🦊 Kapitel 9 - Der schimmernde Mond
Narah.
Stille. Nichts. Weite Wogen von tiefster Schwärze schwappten an ihr Bewusstsein, erstickten den Ruf
Narah, wach auf!
Die Sonne blendete sie, sodass sie kaum die Augen offen halten konnte.
Der Geruch von Erde und etwas anderem stieg ihr in die Nase. Eine breite Pfote schob ihre Schnauze grob bei Seite.
Empört sah sie auf und wollte sich schon beschweren, doch hielt inne als sie sah, wem sie gehörte. Elyon.
Er lag da, zusammen mit Juna und Ma, als wäre nichts geschehen.
Pa kam in den Bau mit etwas Beute. "Narah. Was machst du denn so früh schon wach?"
Ihr kamen die Tränen, so glücklich war sie ihn zu sehen. Sie wollte grade etwas erwidern, doch da fiel ihr Blick auf den Vogel, den ihr Vater mitgebracht hatte.
Ein Eichelhäher. Die blauen Federn waren hübsch, wann anders hätte sie sie sicher die Federn gesammelt, aber jetzt wurde ihr bei dem Anblick übel. Es war der gleiche Vogel, den sie am Tag des Brandes zum Frühstück gegessen hatten.
Auch jetzt fiel ihr auf, dass ihre Geschwister noch aussahen, wie an dem letzten Tag, doch sie selbst war älter, weiter voran geschritten in der Entwicklung. Sie war fast schon eine erwachsene Füchsin, zumindest was ihren Körperbau betraf.
Sie schluckte. Was war hier los?
Sie wusste, dass sie das schon Mal erlebt hatte, wusste auch von dem Brand und dass sie eigentlich wo ganz anders sein sollte, nur wusste sie nicht wo. Ihr fehlte die Ganze Zeit vom Abend dieses Tages und dem Ort, wo sie jetzt sein sollte.
"Pa... fällt dir nichts auf?", fragte sie und sah wieder zu ihrem Vater. Der legte verdutzt den Kopf schief.
"Nein, nicht dass ich wüsste. Außer, dass deine kleinen Geschwister bald vielleicht ihre ersten langen Schweifhaare bekommen.", antwortete dieser mit einem stolzen Blick auf Juna und Elyon.
Kleine Geschwister? Hier stimmte etwas ganz gehörig nicht. Ma und Pa hatten keinen Wurf vor Juna, Elyon und ihr gehabt...oder?
Vage schlich sich eine Erinnerung in ihr Bewusstsein von ihrer Ma mit dickem Bauch.
Narah!
Abrupt drehte sie den Kopf. Hatte ihre Ma sie gerufen? Nein, sie schlief noch seelenruhig.
"Narah ist alles in Ordnung? Hast du schlecht geträumt?", fragte ihr Vater. Die Stimme, mit der er sprach klang besorgt, aber es klang nicht nach ihm. Er klang nicht wie ihr Vater, auch wenn er aussah wie er, sich bewegte wie er, roch wie er. Sein Blick war ein anderer.
Furcht klammerte sich an ihre Knochen, kalt wie Eis kroch es in ihre Adern, ließ sie erschaudern.
"Nein, habe ich nicht. Ich gehe eben etwas frische Luft schnappen, in Ordnung?"
Ohne eine Antwort abzuwarten stürmte sie aus dem Bau. Die Sonne schien, es war warm und der Duft von Frühling umwehte sie. Das Feld um den Bau lag schwarz und verkohlt vor ihr, als hätte das Feuer bereits gewüstet. Hatte es das nicht sogar?
Hatte sich ihr Vater nicht immer so angehört?
Erinnerungen von einer Geburt durchzogen ihr Gedächtnis. Waren Juna und Elyon wirklich ihre kleinen Geschwister?
Was war mit Großpa passiert? Leere. Sie konnte sich nicht mehr erinnern.
Narah wusste nicht, was sie glauben sollte, es schien so unwirklich und doch wirklich.
Komm mit mir.
Da war sie wieder. Die Stimme, die sich anhörte wie die ihrer Mutter. Wie an einen Strohhalm klammerte sie sich an das Hauchen, das leise Flüstern der Stimme. Es war die ganze Zeit da gewesen, hatte im Wind auf sie gewartet, trotzdem konnte sie es nicht verstehen. Nur einzelne Sätze und Worte waren zu hören.
Sie hörte ihren Namen, kreischen, rufen. Ein leises winseln und dann wieder Stille.
Ihre Pfoten trugen sie, ohne dass sie wusste wohin, doch ihr Körper schien den Weg zu wissen. Je weiter sie von dem bau und der schwarzen Wiese wegkam, umso ruhiger wurde sie. Ihr Herz hämmerte nicht mehr so stark, wurde ruhiger.
Dann, mit einem Schlag musste sie husten.
Ihr tat alles weh und das Atmen fiel ihr schwer.
Sie lag in einer Höhle. Es war angenehm kühl. Als sie die Augen öffnete, sah sie in ein bekanntes Paar blauer Augen. Eine rosa Nase stupste sie an. Ein Junges lag an ihrer Seite, schluchzte leise.
"Du musst kämpfen, Mama. Du schaffst das, das weiß ich."
Ein warmes Gefühl überkam sie. Ihre kleine.
