Kapitel 30: Eier quetschen
Als sie aufwacht, steht die Sonne bereits hoch am Himmel. Sie fühlt sich richtig ausgeschlafen und erholt. Ein seltener Luxus. Das Bett neben ihr ist leer. Aus irgendeinem Grund ist sie deshalb ein wenig enttäuscht. Hat sie das alles nur geträumt? Oder hat sie gestern zu Negan gesagt, dass sie ihn liebt?
Sie beißt sich auf die Unterlippe. Dann schüttelt sie leicht den Kopf und schwingt sich aus dem Bett. Keine Spur von Negan. Sie zuckt die Schultern und geht ins Badezimmer.
In Negans Bad ist das Wasser immer lauwarm. Ein weiterer Luxus. Sie wäscht sich und betrachtet dann ihr Spiegelbild. Zum ersten Mal seit...keine Ahnung, wann.
Sie ist klapperdürr und noch ein wenig blass, ihre Haare sind matt. Ihre Wangenknochen und Rippen stehen hervor.
Sie war immer zufrieden mit ihrer Figur. Sie hat viel Sport gemacht, es aber auch geliebt, zu essen. Dadurch hatte sie stets einen fraulichen, aber trainierten Körper. Dünn war sie nie wirklich. Jetzt wirkt alles knochig und kantig. Außer ihr Bauch. Der ist mittlerweile eine auffällige, kleine Kugel. Da sie so dünn ist, sticht er noch mehr hervor. Sie streicht sanft darüber. Sie müsste jetzt mindestens im vierten Monat sein, wahrscheinlich sogar schon im fünften. Da ist immer noch nichts. Keine nennenswerte Gefühlsregung. Selbst die anfängliche Verzweiflung ist verschwunden. Irgendwie findet sie das schade. Man sollte doch etwas fühlen, wenn Leben in einem heranwächst, oder?
Auf ihrem ganzen Körper sind Blessuren, die langsam verblassen. Sie löst das Pflaster auf ihrer Stirn. Sie wird wohl eine Narbe behalten, die sich von ihrer Stirn, über ihre Nasenwurzel bis hin zu ihrer rechten Wange zieht. Nicht wirklich schön. Aber es ist im Vergleich zu den Narben, die sie im Inneren davon getragen hat, lächerlich.
Sie kämmt sich gerade die Haare, als sie hört, wie jemand ins Wohnzimmer kommt. Im nächsten Moment riecht sie Kaffee, Brot und Ei. Das Wasser läuft ihr im Mund zusammen. Sie stürmt regelrecht ins Wohnzimmer.
Und bleibt dann ruckartig stehen. Vor ihr steht eine Hausfrauen - Version von Negan. Er hat sich eine fleckige, geblümte Schürze umgebunden, hat sich Soße an die Stirn geschmiert und balanciert ein reichlich gefülltes Tablett auf den Händen. All das wirkt an ihm völlig deplatziert, aber auch irgendwie drollig. Er grinst schief, als sie ihn entgeistert anstarrt.
"Ich hab Frühstück gemacht.", sagt er fröhlich und hebt demonstrativ das Tablett ein wenig an, "Der Doc meinte, du solltest dir wieder ein bisschen Speck anfuttern."
Sein Blick fällt auf ihre Brüste, neben ihrem Bauch das einzige an ihrem Körper, was in den letzten Wochen ein wenig gewachsen zu sein scheint.
"Und ich hab auch nichts gegen ein bisschen...mehr...einzuwenden."
Sie ignoriert seine Bemerkung und blickt sehnsüchtig auf das Tablett. Dort stapeln sich frischgebackene, dampfende Brötchen, ein Teller mit Rührei, Schinken, Obstsalat und kleingeschnittenes Gemüse. Nichts ist aus der Dose, alles ist frisch. Für so ein Frühstück wäre sie bereit, zu töten.
Sie schaufelt sich das Essen gierig in den Mund und schmatzt wohl auch wie eine Horde Wildschweine.
"Also...", beginnt Negan und schaut ihr amüsiert zu, "Du liebst mich also?" Auf seinem Gesicht spiegelt sich Selbstgefälligkeit und Arroganz wieder, die in ihr immer das dringende Bedürfnis auslöst, ihm ins Gesicht zu schlagen.
