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Stumm starrte ich an die Decke hoch, meine rechte Hand lag auf meinem Bauch und ich selbst auf dem Rücken.

Kevin hatte gerade den Verband abgemacht und mir gesagt, ich sollte da nicht zu gucken.

Und auch wenn die Neugier groß war, wusste ich, dass ich das lieber nicht sehen wollte. Der Gedanke alleine war schon schlimm genug, um mir ein schlechtes Gefühl zu geben.

Jedes Mal, wenn sein kalter Finger auf meine Haut traf, zuckte ich leicht zusammen. Er schmierte so eine Creme drauf, damit es besser und schneller heilen würde, dann legte er ein dickes Wundtuch drüber und verband es neu.

"Fast fertig..." Murmelte Kevin, er klang ziemlich konzentriert. "Tut es noch stark weh?"

Ich schüttelte den Kopf, natürlich tat es noch immer weh, der Schnitt war auch erst ein paar Stunden alt. Aber so schlimm war es nicht.

Sein Blick ging zu mir, unsere Augen trafen sich und ich schüttelte nochmals den Kopf. "Nicht wirklich..."

Kevin lächelte und nickte zufrieden, als er meine Stimme hörte. "Gut, die Tablette sollte gleich auch wirken."

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er das extra tat. Mehrmals nach fragen, bis ich etwas sagte. Wahrscheinlich um sicher zu gehen, dass ich nicht wieder Nonverbal wurde.

"Ich hab deinen Termin beim Therapeuten für heute abgesagt, du solltest dich ausruhen. Morgen schauen wir dann mal... Ich hoffe das war okay."

"Mhm..." Antwortete ich mit einem kleinen Laut und nickte dabei. Es war mehr als nur okay. Eigentlich hasste ich die Therapiestunden.

Ich wollte nicht darüber reden, aber gleichzeitig tat es auch gut es los zu werden.

Aber für heute hatte ich keine Energie mehr, nicht mal mehr um irgendwas zu machen. Zocken, Videos schauen, alles wirkte zu anstrengend.

Die Kälte, der Blutverlust und den ganze Mentale Rest hat mich ausgelaugt.

Kevin schien das zu merken, er verband mein Handgelenk zu ende und strich mit seinem Daumen vorsichtig drüber. "Müde?"

Nickend atmete ich stark aus. "Kannst du... Heiko fragen wie es ihm geht?" Murmelte ich leise und blickte zu ihm rüber.

Heiko war ein so netter und warmherziger Mensch, er machte sich definitiv Vorwürfe, für alles was passiert war. Nur dass es überhaupt nicht seine Schuld war!

"Na klar..." Antwortete Kevin sanft und schrieb eine kleine Nachricht. Fast sofort kam eine zurück.

"Er fragt wie es dir geht." Murmelte er und tippte erneut auf seinem Handy herum.

"Besser... er ist nicht schuld." Kevin nickte sofort auf meiner Aussage hin. "Das stimnt. Ich versuch ihm das klar zu machen... aber du kennst Heiko."

Seufzend griff ich nach meinem Kuscheltier, zog es an mich ran und rollte mich auf meiner Seite zusammen.

"Ich hab ihn wirklich vermisst gehabt... Sein Lachen war immer so witzig... Oder wenn ich vergessen hab, dass er Farbenblind ist..." Ich schloss die Augen und lachte leise.

"Ich vermisse sie alle so stark... Die Streams mit ihnen, Minecraft, einfache Talks... Sie zu sehen... Mir hats so viel bedeutet, dass er hier war... egal was passiert ist... Ich hab ihn zu sehr vermisst dafür..."

Es war noch immer stark surreal für mich so viel zu reden. Überhaupt zu reden. Aber mittlerweile hatte Kevin es geschafft mich wieder daran zu gewöhnen, auch wenn es nur in seiner Nähe war.

