[36] Kimiko
Ich saß auf meinem Stuhl und schob mir eine Weintraube in den Mund. Meine Zofen standen um mich herum, eine wedelte mir Luft zu, eine andere schenkte mir gerade Wasser ein. Ich musste zugeben, dass ich es mir gut gehen ließ. Es war anders als zuvor, als die Kaiserin noch am Leben war. Es war ruhiger und angenehmer.
Ich hatte mir in den letzten Wochen den Respekt der Diener angeeignet. In dem ich mich über ihre Arbeit informiert hatte. Da mir Satoru die Führung des Haushaltes anvertraut hatte, habe ich mir die jeweiligen Arbeiten der Dienerschaft angesehen. Ich musste zugeben, dass Diener und die Zofen wirklich hart arbeiteten. Ich hatte sie gelobt für ihre schwere Arbeit und mir angehört, wie es ihnen ging und ob sie Beschwerden hatten.
Auf den Vorschlag von Satorus Onkel bekam ich seit neusten auch Unterricht in den Fächern: Das Reich, das Volk, Herrschaft und Steuern. Anscheinend waren das wichtige Fächer, um mich als Kaiserin vorzubereiten. Täglich ging ich in den Unterricht bis zu Mittagsstunde, danach beschäftigte ich mich mit den Haushaltsaufgaben. Dazu gehörte auch, die jeweiligen Essensvorräte einzuplanen.
Nebenbei machte mir die dritte Konkubine, Sakura, ihre Aufwartung. Sie war wirklich ein ganz liebes Mädchen und wir verstanden uns gut. Sie erzählte mir, dass sie aus dem Nachbarsdorf stammte, genau wie meine Mutter. So erhielt sie auch ihren Namen, Sakura. Sie verriet mir auch, dass sie die Beziehung zwischen dem Kaiser und mir unterstützte und eigentlich in einen ganz anderen Mann verliebt war. Als ich das hörte, musste ich an Dai und mich zurückdenken. Sie war noch so jung und im Gegensatz zu mir, hatte sie ihre Unschuld noch nicht an ihren geliebten verschenkt. Sie wollte bis zu Ehe warten. Doch dann kam der Bescheid, dass sie Konkubine des Kaisers werden sollte. Nachdem ich ihre Geschichte gehört hatte, entschied ich mich, Satoru zu bitten, ihr zu erlauben, ihren geliebten zu heiraten. So wie ich ihn kannte, würde er das auch genehmigen.
Ich verbrachte meine Zeit alleine mit vielen Aufgaben. Ich gab mein Bestes, um mich so gut, wie möglich als Kaiserin vorzubereiten. Natürlich steigerte ich mich in die Arbeit hinein, um mich von meinen Sorgen abzulenken. Doch sobald es dunkel wurde, vermisste ich Satoru und fragte mich, wie es ihm ging und was er wohl gerade tat.
Einmal, da hatte ich meinen Bedürfnissen nachgelassen und mich selbst berührt. Natürlich hatte ich dabei an Satoru gedacht, mir vorgestellt, dass er mich berührt. Danach hatte ich mich so geschämt für meine Lust, dass ich mitten in der Nacht meine Zofen gerufen hatte, um zu Baden und mich von meinem Scharm reinzuwaschen. Seitdem fragte ich mich, ob Satoru böse auf mich wäre, wenn ich ihm davon erzähle. Ich hörte nämlich, dass manche Männer das nicht mochten, wenn sich die Frau selbst Erleichterung verschaffte. Wie soll ich ihm das nur erklären.
»Dame Kimiko?« holte mich meine Zofe Yui aus meinen Gedanken. Ich hielt immer noch eine Traube in meinen Fingern und blinzelte. Mein Blick von meiner Zofe, runter zu der Dienerin, über die ich ein Urteil fällen sollte.
»Was hat sie verbrochen?« fragte ich und schob mir eine weitere Weintraube in den Mund.
Der Küchenchef räusperte sich »Verehrte Fujiwara, dieses undankbare Weib hat essen aus der Küche gestohlen, anscheinend tat sie das schon seit Wochen. Ich bitte daher um eine gerechte Strafe« erklärte er mit strengem Ton.
Ich musterte ihn. Es gab natürlich immer noch welche unter der Dienerschaft, die mich noch nicht wirklich akzeptierten. Und solange ich noch nicht offiziell von Satoru zu Kaiserin ernannt wurde, durften sie das auch tun. Auch, wenn ich bereits Aufgaben einer zukünftigen Kaiserin übernahm, war ich letzten Ende immer noch nur eine Konkubine.
Meine Augen fand den Blick der Frau, die vor mir kniete. Sie sah mich ängstlich an.