"Tu ich das?", nuschelt sie mit vollem Mund.
"Jaha...oh ja. Du konntest es doch gar nicht erwarten, mir deine Gefühle zu gestehen."
"Pffff. Du hast doch Wahrnehmungsstörungen.", grunzt sie abschätzig.
"Regel Nummer 1: Du bestimmst, was die Realität ist.", entgegnet er besserwisserisch.
"Hast du das in Hitlers Diktatorenschule gelernt?", fragt sie und stopft sich ein Stück Apfel in den Mund.
Er verzieht den Mund. "Du solltest lieber bei deinem missmutigen Gezicke bleiben. Du bist nämlich überhaupt nicht witzig.", grummelt er. Eden kichert.
"Ja, weil du es nur lustig findest, wenn es auf Kosten anderer geht.", stellt sie fest. Er zuckt die Schultern, muss dann aber auch grinsen.
Eden lässt sich auf dem Stuhl zurückfallen und streicht sich über den Bauch. Sie ist pappensatt. Das liegt wohl daran, dass sie gerade mehr gegessen hat als in den letzten drei Wochen zusammen.
"Musst du heute niemanden terrorisieren?", fragt sie.
"Nein. Ich kann mich heute mal nur meinen Frauen widmen.", entgegnet er. Wieder dieses selbstgefällige Lächeln. Und seine Aussage erinnert sie daran, dass sie nicht Negans einzige Frau ist.
Zum ersten Mal macht ihr das etwas aus. Sie weiß nicht genau, wie man das Gefühl, welches in diesem Moment in ihr aufsteigt, bezeichnen kann, aber es sorgt dafür, dass ihre Laune ein wenig sinkt. Das, was gestern zwischen ihnen war...war das für ihn überhaupt etwas Besonderes?
Haben die Worte 'Ich liebe dich' für ihn überhaupt eine Bedeutung? Oder tut und sagt er dies täglich mit und zu jeder seiner Frauen?
"Worüber denkst du nach?", fragt er und reißt sie damit aus ihren Gedanken.
"Nichts.", entgegnet Eden knapp und beginnt in dem verbliebenen Rührei auf ihrem Teller rumzustochern.
"Scheiße, Eden. Es stört dich, dass ich mehrere Frauen habe.", stellt er fest. Mann! Seine Fähigkeit, manchmal regelrecht Gedanken lesen zu können, ist einfach nur lästig.
"Wieso sollte mich das stören?", entgegnet sie betont gelangweilt.
"Ich weiß nicht, sag du's mir." Er streicht sich über den Bart.
Eden zögert. Sie haben noch einiges zu klären, also warum nicht jetzt damit anfangen?
"Warum hast du überhaupt Frauen?", fragt sie, "Ich meine, wenn es dir nur um Sex ginge, könntest du dir jeden Abend eine andere aussuchen. Es würden bestimmt nicht viele 'Nein' sagen." Er denkt eine Weile darüber nach. Der Gedanke scheint ihm zu gefallen.
"Die Saviors fänden es aber nicht so geil, wenn ich ständig ihre Weiber bumse.", er grinst, "Es ist ein klares Ding: Ich krieg die Hübschen für mich alleine und der Rest gehört ihnen- ich rühr keine von ihnen an. Das ist ein Deal, mit dem alle leben können. Außerdem...scheiße man, Männer müssen sich eben gegenseitig die Eier quetschen. Ich muss ihnen zeigen, dass ich den größten Schwanz hab. Nicht, dass irgendjemand daran zweifeln würde..."
"Hm.", macht Eden und verdreht die Augen. Schwanzvergleich, schon klar. Männer.
"Du weißt, dass es bei dir anders ist. Das hab ich dir schon oft genug gesagt.", sagt er ernst.
Sie lässt ihre Gabel auf dem Tisch kreisen und beschließt das Thema zu wechseln.
"Was sollte das mit dem Hinterherspionieren?", fragt sie. Jetzt lächelt er wieder.
