[27] Satoru
Schweiß lief über meiner Stirn, die Nase entlang und tropfte von dort auf den Boden.
Ich lief zu Dai, der gerade einer Einheit von 50 Mann – oder besser gesagt Jugendlichen, der jüngste 13 Jahre – versuchte, die Grundschritte und Schläge mit einem Katana einzubläuen.
Meine eigene Gruppe versuchte, sich gerade in Eigenübungen und Mann gegen Mann kämpfen zu messen.
Er sah mich und als ich bedeutete, zu mir zu kommen, tat er es.
»Wie ist deine Einschätzung, General Kazuko?«
Sein Blick glitt über die Menge und blieb dann, wie immer, an Kimiko hängen, die am Rand, schräg rechts hinter uns sah und stickte. Er suchte seit zwei Tagen ihren Blick, hatte sie aber nicht angesprochen. Bis jetzt zumindest.
Doch ...
Er würde, das wusste ich.
Ohne den Blick von ihr zu nehmen, antwortete er: »Es ist wie erwartet mein Kaiser. Zwei, vielleicht drei von hundert Männern, könnte zu uns an die Front. Der Rest ... Nun, wollen wir hoffen, dass die Armeen der Feinde nicht bis dahin vordringen, wo wir sie hinstellen.«
Nickend rieb ich mir die Haare. »Ja, so ist es bei meiner Gruppe auch.«
»So ist es bei den Gruppen der anderen Heerführer ebenfalls.«
Ich sah ihn an. »Wir werden das selbst noch beurteilen. Ich denke, wir wechseln die Gruppen täglich durch, sodass die Neuen jede unserer Trainingsmethode kennenlernen. Danach selektieren wir aus, wer zu uns beiden kommt, und härter ranngenommen wird. Wir müssen uns auf die Männer fokussieren, die im Kampf an unserer Seite stehen. Für den Rest müssen die Grundkenntnisse reichen.«
Dai nickte und sein Blick zuckte wieder zu Kimiko.
Ich biss die Zähne zusammen. »Sprich mit ihr.«
Er versteifte sich und schüttelte dann den Kopf. »Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass sie zu mir kommt, wenn sie bereit ist.«
Ich sah ebenfalls zu ihr und spürte wieder, wie gut es sich anfühlte, am Morgen aufzuwachen und sie in meinen Armen zu halten. Wie ruhig ich schlief, wenn sie neben mir lag, ihren Kopf auf meiner Brust gebettet.
Wie ich ihr gesagt hatte, sorgte ich dafür, dass sie, seit sie das Zimmer wieder verlassen konnte, stets an meiner Seite blieb. Jede Minute.
Heute war der dritte Tag, an dem das so war. Am Ersten waren wir nur umherspaziert, um zu testen wie fit ihr Körper war. Gestern war Kimiko bei einer ganztägigen, militärischen Versammlung dabei gewesen, und heute, heute saß sie hier bei uns. Seit die Sonne aufgegangen war – das war nun einige Stunden her.
Ich sah wieder zu Dai. Er hatte noch nicht mit mir geredet. Auch wenn er behauptet hatte, er wolle es, war er, seit sich herumgesprochen hatte, dass Kimiko aus Sicherheitsgründen in meinem Gemach untergebracht wurde, sehr still.
Ich richtete mich auf und ergriff die Initiative. Ruhig, bestimmt und so leise, dass nur er es hörte und keiner der Männer, raunte ich: »Wir werden später reden, Dai.«
»Nein.«
Seinen frechen Ton ignorierend erklärte ich: »Das war keine Frage.« Dann wandte ich mich an die Männer und rief: »Trinkt etwas und ruht euch aus. Die Pause wird kurz, doch ihr habt sie euch verdient.«
Im Gehen sah ich Dai ernst an, aber er sah mit mahlendem Kiefer weg und lief dann zu einem der unzähligen Wasserkrüge, die wir hatten in die Schatten stellen lassen.
Ich lief zu Kimiko, die auf einer Treppe neben eben so einem Holzkrug saß und blieb vor ihr stehen.
»Ist es im Schatten auszuhalten, oder soll ich jemand kommen lassen, der dir etwas Luft zu wedelt?«
Sie sah auf. Kimiko trug bereits leichte, roséfarbene Gewänder und hatte die Haare zusammengesteckt, dennoch schien ihr warm zu sein.»Luft zu wedeln, hört sich gut an.«
Sie lächelte leicht, doch ihr Blick huschte kurz zu Dai, bevor sie wieder mich ansah.
