6

Jennys Mund verzieht sich bei dieser Beleidigung.

Ich hätte ein dümmliches Grinsen auf Noahs Gesicht erwartet, aber er sitzt einfach nur da, emotionslos wie immer.

Alle sitzen in der Stille.

Bis Max sie bricht.

"Oooohhhh! Verdammt heiß! Brauchst du etwas Aloe Vera für die Verbrennung?" fragt Max.

Jennys Wangen laufen rot an.

Und das ist nicht eines dieser süßen kleinen Erröten. Sie war voll, tomatengesichtig, feuerwehrrot.

Sie dreht sich auf dem Absatz um und stolziert schnell davon, gerade als die Glocke läutet und signalisiert, dass das Mittagessen vorbei ist.

"Was habt ihr Mädchen jetzt?" fragt Dylan sowohl Megan als auch mich, als wir alle vom Tisch aufstehen.

"Naturwissenschaften."  antwortet Megan.

"Mathe." grummel ich.

"Aww, ist die kleine Nevaeh mürrisch, weil sie Mathe hat?" neckt Max mit einer Babystimme und legt seinen Arm um meine Schultern.

"Nimm deinen Arm von mir."

"Ja, Ma'am."

*~*

Ich gehe in meine Matheklasse, aber ein Blick auf die Buchstaben und Zahlen an der Tafel lässt mich umdrehen und gleich wieder rausgehen.

Ernsthaft, als ob Mathe nicht schon kompliziert genug wäre, mussten sie auch noch Buchstaben hinzufügen.

Ich meine, sieh es ein, Algebra, deine "X" ist weg und sie kommt nicht zurück. Hör auf, mich zu bitten, sie zu suchen!

Ich gehe durch die Hintertüren der Schule und lehne mich gegen die Wand.

So beschissen diese Schule auch ist, ich kann nicht leugnen, was für eine schöne Aussicht wir hier hinten haben. Und es ist friedlich. Hier hinten gibt es keine Idioten, die Gesichter lutschen oder sich zum Spaß gegenseitig ins Gesicht schlagen.

Ich höre, wie die Tür aufgeht und jemand herauskommt.

"Hey, Carter." Noahs tiefe, britische Stimme schwebt durch die Luft. "Was gibt's?"

"Ich habe es satt, Algebras 'X' zu suchen." Ich zucke mit den Schultern, als er sich neben mir an die Wand lehnt. "Eigentlich bin ich in Mathe reingegangen und gleich wieder raus."

"Huh." Er schürzt die Lippen. "Das habe ich auch gemacht, als ich in Naturwissenschaften war."

"Du wirst doch nicht einer dieser klischeehaften Bad Boys sein und eine Zigarette rauchen oder so, oder?" frage ich.

Ich sehe, wie er aus dem Augenwinkel zu mir hinunterschaut, ich drehe mich um, um zu ihm hochzuschauen, wobei ich sicherstelle, dass er nicht mehr als meine Lippen und meine Nase sehen kann.

"Carter, ich habe einen jüngeren Bruder zu Hause, dem ich ein gutes Beispiel geben muss." sagt er zu mir. "Ich bin sicher, du hast inzwischen gehört, dass ich im Jugendgefängnis war. Ich bin nicht stolz darauf. Ich will nicht, dass er aufwächst und so wird wie ich. Ich will, dass er erfolgreich ist und ein gutes Leben hat."

Ich sehe eine ganz andere Seite von dem sonst so emotionslosen Bad Boy.

Er sieht gebrochen aus.

Ich würde es wissen.

Meine Schwestern waren meine Welt. Sie zu verlieren, war, als würde ich einen Teil von mir verlieren. Also glaub mir, ich weiß, wie es sich anfühlt, gebrochen zu sein.

Unbewusst greife ich nach oben und fasse meine Halskette durch meinen Kapuzenpulli an.

"Erzähl mir von ihm." sage ich nach ein paar Sekunden.

"Was?" Noah sieht mich an.

"Erzähl mir von deinem Bruder." wiederhole ich.

"Na ja, er heißt Danny ..."

