Kapitel 4

"Also, wir haben zwar den Yeti gesucht, aber dieser Fund unterstützt nun die These, dass der Klimawandel und die Erderwärmung die naturalen Gegebenheiten so stark beeinflussen, dass sogar Nessi sich ein neues Zuhause sucht."

Lena schüttelte den Kopf und lief weiter.

"Kommt Leute, sonst müssen wir im Wald campen und kommen morgen früh erst an", rief sie über ihre Schulter.

"Das wäre aber cool. Im Wald zu campen, meine ich", fügte ich hinzu, als ich Rias verwirrten Blick sah.

"Lass das irgendwann noch mal machen", sagte Lena begeistert und wir schlossen zu ihr auf.

"Aber nicht im Winter. Da ist es kalt und nass", mahnte Ria uns.

"Nein, natürlich im Winter! Mensch Ria."
Ich boxte ihr freundschaftlich gegen die Schulter.
"Selbstverständlich im Sommer. Ich halte es bei der Kälte so gerade mal aus. Da muss ich mich nicht nach draußen legen und erfrieren."

"Eine Hütte!", rief Lena plötzlich aufgeregt.

"Wo?", fragten Ria und ich gleichzeitig.

"Dahinten!"

Lena zeigte zwischen die Bäume und hüpfte aufgeregt los.

Ich verdrehte die Augen und joggte ihr hinterher.

"Lass uns dahin gehen!", schlug Lena vor, als auch Ria zu uns kam.

"Nein, nicht mit mir", wehrte Ria sofort ab.

"Wieso nicht?", fing Lena sofort an zu jammern.

"Erstens hab ich kein Bock, dahin zu laufen, zweitens sieht das einsturzgefährdet aus und drittens irgendwie auch gruselig. Ich wette, das ist eh verboten."

"Ich will doch nicht rein. Nur gucken. Ida? Bitte!", bettelte sie.

Ich stieß die Luft aus und zuckte mit den Schultern.

"Wartest du hier?", fragte ich Ria, welche seufzend nickte.

"Ja!", quiekte Lena und riss mich am Arm hinter sich her, über das schneeverwehte Feld bis zum Waldrand, an dem die alte Hütte stand.

"Mach deine Kamera an", befahl Lena und ich tat wie mir gesagt.

"Also", fing Lena an in die Kamera zu sprechen, "das hinter mir ist die Küche des Yetis."

Ich fing an zu lachen und verruckelte dabei das Bild.

"Frieda! Halt still!"

"Ist ja gut", grinste ich und musste ein weiteres Lachen unterdrücken.

"Dort ist wahrscheinlich auch Rias Großonkel Karl gestorben. Wir werden da jetzt hingehen und schauen, ob wir genauere Indizien finden. Ria ist nicht mitgekommen, sie wartet auf der sicheren Seite. Der Schmerz des Verlustes sitzt einfach noch zu tief."

Breit grinsend schüttelte ich den Kopf und konnte nur über Lena schmunzeln.

Wir gingen weiter, bis ich Lena am Arm festhielt.

"Ist das ein Hund?", fragte ich sie und zeigte auf das Gitter, was wohl die Tür darstellen sollte.

"Wo?"

"In der Tür."

"Scheiße, das sieht echt so aus", stimmte sie mir zu.
"Aber als ob die da einen Hund sitzen haben. Außerdem bewegt er sich nicht."

Fröhlich lief Lena weiter.

Vor der Gittertür angekommen schauten wir neugierig zwischen den verrosteten Eisenstäben in das Innere der Hütte.

"Siehst du? Kein Hund."

"Es sah aber so aus, dass musst du zugeben."

"Jaja. Das sind aber alles Landwirtschaftsgeräte, oder?"

"Keine Yetiküche, ein harter Rückschlag."

Lena schlug lachend nach meinem Arm.

Ich drehte den Bildschirm der Kamera um und filmte mich selbst.

"Leider hat Praktikantin Lena keine Yetiküche, sondern lediglich eine Hütte für landwirtschaftliche Geräte gefunden. Ein harter Rückschlag, aber es war schon vorher bekannt, dass sie nicht viel mehr als Pflanzen gießen, Kaffee holen und Müll rausbringen drauf hat."

"Ida!", rief Lena empört und warf mich mit Schnee ab.

"Ist die Wahrheit - oh mein Gott, scheiße ist das kalt!", kreischte ich laut, als mir der Schnee den Nacken runter lief.

Lena erlitt im Gegensatz zu mir einen riesigen Lachflash und kugelte sich im Schnee.

"Ich hasse hasse hasse dich", fluchte ich, als wir den Weg zurück antraten.

"Ich weiß, und deswegen liebst du mich."

"Nein, ich hasse dich."

Wir waren noch ungefähr zwanzig Meter von Ria entfernt, welche uns jetzt schon skeptisch ansah.

"Was ist mit dir passiert?", rief sie mir entgegen.

"Lena hat mir Schnee in den Nacken geworfen!", jammerte ich und Lena fing natürlich gleich wieder an zu lachen.

Auch Ria ließ ein Grinsen in ihrem Gesicht erscheinen.

"Was hat das Universum eigentlich, dass ich mit euch beiden bestraft wurde?"

"So schlimm sind wir jetzt auch nicht", beschwerte sich Ria sofort.

