Flucht (vor der Liebe?)
Olivias Herz stand still. Jims Herz stand still. Sie schloss schließlich die Augen. Er auch.
Sie beide führten den Kuss noch ein par Sekunden weiter, er zog sie näher zu sich heran und sie vergrub ihre Hände in seinen dunklen Haaren.
Nach einer Ewigkeit lösten sie sich von einander und tanzten - ohne etwas zu sagen - einen langsamen Walzer. Keiner von ihnen fand die richtigen Worte, nur in ihren Gedanken gingen sie das Gespräch schon mal durch, das sie führen würden. Da sie beide wussten, wohin eine Konversation führen würde, sagten sie einfach nichts. Olivia war verwirrt. Sie wusste, das selbst ein Gefühl wie Liebe nur simple Chemie war, aber sie hatte keine Ahnung wie die Formel aussah. Sie sah Jim verlegen in die Augen, stellte erweiterte Pupillen fest, auch sie selbst hatte welche. Sie erschrak...
War sie jetzt in James Moriarty verliebt?
Sie hatte keine Ahnung. Auch Jim war sich unsicher, das einzige was er wusste war, das Olivia Skielos seine Lieblingsangestellte war. Sie wiegten sich gegenseitig hin und her über die Tanzfläche, sich bewusst darüber, wie lächerlich das alles war..... Und trotzdem fühlte es sich so richtig an.
Schließlich löste sich Olivia von ihrem kriminellen Tanzpartner und sagte mit einem Blick auf die Uhr: "Wir haben noch fünf Minuten bis zu dem Mord an Leryan, ich gehe vorher noch schnell auf die Toilette." Sie ging hastig in Richtung der WCs,, vor der Tür der Damentoilette drehte sie sich noch einmal um und hinter ihr an der Wand lehnte: Jim Moriarty.
Er sagte mit schrägem Lächeln: "Nur wegen der Sache gerade .... zwischen uns beiden..... Ähm... Heißt das noch nicht das ich dir restlos vertraue. Ich warte hier, also kannst du eine Flucht vergessen. Fenster gibt es auf der Toilette übrigens auch keine, durch die du klettern könntest, ich kenne den Bauplan des Rathauses."
Innerlich dachte sie bloß 'Mist. Mist. Mist!' Aber sie täuschte ein Lächeln vor und sagte während sie reinging: "Ich habe nicht immer ein teuflischen Plan, nur weil ich aufs Klo muss. Abeeer... Ich wusste nicht das Sie mich inzwischen Duzen. Diese 'Sache gerade zwischen uns beiden' ändert wohl doch mehr als du dachtest."
Mit einem Zwinkern verschwand sie in dem WC.
Sie hatte Glück, es waren solche edlen Kabinen in denen es neben einer Toilette auch Spiegel und Waschbecken gab. Gut, sie würde also Privatsphäre haben. Und Jim hatte Recht gehabt: Es gab nur ein winziges Fenster. Sie lehnte sich gegen die Wand, atmete tief ein und schloss kurz ihre Augen. Wenn ihr Plan nicht klappte, wäre sie geliefert. Außerdem gab es zu viele Variablen, die schief gehen könnten.
Entschlossen öffnete sie ihre Augen wieder und zog aus ihrem BH ein Smartphone hervor. Es war zwar ein wenig dumm, aber Jim hatte ihr extra keine Taschen gegeben, damit sie nichts verstecken konnte. Ihre Kleidung war die einzige Möglichkeit gewesen.
Es handelte sich um das Handy von Jim. Während des Kusses hatte sie es ihm aus dem Jackett gezogen, natürlich war das ziemlich hinterlistig gewesen, aber andererseits hätte er es in jedem anderen Moment mitbekommen. Sie schaltete es ein und hatte nach dem zweiten Versuch tatsächlich sein Passwort herausgefunden. 'Napoleon'. Natürlich. Es war klar, das er keine zu wichtigen Kontakte oder Daten darauf hatte, aber wenigstens eine Kommunikationsmöglichkeit. Ein wenig zitternd tippte sie Mycrofts Handynummer, die sie ja auswendig konnte in das Wählfeld ein. Zum Glück ging er dran.
"Ja?"
"Olivia Skielos ist hier."
"Ah. Warum flüstern Sie?"
"Hören Sie auf Fragen zu stellen. Ich bin in Lebensgefahr, fürchte ich. Ebenso meine Eltern. Bitte. Sie haben doch auch Zugriff zu Akten von Leuten die nicht in London leben. Ich nicht. Bitte. Sie müssen meine Eltern kontaktieren, dass sie umziehen und ihre Identität am besten ändern sollen!!!"
Stille.
"Warum sollte ich ihre Eltern erreichen können?"
"Ich weiß das Moriarty meine Akte von Ihnen hat. Sie sind Schuld an meinem derzeitigen Desaster, also holen Sie jetzt die verdammte Kopie meiner Akte, die Sie haben. Ich weiß Sie besitzen von allem Sicherheitskopien!!! Sie schulden mir was also BITTE wählen Sie jetzt die Nummer meiner Eltern, die der Akte beiliegen müsste."
Wieder diese verdammte Stille.
