Bonuskapitel: Wie es auch hätte enden können...
Meine Lieben,
eigentlich ist die Geschichte ja zuende, aber so richtig konnte ich mich dann doch noch nicht von Eden und Negan trennen. Außerdem hatte ich nach all den negativen und traurigen Kapiteln, doch noch Lust auf ein Happy End 😁- obwohl das eigentlich, wie ihr sicher festgestellt habt, so gar nicht mein Ding ist.
Also habe ich ein Alternativende geschrieben, ein kleines Gedankenspiel, ein 'Was wäre wenn...'. Durch die Serie und Comics wissen wir ja, wie es wirklich weitergeht, aber es hätte ja auch anders kommen können...
Viel Spaß beim Lesen!
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-Eden-
Sie erhebt sich stöhnend und wischt die feuchte Erde, die an ihren Händen klebt, an ihrer Hose ab. So, die Tomaten sind gepflanzt. Jetzt tut ihr Rücken so furchtbar weh, dass der Salat bis morgen warten muss.
Sie watschelt Richtung Haus- anders kann man ihren Gang gerade nicht bezeichnen. Die dicke Kugel, die sie vor sich herschiebt, lässt sie aussehen wie ein Fass auf zwei Beinen und ihre Bewegungen sind ungefähr so anmutig, wie die einer Seekuh.
Dean und Negan sind gerade dabei, ein Netz zu reparieren. Sie stehen bis zu den Knien im Wasser und während Negan konzentriert versucht, einen Knoten zu knüpfen, macht ihr Sohn nur Quatsch. Er spritzt seinen Vater voll und lacht dabei schallend. Eine Weile lässt Negan das über sich ergehen, dann packt er den Kleinen unvermittelt, wirft ihn in die Luft, fängt ihn wieder auf und wirbelt ihn im Kreis herum. Dean kreischt dabei wie am Spieß, Wasser spritzt zu allen Seiten und die beiden werden klitschenass.
Eden tritt lächelnd zu ihnen.
"Durch euer Geschrei lockt ihr noch ganze Beißerherden an.", sagt sie. Sie meint das nicht wirklich ernst. Es gibt sie zwar noch, genauso wie das Virus, aber es werden immer weniger, zumindest hier in der Gegend. Sie sind kaum noch eine Bedrohung für die Lebenden.
Negan kommt mit dem quieckenden und zappelnden Dean auf seinem Arm zu ihr. Sein Lachen lässt ihn zehn Jahre jünger aussehen. Wie immer, wenn sie ihre beiden Männer beim Heumalbern betrachtet, schäumt sie bald über vor Freude. So schön, so einfach, so unbeschwert, kann leben sein. Vor gut fünf Jahren hätte sie das niemals für möglich gehalten.
Es war am Anfang nicht leicht. Vier Wochen, nachdem Eden und ihr Baby beinahe gestorben wären, haben sie das Sanctuary verlassen. Die Saviors waren alles andere als begeistert. Manche beschimpften Negan als Verräter und Feigling. Dies hatte ihn mehr getroffen, als er jemals zugegeben hätte. Und trotzdem war er nicht davon abzubringen gewesen, zu gehen. Das Paradies, welches sie sich mittlerweile aufgebaut haben, war damals vor allem eine Heidenarbeit. Da Eden noch eine ganze Weile brauchte, um sich von ihren schweren Verletzungen zu erholen und außerdem mit ihrem neugeborenen Sohn mehr als beschäftigt war, musste Negan unablässig arbeiten. Sie bekam ihn manchmal tagelang kaum zu Gesicht. In Windeseile baute er einen Zaun und eine Beißerabwehr um die Blockhütte. Sie legten Beete an, jagten, plünderten umliegende Siedlungen und Farmen. Und trotz all der Mühe, wurden ihre Vorräte knapp als der Winter kam. Als Dean dann auch noch krank wurde, hatten sie sich eingestehen müssen, dass sie es ohne Hilfe nicht schaffen würden.
Sie waren nach Alexandria gefahren. Die Gemeinschaft um deren Anführer Rick hatte sie nicht besonders herzlich empfangen. Sie hatten durch Hilltop und Kingdom schon einiges über Negan gehört. Außerdem hatten die verblieben Wölfe die Gemeinschaft ein paar Wochen zuvor angegriffen und einigen Schaden angerichtet. Es war erleichternd zu hören, dass Rick und seine Gruppe dieses Ungeziefer endgültig besiegt hatten. Alle Wölfe waren tot.
