Ein Treffen mit der britischen Regierung
Im Diogenes-Club, in dem Mycroft und andere autoritäre Personen ihre Zeit verbrachten, war es still wie immer.
Mycroft zog entnervt die goldene Taschenuhr aus seiner Weste und stellte verärgert fest, dass es schon fast tiefste Nacht war und er hatte wesentlich wichtigeres zu erledigen als Sherlocks kleinen Fall. Am Telefon hatte er nur etwas von einer jungen Frau erzählt, was ihn herzlich wenig interessierte, aber als sein Bruder erwähnte, dass sie etwas mit Moriarty zu tun hatte, hatte er sich entschieden, dem ganzen eine Chance zu geben. Trotzdem war Sherlock jetzt exakt dreiundzwanzig Minuten zu spät und Unpünktlichkeit hasste er. Und noch etwas störte Mycroft an dieser Geschichte: Eigentlich ließ er schon seit Jahren alle Personen, die in näherer Umgebung zu Moriarty standen, überwachen. Und das eine junge Frau, die noch nie in irgendeiner Hinsicht verdächtig gewesen war, nun Moriarty persönlich gegenüber gestanden hatte, war höchst eigenartig.
Plötzlich durchschnitt eine wütende Stimme, die zweifelsohne Sherlock gehörte, die Stille. Mycroft setzte sich hinter seinen Schreibtisch, der eigens für ihn in einen privaten Raum befördert worden war, und strich sich über die schwindenden Haare, während vor seiner Tür Sherlock aufgebracht (wahrscheinlich mit den Sicherheitsleuten) diskutierte. Dann klopfte jemand und Mycroft bat ihn herein. Es war einer der neuen Security-Mitglieder, seinen Namen hatte er aus seinem Kopf gelöscht, eine Gabe über die Sherlock und er insgeheim sehr froh waren. Jetzt begann der Neue zu sprechen:
"Mr. Holmes, Sir. Ihr Bruder ist in Begleitung einer jungen Dame hier aufgetaucht, wir wollten ihn zu Ihnen bringen, aber er hat im Lesesaal die Schweigepflicht gebrochen, Sir." Mycroft versuchte ihn nicht anzusehen, um nicht neue Informationen über ihn zu erhalten und sie erneut von seiner 'Festplatte' löschen zu müssen. Er wandte sich zu den Akten, die er auf seinem Schreibtisch bereit gelegt hatte, aber er war - mal wieder - zu gut, um nicht wenigstens Alter, Haustier und Beziehungsstatus des Neuen mitzukriegen.
"Und?" Fragte Mycroft, "Wo ist die besagte junge Dame?" Der Neue trat beiseite und gab den Blick auf eine Frau um die Zwanzig herum preis, es musste sich um Olivia Skielos handeln.
Der Neue sprach weiter: "Sie hat gegen keine der Hausordnungen verstoßen, ich denke, ich darf sie nun mit Ihnen allein lassen, Sir."
Mycroft lächelte amüsiert...'ich denke, ich darf...'... Vielleicht sollte er aufhören zu denken und sich als Zugabe einen neuen Beruf suchen, den er wenigstens beherrschte. Obwohl das würde nicht leicht sein. Endlich verließ er mit einem kurzen Nicken den Raum und die Frau und er waren allein. Sie blickte sich kurz um und begann zu Mycrofts Irritierung in lautes Gelächter aus.
"Mr. Holmes, ich hatte das erste Mal seit Heute Morgen wieder ein wenig Spaß! Ich fürchte ich habe Ihrem Bruder Sherlock gerade verraten, dass Sie es waren, der vor sechs Jahren Philipp Andersons Zulassung unterzeichnet hat. Als er es erfuhr, ist er in lautes Fluchen übergegangen, hat außerdem das Schild mit der Aufschrift 'absolute Ruhe' übersehen und wurde kkurz darauf von zwei Sicherheitsleuten rausgebracht."
Sie lächelte noch immer so unbeschwert, dass Mycroft sich fast verschluckte... Außer Sherlock und vielleicht John hatte er in seinem Zimmer noch niemanden empfangen, der lachte, geschweigedenn KEINE ANGST hatte. Er hatte sie unterschätzt, aber sie schien tatsächlich clever zu sein, wenn sie Sherlock von etwas so Offensichtlichen wie einem Leise-Schild ablenken konnte und zusätzlich wusste, wessen Zulassung er vor wie vielen Jahren unterschrieben hatte. Erstaunlich...
