Kapitel 11
Ich schrie auf und versuchte, mich irgendwo festzuhalten, doch ich fand keinen Halt. Auch Lena wurde so überrascht, dass sie zu spät nach meinem Arm griff.
"IDA!", schrie sie laut und streckte ihre Hand aus.
Der Griff um mein Bein fühlte sich ekelig an und der Aufprall auf den harten Boden des Lochs tat unheimlich weh.
Meine gesamte Gefühlsbahn teilte sich auf in Panik und Angst. Ich wollte schreien, doch ich bekam kein Ton raus. Auch weinen klappte nicht.
Das einzige, was funktionierte, war mein Puls, und das rasend schnell. Die Panik staute sich auf, doch ich fand keine Möglichkeit, sie raus zulassen.
Lena schrie von oben immer noch meinen Namen und ich versuchte, den Arm zu heben. Doch ich war wie eingefroren. Mein Körper verweigerte jegliche Befehle, was mich zusätzlich wahnsinnig machte.
Meine Gedanken rasten, doch ich fand keinen Ausweg aus dieser Situation. Das war wohl das Ende - ein Ende, was ich mir definitiv anders vorgestellt hatte.
Ich wollte es nicht akzeptieren, aber was blieb mir anders übrig? Ich war schlau genug, zu wissen, dass ich einfach fest saß. Es gab kein vor oder zurück.
Ich steckte in der Sackgasse.
Ich hörte Lena nur noch gedämpft schreien und langsam wurde die Umgebung um mich heller. Ich lag gefangen in meinem Körper auf dem Boden in einem dreckigen Loch eines Tunnelsystems, was seit Jahren vergessen war und nun ein Monster beherbergte - fast wie in Harry Potter.
Bei dem Gedanken wollte ich schmunzeln. Ob ich es tatsächlich tat, wusste ich nicht.
Es wurde immer heller. So hell, dass mich das Licht schließlich blendete und ich meine Augen zusammenkniff.
"Hey, Ida!", rief jemand erschrocken und rüttelte an meinem Arm. "Ida! Frieda, komm schon!"
Und dann fiel es mir auf - ich konnte nicht tot sein, denn es war nicht nur Licht.
Es war Licht, was mir erlaubte, meine Umgebung zu erkennen. Und noch etwas ganz entscheidendes fehlte: Der Gestank.
Flatternd und widerwillig öffneten sich meine Augenlider. "Ria?", fragte ich heiser.
"Oh mein Gott, jag mir nie wieder solche Angst ein!", rief sie aufgebracht und zog mich an der Wand hoch.
"Okay Leute, das haben wir im Kasten", hörte ich eine unbekannte Stimme von oben rufen. "Jetzt holt die fünf daraus, ist ja widerlich und furchtbar kalt."
"Komm", forderte Ria mich auf, half mir hoch und nahm mir den Rucksack ab.
"Was...hä?", fragte ich verwirrt. Ich erkannte nicht wirklich viel, außer Rias braune Haare und die steinernen Wände des Lochs.
"Oh Gott, es tut mir so leid, Ida. Das war so nicht geplant, keiner hatte eine Ahnung, warum ihr plötzlich so panisch wart! Wir dachten, du wüsstest alles und hättest mitgespielt. Warum hast du denn nicht gesagt, dass Lena verletzt ist?"
Ria redete so schnell, dass ich kaum etwas von dem Gesagten verarbeiten konnte. Aber ehe ich fähig war, nachzuhaken, wurde ich in eine Schlinge gesetzt und hochgezogen.
An der Oberfläche wurde mir eine Decke umgelegt und ich wurde etwas von dem Gitter weggeführt.
Die frische Luft ließ mich klar denken und meine Sinne kehrten zurück. Doch das, was ich denn realisierte, haute mich noch stärker um.
Das Gitter befand sich unmittelbar vor der Yetiküche. Drum herum waren große Scheinwerfer aufgestellt, die ich sonst nur von Filmsets aus dem Fernsehen kannte. Überall wuselten Leute herum. Die einen trugen Kameras, die anderen große Mikrofone und wieder andere wedelten mit Papieren oder Laptops durch die Gegend.
