Kapitel 42: I gcónaí agus go deo

Ihr Lieben,

heute gibt's passend zum Kapitel einen Song von meinem absoluten, irischen Lieblingsmusiker (neben Damien Rice): Christy Moore. Hört ruhig mal rein, seine Lieder sind großartig und schlichtweg schön 😢.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und Hören! Das Ende rückt näher und näher, es wird nur noch vier Kapitel geben 😊.

Katha

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Eden starrt auf ihren Bauch. Die Klinge ragt aus ihr heraus, darum bildet sich ein roter Fleck, der stetig größer wird, beginnt zu tropfen. Blut läuft ihre Haut hinab. Was...
Die Zeit bleibt stehen. Sie erstarrt, der Ton geht aus. Alles um ihr herum läuft in Zeitlupe ab: John und Reena, die sich auf Fran, Natania und die beiden Männer stürzen, sie überwältigen. Die anderen Saviors, die ihre Waffen aufheben und diese auf die Oceansides richten. Negan, der auf sie zu läuft. Die Granate, die achtlos auf den Boden fällt und dort ein Stückchen rollt, bis sie liegen bleibt.
Bum. Bum. Bum. Ihr Herzschlag dröhnt in ihren Ohren. Dann hört sie ihren eigenen, stockenden Atem. Spürt Negans Hände, die nach ihren Schultern greifen.
Schmerz durchzuckt sie, als wäre ein Blitz in sie eingeschlagen. Der Ton geht wieder an. Sie hört Geschrei, Schüsse, Schläge. Der Schmerz kommt aus ihrem Bauch, strahlt in jede Ecke ihres Körpers und schlägt über ihr zusammen wie eine Welle. Er lässt sie aufschreien, taumeln, ihre Beine knicken unter ihr einfach weg.
Negan fängt sie auf, seine Hände zucken zu dem Messer, dann wieder weg, als wäre es glühend heiß.
"Scheiße.", flüstert er immer wieder. Er scheint nicht zu wissen, was er tun soll, wirkt komplett hilflos.
Eine neue Schmerzenswelle rollt über sie hinweg, sie krümmt sich instinktiv zusammen, was das Messer noch tiefer in ihren Körper treibt und alles nur noch verstärkt. Keuchend liegt sie in Negans Armen, der komplett unter Schock steht- genauso wie sie selbst. Seine Hände zucken immer wieder zu dem Messer, immer wieder davon weg.
John taucht plötzlich neben Negan auf.
"Püppchen...ich zieh jetzt das Messer raus." Er sagt das und im nächsten Augenblick klirrt das Messer auch schon auf den Boden. Eden entfährt ein gellender Schrei, sie schlägt um sich, trifft Negan am Kinn, was er gar nicht zu merken scheint. Es ist, als stünde sie in Flammen, als würde sie zerreißen. Es will einfach nicht aufhören, durchströmt jeden Winkel ihres Körpers, macht alles Denken unmöglich. Sie hatte noch niemals in ihrem Leben solche Schmerzen.
"Bring sie hier weg. Ich übernehme mit Simon.", sagt John an Negan gewandt und springt auf die Füße. Negan starrt auf das blutige Messer vor ihm. Er ist blass, sein Blick ist leer, seine Hände halten die schreiende, sich windende Eden, fest.
John packt ihn unsanft an der Schulter, schüttelt ihn kurz.
"BRING SIE ZU CARSON!", brüllt er. Negan zuckt zusammen, sieht verwirrt auf, blinzelt. Dann scheint der Schock von ihm abzufallen. Er zerrt sich die Jacke von den Schultern und presst sie auf Edens Verletzung. Dann hebt er sie hoch und bringt sie mit langen Schritten zum nächstbesten Wagen.
"Du fährst.", sagt er zu einem der Saviors im Vorbeigehen.

