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Am nächsten Morgen lief noch immer der Fernseher, irgendein random Video. Kevin hatte sich die ganze Nacht, überhaupt nicht bewegt.

Langsam setzte ich mich auf und rieb mir die Augen. Der Schlaf war... ruhig. Ich kann mich nicht daran erinnern, ob ich etwas geträumt hatte.

Verschlafen ging ich mir durch die Haare und blickte zu Kevin. Er war im Sitzen eingeschlafen, sein Kopf lehnte gegen der Couch und sein Arm lag voll komisch auf der Lehne.

Es sah unbequem aus, aber so wirkte es, als hätte er wirklich versucht sich weder zu bewegen noch mich zu berühren.

Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen, aber gleichzeitig fühlte ich mich auch mega wohl. Schon lange hab ich nicht mehr so gut geschlafen.

Leise stand ich auf und zögerte lange, bevor ich nach seinen Schultern griff und ihn vorsichtig auf die Couch legete, damit er es etwas bequemer hatte.

Ich schielt den Fernseher aus, legte meine Decke über ihn und hockte mich vor ihm hin. Kevin wirkte so friedlich, so sanft.

Nie hatte er mich verletzt, na klar waren ein paar kleine Fehler dabei in den letzten Wochen. Aber diese Situation... war neu für uns beide. Da konnte man einfach nicht alles richtig machen.

Mit einem Seufzen stand ich auf und ging in die Küche, die ganze Zeit über hatte er mir geholfen und sich um mich gekümmert. Jetzt wollte ich wenigstens mal irgendwas für ihn machen.

Daher machte ich ein kleines Frühstück, etwas was wir in den letzten Wochen öfters gemeinsam gemacht haben.

Leise brachte ich es zurück ins Wohnzimmer, Kevin blickte rüber zu mir, er war wohl aufgewacht. Seine Augen waren leicht gerötet und er rieb sich den Nacken.

"Guten Morgen, Basti. Du hast Frühstück gemacht?" Ich nickte und trat zögernd näher, aus irgendeinem Grund war ich nervös.

"Danke. Wie hast du geschlafen?" Schulterzuckend stellte ich den Teller ab und setzte mich hin. "Ganz gut..."

"Keine Alpträume? Du hast dich die Nacht nicht bewegt und nicht geweint." Ich schüttelte den Kopf. "Glaub nicht."

Kevin lächelte warm. "Das freut mich." Er klang wirklich glücklich, gemeinsam fingen wir an zu essen. Immer noch aß ich weit aus langsamer und weniger als er.

Alex hat mir selten einfach so was zu essen gegeben, meist verlangte er dafür irgendwas oder warf es mir auf den Boden.

Mit einem schweren Seufzen nahm ich einen weiteren Bissen. "Wie wär's? Wollen wir heute mal gemeinsam raus gehen?"

Bei Kevins Frage verschluckte ich mich und schüttelte noch während dem Husten meinen Kopf. Alleine der Gedankengang an Menschenmenge, ließ mich unwohl fühlen.

"Okay, okay. Keine Angst, kein Stress. Wir gehen nach deinem Tempo." Versuchte er sofort mich zu beruhigen und hieb dabei seine Hände hoch.

Nachdenkend summte er kurz, bevor er auf sein Handy blickte und dann zurück zu mir. "Wie wärs wenn wir die Jungs einladen? Fabo, Stegi, Heiko... sehr viele haben schon gefragt ob sie dich sehen können."

Ich biss mir auf die Lippe und zuckte mit den Schultern. Gott, wie gerne ich sie sehen würde, alle einmal fest unarmen. Aber... Ich hatte so angst.

"N-nur einen?" Flüsterte ich leise und blickte ihn zögernd von unten aus an. Kevin lächelte und nickte. "Klar, einer nach dem anderen. Kein Problem. Ich frag mal direkt nach."

Er tippte am Handy herum und nickte immer wieder zu sich selbst, bevor er lächelte und zu mir hoch sah. "Heiko würde vorbei kommen, ist das okay? Ich dachte jemand der eher ruhig ist passt am besten."

Ich blicke auf, starrte ihn für ein paar Minuten lang an. Mein Herz schlug immer schneller und ich musste stark schlucken um ruhig zu bleiben.

Um meine Nervosität zurück zu halten, lachte ich leise. "Ja... Bei Hugo... oder so... wäre ich voll weg..."

Es war nichtmal ein guter Witz, wenn man es überhaupt als ein solchen bezeichnen könnte. Aber ich war halt extrem aufgeregt.

Irgendwie freute ich mich, es ist fast ein halbes Jahr her, als ich zu letzt ihre Stimmen gehört hatte. Nicht in Videos, das war etwas anderes.

Gleichzeitig war der Gedanke gruselig Leute zu treffen. Es hat Wochen gedauert, bis ich mich wohl genug in Kevins Nähe fühlte.