Ich legte ein Lächeln auf meine Lippen, um sie zu beruhigen. »Wieso hast du das ganze Essen gestohlen? Gibt es einen Grund dafür?«
Sie sah mich an, dann den Küchenchef und dann wieder zu mir. »Bitte verzeiht mir, ich habe das nur getan, weil....«
»Du brauchst uns nicht deine Lebensgeschichte erzählen, du dummes Weib!« zischte der Küchenchef und unterbrach die Frau damit.
Ich hob eine Braue. So ist das also. Ich hatte die Lage also richtig eingeschätzt. Ich nickte hinter dem Küchenchef eine Wache zu, die sofort auf den genannten Mann zu ging und ihn packte.
»Was geht hier vor? Wartet... verehrte Fujiwara... was hat das zu bedeuten... wartet!« rief er verwundert, während er hinausgezogen wurde. Die Frau sah ihrem Küchenchef mit großen Augen hinterher, bevor sie wieder zu mir sah. Ich erhob mich und lief auf sie zu. Vor ihr stehend, hockte ich mich hinunter.
»Keine Sorge, ihm wird nichts geschehen. Ich würde nur gerne deine Geschichte hören. Erzähl mir, wieso du Essen aus dem Palast gestohlen hast«
Sie senkte den Blick, zögerte, wog ab, ob sie es mir wirklich erzählen sollte und anscheinend gewann eine der Seiten, als sie begann zu sprechen. »Bitte verzeiht mir. Ich habe meine Eltern durch das Pockenfieber verloren. Ich bin die älteste Tochter und habe 4 kleine Geschwister. Ich... mein Lohn reicht nicht aus, um alle zu ernähren. Bitte verzeiht mir! Ich mach das nie wieder, versprochen. Ich ... bitte ich brauche diese Arbeit.« Flehte sie und drückte ihre Stirn auf den Boden.
An das Pockenfieber? Genau wie meine Mutter. Wie könnte ich sie deswegen bestrafen. Sie hat aus Verzweiflung gehandelt.
Auf einmal stellte sich Akane schmatzend neben mich. »Wir helfen ihr, nicht wahr Kimiko?« fragte sie und aß ihren Kuchen.
Ich schmunzelte. »Natürlich«
Im selben Moment hob die Frau ihren Kopf und sah uns verwirrt an.
Ich ließ mir ein Stück Kuchen von Akan in den Mund schieben und lächelte die Frau an. »Wie ist dein Name?« fragte ich, nachdem ich das Essen heruntergeschluckt hatte.
»Mein Name ist Sarah« antwortete sie und sah zwischen mir und Akane hin und her.
Akane kicherte »Freut mich dich kennenzulernen, Sarah. Ich heiße Akane und bin für die Tiere innerhalb des Palastes zuständig. Der Kaiser höchstpersönlich hat mir diese wichtige Aufgabe anvertraut.« Erklärte sie stolz und grinste.
»Freut mich« kam es leise von Sarah. Ich erhob mich und half ihr aufzustehen.
»So Sarah, was machen wir jetzt mit dir. Wie wärs, wenn du zu einer Zofe wirst. Ich hätte noch Platz in meinen reihen. Da eine meiner Zofen geheiratet hat, musste sie mich leider verlassen. Also scheint heute dein Glückstag zu sein.« Erklärte ich lachend.
Sie sah mich überfordert an. »Was? Ich verstehe nicht.«
»Yui«
»Ja, Dame Kimiko?«
»Kleide Sarah wie eine Zofe ein, zeige ihr alles und unterrichte sie. Sie wird mir ab jetzt dienen.« entschied ich und nahm Sarahs Hände in meine. »Und sag dem Schatzmeister Bescheid, dass du ab jetzt einen anderen Lohn erhältst, einen, der für eine persönliche Zofe der Konkubine ersten Ranges würdig ist.«
Yui nickte und trat an Sarahs Seite. Sarah hingegen sah mich immer noch geschockt an. Bis sie anscheinend realisierte, was mit ihr passiert. Sie fiel auf die Knie. »Ich danke euch, ihr seid zu gütig. Vielen Dank. Ich werde euch treu dienen, das schwöre ich bei allen Göttern« rief sie weinend.
»Ich erwarte nichts Geringeres von dir und nun geht« nickte ich Yui zu. Diese half Sarah wieder auf die Beine und beide verließen die Gemächer.
Seufzend ließ ich mich auf meinen Stuhl nieder und trank erst einmal etwas Wasser.
»Kimiko, du bist einfach toll« lächelte Akane und spielte an ihrer Halskette, die ich ihr von Satoru überreicht hatte.
»Du bist viel toller« grinste ich zurück.
