Kapitel 2

Bin jetzt da, schrieb mir Ria eine halbe Stunde später.

Ich ging nach unten und öffnete die Haustür. Maria kam gerade die Einfahrt hochgelaufen.

"Hey!", rief sie mir von weitem Entgegen.
"Woher wusstest du, dass ich jetzt komme?"

Ich zog die Stirn kraus.
"Du hast es mir geschrieben?"

Jetzt schaute Ria skeptisch.
"Nein, hab ich nicht."

Wollte sie mich jetzt verarschen?

"Gib's doch einfach zu, du konntest es nicht erwarten mich zu sehen und hast dich deshalb ans Fenster gestellt", lachte Ria und umarmte mich.

"Nagut, erwischt", log ich.

Ich ging davon aus, dass es ein Scherz von Ria war, da sie auch später nichts mehr dazu sagte. Wir gingen hoch in mein Zimmer.

"Die Folge Supernatural geht noch zehn Minuten. Können - "

"Jaja, jetzt mach schon an, ich muss ja nicht hingucken."

"Danke", sagte ich grinsend und drückte auf Play.

Während ich mich umzog und die Folge zu Ende schaute, spielte Ria mit ihrem Handy. Denn sie war anders gestrickt als Lena und ich. Ria hasste Horrorfilme. Sie hasste alles, was düster und gruselig war. Selbst wenn wir einen Film schauten, indem irgendwelche Monster mit Gruselgrad minus sechs auftauchten, war Ria die Erste unter dem Tisch mit der Decke über dem Kopf.

"Wann kommt Lena?", fragte ich meine Freundin, als die Folge zu Ende und ich fertig angezogen war.

"Müsste jeden Moment da sein."

Wie aufs Stichwort klingelte es an der Tür.

"Wenn man vom Teufel spricht", sagten wir beide gleichzeitig und lachten.

Ich machte Lena auf und wir gingen gleich nach hinten, um in den Garten zu kommen.

"Hast du die Folge Supernatural schon fertig?", fragte Lena, während ich die Schlitten suchte.

"Jap. Mann, wo sind denn diese scheiß Plastikdinger..."

"Warum? Ich wollte doch auch...", sagte sie beleidigt.
"Und ich sag meiner Mama noch, sie soll sich beeilen, damit wir loskommen."

Lena war wohl die Horrorfanatikerin unter uns. Sie liebte solche Serien genau wie ich, nur dass sie noch eine Nummer höher ging. Vor ihr war kaum ein Horrorfilm sicher.

"Ich hab sie!", rief ich triumphierend und zog die beiden Plastikschlitten aus den Tiefen des Schrankes.

"Aus diesem Gerümpel könnte man auch einen Horrorfilm machen", bemerke Lena.

"Der Schrank, der Alles frisst", fügte ich lachend hinzu.

Draußen machten wir ein Wettrennen bis zum Hügel, was für mich blöd endete, weil ich stolperte und mit dem Gesicht in den Schnee fiel.

Lena konnte nicht mehr vor Lachen, was sie den ersten Platz kostete. Außerdem ließ ich sie natürlich nicht so davon kommen und steckte ihr bei der nächsten Gelegenheit eine ordentliche Ladung Schnee in den Nacken.

Sie schrie auf und jagte mich einmal über die Wiese, bis ich die Schneeladung zurück bekam und eine Schneeballschlacht entstand.

Nachdem wir alle mehr oder weniger nass waren, vereinbarten wir einen Waffenstillstand und widmeten und wieder dem rodeln, oder eher snowboarden.

Ich zeigte den anderen beiden, wie sie sich auf die Schlitten stellen mussten und fuhr den Hügel runter.

Wir wechselten uns ab und die beiden wurden immer besser. Jeder legte sich mindestens einmal auf die Nase, aber auch das konnte den Spaßfaktor nicht bremsen.

Zum Schluss bauten wir noch einen Schneemann. Nachdem uns der Kopf drei Mal kaputt gegangen war, stand der Körper und wir machten uns auf die Suche nach Stöckern und Ästen für die Arme und Augen.

"Ich geh da drüben und ihr da hinten suchen, okay?", schlug ich vor und wir trennten uns.

Ich suchte ein wenig unter dem Schnee und fand schließlich einen Stein, der von der Größe passen könnte. Ich wollte zu einem Baum gehen und schauen, ob dort Äste lagen, als der Klingelton meines Handys aus der Tasche dröhnte.

Verwirrt holte ich es raus und schaute auf den Bildschirm. Es war eine SMS von Lena.

Wir haben alles.

Sie hätten mir doch auch einfach so Bescheid sagen können, selbst ein Rufen hätte ich gehört.

