich blicke nach oben. Feine Schneeflocken rieseln hinab und zuckern den Hof.

»Da vorne ist ein Nebentor!«, ruft Runa und deutet auf die Mauer.
»Wir sollten zu den Ställen! Wir brauchen Pferde«, entgegnet Jade.
Pferde? Bitte nicht!
»Zu riskant!«, widerspreche ich.

»Aber schneller. Zu Fuß würde die Prinzessin uns sofort einholen«, verteidigt die ehemalige Generalin und macht sich auf den Weg, ohne abzuwarten.

Lurai, Runa und ich wechseln verunsicherte Blicke.

»Also ich würde trotzdem lieber laufen...«, murmelt Runa.
Ich sehe Jade hinterher.
»Ich auch...«
»Aber Jade hat leider Recht«, knurrt Lurai, »Außerdem können wir sie nicht einfach so gehen lassen. Das wäre wirklich zu riskant.«

Ich beiße mir auf die Lippe und schaue vom Nebentor zur davonstapfenden Generalin. So ungern ich will, ich muss. Ich hole tief Luft, bevor wir Jade folgen.

»Dachte ich's mir doch«, murmelt sie, als wir an ihrer Seite auftauchen. Wir erwidern nichts.

Zu viert maschieren wir vorwärts, darauf achtend, dass niemand uns entdeckt.  Der Schneefall ist ziemlich dicht, was es zwar schwerer macht, uns zu sehen, uns allerdings auch behindert. Als würde es schneien, um uns aufzuhalten.

Dennoch schaffen wir es zu den Ställen, immerhin sind wir die Kälte gewöhnt. Dort stellt sich das nächste Hindernis: Die zwei Wachen vor dem Eingang.

»Das sind Leutnant Lavae und Gefreiter Elros, die kann ich nicht einfach so ohnmächtig schlagen. Die sind im Team zu gut«, zischt Jade verärgert, nachdem sie um die Ecke des Palastes gespäht hat, hinter der die Ställe liegen, »Aber weshalb haben ausgerechnet die beiden Dienst? Die sind nicht auf diesem Niveau einer einfachen Wache.«

»Die Prinzessin«, erwidert Lurai knapp.
»Das war sie?«, frage ich.
»Natürlich. Sie ist wirklich gut, mit solchen Wachen ist das Stehlen von Pferden viel schwieriger. Sie versucht zu verhindern, dass diejenigen, die ihr nicht in den Kram passen, den Palast verlassen oder betreten«, vermutet Runa und zeigt auf die Silhouetten der Wachen, die auf der Mauer auf und ab tanzen. Es sind doppelt so viele wie normalerweise.

»Logisch. Niemand soll die Krönung stören«, folgert Jade verbittert, »Was ein Miststück.«
Ich übergehe Runas geschockten Blick über diesen Ausdruck und lenke das Thema wieder auf die Wachen.
»Was sollen wir jetzt tun?«

Die drei zucken mit den Schultern und Lurai lehnt sich genervt gegen die steinerne Palastwand. Nachdenken betrachten wir sie, wie sie einen Schneeball formt und ihn gegen die Wand knallt. Ein Schneefleck bleibt.

»Warte...«, murmelt Runa. Unsere Blick schweifen zu ihr.
»Kannst du werfen, Jade?«
»Klar.«
»Machst du noch einen Schneeball, Lurai?«
Sie nickt verwirrt, nimmt dann aber etwas Schnee und hält Runa nach wenigen Sekunden die fertige Kugel hin. Diese gibt sie an Jade weiter.

»Und Leytun, schau mal, ob es da was neben den Ställen gibt. Irgendetwas mit Fenstern. Du weißt, im Schnee kann ich nicht so gut sehen...«, fügt Runa verlegen hinzu.
Ich grinse und sehe um die Ecke. Mit zusammengekniffenen Augen kann ich den Umriss eines kleinen Schuppens ausmachen, vermutlich sind dort das Futter für die Pferde vorrätig. Und tatsächlich - Fenster. Ich drehe mich wieder zu den anderen um.

