⋆✧*~Kapitel 4~*✧⋆

Alpträume quälten mich in dieser Nacht, von Ungeheuern mit eisblauen Augen. Von Wachleuten, die hinter mir her waren, um mich zu fassen, von Monden die auf die grausamen Taten dieses Mannes schienen. Hände griffen nach mir. Schweißgebadet fuhr ich hoch. Mühsam versuchte ich meine Gedanken zu ordnen.

Die Flucht durch den Wald...die Höhle...»Luna!«, rief ich und suchte sie panisch. Doch ich war ganz allein. Ich sprang auf und sah mich noch einmal genauer um. Sie war nicht hier. Sie hatte mich einfach hier zurückgelassen? Was sollte ich ohne sie tun?

»Luna«, schluchzte ich, kauerte mich an den riesigen Baumstamm und ließ den Kopf sinken. Plötzlich traten zwei Füße in mein Blickfeld. Als ich aufsah, fiel schlagartig die Panik und Mutlosigkeit von mir ab. Luna!

Sie hatte mich nicht im Stich gelassen! Sie sah mir wohl meine Erleichterung über diesen Umstand an, denn sie lächelte und umarmte mich.

»Verzeih mir. Du hast so friedlich geschlafen, dass ich dich nicht wecken wollte. Ich dachte, ich wäre zurück, bevor du aufwachst«, meinte sie. Erst jetzt bemerkte ich zwei Körbe, die sie mitgebracht hatte. Sie waren randvoll mit Proviant und sauberer Kleidung. Der Duft von frisch gebackenem Brot stieg mir in die Nase.

»Wie geht es dir, Elena?«

»Ich würde sagen schrecklich«, sagte ich nüchtern.

Luna zog eine Augenbraue nach oben: » Glaub ich dir, so siehst du auch aus. Aber ich habe eine Idee, wie es dir vielleicht etwas besser gehen könnte. Hier in der Nähe ist ein Fluss, dort können wir dich erstmal waschen und dann etwas Fisch fangen. Erfrischt und mit vollem Magen sieht alles gleich ganz anders aus.«

Eigentlich war ich weder hungrig, noch in der Stimmung durch den Wald bis zum Fluss zu stapfen. Ich fühlte mich vollkommen leer. Ich sah auf meine Hände hinunter und wurde leichenblass. An ihnen klebte noch immer das getrocknete Blut meines Vaters. Auch auf meinem Kleid, das von der gestrigen Flucht durch den Wald total zerrissen war, befand sich ein großer dunkelroter Fleck.

Luna ergriff einen der Körbe: »Komm, lass uns aufbrechen.«

*****

Am Fluss angekommen, war ich völlig außer Atem. Auf dem Weg war ich gefühlt hundertmal hingefallen. Zu den ohnehin schon vorhandenen Schrammen und blauen Flecken an meinen Beinen und Armen, waren so noch einige hinzugekommen. Ich kniete mich an das seichte Wasser, das langsam vor sich hinplätscherte und wusch mir die Hände und das Gesicht. Danach ging es mir tatsächlich schon etwas besser als zuvor.

»Komm Elena, zieh das aus«, sagte Luna und half mir aus dem Kleid.

Danach stieg ich splitterfasernackt mit zittrigen Beinen in den seichten Fluss. Es tat so gut sich zu waschen, endlich wieder sauber zu sein. Das kalte Wasser wirkte belebend auf meinen geschundenen Körper. Ich beobachtete Luna, die ein Stück flussaufwärts mit einem angespitzten Stock versuchte Fische zu fangen.

Meine Gedanken gingen zurück in die Zeit, als wir einander kennenlernten. Ich war zehn Jahre alt gewesen, Luna zwölf. Sie war damals mit ihrer Mutter ins Schloss gekommen, als das alljährliche Fest des Frühlings gefeiert wurde. Es dauerte mehrere Tage. Die Erwachsenen beteten und brachten der Gottheit Quinn Opfergaben dar, damit das kommende Jahr ein gutes werden würde.

Ich war damals schrecklich krank gewesen und wohl auch zur unausstehlichsten Person des Königreichs geworden. Mein Vater hatte auf mein Drängen hin schon die dritte Zofe entlassen müssen und wusste einfach keinen Rat mehr. Luna hatte beobachtet, wie ich eine weitere Bedienstete wütend beschimpfte, nur weil mir ihre Suppe nicht schmeckte.

Sie war über die Veranda in mein Zimmer geklettert und hatte mir gehörig die Meinung gesagt. Was ich doch für ein verwöhntes Gör sei! Daraufhin hatte sie die weinende Zofe an die Hand genommen und mit folgendem Spruch aus dem Zimmer gezogen: »Komm, wir kochen etwas, das selbst ihr schmeckt.«

Einige Zeit später kam sie allein, aber mit der leckersten Suppe zurück, die ich je in meinem Leben gegessen hatte. Es waren die einfachsten Zutaten, doch die Hingabe mit der sie diese kombiniert und mit Kräutern abgerundet hatte, war in jedem Löffel zu schmecken. Ich war so beeindruckt von Luna, dass ich sie kennenlernen wollte. Wir spielten den ganzen Tag zusammen und verstanden uns trotz des holprigen Starts sofort.

Vater erzählte mir später, dass er nach den Feierlichkeiten nach mir sehen wollte und uns beide schlafend und mit einem Haufen Spielsachen auf dem Boden auffand. Noch Jahre danach lachte er darüber. Luna wurde zu meiner besten Freundin und wenig später zu meiner Zofe. Wir hatten so vieles erlebt...

»Du liebe Güte, Elena! Du bist ja immer noch im Wasser!«

Sie riss mich aus meinen Gedanken. Erst als ich aus dem Wasser  steigen wollte bemerkte ich, dass meine Haut ganz taub war. Hatte ich  wirklich so lange gesessen, ohne zu spüren wie die Kälte in meine  Knochen gekrochen war? Oder war sie bereits dort gewesen, bevor ich ins Wasser ging? Ich war so in Gedanken versunken gewesen, ich wollte nicht  aufwachen.

Ich wünschte mir einfach, ich könnte die Zeit zurückdrehen, zu diesen  unbeschwerten Tagen, in denen ich weder um mein Leben, noch um irgendetwas anderes fürchten musste.

Der Tag verging, zog an mir vorbei, als wäre ich ein Außenstehender, der das Geschehen beobachtete. Luna hatte mir frische Kleidung bereit gelegt und Fisch gebraten, von dem ich kaum mehr als einen Bissen herunterbekam. Ich verspürte keinen Hunger.

Später als wir in unser Versteck zurückgekehrt waren und die Monde langsam begannen zu wandern, legte sie mir einen braunen Kapuzenumhang um die Schultern. Es war so schön warm...

Ich  schlief in dieser Nacht überraschend schnell ein. Wahrscheinlich war ich auch einfach zu erschöpft durch die Anstrengungen in den letzten Tagen.

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