Sie liegt auf dem Rücksitz, ihren Kopf auf Negans Schoß, der ihr die Haare aus dem Gesicht streicht und beruhigend auf sie einredet. Die Schmerzwellen kommen rhythmisch, heftig und in kurzen Abständen, lassen sie immer wieder aufschreien. Schweiß steht auf ihrer Stirn, ihr Atem geht stoßweise und keuchend.
"Ich halt das nicht aus. Mach das es aufhört!", wimmert sie zum tausendsten Mal.
Negan sieht sie hilflos an. Er sieht aus, als würde er das, was sie fühlt, auch fühlen. Als würde der Schmerz auch durch seinen Körper jagen.
"Es hört gleich auf. Halt durch. Es ist gleich vorbei.", sagt er leise und streicht über ihre Wange.
Sie schreit unter einer neuen Welle auf und krümmt sich dann wimmernd zusammen.
"Bitte, bitte...lass es aufhören.", schluchzt sie, "Bitte..."

Sie haben das Sanctuary erreicht, die Schmerzwellen kommen jetzt in noch kürzeren Abständen. Sie ist mittlerweile nicht mehr in der Lage zu denken oder zu sprechen, sie kann nur noch wimmern und schreien und stöhnen. Es gibt nur noch die Schmerzen, die Wellen, das Ziehen, das Drücken, das Reißen. Ihr Körper scheint zu implodieren.
Als Carson sich über sie beugt und sofort in seiner ruhigen, bedächtigen Art zu arbeiten beginnt, fühlt sie das erste Mal Erleichterung. Er wird ihr helfen. Er wird dafür sorgen, dass es aufhört.
"Das Baby kommt.", stellt Carson fest und zieht sie aus.
"Kannst du nicht erstmal die Blutung stoppen? Sie verblutet!", fährt Negan ihn an.
"Ich kann nichts machen, solange sie in den Wehen liegt. Wir müssen das Baby so schnell wie möglich rausholen.", er dreht sich zu Eden, "Ich spritz dir was gegen die Schmerzen, aber es wird nicht viel nützen. Du musst jetzt pressen. Press so stark, wie du nur kannst, okay?"
Eden nickt. Es ist zu früh. Viel zu früh. Oh nein.
"Du schaffst das.", sagt Negan und legt seine Hände auf ihre Schultern.
Die nächste Schmerzwelle lässt sie zusammenzucken, erneut aufschreien.
"Pressen!", ruft Carson.
Ihre Hände krallen sich in Negans Arme, hinterlassen blutige Striemen.  Er zuckt nicht einmal mit der Wimper. Er steht da und murmelt beruhigend vor sich hin. Sie sieht ihm in die Augen, während sie sich in seinem unerbittlichen Griff windet, nach ihm schlägt, ihm die Arme zerkratzt. Sie sieht Entschlossenheit. Er wird nicht zulassen, dass hier jemand stirbt. Sie wird ihr Kind auf die Welt bringen. Sie wird das schaffen. Er ist da. Wie ein Fels. Er wird sie nicht im Stich lassen. Seine stoische Entschlossenheit gibt ihr die Kraft, die sie braucht, als wäre er ihr Motor. Als würde sie sofort ausgehen, wenn er sie auch nur loslässt.
Eden spürt, wie das Kind sich in ihr bewegt, wie es nach unten wandert. Und plötzlich ist es vorbei. Carson zieht ein winziges Wesen aus ihrem Körper.
Der Schmerz klingt auf einmal ab. Die Wellen strömen immer noch durch ihren Körper, aber sie werden immer erträglicher, dumpfer. Sie schließt die Augen und lauscht ihrem keuchenden Atemzügen. Jetzt ist da nur noch Erschöpfung. Ein Taubheitsgefühl breitet sich in ihren Zehen aus, wandert langsam nach oben.
Kein Babygeschrei ist zu hören. Nichts. Es ist plötzlich sehr still im Raum.

Sie weiß nicht, wie lange sie so da liegt, wie lange es so still bleibt, nichts zu hören ist, außer ihr zitternder Atem. Dann hört sie Carsons Stimme.
"Er ist tot."
Sie öffnet sie Augen und sieht Negan neben sich, er blickt wie hypnotisiert auf das blutige Tuch auf seinem Arm. Aus dem Bündel ragt ein Ärmchen, kaum länger als ihr Finger, welches schlaff herunter baumelt. Ihr Blick verschwimmt und die Tränen laufen übe ihre Wangen. Wie kann man etwas, was man nie wollte, so sehr wollen, so sehr lieben? Wie kann man etwas, was man gar nicht kennt, so vermissen? Wie kann etwas einen die schlimmsten Schmerzen vergessen lassen und gleichzeitig neue hervorrufen?
Negan sieht auf und sie sieht in seinen Augen genau dasselbe, was sie empfindet. Aber diesen Schmerz in seinen Augen zu sehen, ist noch viel schlimmer, als ihn selbst zu spüren.