Und trotz alldem hatten sie ihnen geholfen.
Rick und Negan waren sich sehr ähnlich, zu sehr. Wenn zwei Alphamännchen aufeinander treffen, geht das in der Regel nicht gut. Am Anfang hatten die beiden sich einen Machtkampf nach dem anderen geliefert, mittlerweile kooperieren sie aber sehr gut, man könnte sie fast als Freunde bezeichnen. Negan hält sehr viel von Rick. Bereits nach ihrem ersten Besuch hatte er zu ihr gesagt: "Wenn mich mal jemand besiegt hätte- dann wäre Rick das gewesen." Er hatte damit ausgesprochen, was Eden die ganze Zeit gedacht hatte. Wären sie bei den Saviors geblieben, wäre eine Auseinandersetzung mit Alexandria, vielleicht sogar ein weiterer Krieg, nur eine Frage der Zeit gewesen.
Mittlerweile genießt Eden die regelmäßigen Besuche in Alexandria. Sie hat dort viele Freunde gefunden. Zum Beispiel Maggie und ihren Mann Glenn. Ihr gemeinsamer Sohn Hershel ist nur ein halbes Jahr jünger als Dean. Wenn sie dort sind, sind die beiden Jungs unzertrennlich. Oder Daryl. Am Anfang war er genauso mürrisch, misstrauisch und verschlossen gewesen, wie Eden. Nun sind sie dicke Freunde, die erst mal eine halbe Stunde wie kleine Kinder herumtoben, wenn sie in Alexandria ankommen. Sie hat dort auch alte Bekannte wiedergetroffen: Dwight, Sherry und Enid. Tina hat die Flucht aus dem Sanctuary damals nicht überlebt. Aber die anderen haben es geschafft- und sie sind glücklich dort.
Unter Ricks Führung haben sich die Communities um D.C. zusammengeschlossen, Negans Netzwerk wurde ausgebaut und es besteht ein reger Handel und Austausch zwischen diesen Gruppen. Die Zivilisation ist zurück. Immer wenn sie dort hinfahren, sagt sie ihm, dass das auch sein Verdienst ist. Aber davon will er nichts hören, er ist in den letzten Jahren ziemlich bescheiden, bodenständig geworden. Sie mag diese Seite an ihm.
Sie hätten es niemals für möglich gehalten, dass sie nochmal schwanger werden würde. Obwohl sie irgendwann nicht mehr verhütet haben, passierte lange Zeit nichts. Sie dachten, dass irgendetwas in ihr so verletzt worden war, dass es nicht mehr ging. Doch dann war es auf einmal passiert. Ein weiteres kleines Wunder. Als sie sich sicher waren, dass sie wieder schwanger war, hatten sie kurzzeitig darüber nachgedacht, ihr Haus am See zu verlassen und zurück zum Santuary oder nach Alexandria zu gehen. Aber sie haben sich dagegen entschieden. Negan ist nach wie vor nicht der Mensch, der sich einem anderen Anführer unterordnen kann. Außerdem sind sie fertig mit alldem. Sie gehören hier her. Nur sie und ihre kleine Familie- selbst Negan braucht nicht mehr. Er hat sich all die Jahre nicht einmal beschwert, hat nicht einmal den Anschein erweckt, dass sie ihn langweilt oder dass er sich nach anderen Frauen sehnt, dass ihm seine Anführerrolle fehlt. Es ist perfekt. Sie haben die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen. Sie sind endlich glücklich, haben ihren Frieden mit der Welt geschlossen.
Negan setzt Dean ab und verpasst ihm einen sanften Klaps auf den Po.
"Los, Räuber, zieh dir trockene Sachen an und geh dann die Hühner füttern, bevor du wieder nur Unsinn machst." Dean stürmt freudig los.
Sie sehen ihm beide hinterher. Was für ein gutes Gefühl es ist, sein Kind herumlaufen zu lassen, ohne Angst haben zu müssen, dass es an der nächsten Ecke zerfleischt wird.
Negan schlingt die Arme von hinten um sie und zieht sie an seinen nassen Körper.
