···V···

Der Kuss hörte einfach nicht auf. Und ich wollte auch sehnlichst, dass er kein Ende fand. Es war anders als mit Julian, anders als jedes Kribbeln vorher. Es war stärker und erschütternder. Mein ganzer Körper gab sich ihm hin. Jede seiner Berührungen fühlten sich an wie ein elektrisches Kitzeln und gleichzeitig so sanft.

Es war 100%ig der Alkohol. Ich schob es auf den Alkohol, denn der musste es gewesen sein. Ich hätte doch sonst nicht soetwas 'Schreckliches' getan. Die Maja, die jeder kannte, würde nie ihren Freund betrügen. Doch ich tat es. Genau in diesem Moment. Und das mit vollem Vergnügen, denn nie hatte etwas so gestimmt in mir und mit jemandem wie in diesem Moment mit Felix.
Er löste sich kurz von meinen Lippen und zog mich trotzdem weiterhin fest an sich.
,,Zu mir oder zu dir?", hauchte er die wichtigste Frage, die ich auch inständig erwartet hatte an diesem Abend... ursprünglich von Julian.

Wir rannten zum nächsten Taxi und stiegen ein. Ich murmelte dem Fahrer eine Adresse zu, die ich fest im Kopf hatte. Leonis Haus. Ich weiß nicht genau warum, aber ich vermute, da wir ja alle dort eigentlich übernachten wollten.

Ich dachte auch nicht lange nach sondern knutschte weiter mit Felix rum. Es war so schön und so innig. Ich wollte nichts anderes als ihn. Ich hatte das Gefühl es wäre Schicksal gewesen, dass wir genau heute zueinander gefunden hatten. Seine Augen... Es waren seine Augen, die es mir verraten hatten.

Das Taxi hielt an. Er warf dem Fahrer das Geld auf den Schoß und wir rannten zur Tür, die seltsamerweise aber zu unserem Glück nicht geschlossen war. Julian hatte wohl vergessen sie wieder abzuschließen, als er Leoni hochgetragen hatte.

Mir wurde klar wie krank es war, dass wir hier Sex haben wollten aber wir waren so kurz davor uns zu verschlingen und ich wusste, wir würden es nicht länger aushalten.
Stop! Es ist sooo falsch!
Ich blendete alles um mich herum aus. Meine gesamte Aufmerksamkeit galt ausgiebig Felix. Er war so heiß und so ein guter leidenschaftlicher Küsser. Meine innere Stimme verstummte aber nicht und ich löste mich ruckartig von ihm. Mir war auf der Stelle unglaublich schwindelig. Durch den Alkohol und der Tatsache dass ich unglaublich geil auf ihn war.

Hatten wir vorher schon eine gewisse Verbundenheit? Diese Frage schoss mir so schnell durch den Kopf, wie sie auch verschwand. Ich musste mich jetzt sammeln und klar denken. Ich musste das Richtige tun. Egal wie genial das gerade mit ihm war und wie perfekt es sich anfühlte. Ich war mit Julian zusammen.
,,Wir sollten aufhören. Ich kann das nicht. Ich muss darüber nachdenken und mit Julian sprechen... Es tut mir-''

Plötzlich hörten wir von oben ein lautes weibliches Stöhnen. Was zur Hölle?

Felix warf mir direkt einen verstörten Blick zu, den ich erwiderte und wir entschlossen uns, leise die Treppe hinauf zu gehen.
Es wurde immer lauter und unangenehmer aber wir gingen trotzdem auf die Tür zu. Jetzt hörte man auch eine männliche Stimme. Ich ahnte irgendwie schon was mich erwartete aber ich konnte es dennoch nicht fassen als ich es mit eigenen Augen sah. WAS ZUR HÖLLE?!

Julian hatte gerade Sex mit Leoni. Mein Freund und meine beste Freundin. Beide hintergingen mich!