Noah und ich stehen da, an der Rückwand der Schule gelehnt, für Gott weiß wie lange, während er mir von seinem Bruder erzählt.

Die Glocke läutet und signalisiert das es Ende des Schultages ist.

"Bis später, Carter." murmelt er, als er sich umdreht, um wegzugehen.

"Ich möchte deinen Bruder kennenlernen." sage ich wie aus dem Nichts und bringe ihn zum Stehen.

"Wow, Carter, du hast mich noch nicht einmal nach einem ersten Date gefragt und willst schon die Familie kennenlernen." Ich kann den Humor in seiner Stimme hören, aber er zeigt ihn nicht in seinem Gesicht.

Ich zucke mit den Schultern. "Eh."

Er beginnt wegzugehen, bleibt aber stehen und sieht mir über die Schulter nach. "Kommst du?"

*~*

"Wie alt ist dein Bruder?" frage ich, als wir vor der örtlichen Grundschule warten.

"Neun." antwortet Noah schlicht.

"Ich schwöre, wenn er ein Mini-Du ist, dann möge Gott dieser Welt helfen." murmle ich, woraufhin Noah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue anschaut.

"Noah!" ruft eine Stimme, bevor sich ein kleiner Körper an Noahs Bein heftet.

"Hey, Kumpel." Noah lächelt sanft und zerzaust das Wirrwarr aus kupferfarbenen Haaren, das zu seinen passt.

Der kleine Junge lässt Noah los und schaut zu mir auf.

"Carter, das ist mein Bruder Daniel, oder kurz Danny. Danny, das ist meine Freundin Nevaeh, oder wie ich sie gerne nenne, Carter." stellt Noah mich vor.

Ich ziehe meine Kapuze ein wenig herunter und stelle sicher, dass er nicht mehr als meine Nase und meinen Mund sehen kann.

Ich trage meine Kapuze aus zwei Gründen. Erstens waren Heaven und ich identisch und ich kann es nicht gerade ertragen, mich selbst anzusehen, wie ich schon sagte, und zweitens möchte ich, dass die Leute mich für mich mögen. Nicht wegen meines Aussehens. Das ist schon mal passiert.

Danny studiert mich ein paar Sekunden lang, bevor er mich breit angrinst und ein Grübchen auf seiner rechten Wange zum Vorschein bringt.

Er deutet mir an, mich zu bücken, damit ich auf seine Höhe komme.

Er nimmt mein Gesicht in seine kleinen Hände. "Du bist wunderschön."

Ein Lächeln bahnt sich langsam seinen Weg auf mein Gesicht.

Ein echtes, aufrichtiges Lächeln.

Etwas, das seit Jahren nicht mehr auf meinem Gesicht zu sehen war.

"Du hast aber mein Gesicht noch nicht gesehen, Kleiner." behaupte ich.

"Schönheit liegt nicht im Gesicht. Schönheit ist ein Licht im Herzen." Er ergreift meine Hand. "Und nichts ist schöner als ein echtes Lächeln, das sich durch Tränen gekämpft hat."

Ich starre ihn schockiert an.

Dann sehe ich Noah an, der seinen Bruder mit einem ebenso schockierten Blick anstarrt, der sich aber bald in ein stolzes Lächeln verwandelt.

Er hat keine Ahnung, wie recht er mit dem "durch Tränen gekämpft" hat.

Ich stehe auf, immer noch Dannys Hand haltend.

"Bist du sicher, dass das Kind neun ist?" frage ich Noah, der kichert und nickt.

Er hat gekichert! Was zum Teufel...

"Kommst du mit zu uns nach Hause, Nevaeh?" Danny schaut mit Welpenaugen zu mir auf.

Ich zucke mit den Schultern. "Wenn es für deinen Bruder okay ist, dann denke ich schon."

Danny sieht Noah an. "Bitte, Noah! Zwing mich nicht, dir das Welpengesicht zu zeigen."

Noah gluckst. "Klar, Danny. Lass uns gehen."

*NICHT ÜBERARBEITET*

A/N ES STEHT EUCH FREI FEHLER ZU VERBESSERN!

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top