🌿 Kapitel 12 - Morgentau

Zwei Tage waren vergangen. Wunden heilten, Gemüter wurden heller und es wurde taten kräftig vorbereitet.
Alles wuselte umher, es wurde gelacht, gesungen. Das ganze Lager schien befreit von einer Sorge, die sie alle gehabt hatten.
Alle, bis auf Narah. Sie fühlte sich seltsam verloren, nur Naiwen schien sie zu sehen. Sie war auch die einzige, neben Skaiye, die mit ihr sprach, sie beachtete. 

Doch von beiden war Naiwen war die, die sich am meisten um sie kümmerte. Sie erinnerte Narah ein wenig an ihre Mutter.

"Den Kopf ein bisschen runter, Schultern mehr spannen... Gut... Gut, noch etwas mehr... Perfekt! Jetzt greif mich an."
Narah war etwas unbeholfen. Es war komisch einen Fuchs anzugreifen. Überhaupt jemanden, der kein Beute war. 

Außerdem verunsicherten die Worte des Fuchses sie. Den ganzen Tag schon schwirrten sie in ihrem Kopf herum.
Sie war keine Kriegerin, nein. Eine Diplomatin? Auch nicht.
Wer war sie? 

Mit angelegten Ohren machte sie einen Satz auf Naiwen zu. 

Wer sollte sie überhaupt sein? Langsam ging es ihr auf die Nerven immer nur das Überbleibsel einer einst so tollen Füchsin gewesen zu sein. Sie kannte Luna ja noch nicht mal richtig.

Erfolgreich landete sie auf den Schultern der Füchsin, hielt sich kurz, wurde aber innerhalb weniger Herzschläge wieder heruntergeschleudert.
Sie konnte ein paar Füchse Keckern hören. Beschämt schnaubte sie auf. 

Sie hatte nichts schlimmes getan. War doch nicht ihre Schuld, dass sie es nicht konnte. Sie konnte nicht töten, nicht kämpfen und sie wollte es auch nicht. 

"Ich mach eine Pause.", murmelte sie zu Naiwen. Mit wenigen Sätzen war sie aus dem Lager und in die in goldgetauchte Welt außerhalb gesprungen. 

Kurz hielt sie inne. 

Ein wunderschöner Sonnenuntergang kündigte sich an. Mit großen Augen betrachtete sie das glitzern des Sumpfes unter ihr. Es schien fast schon zu schön um wahr zu sein.
Das Gras raschelte leise, als sie durch die kaum genutzten Pfade Richtung Wasser lief.
Pollen und Samen fielen hinter ihr auf den Boden, bedeckten ihn mit einer puderigen gelben Schicht. Nur ganz dünn, man konnte sie kaum sehen und trotzdem fügte er der Szene den letzten Hauch von Magie ein.

Immerhin tat sie wenigstens etwas um die Pflanzen, die sie kaputt gemacht hatte neuzupflanzen.
Belustigt kräuselte sie die Schnauze. Elyon hätte der Witz bestimmt gefallen, wäre er hier. Sie vermisste ihn und seine besserwisserische Art.

Die Erde unter Narahs Pfoten wurde matschiger, die Gräser weniger und abgewechselt von Moos. 

Ihr inneres fühlte sich schwer an. Sie sehnte sich nach ihrer alten Heimat, nach ihrem Zuhause. Wie sehr sie sich auch bemühte all die dunklen Gedanken auszusperren, stark zu sein für alle, die an sie glaubten, es gelang ihr nicht. 

Immer wieder fragte sie sich, wieso sie es hatte sein müssen. Wieso konnte sie nicht wie jeder andere Welpe erstmal erwachsen werden, bevor sie auf Abenteuer ging. Wobei - konnte man das hier überhaupt ein Abenteuer nennen? - Es war mehr wie ein riesiger Alptraum.

Sie murrte leise und betrachtete sich in dem kleinen Moorweier, den sie nun endlich erreicht hatte.

Das Wasser lag dunkel unter ihr, wie schwarze Kiesel glitzerte es im Sonnenlicht. Es war fast schon so, als würde das Wetter sie auslachen. Die warmen Strahlen, das fröhliche Vogelgezwitscher. Wäre sie jetzt Zuhause gewesen, hätte sie mit Sicherheit mit Pa und Elyon am See gespielt. Sie hätten Fische gefangen - Oder es zumindest geübt.