"Hm. Wie warm und trocken du bist.", raunt er in ihr Ohr. Seine Stimme lässt sie immer noch erschauern und ihr Herz einen Takt schneller schlagen. Er hat noch immer diese starke Wirkung auf sie und sie kann sich nicht vorstellen, dass sich das jemals ändert. Seine Lippen wandern ihren Hals hinab, er beißt sie sanft in die Stelle unterhalb ihres Ohres. Ein Seufzen entfährt ihr, sie lehnt sich mit geschlossenen Augen an ihn.
Ihre ganze Schwangerschaft über, kann sie gar nicht genug von Sex kriegen. Sie könnte jetzt schon wieder über ihn herfallen- allerdings ist Dean nicht gerade ein Kind, welches viel und tief schläft. Das ist das einzig Nervige an ihm.
Seine Hände kreisen über ihren Bauch, was das Baby in ihr dazu veranlasst, wie wild um sich zu schlagen.
"Au!", ruft Eden, als das Baby heftig gegen ihre Bauchdecke tritt, "Was macht ihr denn da?"
"Das Kleine merkt, dass Mommy ganz nervös ist und sich am liebsten hier und jetzt das Hirn rausvögeln lassen würde.", sagt er grinsend. Ab und an kommt der alte Negan mit der schmutzigen Zunge durch. Sie mag das, ist aber auch ganz froh, dass er vor Dean weder flucht (oder es zumindest versucht) noch seine Sprüche bringt. Um ehrlich zu sein, überrascht es sie jeden Tag wieder aufs Neue, wie liebevoll, zärtlich und fürsorglich Negan sein kann. Und er ist ein großartiger Vater.
"Allerdings.", gibt sie neckisch zu, "Aber ich hab mittlerweile Angst, dass das Baby mit rausflutscht, wenn wir miteinander schlafen."
"Es wird aber auch langsam Zeit, oder? Ich mach mir schon Sorgen, dass du mir irgendwann davonrollst."
Sie dreht sich zu ihm um und boxt ihn in die Seite, was ihn nur kichern lässt.
"Das sagt der Richtige!", sagt sie gespielt beleidigt, "Schau dir erstmal deine Wampe an!"
Dass er mittlerweile einen Bauch bekommen hat, kränkt ihn ein wenig in seiner Eitelkeit. Deswegen verweist sie ab und an darauf, natürlich nur im Spaß. Es stört sie nicht im geringsten. So ein kleines Bäuchlein ist auch heutzutage noch ein Zeichen für Wohlstand- und den haben sie sich wahrlich verdient. Außerdem ist Negan einer dieser Männer, der mit jedem Jahr, das er älter wird, attraktiver wird. Sie hat das Gefühl, das sie sich mit jedem Tag stärker zu ihm hingezogen fühlt, ihn noch mehr liebt.
Statt einer Antwort, zieht er sie an sich. Er muss sich weit nach vorne lehnen, um sie küssen zu können. Als seine Lippen über die ihren streichen, bleibt wie immer die Zeit für einen Moment stehen. Breitwillig öffnet sie die Lippen und erwidert seinen leidenschaftlichen Kuss. Sie könnte das den ganzen Tag machen.
"Ich liebe dich.", flüstert er, als sie sich voneinander lösen und küsst sie sanft auf die Nasenspitze.
"Und ich dich erst.", grinst sie.
Ihr ganzer Körper kribbelt. Am liebsten würde sie ihm die Kleidung vom Leib reißen und...
"Mommy! Daddy!", Deans hohe Kinderstimme lässt alle Leidenschaft augenblicklich verpuffen, "Besuch!"
Besuch? Sie hatten in den letzten Jahren nur zweimal Besuch, und zwar von Carson. Einmal, weil Dean sich den Arm gebrochen und einmal vor vier Monaten, als Eden vorzeitige Wehen hatte. Die meisten wissen gar nicht, wo sie sich aufhalten. Eine von Negans Sicherheitsvorkehrungen, schließlich gibt es nach wie vor Leute, die nicht allzu gut auf sie zu sprechen sind.