Schulterzuckend machte ich mich auf den Weg zurück zum Hügel und sah Lena und Ria, wie sie mir entgegen kamen.

"Hast du was gefunden?", fragte Ria hoffnungsvoll.

"Ja, einen Stein. Aber ich dachte, ihr habt alles?"

Ria und Lena sahen sich an.

"Nein, wir haben nur einen Ast", sagte Lena.

"Aber du hast mir doch geschrieben!"

Lena schüttelte den Kopf.
"Ich hab mein Handy drinnen."

"Das hat Frieda vorhin auch mit mir gemacht, sie hat gesagt, ich hätte ihr geschrieben, dass ich jetzt vor der Tür bin, aber hab ich gar nicht", sagte Ria.

"Natürlich hast du mir geschrieben! Und Lena, du auch! Hier, ich zeig's euch!"

Ich holte mein Handy raus und Ria und Lena drängten sich neugierig um den Bildschirm.

"Hier, schaut."

Ich öffnete die Nachrichten und - sie war weg.

"Haha Ida, sehr lustig."

"Ich hab doch gesagt, ich hab mein Handy drin."

Ich starrte verdattert auf den Bildschirm. Ich hatte es mir nicht eingebildet, dessen war ich mir sicher.

"Aber..."

"Ida, wir haben dich! Du brauchst uns nichts mehr vorzuspielen."

Lena rüttelte an meine Schulter.

"Okay..."

Wir blieben noch etwas länger draußen, aber ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Ich dachte die ganze Zeit an diese Nachricht. Ich hatte den Klingelton gehört und die SMS ganz sicher gelesen.

Leider führte meine Gedankenabwesenheit nicht nur zu drei Stürzen, sondern auch zu einer Baumberührung.

Als ich sagte, mir ginge es gut, brach Lena wieder in schallendes Gelächter aus.

Ich gab es auf, sie mit Schnee zu verfolgen, weil mir schon kalt genug war. Doch da es nicht nur mir so ging, beschlossen wir, uns erst mal rein zusetzten.

Wir zogen unsere Schuhe und Jacken aus und ließen uns in der Küche nieder. Ich machte uns drei Kakaos und suchte die Kekse, die noch von Weihnachten übrig waren. Genervt stellte ich fest, dass nur noch die Hälfte da war. Kat musste die restlichen aufgegessen haben.

Ich setzte mich zu meinen besten Freundinnen und wir redeten über alles Mögliche. Ich konnte mich auch wieder halbwegs konzentrieren. Ich war zwar immer noch der festen Überzeugung, dass ich mir weder Rias noch Lenas Nachricht eingebildet hatte, aber sich jetzt weiter darüber den Kopf zu zerbrechen half auch nicht.

"Wenn wir noch zum Rodelberg wollen, müssen wir jetzt bald los, sonst wird es dunkel", bemerkte Ria nach einer Stunde.

Lena und ich nickten beide und wir räumten die Tassen in die Spülmaschine.

"Aber wir brauchen Proviant", sagte Lena bestimmend.
"Sonst verhungern wir auf dem Weg."

"Wir laufen keine zwanzig Minuten", bemerkte Ria lachend.

"Na und? Vielleicht verirren wir uns ja!"
Lena streckte ihr die Zunge raus.

"Du bist auch nie um eine Ausrede verlegen, wenn's ums Essen geht, oder?"

Lena grinste mich schief an.

Seufzend willigte ich ein.

"Habt ihr Oreos da?", rief Lena aus der Küche.

Ich kramte in dem Schrank nach Kats Rucksack.
"Kann sein! Sonst nimm die Pick Ups!"

Ich entdeckte den Träger und zog daran. Der Rucksack flog mir entgegen, zusammen mit unzähligen Taschen und Schuhen.

"Mist", fluchte ich leise und stopfte schnell alles zurück in die Fächer.

"Wo sind denn jetzt die Oreos?", fragte Lena, als ich zurück in die Küche kam und Wasser und die Pick Ups einpackte.

"Ist ja gut, warte kurz."

Ich holte die schwarzen Kekse aus dem Schrank und hielt sie Lena unter die Nase.

"Zufrieden?"

Lena quiekte einmal auf und nickte heftig.

Wenn es eins gab, was Lena genauso liebte wie Chips, Gummibärchen und Horrorfilme, dann waren es Oreos.

"Können wir los?", fragte Ria und zog sich die Schuhe wieder an.

"Ja", sagte Lena und tat es ihr nach.

"Wartet mal!", stoppte ich die beiden.
"Kennt ihr schon mein Weihnachtsgeschenk?"

Lena und Ria sahen mich skeptisch an.

"Ich hol's schnell", sagte ich und sprintete die Treppe hoch.

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