"Regel Nummer 2: Hab alles im Blick.", entgegnet er und hebt zwei Finger hoch. Eden rollt erneut mit den Augen. Wenn sie so weitermacht, kriegt sie heute noch einen Krampf.
"Lässt du das in Zukunft?" Sie klingt leicht genervt.
"Ja. Wenn du es lässt, gegen mich zu arbeiten.", ist die Antwort, "Und willst du wissen, wer mir Informationen über dich besorgt hat?" Sein Grinsen ist jetzt lauernd, das eines Raubtiers.
Sie zieht fragend die Augenbraue hoch.
"Dwightyboy. Und auch dein Bauernfreund war sehr hilfreich...Wie heißt er noch?", er klopft mit dem Messer auf dem Tisch und runzelt angestrengt die Stirn, "Ah! Dylan. Genau. Enttäuschend, nicht wahr?"
Eden schießt das Blut in die Wangen. Lügt er? Oder haben ihre Freunde sie wirklich ausspioniert? Sie weigert sich, das zu glauben. Sie kann das einfach nicht akzeptieren.
"Niemals!", sagt sie schließlich. Er zuckt gelassen mit den Schultern.
"Ist aber so."
Sie schüttelt trotzig mit dem Kopf. Aber der Gedanke beginnt an ihr zu nagen. Dass sie damals in diesem Nebengang war...sie könnte schwören, dass keiner sie gesehen hat. Die Info könnte tatsächlich von Dwight gewesen sein. Vielleicht wollte er ja Negan selbst mit unbrisanten Informationen versorgen, bevor jemand anderes es tut. Aber Dylan?
"Das hier ist ein verdammtes Haifischbecken.", grummelt sie.
"Aber jetzt nicht mehr. Jetzt sind wir auf der gleichen Seite.", versucht er sie zu besänftigen, "Jetzt..."
Ein Klopfen unterbricht ihn. "Ja?", ruft er. Es ist der dicke Joey. Er schleicht unsicher in das Zimmer. In seiner Hand hält er Lucille, er umfasst sie vorsichtig, als wäre sie ein rohes Ei.
"Fat Joey!", begrüßt Negan ihn überschwänglich.
"Sir. Lucille stand in einem der Nebengänge."
"Oh...Das ist aber aufmerksam von dir, dass du sie mir bringst!", übertrieben freudig nimmt er Lucille entgegen und schwingt sie, "Warst du auch ganz sanft zu meiner kleinen Lady?"
Joey ist offensichtlich irritiert, nickt dann aber eifrig.
"Ja, Sir!"
"Sehr gut. Hast du ihre Pussy auch ein bisschen gestreichelt?", fragt Negan ernst. Eden hätte beinahe laut aufgelacht. So ein Idiot. Aber Joeys Gesichtsausdruck ist einfach zum Schreien komisch.
Joeys Hirn rattert deutlich sichtbar. "Äh...", macht er und nickt vorsichtig.
Jetzt lacht Negan, Joey tritt unsicher von einem Fuß auf den anderen.
"Man, Joseph, ich mach doch nur ein bisschen Spaß! Wir wissen doch alle, dass ein verdammter Baseballschläger keine Pussy hat!" Negan lacht sich einen ab und zwinkert Eden zu. Sie unterdrückt mühsam ihr Lachen. Joey stimmt erleichtert in das Lachen ein.
"Sonst noch was?", blafft Negan, er ist plötzlich wieder ernst. Joey verstummt abrupt.
"Äh...ja, Sir.", stammelt er. Negan schüchtert ihn sichtlich ein. Ihm steht sogar Schweiß auf der Stirn. Gut, das könnte auch an seiner Körperfülle liegen. Negan wedelt ungeduldig mit der Hand.
"Rede schon.", knurrt er. Joey wirft Eden einen unsicheren Blick zu. Diese Information ist scheinbar nicht für ihre Ohren bestimmt. Da erst wird ihr bewusst, dass sie Negan das erste Mal bei der 'Arbeit' zusieht. Zuvor hat er sie immer aus diesen Angelegenheiten rausgehalten. Er scheint dieses ganze Du-bist-jetzt-auf-meiner-Seite-Ding wirklich ernst zu meinen.