"Hast du gehört Heiko? Basti hat dich vermisst. Er denkt nicht dass du irgendeine Schuld trägtst. Ich denk das auch nicht. Mach dir bitte nicht so viele Gedanken." Damit beendete Kevin die Sprachnachricht.

Ich hab nicht Mal mitbekommen, dass er eine aufgenommen hat. Wahrscheinlich hatte er sie gestartet, als ich angefangen hab zu reden.

Müde murrte ich und rollte mich etwas weiter ein. Meine Augenlider waren so schwer, dass ich meine Augen nicht mehr öffnen konnte. Und auch nicht wollte.

"Gute Nacht, mein Großer. Schlaf gut, ich pass auf dich auf." Kevin strich mir sanft durch die Haare, als er mein leichtes Zucken sah, hörte er auf.

Es brauchte keine Worte, er verstand mich auch so. Und dafür war ich extrem dankbar.

.

Die nächsten paar Tage vergingen so. Ich schlief viel, mein Körper musste sich von all dem Scheiß erstmal wieder erholen.

Manche Therapiestunden sagten wir deswegen ab, da ich einfach zu erschöpft war um dort hin zu gehen.

Jeden Tag sah Kevin nach meinem Handgelenk, er kümmerte sich um die Wunde und erneute den Verband.

Mir war es anfangs noch ziemlich unangenehm. Er ließ mich nämlich nicht mehr so wirklich alleine.

Kevin schlief neben mir auf der Couch. Er folgte mir in die Küche oder bat mich mit ihm zu kommen wenn er kochte.

Beim duschen, stand er neben der angelehnten Tür und fragte öfters ob alles gut war. Sogar wenn ich mich unzog war er in der Nähe.

Er vertraute mir nicht wirklich, wenn es um meine Sicherheit ging, was ich gut verstanden. Ich mochte es nicht, konnte es aber verstehen.

Als meine Wunde endlich gut genug verheilt war und ich wieder bei Kräften war, schlug Kevin vor raus zu gehen.

Raus.

Zu anderen Menschen.

Nein!

"Nein danke." Murmelte ich schnell und schüttelte meinen Kopf, während ich mir ein Stück vom Brot in den Mund schob.

Schmunzelnd zog Kevin eine Augenbraue hoch. "Kom schon Basti. Etwas frische Luft wird uns beiden gut tun! Außerdem dachte ich könnten wir uns draußen mit Fabo treffen."

Fabo...

Seit Heiko bei uns war, hatte ich keinen anderen mehr gesehen. Zögernd blickte ich hoch, noch immer am kauen.

"Das ist dein 'Ich wills, hab aber angst' Gesicht. Als tun wirs!" Kevins Grinsen war noch immer da, in den letzten Tagen hatten wir zum Glück unseren Humor wieder gefunden.

"Oh, ich bin Papaplatte, ich weiß alles besser und kann Gedanken lesen." Grummelte ich in einer verstellten Stimme und funkelte ihn an.

Kevin fing an zu lachen, er lehnte sich zurück und patschte sich mit einer Hand auf die Brust.

"Holy shit Basti. Das hast du schon lange nicht mehr gemacht. Holyyy shit." Brachte er zwischen seinem Lachen heraus.

Stimmt, das war das erste Mal seit meiner Entführung, dass ich ihm nachgeäfft hatte. Oder generell, dass ich ihn Papaplatte genannt hab.

"Man, Großer. Ich liebe dich wirklich." Murmelte er und lachte noch immer leicht, während er sich eine Auge rieb.

Ich konnte ihn einfach nur ansehen dabei, ein ganz leichtes Lächeln legte sich auch über meine Lippen. "Na schön... wir gehen raus. Aber sobald ich-"

"Jup. Ein ernstes Wort und wir sind ganz schnell wieder zu Hause, Boss." Unterbrach er mich und holte sein Handy hervor. "Na dann, fragen wir mal wies bei Fabo aussieht."