Sie laufen in die Richtung, in die Dean zeigt. Haben beide die Hände an ihren Gürteln, wo ihre Pistolen stecken. Ein Van poltert auf sie zu. Der Wagen hält und erleichtert stellt Eden fest, dass darin Glenn, Daryl und Rick sitzen. Negan musste Rick verraten, wo sie sich befinden, sonst hätte Rick ihnen damals nicht geholfen, aber es ist das erste Mal, dass sie hier her kommen.
Die drei springen aus dem Wagen und im nächsten Moment stürmt Dean schon auf sie zu.
"Daryl! Glenn! Rick!", brüllt er und klingt dabei wie eine kleine Sirene. Er springt Daryl in die Arme und die beiden raufen spielerisch miteinander. Dean verehrt Daryl abgöttisch.
"Schön habt ihr's hier.", meint Rick und lehnt sich an den Wagen.
"Sagt der, der fließendes, warmes Wasser hat.", entgegnet Eden lächelnd. Darauf ist sie immer noch neidisch. Immer wenn sie in Alexandria ist, nimmt sie erstmal ein Bad oder eine heiße Dusche.
"Ricky! Was führt dich denn zu uns? Willst du nen Rat von nem richtigen Anführer?", begrüßt Negan die Ankömmlinge freudig. Rick fragt ihn tatsächlich ab und an um Rat. Und bereut es jedes Mal sicherlich bitter, denn Negan reitet darauf bei jeder Gelegenheit herum.
Rick sieht ein wenig zerknirscht aus.
"Ja, tatsächlich. Ich müsste mal mit dir reden. Aber erstmal: Eden, du siehst toll aus! Wann ist es soweit?"
"Toll? Ich sehe aus, als hätte ich nen Medizinball verschluckt!", entgegnet Eden sarkastisch, "Es kann jederzeit kommen."
"Hast du was dagegen, wenn ich mal kurz mit deinem Mann unter vier Augen rede?"
"Überhaupt nicht. Bring ihn bloß nicht so bald wieder."
Negan wirft ihr einen bösen Blick zu und spaziert dann mit Rick zum See.
Sie setzt sich mit den anderen auf die Veranda, serviert ihnen frischgebackenen Apfelkuchen und Tee. Für eine Weile sieht sie fasziniert zu, wie Daryl mit vollem Körpereinsatz sein Stück Kuchen verschlingt als hätte er seit Wochen nichts gegessen. Er hat noch den halben Kuchen im Mund, als er sich bereits ein neues Stück auf den Teller packt. Seine Tischmanieren sind ein bisschen wie ein Autounfall, man will nicht hinsehen, aber man muss. Dean sieht sein großes Vorbild mit der Armbrust ebenfalls entzückt an. Na toll. Wie soll sie ihrem Kind unter diesen Umständen Manieren beibringen?
Kopfschüttelnd wendet sie sich ab.
"Wie geht es Maggie und euren beiden Mäusen?", fragt sie Glenn.
Maggie war diesmal schneller als sie, sie hat vor knapp einem Jahr ihre Tochter in Hilltop auf die Welt gebracht.
"Wunderbar!", entgegnet Glenn und ein seliges Lächeln liegt auf seinem Gesicht, "Ihr solltet mal wieder vorbei kommen. Beth spricht jetzt schon!"
"Und ich sehe", sagt Eden an den kauenden Daryl gewandt, "Dass du und deine Liebste euch auch erweitert habt." Sie blickt auf die neuen Bolzen, die in seiner Armbrust stecken.
"Haha.", brummt er, wobei ihm Krümel aus dem Mund fallen. Eden kichert, wird dann aber nach einer Weile ernst.
"Ihr seid doch nicht hier, um Negans Lieblingskuchen wegzufressen, oder?" Daryl, der sich gerade ein weiteres Stück nehmen wollte, hält kurz inne, zuckt dann leicht die Schultern und nimmt sich ein besonders großes Stück. Er mag Negan nicht wirklich.
Glenn sieht ein wenig schuldbewusst zu Boden.
"Naja...wir...", beginnt er und blickt auf seine Stiefel.
"Orrr...difer Kuchen ift so geil!", verkündet Daryl mit vollem Mund, wohl in der Hoffnung, dass ihr Hausfrauenherz dermaßen aufgeht, dass sie ihre Frage vergisst.
Was läuft hier?
Misstrauisch runzelt sie die Stirn und blickt ihre Gäste säuerlich an.
"Warum seid ihr hier?", fragt sie schärfer als beabsichtigt.