Mycroft räusperte sich und setzte ein schmales Lächeln auf: "Ms. Skielos, auch eine Demonstration Ihrer offensichtlich vorhandenen intellektuellen Höchstleistungen wird Sie nicht vor Geldstrafen und dem Gefängnis schützen, denn mein kleiner Bruder hat mich um genau diese Strafen für Sie gebeten. Selbst bei uns geht die Familie vor und ich nehme an, Sie wissen, dass ich in der Lage dazu bin, Ihnen alles Mögliche anzuhängen." Zu Mycrofts Überraschung zog sich die Frau lediglich einen Stuhl heran, positionierte ihn vor Mycrofts Schreibtisch, sodass sie sich gegenüber saßen, und schlug die Beine über einander. Doch selbst wenn sie sie gut versteckte, Angst hatte Olivia Skielos ganz gewiss. Trotzdem sprach sie ruhig weiter:
"Ich bin mir dessen bewusst und ich kann nachvollziehen, dass Sie ihrem Bruder helfen wollen... Aber vielleicht haben Sie sich schon gefragt, warum ich Sherlock habe aus dem Diogenes-Club entfernen wollen." Mycroft zog fragend eine Augenbraue hoch. Diese Skielos war wirklich gut...
Sie fuhr fort:"Nun, ich tat dies, weil ich mit Ihnen alleine sein wollte." Sie sagte es so selbstverständlich, als wäre es das Normalste auf der Welt, alleine mit ihm, dem fast einflussreichsten, gefährlichsten und mächtigsten Mann sein zu wollen. Mycroft behielt das falsche Lächeln auf den Lippen und fragte: "Wieso sollten Sie das beabsichtigen? Ich könnte sofort einen Jet engagieren, der Sie in die sicherste Zelle des Pentonville-Gefängnisses transportiert." Sie nickte leicht, erklärte ihm dann aber den Grund.
"Mr. Holmes, Sie sagten Sie sind mächtig. Sie haben Zugriff zu vielen Informationen, aber ohne Ihnen nahetreten zu wollen... Gewiss nicht zu so vielen, wie ich in meinem Gedächtnis abgespeichert habe..." Er sah sie fast schon angewidert an, oder wie ein Kind, das ein schlechteres Spielzeug als sie hatte. Sein Lächeln war verschwunden, aber Olivia fuhr unbeirrt fort.
"Ich bin Sherlock losgeworden, weil ich Ihnen ein privates Angebot machen will, dem er nicht beiwohnen sollte. Ich habe Informationen über diverse verschollene Verbrecher, sowie Jim Moriarty, welche ich gegen Ihren Schutz und noch ein par weitere Kleinigkeiten eintauschen will." Olivia sprach seelenruhig, doch Mycroft Holmes' Augen weiteten sich. Wie konnte eine so gewöhnliche Person wie sie an derartige Daten kommen?! Trotzdem würde sie ihm mehr als behilflich sein können, mit besagten Informationen. Er seufzte, als sein Entschluss zu Gunsten von Ms. Skielos ausfiel. Sherlock müsste sich wohl statt ihrer Verhaftung mit noch mehr Sicherheit zufrieden geben müssen.
Mycroft willigte ein und sagte: "Für einenn Austausch dieser Informationen sollten wir ein frühzeitiges Treffen festlegen. Dafür schreibe ich Ihnen die Nummer meiner Angestellten, Anthea, auf."
Olivia lächelte verschmitzt und schob sich durch die Tür seines Büros, ohne den Zettel mit der Nummer anzunehmen, den er ihr entgegenstreckte.
"Vielen Dank Mr. Holmes, aber ich werde mich nicht bei irgendeiner Angestellten melden. Ich habe ihr Handynummer so oder so hier eingespeichert..." Sie zeigte sichtlich zufrieden auf ihren Kopf und genoss Mycrofts erstaunten Gesichtsausdruck. Tja, mit ALLE Daten meinte sie alle Daten, auch die Nummer von Englands Regierung.
"Bis bald, Mr. Holmes...."
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