Er tritt zu ihr und legt ihr das Bündel in den Arm. Oh Gott. Er sieht schon so fertig aus, obwohl er noch so winzig ist, so unversehrt, so vollkommen. Er hat schwarze Haare, rosige Lippen, seine winzigen Augen sind geschlossen, als würde er nur schlafen. Sie schluchzt auf, immer mehr Tränen laufen über ihre Wangen. Oh nein. Sie hat ihn umgebracht. Sie hat ihn geopfert. Es ist ihre Schuld. Sie hätte ihn beschützen müssen und stattdessen hat sie...
Sie spürt Carson, der bereits dabei ist, ihre Bauchverletzung zu behandeln. Und Negans Hand an ihrer Wange.
"Das ist nicht schlimm.", murmelt er, "Nicht schlimm. Wir können...wir können jederzeit wieder ein Baby bekommen." Sie hat das Gefühl, dass er das mehr zu sich selbst sagt, als zu ihr. In seinem Blick liest sie ebenfalls Schuldgefühle, Schmerz und Trauer. Es steht im starken Kontrast dazu, wie er sie angesehen hat, als das Baby getreten hat. Dies scheint jetzt eine Ewigkeit her zu sein.
"Es tut mir leid.", flüstert sie. Die Taubheit breitet sich aus, ist jetzt bereits in ihrem Bauch angekommen. Sie merkt nichts mehr von Carsons Behandlung, die Schmerzwellen sind beinahe verebbt. Dafür fühlt es sich jetzt so an, als würde jemand ihr Herz zerquetschen, ihr die Luft abdrücken. Es ist eine vollkommen andere Art von Schmerz, aber genauso unerträglich.