Sogar bei dem Therapeuten hatte ich noch Probleme und ander Personen hatte ich bis jetzt noch gar nicht getroffen.

.

Frisch geduscht und umgezogen saß ich am Esstisch, meine Hände verkrampften sich die ganze Zeit in einander und meine Atmung war etwas schneller.

Meine Arme waren in Verbänden gehüllt, auch wenn die Wunden nicht wirklich tief waren und bereits verheilten, wollte ich nicht, dass Heiko die sieht.

Ich war so verdammt nervös, die ganze Zeit schnellte mein Blick zur Tür. Es ist doch nur Heiko. Was soll schon passieren? Es war doch alles okay... Warum hatte ich so viel Angst?!

Auch wenn ich damit gerechnet hatte, zuckte ich stark bei dem lautem Türklingeln zusammen. Mein Herz schlug immer stärker.

"Warte kurz!" Rief Kevin und kam gerade aus der Küche, wo er Kaffe vorbereitet. Als sein Blick zu mir ging, spiegelte sich Sorge ab.

"Basti? Gehts dir gut? Ich kann Heiko auch absagen, er versteht das schon." Schluckend schüttelte ich den Kopf.

Heiko ist den ganze Weg bis hier her gekommen, als würde ich ihn direkt wieder wegschicken. Das wäre mehr als unfair. Aber...

Ich öffnete den Mund, aber wie auch schon am Anfang bekam ich kein Wort raus. Schon wieder wurde ich Nonverbal? Wie frustrierend.

Also schloss ich meine Lippen wieder und zeigte auf die Tür, damit er sie öffnen gehen würde.

"Alles ist gut, Basti. Alles ist gut." Flüsterte Kevin warm und lächelte leicht, bevor er zur Tür ging und sie öffnete.

"Heiko, nah wie gehts dir?" "Kevin! Hi, alles gut bei mir. Und bei euch?" Ich hörte beide freudig lachen, hörte wie sie sich umarmten und auf den Rücken klopften.

Dann schloss sich die Tür, ich spannte meine Schultern noch stärker an und atmete tief durch. Was die beiden gerade sagten, konnte ich nicht mehr verstehen.

Kevin trat durch den Türrahmen, danach Heiko, der dort stehen blieb. "Hey, Basti." Flüsterte er leise, seine Stimme war voller Emotionen und sein Blick mega traurig.

Ich hieb eine Hand und wank ihm leicht, wobei mein kompletter Arm statk zitterte. Wie scheiße und schwach ich gerade aussehen musste...

Kevin trat kurz raus, bevor er mir einer Decke wieder kam und sie mir vorsichtig um die Schultern legte. "Nicht erschrecken."

Wieder zuckte ich zusammen. In meinem Kopf war gerade nur ein Gedanke. Zwei Menschen, also doppelte Gefahr.

Fuck, nein! Zwei Freund! Keine Gefahr! Ich war sicher! Ich war... sicher...

Ich schloss kurz meine Augen und griff in die Decke, langsam atmete ich tief ein und wieder aus, bevor ich meine Augen erneut öffnete.

"Hey..." Brachte ich wenigstens ein kleinen Laut raus, sowohl Kevin, als auch Heiko atmete beide stark aus. Heikos Augen waren wässrig, als er traurig lächelte.

"Kann ich...?" Fragte er vorsichtig und zeigte auf den Tisch. Ich nickte, alles war gut.

Kevin setzte sich zwischen uns, was mich etwas mehr beruhigte. "Wie... geht's dir so weit?" Fragte Heiko vorsichtig, sein Blick glitt einmal über meinen Oberkörper.

Es blieb bei meinen Armen hängen, natürlich sah er, dass ich abgenommen hatte und die Verbände sprachen für sich.

Ich zuckte mit den Schultern. Abgesehen vom dem Punkt, dass ich entführt wurde, wusste er und die anderen wohl auch nicht mehr. Kevin hingegen...

Keving wusste wohl fast alles, immerhin bekam er meine Alpträume und Flashbacks mit. Ebenso wie ein paar Therapiestunden.

"I-ich..." Fing ich an doch meine Stimme brach. Heiko machte einen kleinen traurigen Laut. "I-ist okay... du musst nicht reden." Murmelte er leise.

"Mir reichts schon, dass ich dich wieder sehen kann." Er lächelte leicht, eine Tränen lief an seiner Wange hinab.

Wie viel Schmerz das alles, nicht nur mir sonder auch den anderen, brachte.

Ich erwiderte sein trauriges Lächeln. "Weißt du, wir haben in den letzten Wochen immer Videos von der Chaos Gruppe geguckt." Murmelte Kevin und lachte leise.

Die Situation war gerade so dermaßen emotional, dabei war sie gespalten von Trauer aber auch Freude.

