Ihre Ohnmacht und was Moriarty damit zu tun hat
Eine halbe Stunde später hatte sich die Unbekannte auf den Stuhl gesetzt, den alle Klienten irgendwann besetzten und nach einer Tasse Tee, den ihr John eigens angefertigt hatte, war sie endlich bereit zu reden. Sherlock war ungeduldig in dem verwüsteten und mit Blut bespritzten Zimmer umhergelaufen, es war viel seiner Geduld nötig gewesen, um die Frau nicht mit Gewalt dazu zu bewegen, endlich von dem Geschehenen zu berichten.
Mit etwas zittrigen Händen erhob sie schließlich das Wort.
"Ich saß gerade zu Hause und....las." John hob eine Augenbraue an. "Sie haben also ein Buch gelesen?" Sie schüttelte langsam den Kopf. "Ich las die Menschen, die vor meinem Fenster im Erdgeschoss vorbeiliefen." John wollte noch einmal nachhaken, doch Sherlock hielt ihn zurück und sagte: "Ich verstehe. Fahren Sie bitte fort." Die Frau nickte.
"Auf jeden Fall entdeckte ich auf einmal drei Männer, die nicht wirklich ins Bild passten, obwohl sie unbeachtet von allen im Strom der Menge mitschwammen, so schwammen sie in meinen Augen doch gegen den Strom..." Sherlock nickte leicht, aber sie sah, dass John Mühe hatte, zu verstehen, also versuchte sie, sich verständlicher auszudrücken.
"Mit anderen Worten: Sie schienen zwar niemandem aufzufallen, aber für mich waren sie doch sehr verdächtig." John nickte. "Nun, erst verschwanden sie, doch schon nach wenigen Minuten kamen sie wieder an meinem Fenster vorbei, was zwar im Grunde Zufall sein könnte, für Manche jedoch ganz klar verdächtig scheint. Ich beschloss, mich sicherheitshalber über Nacht zu einer Bekannten zu begeben, bei der ich nichts zu befürchten hätte. Zu einem günstigen Zeitpunkt also verließ ich dann am Nachmittag mein Haus, doch ich war zu unvorsichtig... In einer Seitenstraße haben sie mich erwischt. Es waren genau die drei, die ich schon vor meinem Fenster bemerkt hatte. Einen konnte ich abwehren, aber durch Überzahl und mehr Muskeln gelang es ihnen schließlich, mich mit einem Chloroform getränkten Lappen außer Gefecht zu setzten." Sie seufzte, nahm einen weiteren Schluck Tee und sprach dann etwas lauter weiter.
"Ich erwachte an einen Stuhl gefesselt in einem Schwimmbad. Auf einem dieser Sprungbretter. In fünf Metern Höhe." Die beiden ihr gegenüber runzelten die Stirn, Sherlock ergänzte: "Es war bestimmt nicht leicht für Sie mit Ihrer Höhenangst." John sah ihn fragend an, aber die Frau lächelte. "Sie sind also wirklich gut. Allerdings steht in Frage, ob der Beste." Sherlock bat sie, weiterzuerzählen.
"Sie können sich vermutlich vorstellen, wie schwer es ist, mit einer Höhenangst, ganz abgesehen davon, das ich soeben entführt worden war, die Nerven zu behalten. Doch es gelang mir, bis er auftauchte..." "Wer auftauchte?" Fragte John, woraufhin die Frau seufzte.
"Ich denke Sie beide sind mit seinem Namen vertraut. Moriarty." Sherlock setzte sich ein wenig gerader auf seinem Stuhl auf, sagte aber nichts. "Nun, er stieg die Leitern hinauf, bis er vor dem Stuhl, auf dem ich saß stehen blieb und lachte." Sherlock unterbrach sie. "Wieso sollte er das tun? Sie haben unter Beweis gestellt, das sie eine gewisse Intelligenz besitzen, aber allein deswegen wäre er nicht an Ihnen interessiert." Sie nickte und fuhr fort:
"Ich habe das Gefühl, dass Sie mich zu sehr unterschätzen. Ich habe einige Informationen, an denen Moriarty interessiert ist. Viele Informationen. Alle Informationen." Sherlock hielt inne. "Das kann nicht sein. Um welche Art von Information handelt es sich dabei?!" Die Unbekannte lächelte bedauernd. "Ich sagte bereits: Alle Informationen. Und leider, Mr. Holmes, sind auch viele interessante Fakten, die Sie betreffen dabei... An genau diesen war Moriarty interessiert."
