Kapitel 16

Bring me the horizon - Drown (Cover by Janine)

Mein Kopf war schwer, so unglaublich schwer. Mein Kopf war leer, so unglaublich leer.
Ich wollte rennen, doch bewegte mich keinen Zentimeter.
Ich wollte schreien, doch sprach kein Wort.
Ich war gefangen in mir selbst und ich selbst war gefangen in diesem Experiment.
Den Glauben an einen Ausweg hatte ich fast verloren. Die Hoffnung auf eine Lösung fast aufgegeben. Fast. Aber nur fast.

Wir waren bisher Tage lang unterwegs. Machten nur Pause wenn es nötig war und verließen den Weg nur wenn wir Verpflegung brauchten und zerfallene Häuser geplündert hatten. Wir trafen niemanden und es gab bisher keine Vorfälle. Mein Vater hätte gesagt: Es war ruhig, zu ruhig.
Wir bewegten uns exakt nach der Karte und doch kamen wir unserem Ziel gefühlt nie näher. Wir alle waren erschöpft und ausgelaugt.
Die meisten hatten die Hoffnung schon aufgegeben, doch liefen trotzdem weiter, da sie den Schutz der Gruppe nicht verlassen wollten.
Und jetzt waren wir hier. Wenn wir der Karte glauben konnten noch ca. 2 Tage Fußmarsch von der Grenze entfernt. Das dachten wir jedoch schon öfter.
Wir saßen tief in einem Wald auf alten Baumstämmen oder unseren Jacken verteilt. Es gab 4 wachen für jede Himmelsrichtung, die alle paar Stunden abgelöst wurden. Essen und Trinken wurde verteilt und es traute sich tatsächlich jemand ein Lagerfeuer zu machen. Man könnte fast sagen die Gruppe sah friedlich aus wie sie da saß und sich leise unterhalten wurde.
Ich saß etwas abseits von der Gruppe, an einen Baum gelehnt und lauschte den leisen Gesprächen der Gruppe die zu mir rüber wehten.
Ich genoss die Ruhe vor dem Sturm wie man so schön sagt, ohne zu wissen was der Sturm sein soll oder wann er kommt. Aber ich wusste er würde kommen. Hab ich gerade gesagt das ich die Ruhe genossen habe? Ja, ich hab sie genossen. Bis sie gestört wurde. Natürlich von niemand anderen als Daemon. Er ließ sich neben mich plumpsen und nahm urplötzlich den halben Baumstamm mit seinem Rücken ein, sodass ich weiter zur Seite rücken musste. Wie nett.
Er überreichte mir eine Wasserflasche und irgendwas essbares was gerade über dem Feuer geröstet wurde. Ich nahm beides mit einem Lächeln an. Er lächelte mit diesem unwiderstehlichen Lächeln zurück und verdammt ich kenne ihn kaum und habe mich trotzdem in ihn verguckt! Wie kann man bei ihm auch anders?
Trotzdem musste ich fokussiert bleiben und durfte mir solche Art von Ablenkung nicht erlauben. Papa wäre stolz auf mich.
Da ich aber keinen starken Willen habe und Daemons Schulter nun mal echt anziehende Kräfte hat, passierte es ziemlich schnell das ich meinen Kopf auf seiner Schulter ablegte.
Er reagierte ziemlich schnell und legte seinen kompletten Arm um mich, sodass er mich im Arm hatte und ich nun an seiner Brust lag, damit ich es mir noch bequemer machen konnte. Es war warm und gemütlich und ich wollte seine Arme nie wieder verlassen, so geborgen und wohl fühlte ich mich. Er fing an mir sanft durch die Haare zu streicheln und für einen Moment, wirklich nur für einen winzig kleinen hatte ich das Gefühl das alles in Ordnung wäre. Die Probleme die wir hatten wirkten weit weg und kaum greifbar. Die Welt hätte untergehen können und es hätte uns beide nicht interessiert. Es fühlte sich an wie...
... zuhause. Wie zuhause, als Papa noch lebte, als meine Mutter noch meine Mutter war und wir eine scheinbar perfekte Familie war, wo mein größtes Problem war was ich am nächsten Tag zur Schule anziehe.

Doch dieses Gefühl konnte natürlich nicht für immer bleiben. Die eiserne Realität holte mich mit unglaublicher Wucht wieder ein. Es konnte nun mal eben nicht alles perfekt sein. Überhaupt. Was ist die Definition von perfekt? Wer sagt wann etwas perfekt ist und wann nicht? Doch das war jetzt nicht wichtig.
Mein Kopf drohte zu explodieren.
Mein Herz drohte zu zerspringen.
Zu viel stand auf dem Spiel, ich durfte den Fokus nicht verlieren.
Ich durfte mich nicht verlieren.
Daemon war da. Er hielt mich. Strich mir über den Kopf, den Rücken und sprach mir sanfte, ermutigende Worte zu. Er trocknete meine Tränen und war da. Er war einfach da, als ich ihn brauchte.
Ich durfte ihn nicht verlieren.
Ich beruhigte mich langsam wieder. Ich hatte wohl sowas wie eine kleine Panikattacke.
Ich blickte hoch zu Daemon und begegnete diesen unglaublichen blauen Augen. Sie waren wachsam und prüfend. Er erkundete mein Gesicht um zu überprüfen ob es mir wieder besser ging und blieb an meinen Lippen hängen. Der Abstand zwischen unseren Gesichtern war deutlich kleiner geworden.
„Es ist alles gut, Kylie", sagte er und strich ein letztes Mal über meinen Rücken. Es war als würde dieser Satz bei uns beiden einen Schalter umgelegt haben und wir schlossen den Abstand zwischen unseren Lippen. In dem Kuss steckte so viel. Angst, Wut, Zuneigung, Verlangen, Lust und...
... Liebe?
Ich küsste Daemon, jemanden den ich kaum kenne und dem ich unter anderen Umständen wahrscheinlich niemals begegnet wäre. Jemanden der mich eigentlich töten sollte.

Wie es war?

Als ob ich mein Leben lang die Luft angehalten hätte und das erste mal wieder atmen konnte.

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Yeeeeyyyy

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