⋆✧*~Kapitel 3~*✧⋆
Luna führte mich durch einen Hinterausgang hinaus aus dem Schloss. Auf unserem Weg mussten wir uns immer wieder vor den Wachen verstecken. Das Klicken ihrer metallenen Kettenhemden ließ mich stets zusammenzucken. Hinter den Mauern grenzte ein Waldstück an das Schloss.
Luna hatte meine Hand genommen und zog mich in das schützende Dickicht. Immer tiefer gingen wir in den Wald. Ich war dankbar dafür, den Mauern und diesem schrecklichen Alptraum lebendig entkommen zu sein.
Doch wo brachte mich Luna nur hin? Wir waren nun schon so weit hineingegangen, dass ich nicht einmal mehr genau sagen konnte, in welche Richtung wir liefen. Alles war dunkel und sah genau gleich aus. Egal wohin man blickte, nur Bäume. Doch Luna stürmte mit festem Schritt voran. Es war mir unbegreiflich, wie sie sich in dieser absoluten Dunkelheit so zielsicher orientieren konnte.
Sie beschleunigte sogar, während ich nur stolpernd versuchte mitzuhalten. Ständig blieb ich mit meinem Kleid oder meinem Haar an Ästen und Gestrüpp hängen, doch ich durfte nicht stoppen. Hier, wo kein Licht war, schien es keine Hoffnung zu geben, nur allesumschließende Dunkelheit, die mir das Innere auffraß und mein Herz wie Ketten der Qualen immer fester umschlang.
Ich fühlte mich verloren und machtlos. Angst, Kälte und Schmerz bahnten sich ihren Weg durch meinen Körper und waren bis in meine Eingeweide gekrochen. Es schien keinen Weg zu geben, um zu entkommen.
Aber ich lief immer weiter, ohne zu wissen woher ich die Kraft dazu nahm. Die Büsche wurden immer dichter. Ich fühlte, wie Dornen mein Gesicht und meine Arme zerkratzten, doch wir wurden nicht langsamer, hörten nicht auf zu laufen. Plötzlich blieb Luna stehen. Das Gewirr aus Zweigen wurde lichter. Vor uns erhob sich, wie aus dem Nichts, eine riesige Felswand.
Luna begann die schroffen Steine abzutasten, als würde sie nach etwas suchen. Sie hielt inne und ihr Körper schien mit dem Fels zu verschmelzen. Sie ergriff erneut meine Hand und zog mich durch einen schmalen Spalt in die Wand hinein.
Undurchdringliche Schwärze empfing uns, doch Luna zog mich unentwegt weiter. Unter meinen Füßen fühlte ich loses, grobes Gestein und warme, feuchte Luft schlug uns entgegen. Die Dunkelheit wich langsam einem bläulich schimmernden Licht.
Der schmale Pfad mündete in einen großen Raum, eine Art Becken. In ihm stand ein riesiger Baum, dessen Krone durch eine runde Öffnung im Gestein bis weit in den Nachthimmel reichte. Sein dicker Stamm schien aus mehreren kleineren Stämmen zu bestehen, die sich zusammen zu einem einzigen wanden. Die Quelle des bläulichen Lichts, das wir anfangs wahrgenommen hatten, war ein mannshoher Spalt zwischen zwei ineinander gedrehten Baumstämmen.
In dem Hohlraum befand sich etwas, das wie eine Art Seifenblase aussah. Diese seltsam blau und lila leuchtende Flüssigkeit waberte langsam vor sich hin und faszinierte mich vom ersten Augenblick an. Für einen Moment vergaß ich alles um mich herum und starrte nur auf dieses zauberhafte Licht.
»Was ist das?«, stieß ich atemlos hervor, ohne den Blick davon abzuwenden.
»Unsere Fluchtmöglichkeit. Dieses Portal wird uns von hier wegbringen. Es ist ein direkter Weg auf die Erde.«
»Erde? Was ist eine Erde?« Alles hörte sich für mich an, als würde Luna in Rätseln reden: Erde, fliehen, Portal. Luna sammelte Moos und Blätter vom Boden und häufte es auf. »Die Erde ist eine sehr weit entfernte Welt, unserer sehr ähnlich.« Nun verstand ich wirklich nichts mehr.
Dieses Ding dort vor uns konnte uns so weit weg von hier bringen? In eine andere Welt? Ich könnte von hier verschwinden, doch konnte es die Schatten aus mir vertreiben?
