Kapitel 3
Tot. Das war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, als ich aus dem Schlaf schreckte. Tarek war tot. Ich konnte es nicht länger leugnen. Schweiß lief mir in Strömen übers Gesicht und mein Herz hämmerte mir schmerzhaft gegen die Brust. Ich saß immer noch im Sessel am Fenster und die Oktobersonne schickte ihren Glanz auf mich. Ganz wie in meinem Traum. Und ebenfalls wie in meinem Traum, hatte ich das Gefühl, sie würde mich mit ihrem Strahlen verspotten. Ihr Schein war so hell, doch er erhellte mein plötzlich so dunkles Leben nicht. Ich zog die Beine an meinen Körper, schlang die Arme um sie, wickelte mich in meine Decke und begann zu weinen. Hemmungslos. Schluchzend.
Ich versuchte, den ganzen Schmerz aus mir heraus strömen zu lassen. Doch mit jeder Träne wurde mir klarer, was hier gerade passierte. Und das machte es nur noch schwerer. Tarek war tot. Ich nicht. Ich würde ihn nie wieder sehen. Nie wieder. Er war endgültig und unwiderruflich weg. Und ich hatte mir Sorgen darum gemacht, was werden sollte, nachdem er Abi gemacht hatte. Mit tränenerstickter Stimme lachte ich trocken auf. Wie naiv ich doch war. Ich hatte nicht mal im Traum daran gedacht, dass es etwas Schlimmeres geben könne, als das er einfach nur studierte. Nicht mal in meinen schlimmsten Alpträumen. Mich überkam ein erneuter Schluchzer-Anfall und es schüttelte mich so heftig, dass ich fast aus dem Sessel gekippt wäre.
Auf einmal spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. "Alles in Ordnung?", fragte eine sanfte Stimme. Ich drehte mich erschrocken um. Vor mir stand eine Krankenschwester, die ein Tablett mit Frühstück in der Hand hielt. "Ich wollte dir dein Frühstück bringen." Als ich sie weiterhin nur verständnislos anstarrte, räusperte sie sich und schaute verlegen drein. "Ich- ich wollte dich nicht stören. Nur, als ich geklopft habe, habe ich keine Antwort erhalten und als ich mir überlegt habe, ob ich später wiederkommen soll, habe ich Schluchzer von hier drinnen gehört und wollte nachsehen, ob alles in Ordnung ist." Ich hatte gar nicht gehört, wie es geklopft hatte. Ich war zu beschäftigt damit gewesen, über Tarek-. Meine Augen füllten sich wieder mit Tränen, die für einen kurzen Moment versiegt waren und ich schniefte. "Hey, hey, meine Kleine nicht weinen. Alles wird wieder gut. Schhhh..." Die Krankenschwester legte einen Arm um meine Schultern, kam um den Sessel herum und hockte sich neben mich. Mir fiel auf, dass sie mich wie ein kleines Mädchen behandelte, obwohl sie vielleicht erst 19 war. Aber um ehrlich zu sein, war mir das in diesem Moment mehr als egal.
Ich rutschte vom Sessel und ließ mich von ihr in die Arme nehmen. "Nein, nichts wird gut", schluchzte ich an ihrer Schulter. Sie strich mir sanft über die Haare und murmelte mir beruhigende Worte ins Ohr. Langsam hörte ich auf zu beben und beruhigte mich allmählich wieder. "Na, geht es wieder?", fragte sie und lächelte mich an. Ich sah hoch zu ihr, doch mir war trotzdem nicht nach Lächeln zumute. "Willst du mir vielleicht erstmal deinen Namen verraten? Ich heiße Maria." Sie drückte meine Schulter. "Claire. Ich heiße Claire", schniefte ich mit einer Stimme, die unmöglich meine eigene sein konnte. "So Claire", sie strich mir eine verirrte blonde Strähne hinter mein Ohr, "willst du vielleicht erstmal etwas essen und mir erzählen, weswegen du so weinst?" Sie sah mich aufmunternd an. Ich senkte den Blick. Konnte ich schon darüber reden? "Es wird leichter, wenn du darüber redest, meine Kleine, das kann ich dir versichern", meinte sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen. "Woher willst du das wissen?", fragte ich sie niedergeschlagen. "Vertrau mir einfach", sie stand auf und bot mir ihre Hand an.
