Unruhe vor dem Sturm

"Was hat das eigentlich zu bedeuten?", fragte Gally und sah erst zu Newt, dann zu mir.
"Was denn, Gally?", fragte Newt genervt zurück.
"Na, zuerst tanzt Thomas hier an, überlebt 'ne Nacht im Labyrinth, tötet einen Griewer, und wird nach drei Tagen ein Läufer, und dann sind zwei Mädchen hier und Alby wird gestochen.", erklärte er aufgebracht. "Ich meine, ist denn keiner von euch misstrauisch wegen dem Ganzen?"
"Vielleicht ist das aber auch 'ne Botschaft, dass wir endlich mal unseren Arsch bewegen sollen, Gally", meldete sich Minho. "Wir haben jetzt den Schlüssel und somit eine erste Spur in Richtung Ausgang."
"Ach, komm schon, wir wissen nicht mal, ob das Ding überhaupt was nützt", behauptete Gally.
"Dann geh doch ins Labyrinth und prüf's nach. Sag mir dann, ob's funktioniert hat", sagte Minho angriffslustig.
"Jungs, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt zum Streiten", meinte ich und warf Minho einen beschwörenden Blick zu.
"Na schön...", sagte Gally beleidigt, drehte sich um und ging davon. "Aber ich warne euch, das geht alles nicht mit rechten Dingen zu!", rief er uns noch nach.

Thomas und das andere Mädchen waren nun schon fast eine halbe Stunde oben auf dem Aussichtsturm.
Währenddessen hatte ich mich wieder an die Arbeit im Garten gemacht. Etwas erschöpft stützte ich mich an die Schaufel, mit der ich arbeitete, und machte eine kurze Verschnaufpause. Ich beobachtete wie Thomas und das Mädchen vom Turm herunterstiegen und mit Newt zur Sanihütte gingen. Alby tat mir wirklich leid. Die Schmerzen, die er durchmachte, mussten unvorstellbar stark sein, so wie er andauernd schrie und sich quälte. Ich frage mich, ob es wohl physische Schmerzen waren, oder ob es an den Erinnerungen lag, die er angeblich zurückerlangt hatte...
"Hey, Lisa. Was ist los?", fragte jemand neben mir. Ich kannte die Stimme, immer wenn ich sie hörte entfachte sie ein kleines, angenehm warmes Feuer in meiner Brust.
"Nichts, ich hab nur schnell 'ne Pause gemacht", antwortete ich.
"Ich kenne deinen Blick wenn du nachdenkst. Und das war er gerade. Also, was ist los?", hakte Minho nach.
"Es ist wegen Alby. Er tut mir leid.", sagte ich.
"Ja, mir auch. Aber es gibt nichts was wir tun können. Außer hoffen", sagte er. "Gally ist echt das Letzte. Er gibt Thomas und dir die Schuld, dass Alby gestochen wurde."
"Lass ihn doch einfach. Er wird's schon früh genug begreifen, spätestens wenn du und Thomas den Ausgang gefunden habt.", meinte ich.
"Vielleicht...", sagte Minho nur.
"Hey, gestern da bin ich nicht mehr ganz fer-", begann er, wurde aber von einer lauteren Stimme übertönt.
"Hey, Lisa! Arbeiten, nicht herumstehen!", rief Zart von der anderen Seite des Gartens.
"Sorry, Minho, das muss warten. Er mag es nicht, wenn ich mich zu sehr ablenken lasse. Später okay?", bat ich ihn um Verständnis.
"Ja, okay... Dann bis später", sagte er und ging mit schnellen Schritten auf die Mitte der Lichtung zu.

Aus dem 'später' wurde nichts, da Minho vor und während dem Abendessen noch eine Besprechung mit den anderen Hütern und Newt hatte und er und Thomas schließlich früh schlafen gingen, um am nächsten Tag fit fürs Labyrinth zu sein.
Ich hingegen lag noch lange wach. Mich beschäftigte vieles, aber vor allem, dass Gally angeblich Thomas und mich für alles was passiert war verantwortlich machte. Ich weiß auch nicht, was sich die Schöpfer dabei dachten, dass sie nach drei Jahren zwei Mädchen auf die Lichtung schickten und das alles geschehen lassen, aber vielleicht hatte Minho ja recht und wir sollen wirklich hier raus kommen.
"Kannst du auch nicht schlafen?" Ich schaute um mich, auf der Suche nach der Stimme. Es war das Mädchen, das ihre Hängematte schräg vor mir hatte. Sie hatte sich auf die Seite gedreht und schaute mich neugierig an. Ich richtete mich ebenfalls etwas auf um sie besser sehen zu können.
"Nein. Es ist so viel los, das muss ich erst verarbeiten.", flüsterte ich.
"Geht mir genauso", sagte sie.
"Weißt du eigentlich deinen Namen schon wieder?", fragte ich.
"Teresa", antwortete das Mädchen.
"Weißt du auch woher du Thomas kennst?", wollte ich wissen.
"Nein, ich weiß nur, dass es so ist. Aber, ein bisschen fühle ich mich schon verbunden zu ihm", erklärte Teresa.
"Ist bei mir auch so. Ich habe dauernd das Gefühl, als würde ich ihn von früher kennen oder so.", gestand ich.
"Komisch...", meinte sie. "Meinst du, das ist Zufall?"
"Ich weiß nicht, aber vermutlich nicht.", sagte ich. "Hey, was habt ihr eigentlich bei Alby gemacht? Ich hab gesehen wie ihr zu ihm gegangen seid."
"In meiner Tasche hatte ich zwei Spritzen. Thomas meinte, dass es vielleicht gegen den Griewerstich helfen könnte und ich glaube, er hat recht. Wir haben eine der Spritzen Alby gegeben und seitdem ist er ruhig.", erklärte Teresa.
"Hoffen wir mal, dass die Spritze hilft. Er hat wirklich Höllenqualen gelitten.", sagte ich.
Nach einer kurzen Pause erwähnte Teresa ein neues Thema: "Und wie ist es so hier zu leben? So ganz unter Jungs?"
"Dreckig, laut, anstrengend. Aber man gewöhnt sich schnell daran.", sagte ich.
"Oh...", meinte sie. "Aber jetzt sind wir ja zu zweit. Und, naja, Thomas scheint mich zu mögen."
"Ich hab mich auch schnell mit den Jungs angefreundet. Chuck, zum Beispiel. Er ist mir schon richtig ans Herz gewachsen.", sagte ich.
Ich wartete kurz auf eine Antwort, aber es kam keine, bis ich bemerkte, dass Teresa den Kopf in die Hängematte gelegt hatte und eingeschlafen war.
"Hatte ich sie so gelangweilt?", dachte ich schmunzelnd.
Ich drehte mich ebenfalls zur Seite und beobachtete Thomas wie er schlief.
Ein Arm baumelte aus seiner Hängematte, die sich sanft hin und her wiegte.
"Woher kenne ich dich bloß...", flüsterte ich leise zu mir selbst, während seine Silhouette vor meinen Augen immer blasser wurde, bis auch ich einschlief.

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