"Ist ja gut, beruhigt euch, Leute! Was? Ja, Lobster, ich komm ja schon!"
Der Typ von eben rannte durch das Gewusel auf einen Typen zu, der an einem aufgeklappten Stehtisch mit den Armen wedelte.
Ich verstand gar nichts mehr.
"FRIEDA!", rief Lena plötzlich und rannte auf mich zu. Auch sie hatte eine Decke um den Körper gewickelt und umarmte mich stürmisch.
"Was ist los?", fragte ich völlig planlos, doch diesmal bereit, alles aufzunehmen und zu verarbeiten.
"Die haben uns verarscht, das ist los!", schluchzte Lena.
Sie ließ mich los und schaute mich an. Sie sah schrecklich aus. Ihre Haare waren ein einziges Vogelnest, ihr Make-Up verschmiert und in ihrem Gesicht klebte Blut.
"Es war ein scheiß Prank für so eine kack neue Sendung!"
Das verschlug mir die Sprache.
Ich starrte Lena wie ein Reh an, das vors Auto gesprungen war. Ich konnte nicht beschreiben, was ich gerade fühlte. Es war ein einziges Chaos in meinem Kopf, aber die Wut war nicht wegzudenken.
"Sie haben was?", keuchte ich fassungslos.
"Ich weiß auch nicht, was die sich dabei gedacht haben", sprudelte es aus Lena raus. "Uns so Angst einzujagen, das lasse ich denen nicht durchgehen. Ich verklag die definitiv auf Schmerzensgeld, darauf können die Gift nehmen. Und ausstrahlen lass ich die das sicherlich auch nicht. Die spinnen total! Wenn meine Eltern das raus kriegen, oh Mann, die sind geliefert. So ein Scheiß! Dass das in Deutschland überhaupt erlaubt ist!"
"Wessen Idee war das?", lautete meine einzige Frage.
"Ida! Lena! Scheiße, es tut mir so leid!"
Ria rannte auf uns zu und umarmte uns so fest, dass sie mich fast erdrückte.
"Es ist meine Schuld, alles meine Schuld. Bitte, hört mir erst zu", stoppte Ria Lena, die sie gerade unterbrechen wollte. "Ich wollte euch reinlegen, weil ihr das ständig bei mir tut und doch Horror so liebt und ich dachte, dass das ganz lustig werden würde. Ich hab im Internet gesucht und bin auf diese neue Show gestoßen. Sie haben mir was vorgeschlagen, das echt gut und harmlos klang. Aber es ist alles völlig aus dem Ruder gelaufen! Ihr habt Sachen gemacht, die nicht geplant waren und keiner weiß, warum. Die sind alle furchtbar pissig, weil sie wissen, dass sie in der Scheiße steckten. Ich hab ihnen auch gesagt, dass sie euch früher da raus holen sollten, aber die haben behauptet, das ginge nicht. Verdammt, was ist da unten passiert?"
Lena und ich sahen uns an. Ich wollte Ria böse sein, aber ich konnte nicht. Sie hatte recht, wir hatten sie schon öfter auf den Arm genommen. Ihre Idee an sich hörte sich auch nicht so gefährlich an. Meine Vermutung lag woanders.
"Ria", sagte ich langsam, "war dieses Ding eure Idee?"
"Welches Ding?" Ria zog die Augenbrauen zusammen.
Ich sah wieder zu Lena, welche verwirrt mit den Schultern zuckte. Kurz sah ich mich um, doch es lauschte niemand. Es rannten immer noch alle durch die Gegend und niemand schien sich für uns zu interessieren.
"Das Ding! Was uns verfolgt hat! Das mich so erschreckt hat, wo ich das erste Mal aus dem Wald gerannt bin."