Sie sprang mir in die Arme und wir kuschelten miteinander und teilten uns das letzte Stück Kuchen.
Nächster Tag.
Nach Absprach mit Satorus Onkel, konnte ich endlich meine Bitte durchdringen, essen an das Volk auszuteilen. Obwohl der Krieg noch nicht wirklich ausgebrochen war, spürten wir bereits die Folgen. Die meisten Händlerrouten waren blockiert oder sind unsicherer geworden, viele Händler wollten gar nicht mehr in die Hauptstadt reisen, da sie Angst vor dem bevorstehenden Krieg hatten. Die Anzahl der Räuber nahmen ebenfalls zu. Und genau deswegen hatte ich mit einigen Dienern heute Morgen angefangen zu kochen. Das einfachste, dass man für so viele Menschen kochen konnte, war Reisbrei. Es war ein Gericht, dass satt macht, wärmt und nicht zu teuer war.
Ich wischte mir mit meinem Ärmel über die Schweißnasse Stirn und beobachtete, wie die großen Töpfe mit Reisbrei auf einen Karren transportiert wurde.
»Dame Fujiwara, wir können aufbrechen« informierte mich einer der Diener, die mir bei allem geholfen haben. Ich nickte.
Doch bevor ich den Karren, die von einem Pferd gezogen wurde, folgen konnte, hielt mich meine Oberste Zofe auf. »Dame Kimiko, ihr seid total verschwitzt und habt noch Reisbrei im Gesicht hängen.« Schimpfte sie mit mir, wie sie es immer tat. Dabei wischte sie mir mit einem Tuch übers Gesicht.
Ich lachte nur und bedankte mich bei ihr.
Als die Tore von den Wachen aufgeschoben wurden, standen bereits viele davor. Satorus Onkel hatte dem nur zugestimmt, wenn genug Wachen dabei wären. Also standen hier über 20 Wachen herum, bereit mich mit ihrem Leben zu beschützen. Inklusive Satorus persönliche Schatten, die ebenfalls immer in meiner Nähe waren.
Als das Volk mich erblickten, sahen sie mich überrascht an, manche aber auch verzogen wütend das Gesicht.
Ich verbeugte mich vor ihnen, weshalb sofort ein Rauschen durch die Menge ging. Denn Adlige verbeugten sich niemals vor dem einfachen Volk und schon gar nicht eine Konkubine des Kaisers.
»Mein Name ist Fujiwara Kimiko, erste Konkubine des Kaisers. Ich möchte mich im Namen des Kaisers bei euch entschuldigen. Ihr, das Volk, habt es gerade nicht leicht. Genau deswegen möchte ich euch, im Namen von unserem Kaiser unterstützen und habe mit dem Dienern des Palastes frischen Reisbrei gekocht. Bitte stellt euch in eine Reihe und empfangt das Essen.« Ich sah durch die Menschenmengen. Sie sahen mich ungläubig an.
»Schaut mal, sie ist total dreckig.« Hörte ich eine Frau sagen.
»Hat sie den Reisbrei selbst gekocht?« fragte ein älterer Mann.
»Mama, darf ich etwas von dem Reisbrei haben? Ich habe Hunger« sprach ein kleiner Junge.
Ich lächelte »Es ist genug für alle da, bitte, tretet näher« rief ich laut und ging zu einen der großen Töpfe. Ich nahm die Kelle und tat etwas von dem warmen Reisbrei in die Schale.
Es herrschte stille, die Menschen sahen mich an, zögerten. Ich presste meine Lippen zusammen und Unsicherheit breitete sich aus.
War das vielleicht doch keine gute Idee?
»Vielen Dank, Dame Fujiwara« lächelte auf einmal ein kleines Mädchen mich an und stand direkt vor dem Holztisch. Ich blinzelte paar Mal, bevor ich ebenfalls wieder lächelte und ihr die Schale mit einem Löffel reichte.
Das war der stoß, den die Menschen brauchten. Sofort begannen sie sich in eine Reihe zu stellen. Wir hatten 10 große Töpfe vorbereitet und weitere waren in Arbeit. Es gab also zehn Reihen und die Menschen waren dankbar. Sie lächelte mich an und freuten sich. Dieser Anblick erfüllte mein Herz und ich dachte an meine Mutter.
Bitte siehe mir zu, Mama.
Am Abend.
Total erschöpft saß ich auf dem Stuhl, meine Zofe, die mich massierte, eine andere, die meine Haare trocknete. Ich gähnte und streckte meine Glieder. Mir tat alles weh, aber der Tag war ein voller Erfolg.
Ich freue mich schon, wenn ich Satoru endlich von meinen Erfolgen erzählen darf.
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