"Äh...Sir. Die...äh....Wölfe. Sind nicht in ihr Lager zurückge..."
Negan steht plötzlich direkt vor Joey und starrt auf ihn herab.
"Was soll das heißen?", fragt er scharf. Über Joeys Stirn laufen jetzt die Schweißperlen, er schluckt schwer. Er kann einem wirklich leid tun.
"S-sie haben ge-gemerkt, dass wir auf sie warten, Sir. Und ha-haben sich...zerstreut."
"Zerstreut?", brüllt Negan, "Oder willst du lieber sagen: 'Wir haben keine Ahnung, wo sie sind?'"
Joey sieht aus, als wolle er sich in eine Ecke verkriechen und sich dort weinend zusammenrollen.
Negan wartet Joeys Erklärungsversuche gar nicht erst ab. Er zückt sein Funkgerät.
"Ben? Du dämlicher Hurensohn. Ihr solltet diesen Dreckskötern auflauern und sie dann umlegen. Was. Ist. So. Schwer. Daran?", bellt er in das Funkgerät, "Ihr werdet euch jetzt auf die Suche machen! Und erst wenn ich in meinem Käfig eine hübsche Sammlung mit untoten Wölfen habe, könnt ihr wieder hier antanzen! Ist. Das. Klar?"
Er lässt den Knopf los und fährt sich über den Bart. Sein Mund ist ein schmaler Streifen. Das Funkgerät knistert.
"Ja, Sir. Wir werden sie finden und töten."
"Macht das. Und zwar zackig. Sonst landest du mit deiner unfähigen Bande im Käfig!"
Er steckt sich das Funkgerät wieder an den Gürtel und mustert Joey, der noch immer schwitzend und wie ein Häufchen Elend vor ihm steht. Für einen Moment hält er die Spannung an, dann klopft er ihm freundschaftlich auf die Schulter.
"Schon gut, Dickerchen.", beruhigt er ihn im väterlichen Tonfall, "Du hast das ja nicht verbockt. Geh jetzt und vögel dein Mädchen. Hast du dir verdient, nach der ganzen Aufregung."
"Sir, ich h-hab kein Mädchen..."
Jetzt lacht Negan wieder sein Neganlachen.
"Wieder nur Spaß! Es wissen doch alle, dass es in deinem Leben nur Handrea gibt!", feixt er. Joey kann ihm offensichtlich nicht ganz folgen. Das Lächeln auf Negans Gesicht ist im nächsten Moment wie weggewischt.
"Mach dich jetzt raus hier. Im Gegensatz zu dir, hab ich nämlich ne Frau...nicht nur eine!"
Fluchtartig verlässt Joey das Zimmer.
"So ein Idiot.", seufzt er, "Dumm wie drei Meter Feldweg. Aber er macht sein Ding.", dann hellt sich seine Miene auf, "Den Pussywitz merk ich mir aber. Bei Joey funktioniert der bestimmt noch mal!"
Eden kann nur mit dem Kopf schütteln. Es wundert sie immer wieder, dass Negan es soweit gebracht hat, angesichts dessen, wie er mit seinen eigenen Leuten umgeht. Aber vielleicht liegt es auch genau daran. Eier quetschen- hat sie ja vorhin erst gelernt.
"So", ruft er und klatscht in die Hände, "Sind wir mit dem ganzen ernsten Kram durch oder hast du noch was auf dem Herzen?"
Die Frage ist rein rhetorisch. Er hat offensichtlich die Lust daran verloren, mit ihr wichtige Angelegenheiten zu klären. Daher schüttelt sie den Kopf.
"Großartig! Dann lass uns zum spaßigen Teil übergehen.", meint er freudig, "Ich hab Geschenke für dich!" Seine Augen leuchten, kindliche Vorfreude liegt auf seinen Zügen.
Er geht zu einem Schrank und zieht eine breite Schublade auf. Dann legt er zwei Messer und eine Pistole vor ihr auf den Tisch. Dazu einen Ledergürtel mit Holster und einen einzelnen hellbraunen Handschuh aus weichem Wildleder.
