5. Josephine
Ich schaute hinunter auf das Tattoo und erinnerte mich daran, wie einfach es war, die Entscheidung zu treffen, nicht mehr weiterleben zu wollen. Es dauerte bei mir nur eine Sekunde, diese zu treffen, doch ich konnte es dann doch nicht und ließ mir stattdessen dieses Tattoo stechen. Ich wollte mir selbst den Beweis liefern, dass ich es immernoch könnte, wenn ich es wollte und ließ somit diese Entscheidung offen.
Tief einatmend wandt ich meinen Blick wieder zu Ethan, der mich besorgt musterte. Wie gerne hätte ich mich jemanden geöffnet, doch ich kannte ihn überhaupt nicht und hatte auch nicht vor, ihm meine zerbrechliche, kaputte Seite zu zeigen. Dafür war er mir noch zu fremd.
"Es ist ein Semikolon-Tattoo und bedeutet, das ich selbst über mein Leben entscheiden kann", lächelte ich ihm beruhigend entgegen, doch er behielt seinen besorgten Gesichtsausdruck bei, was mir ziemlich unangenehm wurde und schnell nahm ich erneut die Karten und wollte sie gerade mischen, da stand plötzlich Chiara bei uns.
"Wir sind in fünf Minuten an der Tankstelle", zwinkerte sie mir freundlich zu und setzte sich neben Ethan, um uns beide neugierig zu Mustern.
"Ist was?", fragte Ethan sie genervt und drehte sich zu ihr um, doch sie lächelte ihn nur an und schüttele mit dem Kopf.
"Nein, alles gut."
Er verdrehte die Augen und ich wusste, das er lieber mit mir alleine sein wollte, doch Chiara kam mir gerade Recht und als Jayden dann anhielt, stiegen wir alle zusammen aus.
"Ich tanke noch kurz", meinte Jayden und Chiara ließ es sich nicht nehmen, ihm noch einen langen Kuss zu geben, bevor sie mit uns in die Tankstelle eintrat.
"Was brauchen wir überhaupt alles?", fragte Ethan die Dunkelblonde, die einen Zettel in der Hand hielt.
"Komm mit. Ich hab alles aufgeschrieben."
Die Beiden verschwanden zu den Getränken, während ich zu den Zeitungen schlenderte um erschocken festzustellen, das das Auto, das ich geklaut hatte, zur Suche ausgestellt wurde.
Panisch drehte ich die Zeitungen alle um und lief herüber zu den anderen, die sich über die Auswahl der Getränke zu streiten schienen.
"Bist du eigentlich dumm oder so?", keifte Chiara den Schwarzhaarigen an und ich wunderte mich über die Stärke, die ihn ihr lag. Mir kam sie eigentlich ziemlich schüchtern und liebevoll vor, aber zu Ethan war sie anders. Vielleicht waren sie Geschwister, dachte ich mir und hörte ihnen weiter zu, um zu erfahren, worum es überhaupt ging.
"Du kannst doch keinen Whisky trinken, wenn du später statt Jayden weiterfährst! Er braucht auch mal eine Pause!"
"Ja, eine Pause um dich auf dem Klo zu vernaschen", lachte Ethan auf und Chiara boxte ihm gegen die Schulter.
"Ich meine es ernst Ethan!", zischte sie wütend und ich hatte das Gefühl, mich einmischen zu müssen, bevor die sich die Köpfe einschlagen würden.
"Wir kaufen die Flasche, lass ihn ruhig trinken. Ich werde fahren, wenn Jayden eine Pause braucht."
Beide starrten mich an und Chiara wandt sich schnell wieder Ethan zu.
"Na schön!"
Sie drückte ihm die Flasche in die Hand und lief weiter, während Ethan mich dankend anlächelte. Ich grinste ihm zufrieden entgegen und lief dann aus der Tankstelle, um noch unter der Sonne meine Beine ein wenig zu vertreten.
"Haben die Beiden alles?", kam Jayden mir entgegen und blieb fragend neben mir stehen.
"Sind sie Geschwister?", fragte ich neugierig, ohne auf seine Frage einzugehen. Er lachte laut auf und schüttelte verneinend den Kopf.
"Nein, aber ich weiß, was du meinst. Sie streiten, als wären sie welche."
Ich nickte ihm lächelnd zu, woraufhin er hinter mir in der Tankstelle verschwand.
Die Sonne brannte mir im Gesicht und ich war wirklich dankbar für diesen ruhigen Augenblick. Ständig musste ich Angst davor haben, dass mein Ex mich finden würde, oder noch schlimmer, die Polizei und es kam mir wirklich gelegen, in einem Wohnmobil unterwegs zu sein, denn da würde mich sicher keiner vermuten.
"Soooo", meinte Chiara die neben mir auftauchte und ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf sie.
"Wir haben alles. Ich hab Brötchen und Schnitzel gekauft, ich hoffe du isst sowas."
Ich nickte ihr zu und war überhaupt dankbar dafür, das sie ihr Essen mit mir teilen würden.
"Hier", ertönte es von Jayden, der mir ein Päckchen Zigaretten in die Hand drückte.
"Damit du nicht immer fragen musst."
Ich nahm es an und war im gleichen Moment total überfordert. Sie waren so einladend und einfach nur nett, so etwas kannte ich vorher nicht und ich bekam zum ersten Mal ein schlechtes Gewissen, anderen nichts zurückgeben zu können.
Ethan kam als letzter aus der Tankstelle und hatte eine wirklich schreckliche Sonnenbrille an, auch noch in zartrosa und ich konnte mir ein herzliches Lachen nicht mehr verkneifen.
"Chiara!", knurrte er plötzlich und riss sich die Sonnenbrille runter, um mich trotz seines grimmigen Blicks bei meinem Lachanfall zu bewundern.
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