Freundschaft

Es heißt Freundschaft,

weil man mit Freunden alles

schafft.

Das Bellen kommt von weit weg.

Weit weg wie die Tage mit meinen Eltern, die Erinnerungen an davor und Freundschaften. Weit weg ist schmerzhaft. Ich möchte nicht zum weit weg. Es wird mir keine guten Erinnerungen bringen und mich Tag für Tag leiden lassen. Ich kann auf das weit weg verzichten. Dort ist niemand, der auf mich wartet, niemand der mich zurückhaben will.

Weit weg ist die Realität und die ist grausam und gemein. Ich werde niemals zu einer Rakete kommen, nie zum Mars fliegen. Das ist jetzt alles egal. Egal wie das Geld in meiner Hosentasche und das Essen in der Tüte. Die nächsten Wanderer werden kommen und es mitnehmen, dann haben wenigstens sie noch etwas von meinem- Meinem was eigentlich?

Sterbe ich?

Sollte nicht der Tod eigentlich viel schneller eintreten? Ich habe keine Lust halb bei Bewusstsein zu sein. Es ist schmerzhaft, noch nicht tot zu sein. Und dann ist auch nicht mehr alles egal, denn wenn etwas schmerzhaft ist, geht es unter die Haut. Schmerz ist eine Empfindung und Empfindungen können nur Lebende spüren, da bin ich sicher. Das Weit-Weg ist also doch noch nicht so weit weg.

Wieder höre ich das Bellen. Es ist nervig. Ich bin mir sicher, wäre es nicht, wäre ich schon längst erlöst. Stattdessen lieg ich hier und kann mich nicht rühren.

Liege ich?

Ja, so muss es wohl sein. Etwas Schweres drückt mich zu Boden und aus irgendeinem Grund riecht es verbrannt. Wohlige Wärme ist unter mir zu spüren, sie kriecht immer näher an meinen Körper heran. Ich möchte, dass es näherkommt, es fühlt sich gut an.

Ich spüre etwas Nasses an meiner Wange. Es ist rau und fährt immer wieder über mein Gesicht. Und plötzlich ist das wohlig-warme Gefühl verschwunden. Mir wird schlagartig heiß und ich beginne wild um mich zu schlagen. Zähne packen meinen Arm und zerren daran. Es wird wohl das erste wilde Tier sein, dass meinen toten Körper findet und es wird sich daran laben. Während das Tier an mir zerrt, spüre ich, wie langsam das Gewicht von meinem Bein rutscht. Sofort packe ich dieses reflexartig und versuche es zur Seite zu hieven. Es dauert nicht lang und der Druck von oben lässt nach, jedoch nicht das Zerren des Tieres.

Ich habe nicht mehr genug Kraft um mich loszureißen und der Schmerz in meinem Bein wird von Sekunde zu Sekunde stärker. Erst als meine Ohren und Augen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder halbwegs aufnahmefähig sind, kommt mir der Sturm in den Sinn. Ich richte mich auf, so gut es eben geht und das Zerren hört auf. Stattdessen erklingt nun wieder das Bellen. Anstelle eines wilden Tieres, steht der Golden Retriever neben mir und blickt mich aus besorgten Augen an. Skip war vorhin abgebogen, daran erinnere ich mich noch düster.

„Wohin?", bringe ich mühsam hervor.

Skip ist ein guter Hund, er versteht sofort, obwohl er nicht so aussieht, als hätte ihn jemand trainiert. Er läuft vor mir her, ich folge, wenn auch hinkend und kaum schnell genug. Skip führt mich zu einer anderen Umgebung. Ich erkenne nur verschwommen die grünlichen Farben und muss mich darauf verlassen, dass er weiß was er tut, wo wir in Sicherheit sind.

Nie habe ich mich jemals früher so sehr auf den tierischen Instinkt verlassen müssen. Und auch jetzt fällt es mir schwer, doch ich habe keine Wahl. Ich bin hilflos und der Natur schutzlos ausgeliefert.

Rückartig bleibe ich stehen. Ich kann ihn nicht mehr hören. Meine Sicht ist noch nicht gut genug um mich ohne zu stolpern zurechtzufinden, der Ruß hat mir Tränen in die Augen getrieben. Wenn Skip mich im Stich gelassen hat, bin ich tot, das weiß ich. Hier finde ich nicht zurecht und ohne einen Führer ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Regen mich völlig durchnässt und schließlich umbringt. Dann kommen wirklich die wilden Tiere und die werden mehr als glücklich über meine Leiche sein.

In diesem Moment höre ich das vertraute Hecheln, gefolgt von einem ‚Plumps'-Geräusch. Skip hat etwas neben mir fallen gelassen. Ich taste danach. Es handelt sich um einen großen Stock, er ist dick und als ich mich wieder aufrichte und mich auf ihn stütze, hält er mein Gewicht. Etwas schneller humpele ich Skip nun weiter hinterher, der sich wieder in Bewegung gesetzt hat.

Er führt mich noch einige Meter weiter und bleibt schließlich stehen. Er gibt ein lautes Bellen von sich, als Zeichen, dass wir unser Ziel erreicht haben. Nun schon etwas weniger verschwommen nehme ich die Höhle wahr, die ihr großen Maul vor uns aufreißt. Sie sieht nicht sonderlich einladend aus, jedoch besser als im Freien herumzuirren.

Also folge ich Skip hinein. Ich lasse mich zu Boden gleiten und atme tief durch.

Ich wäre gerade fast gestorben.

Skip kauert sich neben mich und ich beginne, ihn zu kraulen.

Er hat mich gerettet, als ich es selber nicht konnte. Sein Fell ist unglaublich warm und ohne es wirklich zuerst selbst zu wollen, setze ich ihn auf meinen Schoß.

Die Wetterextremen scheinen von Tag zu Tag schlimmer zu werden, wenn sogar schon in Wüsten Stürme aus dem nichts ausbrechen. Ich muss meine Wunde ansehen, denke ich. Nicht, dass sie sich entzündet und ich mir eine Krankheit einfange.

Eigentlich möchte ich nicht nachdenken. Einmal nicht rational denken, einfach nur sein. Das möchte ich jetzt.

Nach Jahren mit einem Hund auf meinem Schoß einschlafen und sich über nichts Sorgen machen, keinen Weltuntergang, keinen Schmerz und keine Erinnerungen.

„Siehst du Mum? Letztendlich habe ich doch einen Hund bekommen."

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