Ich ignorierte nebenbei meinen eigenen Kuss-Verrat.
Mir erschien mein Betrug nur viel weniger schlimm. Doch es war alles schlimm gelaufen an diesem Abend.

Wie gesagt. Es gab zwei Möglichkeiten und der Abend war in die pure Katastrophe ausgeartet.

Ich schlug die Tür zu und sah wie Felix sich kaum noch halten konnte vor lachen. Das Stöhnen und Beben des Bettes gegen die Wand hatte sofort​ ein Ende gefunden.
,,Das hätten wir sein können... und die waren leider schneller.", prustete er los. Ich hoffte, immer wütender werdend, dass Felix nur aus Verzweiflung lachte.

,,Oh Gott! Das ist nicht lustig. Ganz und gar nicht! Ich wollte mich eben noch entschuldigen, um das Richtige zu tun. Oh Goooott... ich... es-", doch bevor ich meinen Satz der Verzweiflung und Verwirrung noch zuende sprechen konnte stürmte Julian, nur mit einer Boxershorts bekleidet, aus dem Zimmer. Leoni folgte ihm mit einer Decke umhüllt.

,,Oh Shit! Maja! Fuck! Es - es ist alles... - es tut mir Leid! Ich wollte das nicht! Es kam irgendwie dazu. Sorry! Das... das war der viele Alkohol. Wir hätten nicht trinken dürfen."
Wir standen dort im Flur. Für viele Sekunden sprachlos und einfach nur verwirrt. Es war zu schockierend, um es wirklich zu begreifen.
Als 18-jährige hatte ich nie daran gedacht soetwas erleben zu müssen. Es überforderte mich vollkommen. Die plötzlichen Gefühle für Felix, die Enttäuschung und die Wut auf die Personen, die ich glaubte am besten zu kennen und denen ich mein Leben anvertraut hätte.

Ich schloss die Augen und warf die Hände über dem Kopf zusammen.
,,Ja! Fuck! Gut gesagt Julian! Fick dich... und diese Besoffene doch einfach weiter. Ich- ich kann es einfach nicht glauben! Ich HASSE euch, verdammt!"
Ich hatte wohl nicht wirklich nachgedacht aber die Wut in mir war zusammen mit der Geilheit von vorher zum Brodeln gekommen.
Felix hatte mich wirklich sehr verwirrt und zur Erregung umgelenkt. Ich hatte keine Ahnung, wie er diesen Einfluss auf mich gehabt hatte.
Das alles machte mich bei längerem Nachdenken nur noch wütender. Ich hatte Kopfschmerzen und entschied mich wegzurennen. Weg von denen. Weg von der Katastrophe.

Julian und Leoni riefen mir noch hinterher. Aber ich hatte das Gefühl, dass Julian mehr Schuldgefühle hatte als sie. Ich kannte sie einfach zu gut.

Ich ignorierte sie beide. Felix folgte mir und begleitete mich einfach so nach Hause. Einfach so. Ich verstand es auch nicht ganz. Lust auf ihn hatte ich jetzt überhaupt nicht mehr, denn meine Schuldgefühle kamen plötzlich hoch. Und mit der Wut zusammen kamen die Tränen.

Wir sprachen kein Wort und er traute sich auch nicht mich zu berühren oder zu lachen oder überhaupt irgendwas zu machen oder zu sagen. Er war still. Genau das brauchte ich in dem Moment. Einen stillen Aufpasser und Begleiter.
Da keine Bahnen oder Busse mehr fuhren liefen wir. Der Weg kam mir in dem Augenblick unendlich weit vor. Alles war verzerrt, unrealistisch und nicht begreiflich. Ich verstand die Welt nicht mehr.