Negan umfasst ihr Gesicht.
"Sieh mich an.", sie sieht zu ihm auf, ihr Blick ist durch die Tränen, die unaufhörlich aus ihren Augen rinnen, verschleiert, "Es ist nicht deine Schuld! Hörst du? Du bist nicht schuld! Sie sind Schuld! Sie haben ihn...ich werde..."
Wut zieht über seine Züge. Nein, nicht nur Wut. Es ist abgrundtiefer Hass. Sie sieht Feuer und Blut und Tod in seinen Augen. Und es erschreckt sie. Weniger, weil sie Mitleid mit den Oceansides hat, sondern viel mehr, weil es ihn ein Stück mehr zerstören wird.
Sie schüttelt ganz leicht den Kopf.
"Nein.", sagt sie leise, "Keine Rache mehr...das macht alles nur schlimmer."
Er starrt sie verständnislos an.
"Ich dachte auch, dass ich mich besser fühle, wenn ich mich räche. Aber man zerstört sich dadurch nur selbst.", fährt sie fort, "Und man erzeugt nur noch mehr Hass. Ich will das nicht mehr, Negan."
Er schüttelt den Kopf. Unverständnis und Widerwillen liegen auf seinem Gesicht.
"Sie sollen leben? Während...", er schüttelt erneut mit dem Kopf.
"Sei besser als sie.", murmelt Eden, "Sie haben uns Schreckliches angetan, weil wir ihnen Schreckliches angetan haben...Das muss aufhören! Wir wollen eine neue Welt aufbauen. Eine bessere. Dafür müssen wir gegen den Hass ankämpfen, müssen die Menschen verein-"
Sie schluckt, aus irgendeinem Grund ist es plötzlich furchtbar anstrengend zu sprechen. Irgendetwas stimmt da nicht. Diese Taubheit...sie spürt ihren Körper kaum noch, ihre Zunge wird immer schwerer.
Negan beugt sich zu ihr herunter.
"Eden? Ist alles okay?"
Sie nickt schwerfällig.
"Ich bin nur so müde...so erschöpft.", murmelt sie. Der Schmerz fällt nun gänzlich von ihr ab, sie fühlt sich, als wäre sie kurz davor einzuschlafen. Der Gedanke, einfach zu schlafen, ist verlockend. Aber aus irgendeinem Grund...wehrt sie sich dagegen. Irgendetwas sagt ihr, dass sie sich jetzt nicht einfach diesem Bedürfnis hingeben darf.
Negan sieht auf den Kleinen in ihrem Arm, ganz, ganz vorsichtig greift er nach der Miniaturhand. Nicht das erste Mal heute, trägt er einen heftigen Kampf mit sich selbst aus. Obwohl er ganz ruhig da steht, sieht man, wie es in seinem Inneren tobt. Er streicht über die winzige, schlaffe Hand. Nickt. Seine Augen glänzen feucht.
"Okay. Keine Rache mehr. Wir beginnen von ganz vorne. W-wenn das hier alles vorbei ist, wenn es dir wieder besser geht...", sagt er leise, "Verschwinden wir von hier. Wir gehen in das Haus am See. Leben ein langweiliges Leben. Du kannst den ganzen Tag Gitarre spielen...und ich geh angeln...vielleicht werden wir irgendwann noch ein Baby bekommen...es wird alles gut, Eden. Das versprech ich dir. Du wirst glücklich sein. W-wir..."
Ein Lächeln zieht über ihr Gesicht. Selbst das strengt sie jetzt wahnsinnig an. Ihn so zu sehen, diese Angst, diesen Schmerz in seinen Augen, macht sie fertig. Negan hat vor Nichts und Niemanden Angst! Und jetzt...sie will nicht, dass er so leidet. Dass er noch mehr gebrochen wird.
"Du willst das hier alles für mich aufgeben?", flüstert sie.
Diese Taubheit, dieses Bedürfnis zu schlafen...bedeutet das, dass ihr Körper den Geist aufgibt? Heißt das, dass sie... Oh, verdammt, sie will ihm das nicht antun.
"Das würde dich unglücklich machen.", fügt sie langsam hinzu, bemüht sich, nicht zu lallen.
Er schüttelt den Kopf und streicht ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Obwohl sie kaum noch etwas spürt, lässt die leichte Berührung seiner Fingerspitzen sie erschauern.
"Ich dachte auch, dass es so ist. Aber... dich so leiden zu sehen, der Gedanke, dich zu verlieren, ist viel schlimmer. Ich brauch dich, hörst du? Ich will mit dir zusammen sein, mehr als das ich hier den Dicken markieren will. Ich will nicht mehr töten, niemanden mehr sterben sehen. I-ich will einfach...leben. Ich will mit dir alt und langweilig werden.", er nimmt ihr Gesicht in die Hände, "Verdammt. Warum weiß ich immer erst, was ich brauch, was ich will, wenn ich im Begriff bin, es zu verlieren? So war es bei Lucille, so ist es bei dir. Aber es wird sich nicht noch mal wiederholen! Versprichst du mir das?"
Sie wünschte, sie könnte es. Sie wünschte, sie würde das hier überleben und könnte mit ihm dann wirklich weggehen. All das hinter sich lassen. Sie will nicht aufgeben, sie will nicht sterben. Sie hat so viel durchgemacht, sie hat es sooft geschafft, obwohl sie dachte, dass es vorbei ist. Damals, als die Wölfe sie hatten, da wäre sie bereit gewesen. Aber jetzt, jetzt, wo es besser geworden ist... Warum muss es jetzt anders sein? Warum gerade jetzt?
Sie seufzt. Die Taubheit ist jetzt auch in ihrem Kopf angekommen. Plötzlich wird alles ganz leicht, ihr fällt nicht mehr ein, warum sie sich gegen dieses Gefühl gewehrt hat. Es ist doch total schön, friedlich.
Sie hört, wie Carson etwas sagt. Die Worte wabbern träge durch den Raum, es dauert eine ganze Weile bis sie zu ihr durchdringen.
"Ich bekomme die Blutung nicht gestoppt."
Negan verschwimmt vor ihren Augen. Dann wird alles ganz dumpf, die Farben verlieren ihren Glanz, das Licht dimmt ab. Ihr fehlt die Kraft sich weiter dagegen zu wehren. Sie lässt sich einfach treiben, lässt einfach los...