»Links steht eine Art Vorratsschuppen oder so. Hat auch ein Fenster«, teile ich meine Beobachtung mit, »Aber was hast du vor?«
»Jade, wirf das Fenster ein.«

Sie scheint zu verstehen, lugt um die Ecke, holt aus und wirft. Das laute Splittern verkündet ihren Treffer.
»He, was war das?«, dringt eine Männerstimme zu uns.
»Es kam von dort drüben!«, antwortet eine Frauenstimme und kurz darauf ertönt das Knirschen des Schnees.

»Genial, Runa«, lobe ich sie.
»Lasst uns gehen«, meint Lurai und wir schleichen so leise wie möglich zu den Ställen. Zum Glück verdeckt der frisch fallende Schnee unsere Fußstapfen sofort. Jade öffnet die Tür und rasch schlüpfen wir in die warmen Räume.

Runa seufzt erleichtert auf und legt die Kapuze ab, ich tue es ihr gleich. Links und rechts von uns stehen die Pferdeboxen und einige der Bewohner schenken uns neugierige Blicke. Etwas unsicher stelle ich mich zwischen meine Freundinnen. Unbewusst atme ich schneller und flacher.

»Welche sollen wir nehmen?«, fragt Lurai und sprüht vor Energie. Mir wären keine am liebsten. Trotz der Wärme hier drin fangen meine Handflächen zu schwitzen an.
»Die weiter hinten, dann fällt das Fehlen nicht so schnell auf«, beschließt Jade nach kurzem Überlegen.

Der Gang zweigt nach einer Weile nach links und nach rechts ab, wir entscheiden uns für den linken. Ganz hinten schließlich betritt Jade eine Box.

Das Pferd, das diese bewohnt, ist dunkelbraun und hat einen weißen Fleck auf der Stirn, Mähne und Schweif sind schwarz. Vertraut legt Jade ihren Kopf auf den des Tieres.

Nervös beiße ich mir auf der Lippe rum. Ich mag Pferde nicht. Also, das wäre zu brutal gesagt, sie sind tolle Tiere, aber ich... Ich habe, glaube ich, etwas Angst. Als kleines Kind hat mich eines in die Hand gebissen, als ich es füttern wollte. Unterbewusst fahre ich mit der rechten Hand über meine linke, dort am Ansatz des Ringfingers, wo der Bruch war. Mein Finger ist immer noch etwas schief, die Knochen sind nicht ganz wie sie sollten zusammengewachsen.

»Na, Duchess, bereit für ein Abenteuer?«, flüstert Jade der Stute zu, die leise schnaubt.
»Sie ist hübsch«, meint Lurai lächelnd.
»Ja, und sehr treu. Mein Lieblingspferd«, flüstert die ehemalige Generalin mehr zu dem Tier als zu meiner Freundin. Nach einer etwas unangenehmen Stille - Zumindest für uns drei, Jade schien die Zeit mit dem Pferd zu genießen oder so -, meint sie: »Oh, ihr könnt euch ja auch eins suchen. Wir nehmen am besten zwei und teilen uns dann auf.«

Runa und Lurai sehen sich sofort die anderen Pferde an, während ich versuche, möglichst so in der Mitte des Gangs zu stehen, dass ich zu allen Boxen den gleichen Abstand habe.

»Was ist los, Kammerzofe?«, kommt es unerwartet von Jade und ich zucke zusammen.
»Ich bin keine Kammerzofe mehr«, erwidere ich und unterdrücke das Zittern in meiner Stimme. Los, Leytun, stell dich nicht so an, letztendlich musst du ja reiten...

»Das war nicht die Frage. Was ist los?«, wiederholt Jade sich. Es klingt wie beiläufig und sie streichelt sanft den Duchess' Hals, als ich aber einige Sekunden schweige, dreht sie sich zu mir um.
»Hast du Angst?«, fragt sie geradeheraus.