Ich zögerte, doch dann nahm ich sie und ließ mich von ihr hochziehen. Sie führte mich zum Bett und setzte sich neben mich. Mit ihren schwarzen Locken sah sie aus wie ein gefallener Engel. Maria bot mir etwas vom Frühstückstablett an, doch wenn ich nur an Essen dachte wurde mir schon schlecht, also lehnte ich dankend ab. "Also, warum weinst du so, als wäre gerade die Welt untergegangen?" Wenn sie wüsste wie Recht sie damit hatte. "Meine Welt ist gerade untergegangen." Ich sah auf meine zitternden Hände und faltete sie, um sie davon abzuhalten. Eine Weile saßen wir schweigend da, bis ich tief Luft holte und zu erzählen begann. Wie ich Tarek zum ersten Mal gesehen und ihn aufgrund seiner Haare mit Jasper aus Twilight verglichen hatte, wie ich ihn eineinhalb Jahre vielleicht ein bisschen obsessiv verfolgt hatte, wie ich von seinem Unfall erfuhr und zu guter Letzt von meinem Traum in letzter Nacht. Zwischendurch traten mir immer wieder Tränen in die Augen und Schluchzer schüttelten mich.
Am Ende meiner Geschichte lief auch Maria eine Träne über die Wange. "Das ist so- so- herzzerreißend", stieß sie schwermütig hervor. Ich nickte nur. Worte konnten meine Gefühle nicht beschreiben. "Kann ich irgendetwas für dich tun?", fragte Maria mich mit tränengeschwängerter Stimme. Ich schüttelte betreten den Kopf. "Meine Mutter kommt mich bald abholen", war das einzige was ich herausbrachte. Sie nickte geknickt. Dann dachte sie kurz nach. Sie fummelte kurz in ihrer Tasche herum und kramte einen Block und einen Stift hervor. Sie schrieb etwas darauf, riss den Zettel ab und gab ihn mir. Ich nahm ihn und las was darauf stand. Es waren ihr Name, ihre Adresse und ihre Handynummer. Maria Lehmann also. "In solch einer Situation sollte man nicht alleine sein. Wenn du mal Hilfe oder einfach jemanden zum Reden brauchst, kannst du dich einfach bei mir melden. Ich bin eigentlich immer erreichbar." Sie lächelte. Wie kann ein Mensch nur immer so fröhlich sein? Maria strich mir noch ein letztes Mal über den Kopf, stand auf, sagte: "Auf Wiedersehen", und verschwand durch die Tür. Und damit war ich wieder allein.
Bis meine Mutter kam, duschte ich mich und packte meine Sachen in die Tasche, die sie mir mitgebracht hatte. Als die Tür sich öffnete, saß ich gerade wieder im Sessel und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. Mein Handy hatte ich mittlerweile auf stumm gestellt, nachdem ich gefühlt tausend Nachrichten und ein paar Anrufe erhalten hatte. Sie alle beinhalteten wahrscheinlich das gleiche leere Gerede über geheucheltes Beileid. Nicht, dass ich sie gelesen hätte, ich konnte es mir nur denken. Natürlich meinten meine Mitschüler ihre Beileidsbekundungen ernst, aber sie konnten die Leere, die in mir herrschte überhaupt nicht nachvollziehen. Eine einzelne heiße Träne rann mir wieder über meine kalte Wange, als meine Mutter sich neben mich stellte. Sie nahm meinen Kopf in ihre Arme und drückte mich an sich. So saßen wir eine Weile schweigend da.
"Bist du soweit?", fragte sie mich irgendwann. Nein, war ich nicht. Ich war für nichts bereit. Doch ich nickte stumm, stand auf, nahm meine Tasche, blickte ein letztes Mal in den kargen Raum mit dem unangetasteten Frühstück und verließ ihn dann. Meine Mutter folgte mir auf den Fuß. Meinen Blick hatte ich stur auf den Boden gerichtet. Ich versuchte ein Muster im Boden zu erkennen. Einen Sinn in der Anordnung der kleinen Striche. Ich fand keine. Als wir an der Anmeldung vorbeikamen, hob ich kurz den Blick, um mich nach Maria umzuschauen, doch ich konnte sie nirgendwo erblicken. Wahrscheinlich hatte sie grade zu tun. Meine Mutter ging schweigend mit mir zum Auto, ich schmiss meine Tasche auf die Rückbank, schwang mich auf den Beifahrersitz und starrte aus dem Fenster. Ich konnte ihren Blick spüren und wusste, dass sie etwas sagen wollte, doch wahrscheinlich wusste sie einfach nicht was. Einerseits war ich froh, weil ich nicht reden wollte, aber andererseits war ich enttäuscht, weil nicht einmal meine Mutter meinen Kummer richtig verstand.