Tayron hatte mir alles genommen, ich hatte nichts mehr. An all das zu denken, was ich verloren hatte wurde mir zu viel. In meinem Kopf begann sich alles zu drehen und ich sank neben Luna zu Boden. Sie war sofort bei mir und hielt mich in ihren Armen.
»Es wird alles gut werden. Ich weiß das es gerade schwer ist, aber es wird besser, versprochen. Wir sollten uns erst einmal ausruhen«, sprach sie mir Mut zu.
Ich drückte mich an sie und sah zu ihr hoch: »Ich will weg von hier. Du hast gesagt, dieses Portal kann uns auf diese Erde bringen. Lass uns aufbrechen. Ich möchte Tayron, oder das Schloss nie wiedersehen.«
Ich versuchte mich aufzurappeln, doch Luna hielt mich zurück. »Nicht so eilig, meinte sie, du musst dich erst ausruhen und wieder zu Kräften kommen, sonst ist es viel zu gefährlich. Wir werden hier bleiben, bis du bereit für den Sprung bist.«
Normalerweise sah es mir gar nicht ähnlich auf Luna zu hören, doch in diesem Fall hatte sie wahrscheinlich Recht. Was auch immer mich hinter diesem Ding erwarten würde, würde meine gesamte Kraft benötigen und die hatte ich gerade nicht. Wir setzten uns auf die beiden Haufen aus Blättern und weichem Moos und lehnten uns an den riesigen Baumstamm.
Unsere Blicke richteten sich durch die Öffnung hindurch in den Nachthimmel, an dem die drei Monde und unzählige Sterne funkelten. Luna waren neben mir die Augen zugefallen, doch mich hielten die Ereignisse des heutigen Abends wach. Außerdem hatte ich noch nie in einem Wald oder einer Höhle übernachtet, ich war allgemein schon seit vielen Jahren nicht mehr außerhalb des Schlosses gewesen.
Doch trotzdem in der Nacht alles gruselig erschien, war das seichte Rauschen der Blätter einfach wunderschön. Ich atmete tief ein, die Luft roch nach Gras, Erde und frischem Baumharz.Langsam kroch die Müdigkeit in mich hinein, doch noch immer konnte ich die schrecklichen Gedanken nicht vertreiben.
Ich hatte alles verloren, das Leben was ich bis jetzt hatte, mein zu Hause, meinen Vater. Ich würde ihn nie wiedersehen können. So streng er auch gewesen sein mochte, er war meine einzige Familie. Egal wie oft wir uneinig waren oder stritten, nichts hätte je etwas daran geändert, dass ich ihn liebte.
Seit dem Tod meiner Mutter, hatten wir so viel gemeinsam durchstehen müssen, es war eine schwere Zeit, die uns wohl, jeden auf seine Art, geprägt hatte. Meinem Vater ging es immer nur um das Wohl des Königreiches, doch genauso um mein eigenes.
Nachdem die Königin damals in einer Stadt von Räubern überfallen und ermordet wurde, hatte mein Vater mir verboten, die Mauern des Schlosses zu verlassen. Als kleines Mädchen begriff ich natürlich nicht, warum mein eigener Vater mich in diesem Palast festhielt, damals kannte ich die Umstände des Todes meiner Mutter nicht.
Mit ihrem Ableben, war auch ein Teil seiner Seele mit ihr gegangen. Seit meinem vierzehnten Lebensjahr suchte er einen geeigneten Partner, in dessen Familie ich einheiraten konnte. Dabei ging es ihm einerseits um das politisch-wirtschaftliche Verhältnis zwischen zwei Familien, doch ich denke in erster Linie wollte er nicht, dass ich ebenso einsam war, wie er.
Wieder blitzten die Erinnerungen seines zusammengekrümmten Körpers in meinem Kopf auf. Ich hatte ihn einfach dort liegen lassen müssen. Es würde weder ein angemessenes Begräbnis für ihn geben, noch eine Feier zu seinen Ehren, wie sie sonst hohen Persönlichlkeiten des Landes zuteil wurde.
Obwohl mir diese unerträglichen Gedanken zusetzten, übermannte mich irgendwann die Müdigkeit. So weinte ich mich schließlich, an Lunas Seite gelehnt, in den Schlaf.
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