Ich klappe den Mund ein paarmal auf und zu wie ein bescheuerter Fisch. Aber was soll ich denn sagen?
Ich habe Angst. Eine Menge. Zu viel wahrscheinlich, ich weiß ja, dass die Pferde mir nichts tun werden, solange ich ihnen nichts tue. Dennoch - Ich kann einfach nichts dagegen tun! Es übermannt mich immer.

Ich bringe ein Nicken zustande. Jade mustert mich und schenkt mir ein schiefes Lächeln. Plötzlich weiten sich ihre Augen.

Da... Da ist ein Luftzug an meinem Hals.
Ich zucke zusammen.
Irgendetwas knabbert meine braunen Locken an... Bitte lass es nicht ein Pferd sein... Bitte nicht...

»Steht da hinter mir, was ich denke, was da steht?«, rattere ich panisch herunter.
»Ja...?«, antwortet Jade verunsichert.

»Flynn! Schluss, aus, basta!«, höre ich Runa von hinten rufen und das Pferd lässt von meinen Haaren ab.
Ich seufze erleichtert wie nie auf.

»Alles in Ordnung, Leytun? Du siehst etwas blass aus«, meint Lurai und legt mir die Hand auf die Schulter, »Tut mir leid, aber Flynn ist einfach auf dich zugestürmt. Hat er dich gebissen?«

Ich nehme einige tiefe Atemzüge, bevor ich antworte. Meine Freundinnen wissen zwar, dass mein schiefer Finger von einem Pferdebiss kommt, aber nicht von meiner Angst.
Es hat sich einfach noch keine passende Gelegenheit ergeben.

»Nein... Nein, er hat nur etwas an meinen Haaren geknabbert.«
Mit zitternden Händen drehe ich mich um, wo Runa den roten Hengst sanft streichelt. Er blickt mich mit schiefgelegtem Kopf an und sieht eigentlich ganz lieb aus.

»Ich habe ihn nicht mehr halten können«, murmelt Runa schuldbewusst.
»Alles gut«, antworte ich. Ist es zwar nicht wirklich, aber sie sollen sich keine allzu großen Sorgen machen.

Langsam trabt Flynn auf mich zu und ehe ich irgendwie reagieren konnte, steht der Hengst vor mir und schnaubt leise und freundlich, als würde er mich begrüßen wollen.
»H- Hey...«, bringe ich raus und hebe meine zitternde Hand vor mein Gesicht.
Bitte beiß mich nicht, bitte beiß mich nicht...

Aber Flynn stupst meine Hand nur mit seiner dunkleren Schnauze an und sieht mich erwartungsvoll an.

»Was will er von mir?!«, frage ich an die drei anderen gerichtet, kann die Verzweiflung in meiner Stimme aber nicht verhindern.
»Gestreichelt werden, Leytun. Gestreichelt werden«, grinst Lurai.

Mein Blick wechselt ein paarmal von ihr zu dem Pferd, bis ich vorsichtig meine Hand ausstrecke und über das weiche Fell fahre. Flynn scheint es zu gefallen, zumindest tut er nichts, was wie ein Angriff aussehen könnte.

Ich spüre, wie die Anspannung in meinen Armen nachlässt und nach einiger Zeit traue ich mich sogar, meine andere Hand dazuzunehmen. Flynn stupst mich mit der Schnauze an die Stirn, was mich zum leisen Kichern bringt.

»Geht doch«, sagt Runa zufrieden, »Ich wusste, du würdest deine Angst überwinden.«
»Moment, woher weißt du-«, beginne ich, werde von ihr aber unterbrochen.
»Es war mehr als offensichtlich.«

»Ich will ja die traute Zweisamkeit hier nicht stören«, meldet sich Jade, »Aber wir müssen immer noch weg.«

»Ja, lasst uns gehen!«, ruft Lurai freudig.

Anmerkung der Autorin:

Hey! Diesmal keine Eisblumenprinzessin-P.O.V., aber ihr habt mehr über Leytun erfahren. Das nächste Mal wieder.

An die mit den Charakteren: Stelle ich sie gut dar? Kann ich noch etwas ändern?

Und an alle anderen: Passt schreibstiltechnisch, inhaltlich, grammatikalisch,... alles?

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