Kapitel 9

"Fuck, Ida!", fluchte Lena verzweifelt.

"Wir...wo bist du?", fragte ich und tastete in der Dunkelheit nach meiner Freundin.

"Wo bist du?", stellte sie die Gegenfrage und stieß schließlich gegen meinen Arm.

Ich quiekte auf, beruhigte mich dann aber schnell und umklammerte Lenas Schulter.

"Was machen wir denn jetzt? Es ist stockduster, ich seh überhaupt nichts!"
Ich hörte das Zittern in Lenas Stimme, was mich auch zittern ließ.

"Ich weiß es auch nicht. Gibt es hier keine Notbeleuchtung oder so?", fragte ich Lena.

"Ida! Ende 18. Jahrhundert? Da gab es noch keine Elektrizität!"

"Ja sorry! Aber wenn das Ding hier Erdgänge nachgeschaufelt hat, kann es doch sein, dass es auch Lampen angebracht hat."

"Es sieht doch sowie so nichts!"

"Du machst echt alle meine Hoffnungen zunichte."

"Wie meintest du das jetzt mit es muss uns hören können?", fragte Lena nach einer Weile des Schweigens.

"Ich hab vorhin mit ihm telefoniert. Oder mit etwas, mit dem ich dachte, telefoniert zu haben."

"Oh...was hat der Unbekannte gesagt?"

"Dass du und Ria bei ihm wären. Du hast sie aber nicht gesehen, oder?"

"Nein, das Ding hat mich von hinten überwältigt und mich hier rein geschleift."

"Hm...gab es damals sowas wie Fackeln?"

"Ida, du passt auch echt gar nicht auf, oder? Natürlich, die hatten sogar schon die Steinzeitmenschen!"

"Sorry, ist ja gut. Dann suchen wir jetzt welche. Vielleicht sind ja welche an den Wänden...ich hab eine Idee", rief ich plötzlich laut.

"Was denn!"

"Mein Handy ist aus, weil der Akku sich durch die Kälte schneller entladen hat. Ria hat aber ihren mobilen Akku in meinem Rucksack. Wir wärmen jetzt beides auf, schalten mein Handy dann kurz an und suchen und Fackeln und Streichhölzer."

"An sich eine mega Idee, aber wo willst du Streichhölzer herkriegen? Selbst wenn du sie findest, sie wären viel zu nass zum Anmachen."

"Wenn die hier Vorräte haben, haben die auch irgendwo Streichhölzer in einer Dose verschlossen. Komm schon!"

Lena nahm den mobilen Akku und ich meinen Akku aus dem Handy in die Hände und wir umschlossen sie.

Eine Zeit lang standen wir so da und versuchten die Geräte warm zu kriegen, während wir selbst so gut wie erfroren.

"Reicht das jetzt? Meine Hände sein eisig", fragte Lena nach geschätzten zehn Minuten.

"Müsste. Komm, wir schließen das Handy an", forderte ich sie auf und hielt ihr den Anschluss hin.

Lena steckte das Kabel in das Smartphone und wenig später leuchtete das Ladesymbol auf dem Display auf.

"Es funktioniert!", rief Lena begeistert.

"Super, mit dem Licht suchen wir uns schon mal einen Tunnel aus. Ich will jetzt wissen, was es mit diesem Ding auf sich hat. Anscheinend gibt es zwei..."

Wir entschieden uns systematisch vorzugehen und nahmen gleich den Tunnel neben uns. Er war aus Stein und hallte unsere Rufe wider.

"Wie lang ist der denn noch?", fragte Lena unsicher, als wir schon gut zwei Minuten nur gerade aus gingen.

"Keine Ahnung, aber hörst du? Das Hallen verändert sich."

Ich behielt recht und gute einhundert Meter weiter endete der Tunnel in einer großen Höhle.

"Ist das...ein Schlafsaal?", stellte Lena die Frage in die Steinhöhle und meine Augen wanderten über die Gestelle, die wohl Betten darstellen sollten.

"Es sieht so aus...komm, suchen wir was Brauchbares", schlug ich vor und Lena stimmte mir zu.

Gemeinsam durchforsteten wir die improvisierten Regale und mottenzerfressenen Decken. Aber wir fanden nichts.

"Ida", rief Lena mich plötzlich.