Es wird dunkel, dann wieder hell. Sie spürt Sonnenlicht auf ihrer Haut, hört das Meer rauschen. Sie sitzt auf diesem schwarzen Pferd, der schwarze Teufel. Der Körper des Tieres ist warm und atmet unter ihr. Sie reitet im vollen Galopp, auf das Licht zu. Der Wind weht ihre Haare nach hinten, die Hufe des Pferdes knallen dumpf auf den Boden. Bu-bum, Bu-bum...es klingt wie ein Herzschlag.
Bilder ziehen an ihr vorbei. Sie sieht sich selbst, wie sie mit Todd auf der Wiese ihrer Großeltern tobt. Wie ihr Grandpa ihr die Gitarre überreicht. Wie sie mit ihrem Dad trainiert. Wie ihre Mom sie ins Bett bringt, sie auf die Stirn küsst und ihr 'Tá tú mo chroí, mo anam, mo ghrá agus mo shaol. I gcónaí agus go deo.' zuflüstert. Wie sie das erste Mal mit Alex auf der Bühne steht. Wie sie das erste Mal einen Jungen küsst, das erste Mal Sex hat. Wie sie mit ihren Freundinnen eine WG-Party schmeißt. Wie sie mit Reena und Dylan auf den Betten sitzt und lästert. Wie sie Tina, Dwight und Sherry umarmt. Wie sie mit Jacob im Wald sitzt.
Und dann sieht sie Negan. Sie sieht, wie er vor ihr steht, sie an sich zieht, sie küsst. Wie sie auf dem Steg am See sitzen. Wie sie am Strand toben, wie Kinder. Wie er sie mit ihrem Blick durchbohrt, sie anlächelt...
Sie haben das Licht erreicht. Das Pferd bleibt stehen und sie schwingt sich von seinem Rücken.
Wo ist sie hier? Ihre nackten Füße stehen auf frischem Gras. Es ist leicht feucht, aber angenehm warm.
Plötzlich stehen alle vor ihr. Ihre Mom, sie hat immer noch ihre roten Locken, die verträumten grünen Augen. Ihr Dad hat noch immer diesen Armyhaarschnitt, schaut wie immer ernst. Todd ist da mit seiner Frau und einem kleinen Mädchen. Ihre Granny und ihr Grandpa haben sich an den Ellenbogen eingehakt. Sie sieht Alex mit seinem Ehemann, sie halten sich liebevoll im Arm. Da ist Eric, der sie anlächelt. Ihre beste Freundin Linda, die ihr geliebtes Kleid mit bunten Schmetterlingen trägt. Liam, der auf einer Mundharmonika spielt. Jacob, Maddie und Rahul, die ihr zuwinken. Neben ihnen steht Dylan und grinst sie jungenhaft an.
Und ihre Mom trägt ein Baby auf dem Arm, einen kleinen Jungen. Er hat Negans schwarzes Haar und lächelt sie mit einem zahnlosen, unschuldigen Babylächeln an.
Ihre Mom kommt auf sie zu, hält ihr den kleinen Jungen hin. Der Kleine strampelt fröhlich mit seinen Armen und Beinen, als sie ihn nimmt. Er ist so perfekt. Weich und warm. Und wie er duftet! Sie kann ihre Augen gar nicht von ihm abwenden. Unwillkürlich muss sie lächeln.