Es fing an zu regnen, als sie den Wagen startete. Die Tropfen schlugen gegen die Windschutzscheibe. Ich lehnte meinen heißen Kopf gegen das kühle Glas. Das Wasser zog eine Spur hinter sich her und ich verfolgte diese mit meinem Finger. Ich würde ihn nie wieder sehen. Nie wieder. Ich konnte mich nicht mehr heimlich hinter ihm in die Bibliothek schleichen und ihn hinter den Regalen beobachten. Vielleicht war ich wirklich eine kleine Stalkerin, aber ich hatte ihn geliebt. Einzig und allein das zählte doch, oder? Ich konnte mir ein Leben ohne ihn einfach nicht vorstellen. Natürlich, ich hatte gewusst, dass er dieses Jahr Abi machen würde, aber irgendwie hatte ich doch noch gehofft, dass irgendein Wunder passierte. So wie in meinen Büchern. Aber, und das musste ich mir jetzt eingestehen, ich war nicht in einem meiner Bücher. Ich lebte in der realen Welt. Der Schwarm der Heldin kam nicht einfach um die Ecke, um ihr zu sagen, dass er sie schon immer geliebt hatte. Er stand auch nicht wieder von den Toten auf, weil nur ein Missverständnis vorgelegen hatte. Nein, mein Held würde nicht wiederkommen. Er war für immer fort. Und er hatte mich einsam und alleine zurückgelassen.
Erst als meine Mutter von außen an die Scheibe klopfte bemerkte ich, dass wir zu Hause angekommen waren. Ich stieg aus dem Auto, schnappte mir meine Tasche und lief mit schweren Schultern die Stufen zu unserer Haustür hoch. Meine Mutter öffnete die Tür und wir traten ein. Endlich Zuhause. Endlich etwas Normalität. Ich streifte meine Sneakers ab, hing meine Jacke an den Haken und machte mich dann auf den Weg in mein Zimmer. "Luna, willst du nicht hier unten bleiben? Ich mach uns auch heiße Schokolade mit Marshmallows, so wie du es magst", versuchte meine Mutter mich aufzumuntern. Ich schüttelte nur betreten den Kopf. Ich brauchte jetzt Zeit für mich. Alleine. Sie meinte es ja nur gut, aber ich war grade nicht in der Stimmung schon wieder darüber zu reden. Meine Mutter sah mich mit traurigem Blick an, ließ mich dann aber doch nach oben gehen. "Mach dir nicht zu viele Gedanken, mein Schatz, es wird alles wieder gut", rief sie mir noch nach, als ich in den ersten Stock zu meinem Zimmer hinaufstieg. Ich pfefferte meine Tasche in eine Ecke, nahm mir mein Lieblingskuscheltier, einen kunterbunten Frosch, den ich schon seit meiner Geburt besaß, setzte mich auf meine breite Fensterbank, kuschelte mich in mein Decke und begann mir die Seele aus dem Leib zu weinen.
Ich konnte es immer noch nicht fassen. Ich würde Tarek nie wieder sehen. Er war für immer fort. Schluchzer schüttelten mich, als ich daran dachte, wie oft ich neben ihm gesessen, gestanden oder an ihm vorbei gelaufen war, ohne ihn anzusprechen. Ich hatte meine Chancen verspielt. Allesamt. Warum war ich nicht aktiv geworden? Ich hatte doch gewusst, dass er bald fort war. Natürlich hatte ich nicht im Entferntesten daran gedacht, dass er nicht einfach nur Studieren ging, sondern dass seine gesamte Existenz von einem Moment auf den anderen ausgelöscht sein würde. Warum musste Tarek sterben? Warum starben immer die, die es nicht verdient hatten? Die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten? Ein Leben voller Lachen, Liebe und Glück. Das Schicksal hatte ihn einfach aus diesem Leben herausgerissen, noch bevor es richtig begonnen hatte. Ich zog mein Handy aus meiner Hosentasche und öffnete die Galerie. Tareks Schwester ging in meinen Jahrgang, deswegen hatte ich ihre Nummer. Einmal hatte sie ein Familienfoto als Profilbild, wo auch Tarek drauf zu sehen war. Ich hatte es natürlich sofort gespeichert. Eine Freundin von mir hatte außerdem extra für mich noch ein heimliches Foto gemacht, auf dem man leider sein Gesicht nicht sehen konnte, da es aufgenommen wurde, als er gerade hinter dem Türrahmen verschwand.