"Hast du was?", antwortete ich hoffnungsvoll.

"Hier stimmt was absolut nicht. Die Decken sind vielleicht uralt, aber gerade mal ein bisschen feucht, im Verhältnis noch knochentrocken. Wenn sie seit 200 Jahren hier unten rum faulen, müssten sie klitschnass sein."

Lena hatte Recht, hier stimmte was absolut nicht.

"Dann lass uns weiter suchen, sonst entladen sich die Akkus wieder."

Wir schlüpften also zwischen den seltsamen Betten zurück in den Gang und joggten durch ihn, um uns ein wenig warm zu bekommen. An dem großen Platz angelangt überprüften wir erst die Lage und als wir die Luft als rein absegneten, gingen wir an den anderen Tunneln entlang.

"Erde, Erde...auch Erde. Der hier", Lena strich ein wenig an der Wand herum, "auch Erde."

"Naja, mehr zum Ausschließen", versuchte ich uns zu ermutigen.

"Genau, und auch vier weniger, in denen Licht oder Ria sein könnten", antwortete Lena gereizt.

Stumm lief ich ihr nach, bis sie stoppte.

"Der hier ist Stein", sagte Lena nach zwei weiteren Erdtunneln.

Wir bogen nach rechts ab und liefen den Gang entlang. Dieser war kürzer als der erste und schon bald machte er eine Biegung nach rechts.

Danach verlief der Tunnel keine fünfzig Meter mehr und wir befanden uns erneut in einer Höhle, die allerdings wesentlich kleiner als die letze war.

An den Wänden standen Regale aus Holz, die so unstabil aussahen, dass sie wohl bei dem nächsten Windzug in sich zusammenfallen würden.

"Such nach Streichhölzern", befahl ich Lena und wir durchstöberten die Regale.

Ich fand nichts nützliches, nur komische Stofffetzen und etwas, was mich an Besteck erinnerte.

"Ich hab welche!", rief Lena plötzlich.

Wie aufs Stichwort entdeckte ich drei Fackeln unter dem Boden des Regals.

"Wir haben so ein Glück", sagte ich und zog die Fackeln hervor.

"Glück? Wir stecken so tief in der Scheiße, da ist das ja wohl das mindeste."

Lena zündete die erste Fackel an und ich steckte mein Handy in die Innentasche meiner Jacke, damit der Akku warm gehalten wurde.

"Nicht mal das Ding ist nass", stellte Lena fest.

Ich nickte. Das kam mir alles total spanisch vor. Es stimmte was absolut nicht und ich wusste nicht, ob mich das beängstigen oder erleichtern sollte.

"Komm, wir suchen weiter nach einem Ausgang", schlug ich vor und wir joggten auch diesen Gang zurück.

"Wir haben jetzt eine Fackel", fing Lena ihren Vorschlag an, als wir uns wieder in der Mitte befanden. "Lass uns erst alle Tunnel durchchecken, damit wir einen besseren Überblick haben."

Eigentlich war das total unnötig, aber mein Bauchgefühl stimmte Lena zu.

Eine Fackel war hell genug, um die Mitte zu erleuchten und wir fingen an. Lena machte dort weiter, wo wir aufgehört hatten und ich kam ihr entgegen.

"Stein", ließ Lena mich nach einiger Zeit wissen.

Ich hatte bis jetzt vier Erdtunnel gefunden. Lena markierte den Steintunnel mit einem großen X, das sie in die Erde daneben kratzte.

Wir suchten weiter und zwei Tunnel später hatte ich einen Steintunnel gefunden. Ich markierte ihn auf die gleiche Weise.

Dieser Tunnel war der letzte.

"Nur vier Stück?", stellte Lena fest.

"Sieht so aus. Also müssen wir wohl - "

"Frieda", unterbrach Lena mich plötzlich und schaute mich an. "Riechst du das?"

Mir gefror das Blut in den Adern. Ich zog ängstlich die Luft ein und der moderige und altbekannte Geruch belebte den Würgreiz wieder.

"Scheiße", hauchte ich und Lena und ich drehen uns langsam um.

Aus einem Erdtunnel zwischen den beiden schon gesicherten Steintunneln kam ein kalter Windhauch, der den Geruch mit sich trug.

"Fuck", flüsterte ich. "Und da ist das Glück wieder weg."

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