Der Pakt mit dem Teufel
Ich fürchtete mich vor Tom Riddle's Ankündigung, mir Schaden zufügen zu wollen. Doch gleichzeitig glaubte ich nicht wirklich daran, dass er seine Drohungen wahrmachen würde. Jedenfalls jetzt noch nicht. Schließlich stellte ich durch keine Bedrohung für ihn da, oder? Abgesehen davon wusste ich nun, dass er mich ebenso wenig durchschauen konnte, wie ich ihn. Ich musste also einfach nur diejenige sein, die dieses Spiel länger aushielt. Immer wenn ich diese hoffnungsvollen Gedanken hegte, erinnerte mich eine kleine Stimme in meinem Kopf daran, dass es keinen verbisseneren und entschlosseneren Gegner geben konnte, als Lord Voldemort. Aber ich versuchte diese Gewissheit jedes Mal beiseite zu schieben und mich nur auf meinen nächsten Schritt zu konzentrieren - Tom Riddle näher zu kommen und sein Vertrauen zu gewinnen. Ich musste allerdings widerstrebend zugeben, dass mein Vorhaben absolut unmöglich schien. Tom Riddle hasste mich, ob er mich nun entschlüsseln wollte oder nicht. Doch diese winzige Gefühlsregung, die ich in ihm hatte entdecken können, die kleine Hoffnung darauf, dass ihm noch nicht alles gleichgültig war, trieb mich weiter an.
Es war die letzte Schulstunde, die ich an diesem kalten Freitagabend hatte - Astronomie. Der Unterricht fand immer nach dem Abendessen statt, um halb zehn, damit man die Sterne am Abendhimmel erkennen konnte.
Ich hatte einen wagemutigen, wenn nicht sogar selbstmörderischen Beschluss gefasst, um meine Ziele schneller erreichen zu können. In die Hausaufgaben der diesigen Woche hatte ich absichtlich einige Fehler eingebaut. Ich sprach Professor Sinistra nach der Stunde auf meine erschwindelten Probleme an und bat sie darum, dass mein Mentor und ich alleine im Turm bleiben und üben dürften.
Während des Gespräches klebten Tom's hasserfüllte Augen an mir und er belauschte verstohlen jedes Wort. Natürlich durchschaute er meine Lüge sofort - Er war misstrauisch und erbost darüber, dass ich mich nach seinem kleinen Auftritt im Wald noch immer nicht angemessen zu achten schien. Tapfer lächelte ich weiter, obwohl seine kalten Augen mich wie Pfeilspitzen zu durchbohren drohten und mir seine geballten Fäuste eine stumme Warnung entgegenzusetzen versuchten.
"Natürlich dürfen Sie bleiben, Miss Holmwood. Wer ist Ihr Mentor?" riss mich die Professorin aus meiner gedanklichen Abwesenheit.
"Tom Riddle." antwortete ich leichthin.
Auf Tom's Gesicht breitete sich wieder die perfekte, freundliche Fassade aus, die er den Lehrern von Hogwarts immer so geübt präsentierte, als Professor Sinistra sich suchend nach ihm umblickte.
"Ich hörte meinen Namen?" fragte Tom mit einer freundlichen Leichtigkeit in der Stimme, die ich ihm unter anderen Umständen zweifellos abgekauft hätte.
Er war gezwungen den Vorschlag von Professor Sinistra anzunehmen, wie ich gehofft hatte. Natürlich konnte er einem Lehrer keinen Wunsch ausschlagen, ohne dadurch sein Ansehen zu beschädigen oder unangenehme Fragen aufzuwerfen. Und als Vertrauensschüler konnte man eine derartige Bitte noch weniger ablehnen.
Während die letzten Schüler den Raum verließen und Tom und ich zurückblieben, war seine Miene ruhig und unergründlich. Doch sobald sich die Türe hinter dem letzten Umhangszipfel schloss, wandte sich der Slytherin um und wirkte so bedrohlich und ablehnend wie eh und je.
„Was spielst du hier, Holmwood? Vorletzte Woche waren deine Hausaufgaben nahezu fehlerfrei, ich habe sie selbst korrigiert!" zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und sein wutverzerrtes Gesicht war nur eine Handbreite von meinem entfernt.
„Ich habe bereut, wie unser letztes Zusammentreffen ausgegangen ist." antwortete ich möglichst unschuldig, doch mir lief ein Schauer den Rücken hinunter, als ich daran dachte, wie er reagieren könnte, wenn er die Wahrheit kennen würde.
„Du fürchtest dich also vor meinen Drohungen." stellte Tom süffisant fest.