Dann wurden ihren Augen schwer. Ihre Sicht verschwamm, sie konnte leises Quieken hören, eine Stimme, die ihr ungewöhnlich bekannt vor kam, dann war es ruhig.
Narah. Du kannst jetzt die Augen öffnen.
Eine weiße Füchsin stand vor ihr. Sie hatte hübsche gelbe Augen. Seltsamerweise kam sie Narah unglaublich bekannt vor, doch sie wusste nicht woher.
Benommen richtete sie sich auf und blinzelte. Um sie herum war nichts, als eine gähnende weiße Leere.
Weiße Gräser bedeckten den Boden und glitzerte frostig. Vereinzelt konnte man Bäume mit weißer Rinde sehen, die Blätter ebenso hell, wie frisch gefallener Puderschnee.
"Wo sind wir?", fragte sie. Es war alles so schnell gegangen. Zu viel war in den letzten Augenblicken passiert. Sie musste erstmal ihre Gedanken sortieren.
Wir sind in deinem Kopf, oder besser gesagt in unserem. Das ist unser Jenseits. Wir sind bis in alle Zeit alleine. Jedes Leben, das wir durchleben findet am Ende hier seinen Platz. Wir können niemals ruhen. Mit dem Universum sind wir entstanden und mit ihm werden wir sterben. Uns ist nie die Chance auf ein Ende gegeben. Niemals.
Wie bitter das auch klingen mochte, wie die Füchsin es aussprach klang es nicht so, mehr wie ein Fakt, den man berücksichtigen musste, wie dass sie Sonne unterging und wieder aufging, dann man Beute jagen musste um zu überleben.
"Dann bist du Luna?", fragte Narah. Etwas anderes konnte es nicht sein. "Bin ich tot?", fragte sie dann erschüttert. So viele Fragen waren noch offen.
Die Füchsin schüttelte den Kopf.
Nein, du bist nicht tot. Aber bald wirst du es sein.
Luna stand auf, trat mit ihr an einen Tümpel. Als sie hinein blickten, war erst nichts zu sehen, nur gähnende weiße Leere, eine Spiegelung von ihnen.
Luna hatte das gleiche Mal auf der Stirn, nur konnte man es kaum erkennen in dem weißen Fell, erst wenn man ganz genau hinsah, sah man den weißen Sprenkel, der noch heller schien, als der Rest ihres Fells.
Das war sie also einmal gewesen? Luna strahlte eine ungemeine Autorität aus. Sie schien so stark, so unerschütterbar.
Dann, als sie grade fragen wollte, verschwamm das weiße und eine nebelige Landschaft bildete sich vor ihr aus. Sie konnte sich selbst sehen, wie sie in dem Bau unter den Klippen lag. Es war helligster Tag, doch sie schlief. Alles schlief, selbst die Vögel und andere Beutetiere.
Wortlos sprang Luna in das Wasser. Erst zögerte Narah, doch dann folgte sie ihr. Es war nicht kalt, mehr viel zu heiß. Ihr Pelz juckte unangenehm, dann standen sie neben ihr. Oder zumindest Narahs Hülle, denn sie war ja jetzt hier, oder?
Narah war verwirrt.
Wortlos folgte sie Luna, die ziemlich genau zu wissen schien, wo sie hin mussten.
Sie traten aus dem Bau, in die kleine Senke des Lagers. Es war bedrückend leer und so still,viel zu still. Nicht mal der Wind war zu hören und nur weites Nichts, da fiel ihr Blick auf den Boden. Er war geädert von dunklen rissen, ähnlich wie Blitze verliefen sie über den Boden. Als Narah einen der Risse berührte schien er warm und zu pulsieren, fast wie ein Herz.
Die Macht eines Ältesten.
Luna sah sie an. Ihr Blick schien traurig und auch Narah fühlte sich mit einem Mal so. Ihr tat leid, was die ihren der Natur antaten.
Dann traten sie aus dem Lager. Hier liefen die Adern zusammen zu einem großen Strang, der nicht weit unter den Baum führte, der nahe der Klippe stand.
Juno.
Luna deutete auf die Umrisse eines Fuchses, der unter einer der Wurzeln zu schlafen schien.
Er nutzt seine Gabe um unsere Sinne zu blockieren.
Er hält uns gefangen in einer Traumwelt, in dem, was wir uns am meisten wünschen. Es ist ein komplizierter Zauber, der nicht allzu lange aufrecht gehalten werden kann, aber es ist immer noch genug Zeit um uns zu finden. Sie suchen uns, Narah, deswegen musst du aufwachen.
Der Blick der Füchsin wurde flehend.
Ich weiß, dass du das kannst, du bist stark. Rette das Lager, bevor man uns findet. Unsere Tochter hat so hart gearbeitet für das alles, lass es nicht zu Grunde gehen.
Scherben, Fragmente der Welt um sie herum brachen aus der Umgebung, schwarzes Wasser sickerte um Narahs Pfoten, verschlung die Umrisse der weißen Füchsin.
Ich bin bei dir, ich war es immer.
Die Stimme im Feuer.
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1435 Wörter
Geschrieben: 9. Mai. 2020
Überarbeitung 1: 10. Mai. 2020
Überarbeitung 2: 10. Mai. 2020
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