Während wir zu Ende aßen, hat Fabo bereits geantwortet. Keine Stunde später stand ich vor der Tür.

Es war noch nicht wirklich kalt, trotzdem hatte ich eine leichte Jacke drüber gezogen. Mein Körper gewan zwar langsam wieder an Gewicht zurück, trotzdem war er noch immer geschwächt.

"Aufgeregt?" Fragte mich Kevin und sah auf meine Finger runter, die mit dem Verschluss von meiner Jacke spielten.

"Etwas." Gab ich zu. Lügen hätte eh keinen Sinn gehabt, mir war bewusst, dass man mir die Unsicherheit an sah.

Kevin lächelte leicht und öffnete die Tür, bevor er sich leicht zu mir umdrehte und mir seine Hand hin hielt. "Ist das okay für dich?"

Überrascht starte ich auf seine Hand. Sollte ich sie annehmen? Das wäre extrem langer Körperkontakt! Was ist wenn mich das triggert? Was ist wenn ich wieder eine Episode habe?!

Dann... dann könnte ich einfach los lassen.

Kevin würde mir das nicht übel nehmen, außerdem war er nicht so wie Alex. Wenn ich los lassen würde, wäre das okay.

Er würde mich nicht zu etwas zwingen. Ich war sicher.

Leicht lächelnd nickte ich und streckte meine Hand nach seiner aus. Er ließ mich den letzten Schritt machen, dabei bewegte er sich um keinen Millimeter.

"Trau dich. Ich bins nur. Ich tu dir nichts, du bis sicher. Alles ist gut." Flüsterte er beruhigen, wobei sein Blick eine schöne Wärme ausstrahlte.

Sein Lächeln wurde nur noch breiter, als ich meine Hand in seine legte. So richtig Händchen gehalten, hab ich noch nie so richtig.

Seine Haut war warm, die Hände etwas größer als meine, aber noch lange nicht so groß wie die von Alex. Zum Glück.

Ich sollte damit aufhören...

Die beiden immer zu vergleichen. Oder generell die ganze Zeit an Alex zu denken. Er war nicht der Mittelpunkt in meinem Leben.

Er sollte nicht so viel Macht haben! Als würde ich ihm auch keine mehr geben. Ich war nicht sein Eigentum.

"Ist das okay?" Fragte Kevin vorsichtig und strich mit seinem Daumen über meine Haut.

"Ja." Hauchte ich leise und drückte seine Hand einmal etwas fester. Fast hätte ich gezuckt, als er das selbe tat.

Menschlicher Kontak war noch immer als Gefahr in meinem Kopf eingestuft. Auch wenn ich momentan mir dem Therapeuten und Kevin daran arbeitete.

Trotzdem lächelte ich leicht, als die kleine Panik sofort wieder verschwand. Vor Kevin hatte ich wirklich keine Angst mehr. Und ich liebte es.

"Na dann, wir wollen Fabo nicht warten lassen." Wir fuhren tatsächlich zum Park, noch fand ich es zu viel wenn wir dort hin laufen müssten.

Der Gedanke an die ganzen Menschen dort ließ mich unwohl fühlen. Aber endlich würde ich Fabo wieder sehen!

Und Kevin war ja bei mir. Da musste ich mir keine Sorgen machen. Alles ist gut.

"Guck mal, wer da drüben am Eingang bereits steht." Meinte Kevin und deutete auf die Person am Tor. Wir parkten in der Nähe und stiegen aus.

"Fabo!" Rief ich freudig, als wir nah genug waren. Für einen kurzen Augenblick hatte ich die Menschen um mich herum vergessen.

"Basti, hiiii!" Rief Fabo genau so fröhlich zurück und öffnete seine Arme. Wir umarmten uns nur ganz kurz, mehr wollte ich mir noch nicht zu trauen.

Aber im Vergleich zu vorher, was dass schon ein großer Fortschritt. "Und Basti? Wie gehts dir so?"

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