Hogsmeade


Die frostige Luft schnitt stechend in meine Haut, als ich mir meinen Weg durch das dichte Schneegestöber auf den vereisten Landstraßen nach Hogsmeade bahnte. Meine Stiefel schlitterten immer wieder auf dem spiegelglatten Boden weg, der die abschüssigen Ländereien hinabführte. Einige Gryffindors setzten sich einfach auf ihre Mäntel und rutschten den Weg nach Hogsmeade lachend wie auf einem Schlitten hinab. Ellie hatte es ihnen gleichgetan, doch Prisha und ich hangelten uns den Weg an den vereisten Zäunen entlang.

„Wirst du auch zu Professor Slughorn's Weihnachtsfest gehen? Du bist doch sicher eingeladen, oder? Deine Noten sind fantastisch." rief mir Prisha über den pfeifenden Wind hinweg zu.

„Ja, netterweise hat der Professor an mich gedacht. Wie sind die Weihnachtsfeiern denn so?" fragte ich scheinheilig. Natürlich war ich zu meiner früheren Zeit in Hogwarts auch schon Teil des Slug-Clubs gewesen. Trotzdem hatte ich mich niemals wirklich mit dem Konzept des elitären Sahnehäubchens von Schülern anfreunden können. Aber ich würde trotzdem unter allen Umständen teilnehmen müssen. Voldemort hatte in ebendiesem Schuljahr von Professor Slughorn von den Horkruxen erfahren - Aber ich wusste nicht, wann. Falls es an diesem Abend geschehen sollte, würde ich dabei sein und ihn von diesem grausamen Beschluss abbringen müssen. Wie auch immer ich das anstellen würde...

Prisha schwärmte glücklich über den großen Ball, den es dieses Jahr, zum 15jährigen Jubiläum des Slug-Clubs, geben würde. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu und dachte an Tom. Daran, was er in diesem Moment wohl tat - Was er wohl ausheckte. Es war beängstigend in seiner Nähe zu sein, doch noch größeres Unbehagen bereitete mir seine Abwesenheit. Die Angst davor, etwas Entscheidendes zu verpassen und meine eigene Aufgabe zu sabotieren. Die letzten zwei Wochen waren besorgniserregend ereignislos gewesen, wir hatten nichts anderes getan als Bücher zu wälzen und den Namen seines Vaters in ihnen zu suchen. Und doch hatte ich das Gefühl, dass sich etwas in seinem Kopf regte - Eine Dunkelheit schien von seinen Gedanken Besitz ergriffen zu haben. Doch er sprach nicht mit mir darüber, offenbarte sein Geheimnis nicht. Das war besonders enttäuschend nachdem ich im Bad der Vertrauensschüler das Gefühl gehabt hatte, endlich zu ihm durchgedrungenen zu sein und eine erste Hoffnung verspürt hatte, eine Verbindung zu ihm aufgebaut zu haben.

„Hast du ein Festtagskleid?" wollte Prisha wissen und riss mich aus meinen düsteren Gedanken.

Ich setzte ein gespieltes Lächeln auf. „Nein, ich habe keines mitgebracht." Mir stand der Sinn nicht nach einer Shoppingtour, aber ich konnte es nicht riskieren, auffällig zu werden. In den Augen meiner Mitschüler, allen voran Tom, sollte ich nichts weiter als ein gewöhnlicher Teenager sein.

„Wir könnten zu Roseanne Robasdan's Robes gehen und dir ein Kleid aussuchen", schlug Prisha hoffnungsvoll vor. „Die sind allerdings ein wenig teuer."

„Das ist schon okay, ich würde gerne gehen." antwortete ich möglichst fröhlich und dachte an die unzähligen Galleonen, die das Zaubereiministerium mir auf meine Zeitreise mitgegeben hatte. „Aber was ist mit Ellie? Wurde sie auch eingeladenen? Vielleicht möchte sie lieber nicht nach Kleidern schauen gehen?" Startete ich einen letzten Versuch, mich aus der Einkaufstour herauszuwinden.

„Oh nein, das stört sie nicht im Geringsten. Sie macht sich nichts aus Festtagskleidung und Bällen. Sie findet den ganzen Slug-Club ziemlich langweilig." Aus irgendeinem Grund wirkte Prisha beinahe niedergeschlagen.

Ich schwieg einige Momente, um ihr die Chance zu lassen, mir davon zu erzählen. Vielleicht hatten sich die beiden gestritten.

Doch Prisha schien das Thema nicht vertiefen zu wollen. „Hast du eine Begleitung?" fragte sie stattdessen, noch immer mit belegter Stimme.