Glenn und Daryl tauschen einen Blick. Dann seufzt Glenn.
"Rick plant einen Ausbau der Safe-Zone. Er will die Communities zu einer großen verbinden, neue Siedlungen bauen, ein Krankenhaus, Schulen...Wir nutzen im Moment noch das, was früher mal war. Er...wir denken, dass es Zeit ist, etwas eigenes, neues aufzubauen. Verstehst du? Ein großes, umzäuntes Gebiet mit Farmen, Fabriken...eben allem, was man zum Leben braucht. Wir haben die Leute dafür, die Möglichkeiten und...", er und Daryl wechseln erneut einen Blick, "Und er will euch dafür. Er braucht dich und Negan."
Eden blickt zu Negan und Rick die auf dem Steg stehen und sich unterhalten. Rick redet auf ihn ein und gestikuliert dabei energisch. Negan sieht ihn nur nachdenklich an.
"Und Rick dachte, dass er nur Negans Ego ein wenig streicheln muss und ich dann zwangsläufig mitziehe?" Es ist mehr eine Feststellung, als eine Frage. Glenn und Daryl nicken kleinlaut.
"Eden.", sagt Glenn vorsichtig, "Ich weiß, ihr habt einiges durchgemacht. Aber es ist an der Zeit, das hinter sich zu lassen. Ihr solltet euch nicht mehr verstecken, sondern ein Teil des großen Ganzen werden. Wenn ihr mich fragt, seid ihr das eh längst. Ihr gehört zu uns. Du solltest dein Kind in einer Praxis, bei einem Arzt zur Welt bringen. Dean sollte mit anderen Kindern spielen, zur Schule gehen. Und Negan...wir wissen alle, dass er der geborene Anführer ist."
Daryl macht beim letzten Satz ein "Hmpf.", aber ansonsten scheint er Glenns Meinung zu teilen.
Rick und Negan kommen jetzt zurück.
"Du hast die beiden bestimmt schon ausgequetscht und weißt, worum es geht?", stellt Negan fest. Er kennt sie wirklich zu gut. Sie nickt. Damit ist das Thema vorerst beendet.
Rick und Negan verspeisen den verbliebenen Apfelkuchen, danach wollen ihre Gäste auch schon wieder weiter. Sie sind gerade dabei, die Gegend auszukundschaften.
"Überlegt es euch. Wir brauchen euch wirklich. Ihr könnt jederzeit kommen.", sagt Rick zum Abschied.
Nachdem sie Dean ins Bett gebracht und ihm noch eine Geschichte vorgelesen hat, tritt sie wieder auf die Veranda. Negan sitzt dort und schaut gedankenverloren auf den See. Sonst setzt sie sich immer auf seinen Schoß, da sie im Moment aber eine halbe Tonne mehr wiegt, lässt sie sich auf den Stuhl neben ihm fallen. Er streckt seine Hand nach ihr aus und sie lässt ihre in seine gleiten. Eine Weile sitzen sie schweigend, Hand in Hand da und genießen den Anblick ihres persönlichen, kleinen Paradieses. Der See leuchtet rot in der Abendsonne, die Bäume rauschen leise. Bei dem Gedanken, hier weg zu gehen, fühlt sie einen Stich in der Brust.
"Was sagst du zu der ganzen Sache?", fragt er schließlich leise. Eden lässt sich Zeit für ihre Antwort.
"So gerne, wie ich hier bleiben würde...ich glaube, sie haben Recht. Die Zeit ist gekommen. Es ist das, wovon wir immer geträumt haben.", entgegnet sie schließlich seufzend.
In ihm arbeitet es. Er ist hin und her gerissen.
"Das hier ist das, wovon ich immer geträumt habe.", entgegnet er dann und sieht ihr in die Augen, "Du. Unsere Familie. Frieden. Ich hab alles, was ich je wollte."
Ihr wird ganz warm bei seinen Worten, Glück durchströmt sie. Aber in ihrem tiefsten Inneren, weiß sie, dass er zu mehr berufen ist. Er ist vielleicht nicht der Retter, der Erlöser, als der er sich früher inszeniert hat, aber er ist eben auch nicht nur ein Familienvater, der sich in einer Blockhütte am Arsch der Welt verkriechen sollte. Er ist in der Lage, Menschen zu überzeugen, zu führen, zu kontrollieren- Qualitäten, die wenn man etwas aufbauen will von enormen Wert sind. Sie weiß das. Rick weiß das. Und im Grunde weiß er es auch.