"Das war das erste komische!", erklärte Ria aufgeregt. "Wir wussten nicht, was du plötzlich hattest. Wir haben überall Kameras aufgehängt, um alles zu beobachten und saßen in einem großen Wohnwagen, hinten an der Straße. Du hast plötzlich geschrien und bist weggerannt. Wir mussten improvisieren, dich anrufen und zurück schicken. Wir hatten schon Panik, als du gesagt hast, die Kameras können raus kommen. Wir dachten, du hast uns so schnell durchschaut."
"Und ihr habt auch die Fackeln und die Decken unten platziert?", mischte Lena sich ein.
Ria nickte. "Ursprünglich solltet ihr einfach einen Ausgang oder mich finden. Ich bin, als Ida durch die Falltür gegangen ist, von dieser Seite hier reingelaufen und hab mich in einen der Gänge gesetzt, falls ihr mich zuerst findet. Wir wollten dann alles auflösen, aber dann hat Dan mir über das Headset mitgeteilt, dass es nicht nach Plan läuft. Was ist passiert?"
Ich atmete durch. "Okay Ria, das ist jetzt kein Scherz", begann ich. "Du musst versprechen, uns zu glauben, sonst rede ich nie wieder ein Wort mit dir, das schwöre ich."
"Okay, los, sag schon."
"Da war dieses Ding", startete ich und begann die haarsträubende Horrorgeschichte zu erzählen.
Als ich fertig war, starrte Ria mich und Lena mit offenem Mund an. "Das...das kann doch nicht sein", murmelte sie aufgeregt.
"Aber du glaubst uns?", fragte Lena hoffnungsvoll.
"Ja, es ergibt alles einen Sinn. Wenn die Kameras das Ding nicht aufnehmen konnten, ist es auch logisch, wieso ihr sofort den Ausgang gefunden habt."
"Und jetzt?", wollte ich wissen. "Das können wir ja schlecht dem Gericht andrehen."
"Gut, dann sagen wir einfach, das wir so starke Angst hatten, dass wir halluziniert haben", beschloss Lena.
"Denkst du, das kaufen die uns ab?", fragte ich weniger überzeugt.
"Müssen sie, wir haben das Videomaterial", unterstützte Ria Lenas Vorschlag.
"Das können die auch einfach löschen und behaupten, es wäre nie was gewesen", argumentierte ich.
"Nein, erstens haben sie zu viele Kameras unten versteckt. Dann hab ich schon die Polizei gerufen und...ganz zufällig..."
Ria griff in ihre Jackentasche und zog etwas Schwarzes heraus.
"Habe ich eine der Festplatten mit dem Videomaterial geklaut. Die waren alle so durch den Wind, dass die da einfach so rumlagen."
"Genial", lobte ich und konnte das erste Mal wieder leicht lächeln.
"Aber...verzeiht ihr mir?", bettelte Ria schon fast.
"Aber na klar, wir haben deine Idee ja verdient. Nur dass das Ding kommt, konntest du ja nicht wissen", sagte Lena sofort und nahm Ria in den Arm.
Ich schloss ebenfalls meine Arme um meine besten Freundinnen und drückte mein kaltes Gesicht an Rias Schulter.
In der Ferne hörte ich die Sirenen der Polizei und sah schon bald das Blaulicht auf dem Feldweg aufleuchten. Ich drückte Lena und Ria fester an mich.
"Ihr seid die besten Freunde, die man sich wünschen kann", murmelte ich und spürte Lenas Arm durch die Decke an meinem Rücken.
"Aber versprecht mir eins", sagte Ria.
"Ja, versprochen", unterbrach Lena sie sofort. "Nie wieder Supernatural, schon klar."
~~~
Das war das Ende *~*
Ich weiß, dass mich jetzt eine Person ganz besonders hassen wird... 9_Nessi_9 ich hab dich auch lieb :*
Wenn ich irgendwann Lust, Zeit und Ideen hab, gibt es vielleicht noch einen zweiten Teil (genug offene Stränge habe ich ja gelassen :D), also mal gucken. Ich lass es euch auf jeden Fall wissen :)
Aber sonst danke, dass ihr bis hier her gelesen habt und vielleicht bis irgendwann :D
Amelie :)
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