19. Der Kampf der Entscheidung

Ich habe die gesamte Stunde, die wir Pause gemacht haben, dazu genutzt, mir einen Ort zu überlegen, an dem wir kämpfen könnten.

Schon von Anfang an steht fest, dass es irgendwo sein muss, wo Morros Windkräfte ihm einen Nachteil oder zumindest keinen Vorteil verschaffen. Es hat die gesamte Pause gedauert, aber mir ist dann schließlich doch etwas eingefallen.

Als die Pause zu Ende ist, komme ich erneut aus meinem Zimmer. Ich finde diesmal die Landschaft vom Kampf vor, Morro hat sie offenbar so gelassen wie sie ist.

Er sitzt auf einem der breiteren Pfähle und hat mir den Rücken zugedreht, doch als ich näher trete, dreht er sich um.

Elegant steht er auf, schlägt einen Salto rückwärts und landet im Handstand auf einem der dünnsten Pfähle, der wohl nicht mehr als fünf Zentimeter breit ist.

Alles um ihn herum verschwimmt und fällt in sich zusammen, als der weiße Raum wieder da ist, stellt er sich wieder auf die Füße.

„Und, hatten wir eine schöne Pause?", fragt er.

„Ja.", antworte ich. „Aber ich hab da eine Frage, bevor wir loslegen."

„Immer gern."

„Gibt es eigentlich einen Preis? Außer der Ehre, den anderen besiegt zu haben, versteht sich."

Er sieht mich nachdenklich an. „Warum eigentlich nicht?" Dann runzelt er die Stirn. „Aber was sollte das sein?"

Ich überlege kurz. „Wie wärs, wenn sich der Sieger das am Ende selbst aussuchen kann?"

Morro grinst. „So nach dem Motto: Der Sieger kann mit dem Verlierer machen, was er will?"

Ich schlucke. „Einverstanden."

Es sind zehn Minuten vergangen und ich stehe auf meiner Startposition. In den zehn Minuten hat sich einiges verändert, sowohl an meinem Äußeren als auch an dem Raum in dem wir uns befinden.

Wir tragen jetzt nicht nur Schiedsrichterbänder an den Handgelenken sondern auch an den Knöcheln, außerdem trägt jeder von uns eine Art Uhr, auf der die beiden Punktetafeln stehen.

Das ist unvermeidbar in der Arena, die ich mir ausgesucht habe.

Wir stehen an den beiden Eingängen eines gigantischen unterirdischen Labyrinths, dessen Wände bis zur Decke reichen und dessen Gänge nicht einmal einen Meter breit sind.

Die einzigen Lichtquellen sind in drei Metern Höhe angebrachte Laternen.

Ich habe eine Weile gebraucht, Morro anzuleiten, dieses Labyrinth zu erschaffen, aber es hat sich gelohnt.

In den engen Gängen kann er weder Windpeitschen noch sonstige Luftangriffe starten, ich mit meinen Energiekugeln bin klar im Vorteil.

Mir ist klar, dass es in dieser Runde kaum mehr als zehn Punkte geben wird, weil wir uns in dem Labyrinth auch zurecht finden müssen.

Die Punkte erzielt man, indem man den anderen auf den Boden wirft – und zwar vollständig. Deshalb die zweiten Bänder.

Als der Gong ertönt, betrete ich das Labyrinth, immer nach allen Seiten Ausschau haltend. Die ersten Minuten passiert nicht viel, aber dann fühle ich plötzlich eine Hand auf meinem Rücken. Ehe ich mich versehe, liege ich auf dem Boden.

Das „Pling" erklingt und ich rapple mich auf, nur um gerade noch so Morros Haare um die Ecke huschen zu sehen

Ich eile ihm hinterher und hole ihn in einer Sackgasse ein. Diesmal hat er keine Chance.

Das „Pling" verkündet Gleichstand.

Im Gegenzug zu ihm renne ich nicht weg sondern nehme eine kampfbereite Position ein. Wir wechseln ein paar Schläge aber er schafft es, mich mit einem Luftstoß gegen die Wand zu schleudern. Von dort aus rutsche ich auf den Boden.

„Pling". 1:2.


Die nächste Stunde verläuft weniger spektakulär als die vorherigen zwei Runden, findet Morro. Es ist schwer, sich in dem Labyrinth zurecht zu finden und wenn man sich dann einmal begegnet, bleibt es meist bei einem kurzen Schlagabtausch.

Entweder einer bekommt einen Punkt oder keiner, je nach dem.

Trotz dem er seine Fähigkeiten hier nur begrenzt einsetzen kann, bleibt es unentschieden. Leyla hat zwar den Vorteil, ihre Energiekugeln präziser platzieren zu können, aber Morro hat ebenfalls einen Vorteil. Einen, von dem Leyla nichts weiß.

Er hat einige Dinge von Wu gelernt, über die Leyla bis jetzt nicht Bescheid weiß. Eine Fähigkeit, die Morro immer sehr zu schätzen wusste, ist das Spüren der Anwesenheit einer Person.

Wu hat ihm diese Technik gezeigt, als er gerade mal neun war und sie hat ihm bis jetzt immer gute Dienste geleistet.

So fällt es ihm nicht schwer, sie immer wieder in dem Labyrinth aufzuspüren, trotzdem bleibt der Punktestand gering. Nach fünfzig Minuten steht es gerade mal 7:7.

Morro beißt sich auf die Unterlippe und lehnt sich gegen die nächstbeste Wand. Leyla ist noch ein Stück von ihm entfernt, er hat noch Zeit.

Schnell sieht er auf die Uhr. Noch drei Minuten.

Er muss sich etwas überlegen. Nur mit einem Trick kann er Leyla noch besiegen und das muss er.

Er weiß selbst nicht, woher dieser Ehrgeiz kommt aber er weiß, dass er auf jeden Fall gewinnen muss.

Wie kann er in diesem verfluchten Labyrinth durch seine Windkräfte einen Vorteil bekommen?

Er lächelt, Leyla hat den Ort gut gewählt. Dann sieht er hinauf und stutzt. Ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Aber sie hat eins nicht bedacht.

Schnell springt er in die Luft, seine Kräfte helfen ihm, bis an die Halterung der Laterne zu kommen. Mit einem Handgriff zieht er sich vorsichtig auf die Halterung.

Die Vorrichtung ächzt unter dem ungewohnten Gewicht und Morro betet sie möge durchhalten. Dann bläst er mit einem Wink seiner Hand die Laterne aus. Dasselbe macht er mit allen anderen Laternen in diesem Gang.

Dann wartet er. Wartet darauf, dass Leyla näher kommt. Er spürt sie in dem Gang links von ihm und hofft inständig, sie möge in seine Richtung kommen.

Eine Ewigkeit später hört er ihre leisen Schritte auf dem Gang. Sie scheint verwirrt zu sein, dass kein Licht brennt, weswegen sie etwa zwei Meter von Morro entfernt, innehält und abwartet.

Die Vorrichtung, auf der er sitzt, bewegt sich ein kleines Stück nach unten und Morro hofft, sie möge noch einen kurzen Moment halten, als Leyla wieder auf ihn zu kommt.

Noch ein Meter...noch vier Schritte...drei...zwei...eins...

Morro sieht nicht nach unten, er spürt, dass sie direkt unter ihm steht.

Er springt.


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