Ich betrachtete erst das eine und dann das andere Foto. Wieder einmal kam ich nicht umhin, sein makelloses Gesicht und diese wunderschönen Wangenknochen zu bemerken. Er lächelte nicht viel auf Fotos, das wusste ich, weil Tareks Schwester mir zufällig einige gezeigt hatte, doch auf dem ersten der beiden Bilder hatte er ein schiefes Grinsen aufgelegt. Es war wunderschön. Ich hätte alles dafür gegeben es einmal in der Realität zu sehen oder vielleicht selbst der Auslöser zu sein. Plötzlich schoss mir durch den Kopf, wie es Florence, Tareks Schwester und seinem Bruder, Adrian, mit dem ich im Chor sang, wohl ging. Ich hatte auf einmal das Gefühl, kein Recht zum Trauern zu haben, schließlich war er ihr Bruder und ich hatte ihn kaum gekannt.
Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses Gedankens breitete sich in mir die Trauer wie ein riesige, gierige schwarze Qualle aus. Sie verschlang alles in mir und ließ mir nur die Trauer und das Gefühl der Einsamkeit. Ich hatte das Bedürfnis Maria anzurufen und zog ihre Nummer bereits aus meiner Tasche, als mir klar wurde, dass ich gar nicht wusste, was ich ihr überhaupt erzählen wollte und so ließ ich die Nummer wieder in meine Tasche gleiten. Ich hätte auch mit meiner Mutter reden können, aber ich wusste, dass sie sagen würde, dass ich zum Teil selbst Schuld daran wäre. Also natürlich nicht an seinem Tod, aber an der Tatsache, dass ich nie mit ihm geredet hatte und dass ich mich deswegen in Selbstmitleid wäge. Mein Vater war grade in unserer Praxis und behandelte, den konnte ich also auch nicht anrufen. Und mein Bruder saß in der Uni oder sonst irgendwo. Blieb also nur einer. Ich nahm mein Handy und rief Nico an.
Nico war mein bester Freund und im Prinzip das genaue Gegenteil von mir. Er war sportlich, war beliebt, kam überall gut an und war auch bei Mädchen nicht auf den Mund gefallen. Wir waren schon seit dem Kindergarten befreundet und ich konnte ihm immer mein Herz ausschütten, egal worum es ging und egal wie oft ich es schon getan hatte. Er war auch einer der wenigen, die mich schon einmal hatte weinen sehen. Natürlich hatte ich ihm von der Sache mit Tarek erzählt und er hatte wie immer versucht mir zu helfen, doch auch Nico war nur auf den Schluss gekommen, dass ich mit ihm reden musste. Das hatte sich jetzt aber erledigt.
Er ging sofort nach dem ersten Klingeln dran. "Hey... wie geht's dir?", fragte er mich besorgt. Ich schluchzte in den Hörer. "Dumme Frage", er seufzte lächelnd. Das Lächeln konnte ich an seiner Stimme erkennen. "Er ist tot", schluchzte ich. "Ich weiß, ich dachte schon... du willst dir was antun, als du so aus dem Klassenraum gestürmt bist. Ich wollte dich ja noch aufhalten, aber du hast dich ja einfach von mir losgerissen." Dann war das also seine Hand gewesen, dachte ich. "Nein, ich wollte nicht, dass jemand meine Tränen sieht. Ich musste da einfach raus, es war als würde ich ersticken", antwortete ich. Er machte ein zustimmendes Geräusch. "Kann ich verstehen." "Weißt du, ich habe grade an Florence und Adrian gedacht und wie es ihnen geht. Ich habe kein Recht traurig zu sein. Ich kannte ihn nicht", schluchzte ich. "So ein Stuss, du warst in ihn verliebt, verdammt. Das konnte jeder sehen. Das war nicht bloß eine Schwärmerei, das war dir doch ernst, oder irre ich mich da? Natürlich hast du das Recht zu trauern, auch wenn ihr euch nicht kanntet", fuhr er auf. Ich sah zu Boden. Hatte ich das?