Heiko lachte ebenfalls leicht. "Das ist echt cute. Ich hab auch öfters in Videos von Basti rein geschaut. Gott, wir haben uns solche Sorgen gemacht..."

Er hielt inne um sich eine Träne weg zu wischen. "Es ist einfach nicht das selbe ohne dich gewesen. Als fühlte sich so leer an... wir alle waren so am Boden zerstört, du hättest mal Kevin sehen müssen."

Kevin stieß die Luft abrupt und scherzte. "Hey, wir haben alle viel geweint. Ich war nicht die einzige Heulsuse hier."

Anscheinend versuchten wir alle drei gerade krampfhaft die Stimmung witzig zu gestalten, was hauptsächlich überhaupt nichts brachte.

Als ich mir mit einer Hand durch die Haare ging, um meine Nervosität unten zu halten, zuckte ich leicht zusammen. Am hinteren konnte ich die Narbe spüren von den Backstein mit dem mich Alex niedergeschlagen hatte...

"Basti, ganz ruhig." Kevin's Stimme riss mich aus meinen Erinnerungen, schockiert starrte ich ihn an, bevor ich merkte, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.

Sofort stieß ich die Luft aus und atmete ein paar Mal tief ein. "Du wirkst auf einmal noch blasser..." Murmelte Heiko besorgt.

Sein Blick flickerte über meinen ganzen Körper und plötzlich verzog er sein Gesicht. "Was hat er dir nur angetan... Es tut mir so leid Basti..."

Kevin hatte sowas ähnliches bereits auch zu mir gesagt. Ich war mir sicher, dass fast alle meine Freunde genau so reagieren würden.

Wie auch sonst? Alle hatte sich Sorgen gemacht, alle konnten den Unterschied in meinem Benehmen und an meinem Körper klar sehen.

Natürlich reagiert man da mit trauer, mitleid und schmerz. Wenn ich mir vorstelle, dass Kevin an meiner Stelle gewesen wäre-

Abrupt stand ich auf und schlug mir eine Hand vor den Mund, bevor ich schnell ins Badezimmer verschwand.

Nicht zu spät, bei den Gedanken an Kevin, wie er im Keller gefesselt war, wie er das erlebt was ich hatte, wie dieser Verrückte Alex ihn-

Mein Magen hattebsich umgedreht. Und wie so oft in den letzten Wochen, übergab ich mich.

Erschöpft lehnte ich mich etwas gegen die Badewanne, um mein Gleichgewicht wieder zu kriegen. Während ich mich kurz auruhte, konnte ich Heiko leise aufweinen hören.

"Es tut mir leid... Ich hab was falsches gesagt, oder? Nein... scheiße... Ich- Ich gehe besser wieder. Bevor ichs noch schlimmer mache-"

Er schien auf zu stehen, da hielt ihn Kevin davon ab. "Heiko, woah. Nein, du hast nichts falsche gemacht. Basti- Das ist leider normal... Gib ihm etwas Zeit."

Ich wusch mir mein Gesicht und starrte kurz in den Spiegel. Meine Haut war wirklich bleicher, Augen rot unterlaufen, fuck, ich sah wirklich fertig aus.

Aber dafür ging es mir weit aus besser als noch vor ein paar Wochen. Geschweige denn, als vor einem Monat.

Wenigstens war ich jetzt frei. Ich war bei Freunden. Ich war sicher. Ich war... sicher...

Die offensichtliche Situation schien mein Hirn erst jetzt zu Hundert Prozent zu verstehen.

Ich war frei, hatte Menschen um mich herum, die gut waren und ich war sicher. Ich musste keine Angst mehr haben.

Mit einem starken Schlucken, wandt ich den Blick von meinem Spiegelbild ab und trat zurück zu den beiden.

Sie standen bereits, beide weinten geräuschlos, es war wirklich schwer für uns alle. Als Heiko mich sah, war sein Blick voller Reue, dabei hatte er doch nichts getan.

"Basti, sorry, ich wollte nicht-" "Nicht bewegen." Unterbrach ich ihn und obwohl ich extrem leise gesprochen hatte, schien er mich zu hören.

Dann biss ich mir auf die Lippe und trat noch einen Schritt näher, dann noch einen und noch einen.

Schließlich, legte ich meine Arme um ihn und umarmte ihn. Ich konnte spüren wie er einfrohr, bevor er die Umarmung erwidern wollte.

Doch Kevin schüttelte nur den Kopf, was Heiko sofort verstand und nichts anderes tat.

Er respektierte meine Grenzen. Alle meine Freunde würden das tun. Sie waren nicht so wie Alex, nein. Sie waren sicher.

Und endlich verstand ich es auch. Ich musste keine Angst vor ihnen haben. Weil wenn ich etwas nicht wollte, würden sie diese auch nicht tun.

Ich war sicher.

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