Sherlocks Miene wandelte sich von gleichgültig zu ernst. "Sie sind gerade erst mit der Schule fertig und noch dazu arbeitslos. Wie sie gerade erzählt haben, leben sie in einer einfachen Wohnung im Erdgeschoss eines einfachen Hauses auf einer gut zugänglichen, normalen Straße. Beweisen Sie, das in ihrem normalen Kopf derartige begehrenswerte Informationen existieren."
Die Unbekannte seufzte, erhob sich langsam, was sie sichtlich viel Anstrengung kostete und begann langsam auf den Detektiv zuzugehen.
"Wir beide sind uns noch nie begegnet, aber in der Regel wissen sie aufgrund Ihres beachtlichen Wissens doch immer, wem sie gegenüberstehen, ein Vorteil, den auch ich habe... nun denn: Mr. Sherlock Holmes. Bruder von Mycroft Holmes, welcher fast noch interessanter ist als ersterer. Eltern beide am Leben, vor Allem der Vater ziemlich durchschnittlich, zusammen bewohnen sie ein kleines nettes Haus außerhalb von London. In Ihrer Kindheit hatten Sie zwar keine Freunde, jedoch ein äußerst geliebtes Haustier, genauer gesagt ein Hund, meines Wissens nach... Rotbart." Sherlock zuckte zusammen. "Soll ich fortfahren, Mr. Holmes?"
Langsam und mit einem kleinen Hauch von Bewunderung oder Erstaunen musterte er die Frau, die jetzt nur noch einen Schritt von ihm entfernt war. "Ich werde nun fortfahren und darauf hoffen, dass sie in Zukunft all meinen Aussagen glauben schenken." Er nickte.
"Nun denn. Ich befand mich also auf einem meiner Meinung ach viel zu hohen Sprungbrett in einem verlassenen Schwimmbad, vor mir ein Krimineller namens James Moriarty, der neben der vor Höhe meine größte Angst ist. Der Stuhl, an welchen ich gefesselt war, war so ausgerichtet, dass ich in seine Richtung blickte, würde er mich aber nur einen halben Meter nach hinten schieben, würde ich von dem Brett in das tiefe Wasser stürzen und jämmerlich ertrinken." John schien ziemlich schockiert zu sein, doch Sherlocks Gesicht blieb unverändert.
"Er verlangte von mir, ihm alle Informationen über Personen namens Sherlock, Mycroft, John, Miss. Hudson, sowie Lestrard zu offenbaren. Natürlich drohte er mir mit dem Tod."
"Das ist unfassbar... Mein aufrichtiges Beileid, miss.... wer sind sie nochmal?" Fragte John und sie antwortete: "Olivia. Wenn Sie mehr wissen möchten, fragen Sie jenen, der mich heute fast ermordet hat." John runzelte die Stirn, doch Sherlock meldete sich erneut zu Wort: "Und, Olivia, wie sind sie ihm entkommen? Oder hat er sie gehen lassen, nachdem er seine Informationen bekommen hat?"
"Nein. Ich schwöre Ihnen: Selbst als er begann, das Brett mächtig in Schwung zu versetzen, blieb ich standhaft. Als es jedoch unerträglich wurde, versuchte ich es mit Falschinformationen. Er löste meine Fesseln und ich wollte mich gerade an ihm vorbeischieben und die Leiter hinunter, als ihm plötzlich ein Fehler, eine Ungereimtheit auffiel, in dem was ich gesagt hatte. Er erkannte meine Lügen und stellte sich mir in den Weg, des Weiteren richteten sich die Laser von Schafschützen auf mich. Ich war gezwungen, noch ein wenig länger auf diesem furchtbaren Fünf-Meter-Brett zu bleiben, während Moriarty mich verhörte."
"Das ist wirklich furchtbar, wenn Sie etwas brauchen, lassen Sie es uns wissen." Sagte John und lächelte sie verständnisvoll an, Sherlock jedoch fuhr ungerührt fort: "Nun, WIE sind sie letztendlich entkommen?"
Sie senkte den Kopf und lächelte nervös.
"Nun, aus ihrer Sicht war es gewiss ziemlich fragwürdig..."
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