All das interessiert sie nicht, sie hat nur Augen für das Messer mit der verbeulten Klinge. Es ist ihr Messer! Er hat es Quinn tatsächlich abgenommen, sie dachte, es wäre für immer verloren. Dankbar sieht sie zu ihm auf und greift nach dem Messer.
"Tzzz.", macht er und fängt ihre Hand ab. Irritiert runzelt sie die Stirn. Was wird das hier?
"Die Bescherung ist noch nicht vorbei.", meint er grinsend, "Ich wollte dir ja schon immer eine Waffe besorgen, die zu dir passt...", er geht erneut zu der Schublade, "Ich hätte dir gerne was besorgt, was so verfickt Badass ist, wie du es bist. Etwas Einzigartiges - wie du es bist. Aber dann hab ich dich mit Lucille gesehen...", er greift in die Schublade, "Und da wusste ich, was du brauchst!"
Er hält einen Baseballschläger in der Hand. Das Holz ist etwas heller und er ist ein ganzes Stück kürzer als Lucille.
"Das besondere an diesem Baby ist...", fährt er fort und lässt den Schläger geschickt in seiner Hand kreisen, "...Dass es nicht zum Spielen gemacht wurde. Dies ist eine typische Schlägerwaffe. Sieht harmlos aus, hat aber einen Stahlkern, wodurch er ordentlich prasselt.", er streicht fast liebevoll über das Holz, "Ich hätte so einen gerne selbst, aber dann würde Lucille noch eifersüchtig werden- und wir wissen ja: Nichts ist schlimmer, als eine eifersüchtige Lady!", er zwinkert ihr zu, "Probier ihn!"
Eden greift nach dem Schläger. Das Holz ist glatt und leicht kühl. Sofort durchströmt sie ein elektrisches Gefühl. Es fühlt sich richtig an. Als wäre dieser Schläger für sie, für ihre Hand, gemacht. So muss Harry Potter sich wohl damals in Olivanders Zauberstabladen gefühlt haben.
Er hat ein angenehmes Gewicht, welches nach vorne hin zunimmt. Sie lässt ihn leicht schwingen. Es ist, als wüsste die Waffe genau, wohin sie muss.
Sie sieht auf. Negan lehnt mit verschränkten Armen an dem Schrank und beobachtet sie.
"Wenn ich dich mit diesem Ding sehe, werd ich so hart...ich könnte Stacheldraht um meinen Schwanz wickeln und ihn Lucille 2 nennen.", sagt er mit rauer Stimme.
Ein breites Grinsen zieht über ihr Gesicht.
"Dann sollte ich lieber mit deinem Schwanz kämpfen als mit dem hier...?"
Auch er grinst, kommt auf sie zu. Er tritt hinter sie und korrigiert ihren Griff. "Auch.", raunt er in ihr Ohr, "Und sooft, wie du willst."
Ihr Körper reagiert sofort auf seine Nähe. Ein Schauer jagt über ihren Rücken, ihr Herz schlägt einen Takt schneller, ihr Atem beschleunigt sich. Verdammt! Sie versucht ihre Atmung zu beruhigen und schließt kurz die Augen.
Seine Fingerspitzen streichen über die Innenseiten ihrer Arme. Plötzlich zittert der Schläger in ihrer Hand. So wird das nichts! Eden, reiß sich zusammen!
"Mach ich dich nervös?", fragt er. Seine Bassstimme vibriert in ihren Ohren. Und ob! Sie spürt, wie sich erneut dieses Knäuel in ihrem Unterleib bildet.
Sie wirft sich herum und da warten bereits seine Lippen auf die ihren. Ungeduldig zerrt sie an seinem Shirt, was ihm ein Grinsen entlockt.
"Du bist ja heute stürmisch...", meint er kichernd zwischen ihren Küssen. Ruppig schließt sie seinen Mund mit einem weiteren Kuss, sie drängt sich an ihn, reißt erneut an seinen Kleidern...
Ein Klopfen drängelt sich in ihre Wahrnehmung. Es klingt weit weg und dennoch ist es drängend, unnachgiebig. Sie und Negan stöhnend fast zeitgleich genervt auf.