"Genau, schau dich mal an", unterstütze Lena sie.

"Mich? Du hast mir Schnee in den Nacken geworfen!"

"Nein, ich habe Schnee auf den Boden geworfen. Wenn du im Weg stehst, kann ich auch nichts dafür."

"Du bist ein mieser Arschkeks."

"Arschkeks?", wiederholten Ria und Lena gleichzeitig, während Letztere mal wieder anfing zu lachen.

"Ja, Arschkeks. Schau sie dir an, wie sie mich auslacht!"

"Ganz unlustig ist es ja nicht", sagte Ria und schubste mich mit ihrer Schulter.

Nachdem Lena sich wieder eingekriegt hatte, zumindest so viel, dass sie wieder laufen konnte, gingen wir weiter in Richtung Rodelberg.

"Leute, ich muss aufs Klo", sagte Lena leise, als wir zwischen den Bäumen auf der breiten Waldstraße entlang liefen.

"Wie oft musst du in deinem Leben eigentlich aufs Klo? Warum warst du nicht nochmal bei Frieda?", schimpfte Ria.

"War ich doch, aber ihr kennt mich doch. Ich muss wirklich dringend."

"Das ist ziemliches Pech, weil hier gibt es weit und breit kein Klo, außer den Service des Busches", sagte ich.

"Ich geh doch nicht hinter einen Busch! Erstens ist es mega kalt und zweitens...einfach nein!"

Lena verschränkte entsetzt die Arme vor der Brust.

"Dann musst du es wohl aushalten."

Ria zuckte mir den Schultern und sah Lena grinsend an.

"Ihr seid so scheiße", sagte sie und stiefelte beleidigt hinter den nächsten Baum.

"Ach Lenchen, wir können auch nichts dafür, dass deine Blase nicht mal eine Kapazität von 'nem Kurzen hat!", rief ich ihr hinterher.

"Das ist doch auch nicht mehr normal, oder?", fragte Ria mich.

"Definitiv nicht", stimmte ich ihr zu.

Wir setzen uns auf den Schlitten und ich malte mit meinem Stiefel einen Smiley in den Schnee.

Als Lena nach drei Minuten immer noch nicht zurück war, stand ich auf und rief in ihre Richtung:
"Lena? Alles gut oder muss ich dir helfen, kriegst du deine Hose nicht hoch?"

Ria lachte, doch von Lena war nichts zu hören.

"Ist sie in ein Loch gefallen oder was."

Ria und ich stellten den Schlitten an den Rand und kletterten über die eingeschneiten Baumstümpfe.

"Lena!", rief Ria laut.

Immer noch keine Antwort.

"LENA!", brüllte ich und ein paar Krähen flogen erschrocken von den unteren Ästen.

"Denkst du, sie will uns verarschen?", fragte Ria.

"Bestimmt. Okay, Lena! Es reicht, wir sind reingefallen!"

"Sie antwortet nicht", stellte Ria fest.

"DOCH TUT SIE!", schrie Lena laut und sprang hinter einem Baum hervor.

Ria und ich schrien laut auf und ich hielt mir das Herz.

"Lena spinnst du!", schnauzte ich sie an und setzte mich taumelnd in den Schnee.

"Scheiße ey, ich hasse dich jetzt auch", keuchte Ria und ließ sich neben mich sinken.

"Oh Mann, ihr hättet eure Gesichter sehen müssen!", lachte Lena laut.

"Wir haben es verstanden, okay?"

Nichts okay, Lena lachte so lange weiter, bis sie über eine Wurzel stolperte und sich auf den Boden rollte.

"Mein Schal geht flöten!", quiekte sie und versuchte, an das Ende ihres karierten besten Freund heran zu kommen.
"Und ich hab Bauchschmerzen vom Lachen..."

"Verdient", raunzte Ria.

"Und das auch!", setzte ich hinzu und warf Lena mit Schnee ab.

"Ida!", schrie sie spitz.

Ich nahm einen weiteren Schneeball und verfolgte sie damit. Lena nahm ihre Beine in die Hand und stolperte davon, bis sie zwischen den Bäumen verschwand.

Ria und ich schlugen lachend ein.

"Jetzt ist sie wieder weg."
Ria verdrehte die Augen.

"Nochmal lass ich mich nicht erschrecken", sagte ich bestimmend.
"Du gehst zurück zur Straße und ich laufe ihr hinterher."

Dankend, dass sie nicht noch einen möglichen Schock erleiden musste, nickte Ria und bahnte sich den Weg durch den Schnee. Ich lief Lenas Spur entschieden hinterher.

Diesmal versteckte Lena sich aber nicht, sie stand zehn Meter weiter neben dem großen Baum mit dem Moos an dem Stamm.

"Lena?", fragte ich ruhig.

Meine Vorsicht brachte trotzdem nichts und meine verträumte Freundin zuckte erschrocken zusammen.

"Lena, was tust du da?"

Lena hob stumm ihren Arm und blickte mich verschwörerisch an.

Mein Blick folgte ihrer Hand und traf direkt auf das, was Lenas Herz wohl höher schlagen ließ. Bei Ria würde es wohl er der Puls sein.

"Das nenne ich eine geheimnisvolle Hütte", sagte Lena stolz und grinste mich an.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top