Narah knurrte. Genau, sie hätte gespielt, wie jemand ihren Alters es tun sollte. Sie war ein Junges, ein Kind, ein Welpe. Sie sollte keine Kriege führen, nicht Kämpfen üben. Sie wollte glücklich sein. 

Sie wollte Frieden!

Wütend schlug sie mit der Pfote in das Wasser. Mäusedreck.

Warum hasste sie das Leben so?

Sie sah sich selbst. Die müden Augen, die leicht gesprenkelte Nase, der wütende Blick. Sie legte die Ohren an. Mit einem Mal erinnerte sie sich selbst sehr an den Ältesten.

Geschunden, alt, zerbrechlich in dem Körper eines jungen Fuchses. 

War sie wirklich so?

Ihr Blick fiel auf die Gräser neben sich. 

Ein Löwenzahn bog sich schwarz und verkohlt zu Boden. Sie drehte den Blick. Mit einem Mal wurde ihr kalt. Alles war so, eine ganze Fläche um sie herum schwarz, verkohlt, tot.

War sie das gewesen? Die schwarzen Halme stachen in ihre Pfoten und es raschelte leise, als sie darüber schritt. Es war, als sei es vertrocknet und schlecht geworden.

Es flatterte, ein leichter Wind wog um sie. Narah hob den Blick, kurz erschrocken, jemand könnte das sehen und sich nur noch mehr über sie lustig machen, aber es war nur Alba.

Alba war bisher immer gut zu ihr gewesen. Beruhig legte sich ihr Nackenfell wieder etwas. Die weiße Eule setzte sanft vor ihr auf dem Boden auf. Sie würde sich nicht über sie lustig machen.

"Was machst du hier bloß, Narah Kind?", fragte sie und tappte auf der verkohlten Stelle herum.

"Solltest du nicht mit den anderen am üben sein? Du hast noch viel zu lernen."

Narah senkte den Blick, sah über die Schulter hinaus auf den Moorweier. 
"Ich bin keine Kriegerin, Alba. Wie der Älteste gesagt hat."

Die Eule drehte den Kopf zu Narah. Es ließ sie erschaudern. Wie weit konnte sie ihn eigentlich noch drehen?

"Du bist eine Kriegerin, Narah. Du wirst dir das doch nicht von einem Alten anders erzählen lassen, oder?", meinte sie. Ihre Krallen klapperten leise, als sie auf einen Stein trat. Der war Narah vorher noch gar nicht aufgefallen.

"Wir sind alle Krieger, jeder von uns."

"Wieso bin ich dann so schlecht darin?", sagte Narah trotzig und fuhr mit den krallen in die Erde.

"Vielleicht kämpfen sie nur nicht auf die Weise, wie du geschaffen bist zu kämpfen."

Alba öffnete die Flügel, ließ eine laue Brise über Narah wehen. "Du hast große Macht, Narah, siehst du das nicht?"

Narah  folgte dem Blick der Eule über den Fleck der sie umgab.

"Wohl eher einen großen Fluch...", murmelte sie. 

Es waren nur Pflanzen, aber was passierte, würde sie so einen ausraster in der Nähe von anderen Füchsen haben? In der Nähe von Alba?

Sie wollte gar nicht wissen, was dann wäre.

"Was auch immer es ist, es ist da, es ist bei dir und du kannst es nicht ändern."

Alba hob den Kopf, striff mit den Flügelspitzen ihre Seite. "Es ist das, was du daraus machst." 

Narah blickte die Eule einfach nur eine Weile an. 

Sie hatte Recht. Alba hatte Recht. Diese ganze Situation war das, was sie daraus machte. 

Sie setzte sich, legte den Schweif um die Pfoten und sah zu Boden, betrachtete die nasse Erde unter sich.

Es war an ihr.

"Alba... Die Ältesten... Sie beeinflussen ja nicht nur uns Füchse mit ihren Fähigkeiten, richtig? Sie beeinflussen alles."

Alba nickte. Kurz konnte man sehen, wie sie überlegte, worauf Narah wohl hinaus wollte, doch dann klickte es. 

"Eine gute Idee."

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(Hier könnt ihr den Standort der Geschichte soweit sehen. Haltet einfach nach dem kleinen türkisen Fuchs ausschau. :) )

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