"Herein!", ruft er, zieht sie dann aber wieder an sich und küsst sie erneut. Angesichts dessen, dass jemand die Tür öffnet, in den Raum tritt und sie dann geduldig ansieht, fällt dieser Kuss sehr leidenschaftlich und lang andauernd aus. Publikum scheint Negan nur noch mehr in Fahrt zu bringen, als dass es ihn abturnt. Bei Eden ist es genau andersrum- das Verlangen, welches eben noch alles in ihr bestimmt hat, ist mit dem Klopfen verschwunden. Jetzt ist ihr die ganze Sache eher unangenehm. Widerwillig löst er sich schließlich von ihr und dreht sich betont langsam zu seinem Gast um.
Es ist Simon. Im Gegensatz zu Joey kennt er Negans Allüren und sieht vollkommen unbeeindruckt aus. Er hätte ihnen wohl auch geduldig wartend beim Sex zugesehen.
"Simon.", begrüßt Negan ihn, "Dein Timing ist mal wieder unterirdisch!"
"Sir.", er nickt knapp und kommt dann ohne Umschweife zur Sache, "Oceanside steht wieder an."
Negan fährt sich gereizt über den Bart.
"Sag mal, hab ich schrumplige, hängende Titten?", schnauzt er, "Oder warum hältst du mich für deine Mutter? Kriegt ihr alle überhaupt irgendwas alleine auf die Kette?"
Falls Negans Gereiztheit Simon irgendwie Sorgen macht, lässt er sich nichts anmerken. Er fährt unbeirrt fort.
"Die Stimmung ist dort wieder sehr angespannt. Nachdem Jared das letzte Mal die Beherrschung verloren hat..."
Negan fällt ihm unwirsch ins Wort. "Dann fahr du eben diesmal mit! Sorg dafür, dass diesmal keiner dieser Idioten jemanden umlegt. Und sollten die Oceansides was wagen- was sie nicht tun werden- bringst du noch ein paar Geiseln mit. Dann werden sie sich zusammenreißen."
Erst da fällt Eden wieder ein, dass sie damals von Oceanside den Hippie als Geisel mitgenommen haben. Das hatte sie vollkommen vergessen. Lebt er überhaupt noch? Sie hat ihn seitdem nicht wieder gesehen.
Simon sieht noch nicht ganz zufrieden aus.
"Sir. Ich muss mich um Hilltop kümmern! Ich kann nicht noch..."
Jetzt ist Negan wirklich auf der Palme.
"Verdammter, verfickter Bullshit! Sei nicht so eine elende Pussy, Simon, und heul jemandem anders die Ohren voll!
Weißt du wie hart mein Schwanz gerade, in diesem Moment, ist? Hart ist gar kein Ausdruck. Ich könnte Stahl damit zerkloppen. Ich wollte ihn gerade versenken und dann kommst du und laberst mich hier voll! Wenn du selbst nicht nach Oceanside willst, dann schick eben jemanden anders hin. Aber kümmer dich allein drum. Und zwar jetzt. Sofort.
Es ist schon Mittag und ich hab noch nicht eine meiner Frauen flachgelegt. Wenn du mich hier nicht vollnölen würdest, hätte ich schon die zweite weg!"
Jetzt sieht Simon tatsächlich ein wenig verärgert aus, aber er nickt verbissen.
"Noch eine Sache.", beginnt er und Negan stöhnt lautstark und entnervt auf, "Die Patrouille bei Oceanside ist heute morgen auf zwei dieser Wölfe gestoßen. Da Ben an der Sache dran ist, wollen sie wissen, ob sie die Spur aufnehmen sollen."
Bei dem Wort 'Wölfe' horcht Eden sofort auf. Die meisten von ihnen leben noch immer, obwohl Negan ihnen ein Team an den Hals gehetzt hat. Negans Miene wird noch finsterer.
"Wie nennt man diese Eiterbeule, die du da auf dem Hals hast, hm? Richtig! Kopf! Kann man zum Denken benutzen! Also: Denk!
Natürlich sollen sie die Spur aufnehmen! Siehst du einen Wolf, killst du ihn. WAS GIBT ES DARAN MAL WIEDER NICHT ZU BEGREIFEN?"