„Oh... nein. Brauche ich denn eine?" fragte ich naserümpfend. Ich war noch nie der Typ für Verabredungen gewesen.

„Nicht unbedingt..." gab Prisha zögernd zurück, aber mir wurde durch ihre Tonlage schnell bewusst, dass ein solches Verhalten höchst unerwünscht wäre.

Ich spürte ein ungutes Prickeln im Bauch. Wie sollte ich in dieser kurzen Zeit ein Date finden können? Vielleicht könnten Prisha und ich einfach zusammen gehen?

„Möchtest du jemanden fragen?"

Es war offensichtlich, dass ich einen wunden Punkt getroffen hatte. Ich sah wie Prisha unter ihren gebräunten Wangen errötete und beinahe vor Schreck auf dem vereisten Schnee ausrutschte.

„Ich... ich wollte jemanden fragen. Ich kenne die Person schon lange und wir verstehen uns so gut. Aber ich fürchte, dass es sinnlos ist. Wahrscheinlich werden meine Gefühle nicht erwidert und ich ruiniere eine wundervolle Freundschaft."

Ich zermürbte mein Gehirn und fragte mich, wen Prisha meinen könnte. Mir fiel kein Junge in Hogwarts ein, mit dem sie viel Zeit verbrachte und den sie als wahren Freund bezeichnen würde. Sie war so zurückgezogen... Die einzige Person, von der sie unzertrennlich zu sein schien, war Ellie.

Es fiel mir wie Schuppen von den Augen und ich verlor durch die abrupte Erkenntnis das Gleichgewicht. Prisha griff mir im letzten Moment unter den Arm und zog mich zurück auf meine Füße. Wir tauschten einen langen Blick aus und uns beiden war klar, vom wem sie sprach. Prisha wollte Ellie auf ein Date bitten. Deshalb war sie so enttäuscht gewesen, dass Ellie sich so negativ über den Ball geäußert hatte.

Ich konnte sehen, welche Überwindung es Prisha gekostet hatte, mir dies anzuvertrauen. Aber offenbar wollte sie nicht ganz direkt darüber sprechen. 

„Ich denke, dass es schlimmer ist, eine Chance zu verpassen und sich für immer fragen zu müssen, was gewesen wäre. Es ist beängstigend, seine wahren Gefühle zu zeigen. Aber Angst sollte dich nicht zurückhalten, wenn du so dein Glück finden könntest."

„Du hast recht.", sagte Prisha dankbar, auch wenn sie noch immer verunsichert wirkte. „Ich werde es tun. Sofort. Sonst verlässt mich der Mut wieder. Ich treffe dich später bei Robasdan's Robes." Auch sie setzte sich nun auf den Boden und schlitterte die letzten Meter auf Ellie zu, die winkend am Tor zu der Hauptstraße wartete.

Ich beschloss den beiden Zeit für sich zu lassen, ich wollte nicht im Weg und das dritte Rad am Wagen sein. Hin und wieder hatte ich in den letzten Monaten sogar gehofft, einen Moment ohne meine Freundinnen sein zu können, um keine Normalität und Unbeschwertheit vortäuschen zu müssen. Doch jetzt, da ich alleine war, fühlte ich mich verloren. Langsam stolperte ich die letzten Meter zum Dorf hinab und irrte ziellos auf der Hauptstraße herum. Ich war während meiner Schulzeit immer eine zufriedene Einzelgängerin gewesen, doch jetzt wusste ich nicht mehr, wohin mit mir. Ellie und Prisha waren die ersten richtigen Freundinnen gewesen, die ich je gehabt hatte. Unschlüssig stand ich für einige Sekunden vor dem Honigtopf, dann machte ich mich langsam und mit knirschenden Schritten auf den Weg zu Robasdan's Robes.

In dem kleinen Geschäft, das ich zuvor nie betreten hatte, war es es warm und roch nach Zimtplätzchen. Eine opulente, freundlich lächelnde Hexe begrüßte mich und drückte mir eine heiße Tasse Punsch in die Hand. Dankbar wärmte ich meine steifen Finger und durchstreifte die endlosen Reihen mit Abendkleidern in allen erdenklichen Farben und Stoffen.

Ich vergass alles um mich herum, als ich meine Finger über die seidigen Stoffe auf den Stangen gleiten ließ. Ich hatte den Laden bereits einmal durchquert, als mein Blick auf ein Kleid im Schaufenster fiel, das ich zuvor nicht bemerkt hatte. Es war wunderschön - Bodenlang und aus dunkelgrüner, glänzender Seide, die im Spiel des Windes, das durch den Luftzug der Tür verursacht wurde, zu tanzen schien. Ich trat näher und betrachtete das Abendkleid ehrfürchtig.