"Meine Kleine.", sagt ihre Mom zärtlich, "Da bist du endlich."
"Wir sind stolz auf dich.", fügt ihr Dad hinzu.
Freudentränen schießen in ihre Augen. Sie hat sie alle so vermisst! Jetzt ist sie bei ihnen, sie können endlich wieder...
"Seid ihr tot?", fragt sie leise ohne den Blick von dem Baby, welches mit seiner Hand nach einer ihrer Haarsträhnen greift, abzuwenden, "Bin ich tot?"
"Noch nicht.", entgegnet ihr Dad. Es klingt so, als wäre das nicht traurig. Als wäre es das Normalste auf der Welt, zu sterben.
Plötzlich ergreift sie Panik. Nein. Nein, sie will noch nicht sterben. Negan! Oh, verdammt, sie kann ihn doch nicht einfach...
"Lass los.", sagt ihre Mom lächelnd, "Es ist ganz leicht. Lass einfach los und komm zu uns..."
"I-ich kann nicht!", stammelt sie, "Negan..." Ihr Blick fällt zurück auf Dean in ihrem Arm. Der Gedanke, ihn nicht mehr festzuhalten, nicht mehr seinen Duft in der Nase zu haben, bereitet ihr fast körperliche Schmerzen.
"Er ist es nicht wert.", widerspricht ihr ihre Mom, "Das hier, das ist gut für dich. Wir sind gut für dich. Entscheide dich für das Licht, nicht für die Dunkelheit. Geh diesen Weg."
Eden schüttelt den Kopf.
"Ich kann nicht.", flüstert sie immer wieder.
"Eden, sei nicht stur.", fällt ihr Dad ihr ins Wort.
Widerwillig reicht sie ihrer Mom das Baby und tritt einen Schritt von ihnen weg. Dean sieht sie mit großen Augen an, sein Gesicht verzieht sich leicht.
"Ihr habt mir immer beigebracht, dass ich kämpfen soll!", schreit sie, "Ihr habt mir beigebracht, nicht aufzugeben! Ich will nicht aufgeben! Ich will leben! Ich will..."
Ihre Mom sieht jetzt fast wütend aus.
"Wir haben dir beigebracht, für das Richtige zu kämpfen! Für das Gute! Willst du all das hier aufgeben- für ihn?"
Eden ist hin und her gerissen. Unsicher tritt sie auf der Stelle. Hier gibt es kein Leid, keinen Schmerz, keinen Tod. Warum sollte sie zurückgehen? Warum sollte sie ihren Sohn, ihre Familie, ihre Freunde verlassen? Dort ist nichts für sie. Nur er...
"Es ist das Richtige.", hört sie sich sagen. Im nächsten Moment durchzuckt sie ein furchtbarer Schmerz, als würde sie jemand zerreißen.
"Tá tú mo chroí, mo anam, mo ghrá agus mo shaol. I gcónaí agus go deo.", hört sie ihre Mom rufen.
Sie wird aus dem Licht, aus der Wärme gerissen, bekommt für einen Moment keine Luft mehr. Alles dreht sich um ihr herum. Sie wird unsanft hin und her gerüttelt, ihre Zähne schlagen aufeinander.
Tá tú mo chroí, mo anam, mo ghrá agus mo shaol. I gcónaí agus go deo.
Die Worte hallen unheilvoll in ihrem Kopf.