"Dann sollten wir es für unsere Kinder tun."
Er mustert sie eine Weile und nickt schließlich zögernd.
"Ich hab Angst, es wieder zu versauen.", gesteht er dann.
Sie erhebt sich schwerfällig und nimmt sein Gesicht in die Hände.
"Du wirst nichts versauen.", sagt sie eindringlich, "Du wirst das großartig machen. Ich glaube an dich. Ich glaube an uns. Ich glaube daran, dass unsere Kinder in einer besseren Welt aufwachsen werden."
-6 Wochen später-
Heute ist ein wunderschöner Sommertag. Es ist bereits früh am Morgen warm und die Kinder toben halbnackt auf der Wiese vor ihrem Haus. Das perfekte Wetter für diesen besonderen Tag.
Heute wird die erste Schule in Alexandria eröffnet- Edens zukünftiger Arbeitsplatz, denn sie hat sich bereit erklärt, den Kindern Lesen, Schreiben, Rechnen beizubringen und Musikunterricht zu erteilen. In diese Schule werden alle Kinder aus den umliegenden Communities gehen, es ist damit viel mehr als eine Schule, es ist der Grundstein für ein neues Leben, für eine neue Welt, für ein engere Zusammenleben. Kein Wunder, dass Alexandria am heutigen Tag beinahe überquillt, es sind Leute aus sämtlichen Communities angereist. Nach all den Jahren in der abgelegen Hütte am See, ist ihr diese Menschenmenge beinahe unheimlich.
Sie steht mit Carol, Maggie und etlichen anderen Frauen und Männern bereits seit Stunden in der Küche und bereitet Salate, Braten, Gebäck und Getränke zu. Negan hat heute den Kinderdienst übernommen.
"Eden, mach ruhig mal Pause.", bietet Carol ihr an. Das lässt sie sich nicht zweimal sagen. Sie flüchtet aus der Küche, auf die Veranda, wo Negan lächelnd den Kinderwagen hin und her wiegt, sich ein Bierchen genehmigt und Hershel, Dean und Judith, die Fußball spielen, ein paar Anweisungen zubrüllt.
Sie stemmt die Hände in die Hüften und sieht ihn tadelnd an.
"Na, du siehst ja entspannt aus."
"Bin ich auch. Aber du bist ganz rot im Gesicht- ist's stressig bei euch?", entgegnet er leichthin und nimmt demonstrativ einen Schluck Bier.
"Blödmann.", brummt sie und geht auf den Kinderwagen zu.
Noch am Tag ihrer Ankunft in Alexandria haben die Wehen eingesetzt. Einige Stunden später war Lucille, die sie meistens nur Lucy nennen, auf der Welt. Und dann kam die Überraschung: Plötzlich ist noch ein weiteres Baby zum Vorschein gekommen- Maylin (das war der Name ihrer Mom gewesen). Eden hatte nicht den blassesten Schimmer, dass sie Zwillinge erwartete. Tja, so schnell können drei zu fünf werden.
Daryl hat für sie irgendwo einen Zwillingskinderwagen aufgetrieben. Auf dem Stoff wurde der Schriftzug 'Lil' Ass Kickers with Bats' gestickt. Das konnte sich dieser Witzbold nicht verkneifen.
Sie steht vor dem Kinderwagen und betrachten für eine Weile die schlafenden Mädchen. Sie haben, genauso wie ihr großer Bruder Negans schwarzes Haar und werden wohl später die gleichen braun-grünen Augen bekommen.
"Ich frag mich manchmal, womit ich all das verdient habe.", sagt er plötzlich hinter ihr.
Sie dreht sich zu ihm um, klettert auf seinen Schoß und lässt ihre Hände in seinen Nacken wandern.
"Du hast es genauso verdient, wie jeder andere auch.", widerspricht sie sanft, "Wir haben alle schreckliche Dinge getan, jetzt haben wir die Chance es besser zu machen."
Ein Grinsen zieht über sein Gesicht. Er zieht sie ein Stück näher zu sich, spielt mit einer ihrer Haarsträhnen. Dann küsst er sie.