„Die Farbe von Slytherin." ertönte eine raue Stimme direkt hinter mir.

Erschrocken wirbelte ich herum und richtete meine Augen auf den Unbekannten. Zuerst fielen mir die stechenden, eisgrauen Augen auf. Dann das helle Haar, das beinahe weiß schien. Er war Draco Malfoy wie aus dem Gesicht geschnitten.

Spöttisch zog der Junge eine Augenbraue hoch. „Wen versuchst du zu beeindrucken?"

„Niemanden." antwortete ich kalt. Doch im gleichen Moment schoss mir die Frage durch den Kopf, was Tom Riddle von diesem Kleid denken würde. Ob ich ihm auffallen würde.

„Mich würdest du jedenfalls darin beeindrucken." antworte Malfoy, ein schiefes Lächeln auf den Lippen.

Meine Hand ruhte noch immer auf der grünen Seide, als Malfoy seine Finger ausstreckte und nur einige Zentimeter von meinen entfernt über den glatten Stoff strich. Meine Haut begann zu prickeln, so als hätte er mich berührt, nicht das Kleid.

„Ich würde dieses hier gerne anprobieren." ließ ich Madam Robasdan wissen, ohne den Jungen weiter zu beachten. Ich würde mich nicht durch ihn aus der Ruhe bringen lassen - Dank Tom hatte ich schließlich Übung darin gewonnen.

Während die Geschäftsbesitzerin das Kleid abhing, versperrte Malfoy mir den Weg zu den Umkleiden.

„Malfoy. Abraxas Malfoy. Slytherin." stellte er sich lässig vor.

„Evangeline Holmwood, Ravenclaw." antwortete ich zurückhaltend. Von einem Malfoy war nichts Gutes zu erwarten.

„Ich glaube nicht, dass ich deinen Familiennamen kenne." antwortete Abraxas mit schmalen Augen.

Ich zuckte nur kurz mit den Achseln, ohne mehr von meiner Herkunft zu offenbaren. Ich drehte ihm erneut den Rücken zu, um Madam Robasdan zu folgen, die das grüne Seidenkleid grade zur Umkleide trug.

Ich nickte Malfoy zum Abschied zu, doch er hielt mich erneut auf, indem er nach meinem Handgelenk griff. Seine Hände waren warm, ganz anders als die von Tom. 

„Wir könnten zusammen zu Slughorn's Party gehen. Ich habe deine Unterhaltung mit deiner Freundin mitgehört - Keine Verabredung zu haben ist äußerst ungewöhnlich. Beinahe unerhört." Er grinste gewinnend und offenbarte dabei spitze Eckzähne.

„Tu dir keinen Zwang an. Außerdem: Alleine bei einer Feier zu erscheinen ist bei weitem weniger erbärmlich, als fremde Unterhaltungen zu belauschen."

Für einen Moment stieg Wutesröte in Abraxas Malfoy's blasse Wangen, doch dann lachte er die Demütigung einfach weg.

„Wir sehen uns." sagte er zum Abschied, dann verschwand er durch die Eingangstür des Ladens und ließ nichts weiter als ein paar schmelzende Schneeflocken auf dem Parkettboden zurück. 

*:・゚✧ *:・゚

Überraschung! Na, was haltet ihr von Ellie und Prisha als Paar? Habt ihr es schon erahnen können? :) 

Für mich war sehr schnell klar, dass die beiden in meinen Augen zusammengehören, als ich die Charaktere entworfen habe. Mein erster Plan war es, Prisha als die Großmutter von Parvati und Padma Patil zu schreiben (was sie natürlich trotzdem sein könnte), aber dann kam mir der Gedanke, dass auch sie eine Zwillingsschwester haben könnte (tatsächlich wird die erhöhte Wahrscheinlichkeit, eineiige Zwillinge zu bekommen, ja innerhalb der Familie weitervererbt), die die Großmutter der Patil-Zwillinge ist. Was denkt ihr, welchem Haus Prisha's Schwester zugeordnet wurde? 

Ich liebe Ellie und Prisha und habe so viele Ideen und Gedanken in meinem Kopf, die ich garnicht in dieser Tiefe in die Geschichte einbringen kann, weil sie nur Nebencharaktere sind. Ich hoffe ihr mögt sie genauso gerne wie ich. ❤

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