Vor meiner Haustür blieben wir stehen. Er nickte nur und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und wischte mit der Hand einige meiner Tränen weg.
,,Gute Nacht. Es ist alles sehr verwirrend und verrückt aber ich fand dich schon bei unserer ersten Umarmung attraktiv und anziehend. Maja... könnten wir morgen nochmal sprechen?"
Alles was ich wollte war Stille, Schlaf und Ruhe zum Nachdenken und Begreifen. Ich musste erst alles verarbeiten und vor allem nüchtern werden.
,,Vielleicht... gute Nacht.", erwiderte ich also nur. Als ich die Tür hinter mir schloss konnte ich die großen Tränenschwälle nicht mehr zurückhalten. Es tat so unglaublich weh.
Leoni hatte Glück. Am liebsten würde ich alles auskotzen wie sie. Ich wünschte mir nichts mehr, als dass ich das alles hätte verhindern können.
Ich wollte weder sie noch Julian je wieder sehen.

Was ein Abend nur alles zerstören kann. Ich hätte es auch nie wissen können, wäre er nicht so abgelaufen. Die Situation überstieg alle meine Erwartungen von diesem Abend, im negativen Sinne ... aber vielleicht war es auch ok so gewesen. Manchmal sah man die wahre Seite der Menschen, wenn man sie auf die Probe stellte. Die beiden waren auf jeden Fall durchgefallen.

***
P.o.v. von Julian :

Ich legte sie ins Taxi auf die Rücksitze und sagte dem Fahrer er soll langsam fahren, da ich sie nicht anschnallen konnte.
Als ich die Tür schloss und mich auf den Beifahrersitz setzen wollte funkte sie mir dazwischen und sagte nur leicht verständlich : ,,Nein Julian... bitte komm zu mir ...hier nach hinten."

Ich warf ihr einen mahnenden Blick zu, da ich noch etwas genervt war. Ich hatte vor gehabt mein erstes Mal mit Maja zu haben heute. Und dann hatte Leoni alles zerstört. Erst mit ihrem Vorschlag feiern zu gehen und dann als sie uns genau im besten Moment unterbrochen hatte. Ich würde mich sicherlich nicht zu ihr nach hinten setzen... für so ein Theater war ich einfach zu genervt und auch selbst zu betrunken.

Sie bettelte weiter und fing wieder an zu weinen.
,,Ich will jetzt nicht alleine... sein... bittteeeee... Julian."
,,Ok... wenn du dadurch aufhörst zu weinen..." Man hörte mir sicherlich an, dass ich etwas gereizt war.
Ich blickte kurz zum Taxifahrer und entschuldigte mich leise für ihr Benehmen. Dieser lachte nur.
Dann stieg ich aus und zu ihr nach hinten wieder ein.

Wir fuhren nur ein paar Minuten und Leoni rückte immer weiter zu mir. Schließlich lag ihr Kopf auf meiner Schulter und ihre Hand in meinem Schritt.
,,Julian?", flüsterte sie.
Ich konzentrierte mich darauf, dass wir gleich da waren, da ich merkte wie ihre Hand und ihre Berührungen etwas bei mir auslösten. Ich wollte es nicht aber es hatte sich viel Lust in mir angestaut. Maja war es wert gewesen. Deshalb musste ich Leoni einfach ignorieren. Wir waren bald da.
,,Julian ich mag dich... sehr...", flüsterte sie weiter und fing an ihre Hand zu bewegen.
,,Leoni... es reicht jetzt! Hör auf damit. Du bist zu betrunken und wirst das alles morgen noch bereuen." Doch sie hörte nicht auf und machte mich nur mehr an.

So führte eins zum anderen und dann fanden wir uns in der äußerst peinlichen "In-Flagranti-erwischt"- Situation auf.
Ich schämte mich sehr für das was passiert war. Ich hätte mich besser beherrschen sollen. Es tat mir so Leid und auch weh, da ich sah wie verletzt Maja war. Soetwas hätte nicht passieren dürfen.

Aber dennoch hatte ich eine Frage im Kopf. Wieso hatte Felix ihren Lippenstift im Gesicht und warum hatten beide zerzauste Haare? Ich hatte schon so eine Ahnung. Ich musste nochmal mit ihr sprechen, wenn sie es nur zulassen würde.

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