„Nein." erwiderte ich, wenn auch nicht ganz wahrheitsgemäß. „Aber es muss nicht so zwischen uns sein... Du musst nicht versuchen, meinen Widerstand - wie du es genannt hast - zu brechen. Wenn du wissen möchtest was ich denke, dann frag mich einfach."
Tom Riddle sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Erneut nahm ich dieses leichte Prickeln in meinen Schläfen und das leise Summen in meinen Ohren wahr, dieses Mal stärker als je zuvor.
„Es wird nicht funktionieren." Antwortete ich schnippisch.
Er fühlte sich ertappt und sah noch ärgerlicher als zuvor aus, jetzt, da er wusste, dass er nicht einmal in einem Moment der Schwäche in meine Gedanken eindringen konnte. Ich sah die Wut in seinen Augen aufflammen und hätte schwören können, dass er im Begriff war zu gehen, doch dann hätte er seine Niederlage eingestehen müssen. Aufzugeben würde Schwäche bedeuten. Stattdessen richteten sich seine schwarzen Augen unvermittelt auf mich und er trat einen Schritt näher.
„Du bist begabt." stellte Tom kühl fest und ließ sich dann auf einen der Lehnstühle im Observatorium sinken.
Ich nahm gegenüber von ihm Platz. „Danke." Ich spürte wie sich das erste echte Lächeln, das ich ihm gegenüber aufbringen konnte, auf meinen Lippen ausbreitete.
Tom fasste meine Lippen scharf in Visier und wirkte so missbilligend, dass ich meine Mundwinkel sofort wieder nach unten zogen.
„Du bist zu begabt. Du kannst keine von ihnen sein." schoss er hinterher.
Ich hätte protestieren und meine nicht-magische Abstammung verteidigen können, doch ich wollte ihn verstehen lernen.
„Warum glaubst du das?" fragte ich stattdessen mit zusammengezogenen Brauen.
Tom suchte direkt meinen Blick und die schwarzen, angsteinflößenden Augen nahmen mich, wie schon zuvor, in ihrem Bann gefangen. „Magie ist vererbbar. Sie fließt reinblütigen Hexen und Zauberern im Blut, seit Generationen und Generationen. Desto reiner das Blut, desto mächtiger die Magie. Deshalb weiß ich auch, dass meine Vorfahren nie durch unwürdigen Kontakt beschmutzt wurden." Sein Blick wurde noch eindringlicher, ich befand mich beinahe in Trance. „Du bist eine von uns, nicht wahr?"
Ich wandte den Blick nicht ab, denn Tom Riddle sollte nicht glauben, dass ich etwas zu verstecken hatte. „Ich muss dich enttäuschen. Ich bin mit Sicherheit muggelstämmig."
Tom wirkte ungläubig und studierte erneut eindrücklich mein Gesicht. Plötzlich griffen seine langen Finger ohne Vorwarnung nach mir und ich keuchte vor Schreck. Tom lachte - Oder zeigte genauer gesagt seine weißen, blitzenden Zähne. Freudlos, wie schon eine Woche zuvor im Wald.
Erneut glitt seine Hand auf mich zu. Die Bewegung war dieses Mal nicht so plötzlich, doch als ich seine Absichten erkannte, hätte ich ihn gerne von dem Vorhaben abgehalten. Tom zog meinen Zauberstab aus der Tasche meines Umhanges, nahm ihn an sich und wog ihn in seinen Fingern. Nach langer Betrachtung sprach er erneut.
„Ulme, wenn ich mich nicht irre. Welcher Kern?"
„Drachenherzfaser." Ich hätte ihm meinen Stab gerne entwendet. Mir behagte der Gedanke nicht, ihm auf diese Weise ausgeliefert zu sein.
Tom sah erstmals in meinem Beisein wohlwollend aus. Seine schmalen Finger strichen geschmeidig und sanft über das Holz. „Du weißt, dass Ulmen-Zauberstäbe bevorzugt reinblütige Besitzer wählen?"
„Das ist Aberglaube." Antwortete ich schnell und griff hoffnungsvoll nach meinem Stab.
Tom zog die Hand blitzschnell zurück. Meine Augen weiteten sich vor Angst ein Stück, als Tom meinen Stab noch einige quälende Sekunden in seinen Händen behielt und sein Blick auf mir verweilte. Er genoss das kleine bisschen Macht, das er nun über mich hatte. Doch dann beugte er sich in einer geschmeidigen Bewegung vor und gab mir meinen Zauberstab zurück. Ich seufzte leise vor Erleichterung.
„Aus welchem Holz ist dein Zauberstab geschaffen?" fragte ich neugierig.
Doch Tom schüttelte nur den Kopf und ein spöttisches, schiefes Lächeln trat auf seine Lippen.