Simon zückt sein Funkgerät, doch Negan schnalzt mit der Zunge.
"Ich mach das für dich. Wir wollen doch nicht, dass du noch ein Burnout kriegst durch diese ganze viele Arbeit.", sagt er zynisch. Simon nickt knapp und stiefelt aus dem Zimmer. Rums! Die Tür ist zu. Wieder wurden erfolgreich Eier gequetscht.
Er dreht sich augenrollend wieder zu Eden um und zieht sein Funkgerät vom Gürtel.
"Warte.", sagt sie und hält seinen Arm zurück. Sie überlegt kurz, wie sie es ihm sagen soll.
"Willst du das mit den Wölfen wirklich deinen Leuten überlassen?", fragt sie schließlich.
Er zieht irritiert die Augenbrauen nach oben.
"Meinst du nicht...", fährt sie schnell fort, "Dass du das selbst erledigen solltest?"
Er seufzt. In erster Linie tut es ihm wohl um die Erektion leid, die langsam aber sicher flöten geht.
"Eden...ich kann nicht wegen jedem Wichser da draußen losstiefeln und ihm die Birne einschlagen. Dann bin ich ja nur noch am arbeiten. Und komm nie zum Ficken..."
Sie zieht scharf die Luft ein.
"Ich sag ja auch nicht, dass du jede Angelegenheit selbst klären sollst. Aber das... Wieso sollten deine Leute sich bemühen? Welche Ambition treibt sie an? Dein Befehl. Mehr nicht."
"Ach und welche Ambition hab ich?", fragt er zynisch.
In Eden steigt das Gefühl ohnmächtiger Wut auf. Sie ballt die Hände zu Fäusten und starrt ihn ungläubig an.
"Wir werden über sie kommen, wie ein Gewitter, hast du gesagt. Das ist dein verdammtes Gewitter? Das ist alles, was du zu bieten hast? Deine Worte sind nur Schall und Rauch! Würde es dich mehr motivieren, wenn sie deine Leute kaltblütig abmetzeln? Wenn sie dich wochenlang an einen Pfahl fesseln, dich mit verfaulten Fleisch füttern und in einen Eimer scheißen lassen? Wenn dich jeden Tag achtzehn Männer vergewaltigen? Wärst du dann ambitionierter?"
Sie durchlebt es in diesem Moment wieder. Mit alldem kommt die Angst, die Hilflosigkeit, der Ekel zurück. Negans Miene versteinert mit jedem Wort zusehends. Er sieht jetzt fast hilflos aus.
"Ich...", stammelt er. Er schüttelt den Kopf. "Eden...ich..."
Woher soll er wissen, wie soll er verstehen, was sie durchgemacht hat? Sie schließt für eine Sekunde die Augen und atmet tief durch.
"Die haben es nicht verdient, einfach erschossen zu werden.", sagt sie dann leise. Negan sagt noch immer kein Wort. Er starrt sie wie versteinert an.
"Wenn du es nicht tust...Mach ich es selbst. Ich werde keinen Frieden finden, bevor nicht jeder einzelne dieser...Kreaturen grausam gestorben ist.", hört sie sich sagen.
Langsam kommt er wieder in die Spur.
"Nein.", sagt er tonlos, "Ich werde nicht zulassen, dass du da raus gehst und..."
"Ach, und die ganze Scheiße hier...", sie deutet auf das Waffenarsenal auf dem Tisch, "...hast du mir dann wofür gegeben? Damit ich hier im Sanctuary damit rumspaziere und cool aussehe? Damit es dich geil macht?" Sie wirft hilflos die Arme in die Luft. Erneut steigen Tränen in ihre Augen. Diesmal aus Wut.
Sein Blick liegt noch immer auf den Waffen. Quälend langsam richtet er seinen Blick wieder auf sie und nickt dann kurz. Er hebt das Funkgerät an seinen Mund und drückt den Knopf. Rauschen.
"Neuer Befehl: Wenn ihr auf Wölfe stoßt, kesselt sie ein und gebt mir SOFORT Bescheid. Ich klär das persönlich."
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