"Nun gut. Soll ich Ihnen ein par Leute schicken, die Sie da raus holen?"
"Nein! Moriarty darf keinen Verdacht schöpfen. Tun Sie einfach was ich gesagt habe. Vielen, vielen Dank!"
Damit legte sie auf und atmete aus. Teil eins hatte schon mal geklappt. Moriarty könnte sie in Zukunft nicht mehr mit ihren Eltern erpressen, oder sie an ihrer Flucht hindern. Gut, jetzt Teil zwei.
Jetzt zog sie aus ihren Kniestrümpfen das dunkle Schminkpuder, das sie aus Jims Appartement hatte. Sie riss hastig die Rosen aus der Vase, die am Waschbecken neben der Seife standen. Darein ließ sie Wasser laufen und kippte anschließend den ganzen dunklen Puder hinein. Es kam eine fast schwarze Flüssigkeit heraus. Diese kippte sie ohne Zögern über ihre Haare, die augenblicklich von hellbraun zu einem dunklen, fast schwarzen Ton wechselten. Neben der Verfärbung wellten sich ihre Haare auch noch, sodass ihre Haare schon mal nicht wiedererkennbar war. Ihre hellen Augenbrauen fuhr sie ebenfalls mit der dunklen Flüssigkeit nach.
Als sie in den Spiegel blickte, erkannte sie sich fast nicht wider. Jim hoffentlich auch nicht, wenn sie gleich das WC verlassen würde. Ihr Plan war es, nicht von ihm erkannt zu werden, um zu fliehen.
Als nächstes zog sie den dunklen Lippenstift aus ihrem anderen Strumpf, ebenfalls aus dem Appartement. Sie fuhr ihre bisher blassrosa Lippen damit nach und sie wurden dunkelrot. Sie strich des Weiteren davon auf ihren Finger und benutzte es als neuen dunklen Liedschatten.
Nun war sie wirklich nicht mehr zu erkennen und sah irgendwie wie ein Gothic aus.
Sie musste sich nur noch um den Rest kümmern. Also zog sie die Sicherheitsnadel an der Rückseite ihres Kleides heraus und bog sie ein wenig zurecht. Daraufhin zog sie einen losen Faden aus dem roten Stoff und befestigte ihn an der umfunktionierten Nadel. Olivia würde damit vielleicht keine Highfashion zustande bringen, aber hoffentlich genug.
Hastig begann sie ihrem Kleid ein par Nadelstiche zuzufügen. Jim hatte ihr weder Taschen noch eine Armbanduhr gegeben, aber Olivia zählte schon seit ihrem Eintreten in das WC die Sekunden, mittlerweile war sie schon drei Minuten hier, und Moriarty plante in bereits zwei Minuten den Mord... Schnell!!!
Nach dem letzten Stich stand sie mit einem gewagt kurzen Kleid da, denn sie hatte ihr bisher bodenlanges Kleid so festgenäht, das es jetzt nur noch bis kurz über ihr Knie ging. Schnell streifte sie ihre Kniestrümpfe ab, die Moriarty auch nicht wiedererkennen durfte.
Sie zählte nun schon 240 Sekunden, also hatte sie nur noch eine Minute Zeit. Sie stürmte eilig aus der Kabine, vor der sich eine lange Schlange gebildet hatte. Genauso hatte es Olivia geplant.
Sie sprach eine besonders aufgestylte ältere Dame an: "Verzeihen Sie bitte, ihr Parfüm duftet unglaublich! Dürfte ich es mal sehen, vielleicht kaufe ich mir auch so eins." Olivia hatte deduziert, dass diese Frau ihr Parfüm dabei hatte, sie war unglücklich verheiratet und unbegründet selbstverliebt; So eine Person würde nie ohne ihre Parfümflasche aus dem Haus gehen.
Tatsächlich reichte sie Olivia mit wichtigtuerischem Blick das Parfüm aus ihrer Tasche. Statt die Flasche zu mustern, sprühte sich Olivia vollkommen damit ein. "Vielen Dank, und betrügen Sie ihren armen Mann nicht heute. Bedenken Sie, er ist der Bürgermeister." Die Frau riss ihr entgeistert die Flasche aus der Hand, sagte jedoch nichts.
Noch dreißig Sekunden!!! Normale Menschen nahmen den Duft anderer oft gar nicht war, Aber Jim würde sie erkennen, wenn sie an ihm vorbeiging und noch immer nach 'Olivia' roch. Das Parfüm würde das verhindern. Gut.
Sie sah mittlerweile gar nicht mehr aus wie zuvor: Weder Gesicht noch Kleidung. Und auch nicht ihr Geruch würde sie verraten. Hoffentlich würde sie Jim nicht wiedererkennen!!!
Mit einem tiefen Atemzug öffnete Olivia die Tür nach draußen. Jim stand noch immer an die Wand gelehnt da und blickte ärgerlich von seiner Uhr auf. Olivia zog scharf die Luft ein als er sie musterte, ging aber trotzdem weiter. Endlich verschwand sie hinter der Ecke des Ganges. Er hatte sie nicht erkannt!!!!
Plötzlich hörte sie ihn hinter sich lachen. Ihr Herz stand still, als Jim ihr folgte und sagte: "Nicht so schnell."
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