„Du könntest dich als nützlich erweisen, Holmwood. Außerdem glaube ich nicht daran, dass du von unwürdiger Abstammung bist." Seine gerade Nase kräuselte sich angeekelt, doch als ich etwas erwidern wollte, hob er nur befehligend die Hand und ich verstummte.
„Du könntest mir behilflich sein - Ich habe schon lange über meinen nächsten Schritt und meine Ambitionen für die Zukunft nachgedacht. Unser Gespräch in der Bibliothek hat mir gezeigt, wie dringlich ich das Rätsel meiner Familie lösen muss."
Ich unterdrückte ein Schaudern, denn dieses Gespräch gestaltete sich um einiges konkreter, als ich es mir ausgemalt hatte. Er hatte bereits Pläne für eine Weltneuordnung geschmiedet? Tom stand auf und stellte sich hinter die Lehne meines Stuhles, seine Finger berührten beinahe meine Schultern. Er lehnte sich zu mir hinunter und flüsterte die Worte in mein Ohr, während sein kalter Atem erneut über meine Haut strich und mich erzittern ließ.
„Ich habe Plane, große Pläne. Ich werde weiter gehen, als je ein Zauberer in der Geschichte gegangen ist. Ich habe das Potential dazu. Aber zuerst muss ich meinen Vater finden. Ich muss beweisen können, dass ich tatsächlich reinblütig und der wahre Erbe Slytherin's bin."
Er drehte meinen Stuhl, sodass ich ihn direkt ansehen musste. „Wirst du mir folgen?" Seine Stimme klang weicher als zuvor, nahezu betörend. Er versuchte mich zu manipulieren. Doch es war meine einzige Chance, Einfluss nehmen zu können.
Ich nickte schwach und verfiel dann in eine regelrechte Schockstarre, während Tom zufrieden die Sterne am Nachthimmel studierte. Ich sprach kein weiteres Wort und bewegte mich erst dann wieder, als Tom unsere Zusammenkunft beendete, um zurück zu seinem Schlafsaal zu gehen. Ich folgte ihm mit zitternden Knien zur Tür.
Er klang genau wie Lord Voldemort. Was würde ich noch gegen den Lauf der Zeit ausrichten können? Vielleicht hatte Dumbledore sich geirrt, vielleicht war jede Mühe bereits zu spät.
„Ich werde dich zurück zu deinem Schlafsaal begleiten." wisperte Tom in die Stille hinein.
Ich nickte wortlos, noch immer in Schock, doch Tom war nun besser gelaunt als je zuvor. Er hatte seinen Willen bekommen und überzeugte sich nun anscheinend selbst davon, dass ich keine muggelstämmige Hexe seien konnte. Er lief sehr viel ruhiger und langsamer neben mir her, als er es bei unserer ersten Begegnung getan hatte. Als er schließlich die Angst in meinen Augen sah, führte er diese nicht im Geringsten auf sich selbst zurück.
„Keine Sorge. Ich werde dich vor den Gefahren der Nacht beschützen." raunte er und lächelte mich an, ohne dass die Wärme seine Augen erreichte.
Ich wusste nur zu gut, dass er mich in diesem Moment einlullte. Seine Geste war keineswegs aufrichtig und fürsorglich, sondern ein strategischer Zug, mich zu umgarnen. Aus einem bestimmten Grund brauchte er mich. Nur deshalb wollte er, dass ich mich an seiner Seite wohlfühlte. Ich sollte mich in falscher Sicherheit wiegen. Ich wusste all das und trotzdem spürte ich, dass ich mich weniger verängstigt als je zuvor fühlte. Er konnte so überzeugend sein, so charmant... Es war beunruhigend.
Er begleitete mich bis vor die Tür des Ravenclaw Gemeinschaftsraumes und wartete wie ein wahrer Gentleman darauf, dass ich das Rätsel richtig löste und mir Einlass gewährt wurde.
„Gute Nacht, Holmwood. Wir können uns morgen direkt nach der letzten Stunde treffen und ein wenig Ahnenforschung in der Bibliothek betreiben. Sei nicht zu spät." In seinen letzte Worten schwang eine leise Warnung mit.
Dann hielt er mir höflich die Tür auf und ich betrat den Gemeinschaftsraum. Ich drehte mich um, um ihm ebenfalls eine Gute Nacht zu wünschen, doch ich hätte schwören können, dass er sich für einen Moment unbeobachtet gefühlt hatte und seine Züge wieder den üblichen, anteilnahmelosen und erstarrten Ausdruck angenommen hatten. Sobald er meinen Blick auffing, legte sich erneut ein freundliches, schiefes Lächeln über seine vollen Lippen. Doch seine Augen bleiben kalt und schwarz wie eh und je.
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