"Weißt du was? Ich liebe dich. Du weißt gar nicht, wie sehr."
Die große Tafel, die in der Mitte Alexandria aufgebaut wurde, quillt beinahe über vor lauter Essen. Man hört Gespräche, Besteck klappert, die Kinder toben lautstark um den Tisch. Eden ist bisher kaum zum essen gekommen, ständig will jemand mit ihr reden, sie ist ganz froh, dass Lucy sich lautstark zu Wort gemeldet hat und sie sich ein wenig zurückziehen konnte, um sie zu stillen. Sie lässt ihren Blick über die Tafel schweifen.
Negan, der Dean auf dem Schoß hat und ihm gerade ein Stück Fleisch schneidet, hinter ihm der Kinderwagen, in dem Maylin trotz des Lärms selig schlummert. Daneben sitzt Rick mit seiner Frau Michonne und seiner Tochter Judith. Maggie, Glenn und ihre beiden Kinder. Daryl und Carol. Abraham und Sasha, die ebenfalls ihr zweites Kind erwarten. Rosita und Eugene. Ricks Sohn Carl und Enid. Obwohl Enid erst 19 ist, ist sie bereits eine fähige Ärztin und hat Eden bei der Geburt großartig unterstützt. Sherry und Dwight. Sie sieht Leute aus Hilltop, aus dem Königreich, aus dem Santuary. Unter ihnen ist Reena, die mittlerweile mit Joey zusammen ist- das 'fat' muss man jetzt streichen, denn er hat kräftig abgenommen. Sie sieht eine Familie, eine Gemeinschaft, Freunde. Keine Feinde, keine Konkurrenten.
Rick klopft mit der Gabel an sein Glas und erhebt sich dann lächelnd.
"Ich freue mich, dass so viele heute hier erschienen sind.", sagt er, "Dies ist der Beginn vom Neuanfang. Wir lassen das Alte hinter uns und bauen uns etwas Eigenes, Besseres auf. Wir werden zu einer Gemeinschaft, zu einem Staat. Und ich freue mich wirklich, dass ihr alle hier seid, denn das zeigt, dass wir an einem Strang ziehen, dass ich mich auf jeden von euch verlassen kann. Ich danke euch dafür. Und erhebe mein Glas- auf uns!"
Wie aus einer Kehle rufen alle "Auf uns!" und stoßen an. Das Lächeln auf Negans Gesicht zeigt ihr, dass sie wieder die richtige Entscheidung getroffen haben.
Hinter ihr ertönt ein Räuspern. Sie dreht sich um und für einen Moment bleibt ihr Herz stehen. Hinter ihr steht Natania. Für einen Moment zucken Bilder durch ihren Kopf. Bilder von Leid, Schmerz und Tod. Natania scheint nicht zu recht zu wissen, was sie sagen soll, offensichtlich hat sie dieselben Bilder im Kopf.
"Ich...äh...", beginnt sie, ihr Blick fällt auf das Baby an ihrer Brust, "Deine Tochter ist wunderschön."
"Danke, Natania.", sagt Eden nur. Sie kann nichts dagegen tun, dass ihre Stimme kühl bleibt.
"Ich wollte mich entschuldigen...für alles.", sagt Natania leise. Eden braucht eine Weile, um diese Worte zu verarbeiten. Vergeben ist schwerer, als hassen.
"Ich...wir...müssen uns auch entschuldigen. Wir sollten all das hinter uns lassen.", entgegnet sie schließlich.
Natania nickt und reicht ihr die Hand. Eden zögert einen Moment und lässt ihre Hand dann in Natanias gleiten. Die beiden Frauen sehen sich noch einen Moment schweigend an, dann nicken sie sich kurz zu und Natania geht zu der Tafel. Damit ist auch dieses letzte Kapitel abgeschlossen.
Dies ist der Moment, an dem alles endet und alles neu beginnt.
THE END
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Wow. Das war's jetzt wirklich. Vielen, vielen Dank für's Lesen, für's Voten und kommentieren! Ihr seid großartig! Ich denke, für meine allererste Geschichte habe ich mich ganz gut geschlagen. Es hat wirklich unheimlich Spaß gemacht! Also noch mal ein fettes Danke. Es war mir eine Ehre.
Katha
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