Als hätte er gewusst, was ich dachte, und ich war mir sicher, dass er es wusste, sagte er: "Ja hast du! Auch wenn du manchmal das Gefühl hast, das nicht verdient zu haben, darfst auch du mal traurig sein. Das ist natürlich. Du bist schließlich ein Mensch und keine Maschine." Er hatte recht, wie jedes Mal. Ich seufzte. "Ich denke die ganze Zeit darüber nach, was passiert wäre, wenn ich mal mit ihm geredet hätte. Vielleicht wären wir ein Paar geworden und er wäre vorgestern nicht zu diesem Zeitpunkt da entlang gefahren und hätte den Unfall nicht gehabt und wäre jetzt nicht tot." "Das hätte durchaus sein können", stimmte Nico mir zu, "aber indem du dir die ganze Zeit jetzt den Kopf darüber zerbrichst, was hätte sein können, machst du es auch nicht ungeschehen. Das ist jetzt Vergangenheit. Trauere jetzt erstmal um Tarek, dann kannst du nach vorne sehen."
Nach vorne. Vorne? Für mich gab es kein vorwärts, nicht mehr. Eine Zukunft ohne Tarek war unvorstellbar für mich. "Auch wenn es jetzt noch nicht so aussieht, gibt es irgendwann auch wieder Lichtblicke in deinem Leben, glaub mir", las er wieder meine Gedanken. Er kannte mich besser als mir lieb war. "Du hast ihn nun mal nicht angesprochen. Ich weiß ja, dass du damit ein Problem hast, seit damals...", fügte er hinzu. "Stopp, ich will jetzt nicht auch noch darüber nachdenken", schnitt ich ihm das Wort ab. "Tareks... Tod beschafft mir genug Schmerzen. Da brauche ich nicht noch mehr." "Ja, natürlich. Verstehe ich", antwortete Nico ruhig. "Willst du, dass ich vorbei komme?", fragte er mich. Das war für ihn nicht weit. Wir wohnten im selben Dorf.
"Nein... ich brauche noch etwas Zeit für mich alleine. Vielleicht morgen."
"Okay, ich nehme dich beim Wort."
"Ich hab dir kein Wort gegeben."
"Vielleicht nicht direkt, aber du willst trotzdem, dass ich vorbeikomme, oder liege ich da falsch?"
Ja, er hatte recht - schon wieder -, ich wollte ihn sehen. Ich brauchte seine Nähe und seinen Trost. "Ich nehme dein Schweigen jetzt mal als ein Ja, okay? Also komm ich morgen vorbei." "In Ordnung", ich seufzte. "Dann bis morgen." "Ciao." Gerade als ich auflegen wollte, fügte er aber noch hinzu: "Tu mir einen Gefallen, ja? Tu dir nichts an", und legte auf. Ich stutzte und starte mein Handy an. Warum sollte ich mir etwas antun? Ja, natürlich, ohne Tarek war die Welt nur noch dunkel und ich verspürte keine Freude mehr... doch mich umbringen? So etwas würde ich niemals tun. Selbstmord ist die egoistischste und feigste Art zu sterben, die es gibt. Jeder der das tut, denkt nur an sich und nicht an die Konsequenzen, die das für andere hat. An die Trauer und den Schmerz, den er hinterlässt.
Meine Mutter hatte ihren Vater, als sie in meinem Alter war, verloren. Er hatte sich erschossen. Allein um meiner Mutter nicht noch mehr Kummer zu bereiten, konnte ich so etwas nicht tun. Das verstieß komplett gegen meine Moralvorstellungen. Nico wusste vermutlich nur, wie sehr die Dunkelheit nach mir griff und machte sich Sorgen, dass ich meine Meinung ändern könnte. Er war nur besorgt, er kannte mich. Natürlich hatte ich mir gewünscht, dass er zu mir kommt, aber ich hatte nicht gelogen. Ich brauchte wirklich Zeit für mich. Es war alles nicht so einfach. Eher sehr kompliziert.
Trotzdessen, dass meine Gedanken sich nur um Tarek drehen konnten, fielen mir nach einigen Stunden doch die Augen zu und ich fiel in einen unruhigen Schlaf.
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