Sie schlägt die Augen auf. Negans Gesicht schwebt über ihr, er hat sie an den Schultern gepackt und schüttelt sie. In seinen Augen sieht sie Schmerz und Entsetzen.
Carson doktert noch immer an ihrem Körper herum, jemand hat ihr ihren Sohn aus dem Arm genommen. Hier ist es kalt und trostlos. Und dennoch...ihr Herz macht einen kleinen Hüpfer, als sie Negan sieht.
"Verflucht, Eden! Ich dachte schon, du wärst..."
Jetzt macht sich Erleichterung auf seinem Gesicht breit. Mein Gott, hat er etwa Tränen in den Augen? Nein, unmöglich. Sie lächelt mühsam. Sie will etwas sagen, aber es ist so mühsam, so anstrengend. Die Wörter gleiten von ihrer Zunge, sie kann keinen klaren Gedanken fassen.
Er nimmt ihr Gesicht in die Hände, sie zittern, und senkt seine Lippen auf die ihren, klammert sich an sie wie ein Ertrinkender.
"Mach das nicht wieder. Nie wieder. Wage es nicht, mich zu verlassen!", murmelt er in diesen Kuss hinein. Wie immer, wenn er sie küsst, bleibt die Zeit für einen Augenblick stehen. Ihr wird ganz warm. Glück und Liebe durchströmen sie. Seine Lippen sind so weich, so sanft. Wie kann das hier falsch sein? Warum wollte ihre Familie nicht, dass sie lebt?
Da begreift sie. Sie hat keine Wahl. Es ist nicht ihre Entscheidung. Das einzige, was sie wählen kann, ist, ob sie den leichten oder schweren Weg geht. Wie es im Leben ist, so ist es scheinbar auch beim Sterben. Sie hat den schweren Weg gewählt.
Ein Kloß bildet sich in ihrem Hals, als sie das versteht. Heiße Tränen steigen in ihr auf. In ihrem Kopf hört sie ihren eigenen, dumpfen Herzschlag. Wie ein Countdown. Sie hat nicht mehr viel Zeit.
"Negan.", stößt sie hervor. Dieses einzelne Wort kostet sie bereits sämtliche Kraftreserven. Sie zieht zitternd die Luft ein, die Tränen rinnen ihr jetzt über die Wangen, folgen den Spuren der gerade erst getrockneten Tränen.
"Ich hab sie gesehen...sie waren alle dort...meine Familie...meine Freunde...unseren Sohn...Er...ist wunderschön. Er ist perfekt.", flüstert sie. Der Herzschlag wird langsamer. Bum. Bum. Bum.
Negan starrt sie an. Jetzt begreift er es auch. Aber er ist zu stur, um es zu akzeptieren, schüttelt trotzig den Kopf.
"Nein.", haucht er. Er greift nach ihrer Hand, hält sie fest, als könnte er sie dadurch zurück halten.
Sie versucht ihren Arm zu heben, aber sie spürt ihn kaum noch. Nach mehreren Anläufen gelingt es ihr. Ihre Hand legt sich auf seine Wange. Er ist warm, sein Bart kitzelt leicht auf ihrer Hand. Oh Gott. Warum?
"Tá tú mo chroí, mo anam, mo ghrá agus mo shaol. I gcónaí agus go deo.", flüstert sie. Es sind die einzigen Worte, die ihr einfallen. Die einzigen, die beschreiben, was sie für ihn empfindet.
"Was? Was sagst du? Eden...", die Angst, der Schmerz, in seinem Blick bricht ihr das Herz. Es tut ihr so leid. So unendlich leid.
"Das ist Irisch.", hört sie sich murmeln, ihre eigene Stimme klingt weit weg. Der Herzschlag in ihrem Kopf verstummt beinahe. Bum.
"Meine Mom hat das immer gesagt, als...wir...Kinder waren. Es heißt..."
Sie seufzt. Ein Zittern geht durch ihren Körper. Sie zieht die Luft ein, riecht sein Aftershave.
Bum. Das war der letzte.
"You are my heart, my soul, my love and my life. Always and forever."
Ihre letzten Worte streifen über ihre Lippen wie ein Atemzug. Sie sieht ihm noch ein letztes Mal in die Augen, verliert sich ein letztes Mal darin. Sie sind dunkel und tief und...
Sie liebt ihn so sehr. Sie wollte es lange Zeit nicht wahr haben und ja, sie hat ihn auch die meiste Zeit gehasst. Aber...das was sie für ihn empfindet, ist tief, ist echt. Ist gut. Sie hat noch nie jemanden so innig, so bedingunslos, so entgegen aller Vernunft, geliebt. Sie ist sein, sie war es von Anfang an. Sie ist froh, ihn getroffen zu haben. Dieses letzte Stück Weg mit ihm gegangen zu sein. Sie hat ihre Stärke durch ihn gefunden, hat in ihre eigenen Abgründe geblickt, ohne sich zu fürchten. Sie war glücklich. Mit ihm an ihrer Seite hat sie sich unbesiegbar gefühlt. Er hat ihr so viel Kraft gegeben, hat sie wieder das Gute sehen lassen. Sie wünschte, sie könnte ihm all das und viel mehr noch sagen. Aber...
Ihre Augenlider flattern wie Schmetterlinge. Der Schmerz lässt wieder nach. Eine tiefe Ruhe, Gelassenheit ergreift sie. Alle Angst, alles Leid, alle Trauer fällt von ihr ab.
Ein Lächeln liegt auf ihren Lippen.
Sie lässt los.
I gcónaí agus go deo. - Always and forever.

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Tut mir wirklich vom Herzen leid, liebste IsabellaTargaryen. Ich hoffe, ich hab dir nicht den Sonntagabend versaut. 😚

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