Ich nickte erst ihr und dann einem Diener zu, der ohnehin mitgehört hatte. Er verschwand im Palast. Ich selbst ging zu einem der Tröge und stellte mich hinter den beiden Männern an, die sich gerade mit einer Kelle am Wasser bedienten. Sie wollten Platz machen, doch ich winkte ab und forderte sie auf, zuerst zu trinken.
Sie sahen einander fragend an, doch dann nickten sie. Als sie ihren Durst gestillt hatten, nahm ich mir dieselbe Kelle wie die Bauern und das sorgte dann für reges Gerede in der Menge hinter mir.
»Der Kaiser schöpft aus demselben Krug wie wir?«
»Er nimmt dieselbe Kelle?«
»Sollte er nicht kühleres Wasser bekommen?«
Und so weiter und so fort.
Ich vermied es, mit den Augen zu rollen, und schenkte stattdessen Kimiko in ihren vergoldete Becher ein. Was wiederum dazu führte, das man sprach.
»Der Kaiser trinkt unser Wasser, aber seine Hure aus einem goldenen Becher?«
»Er behandelt sie wie eine Kaiserin.«
»Sie ist eine wahre Schönheit.«
Ich setzte mich neben Kimiko und der Schweiß tropfte noch immer von meinem Gesicht.
Kimiko nippte an dem Wasser. Dann hielt sie mir den goldenen Becher wieder hin und schmunzelte. »Trink, dann haben Sie noch mehr Gründe schockiert zu sein.« Sie stützte den Kopf auf der Hand ab und musterte mich. »Ich find es ziemlich amüsant, wie du versuchst, die gleiche Behandlung wie deine Soldaten zu bekommen.«
Ich nahm ihr den Becher ab und grinste. Als meine Lippen das Gold berührten, raunten wieder alle, die es mitbekamen.
»Ich versuche es nicht. Ich tue es«, erklärte ich.
»Auf dem Schlachtfeld bin ich einer von ihnen. Ich kämpfe wie sie, töte wie sie und blute wie sie. Ich trage dieselbe Rüstung und kämpfe aus demselben Grund. Meine Männer wissen das und schätzen es. Sie«, ich zeigte auf die Neuen, »werden es noch begreifen.«
Ich sah sie seitlich an und ließ mein Augenmerk über die schon deutlich weniger bunten Prellungen wandern. »Wie geht es dir? Sind die Schmerzen besser?«
Kimiko nickte verstehend und berührte ihre Wange. Nachdenklich sah zu den jungen Soldaten, die uns beobachteten. »Mir geht es besser. Die Schmerzen lassen nach. Dennoch werde ich damit erst vollständig abschließen können, wenn ich die Person, die hierfür verantwortlich ist, zu Rechenschaft gezogen habe.« Eine kleine Pause entstand. »Sie haben Angst und sie tun mir leid. Ich wünschte, du müsstest nicht in den Krieg ziehen.«
»Ich wünschte, sie müssten nicht in den Krieg ziehen«, entgegnete ich und deutete mit dem Kinn auf die Knapp zweihundert Männer vor uns auf dem Platz. »Dabei wäre mir deutlich wohler. Vor allem, wenn man bedenkt, dass einige nicht zurück zu ihren Familien kommen werden. Um ehrlich zu sein, sehr viele sogar.«
Ich mied es, bei diesen Worten in die Gesichter derjenigen zu sehen, die ich in den Tod schicken würde. Es musste getan werden, um diejenigen zu schützen, die sich nicht helfen konnten, aber das machte es meinem Gewissen nicht leichter. Mit einem leichten Stöhnen auf den Lippen stand ich auf und entledigte mich dann der Hitze wegen, des oberen Teils meiner Trainingsrüstung. Ich legte den harten Lederstoff mit Metallschutz neben Kimiko ab und genoss die leichte Brise auf meiner verschwitzten Haut.
Ich dehnte mich ausgiebig und schnappte mir dann eines der scharf geschliffene Katana aus der Halterung. Ich grinste Kimiko an. »Zeit, die Männer etwas zu motivieren. Oder was denkst du?«
Kimiko öffnete die Lippen, ihre Augen fuhren über meinen Körper. Meine stählerne Muskulatur und die Tätowierung, die im Sonnenlicht hier und da golden schimmerte.
Ihr Blick glitt langsam von meinem Hals, zur Brust, an meinen Armen hinab, über den Bauch hinweg und wieder hoch, um zum Schluss meinen Blick zu erwidern.
Götter, ich fühlte ihre Augen wie Finger auf der Haut, die sanft darüberstrichen. Erregung kribbelte in meinen Augen und wanderte flatternd tiefer.
Kimiko blinzelte ein paar Mal und versuchte, so, das auffällige Starren zu kaschieren.
»Ja, damit«, setzte sie an und zeigte auf meinen Körper, »wirst du sie bestimmt motivieren.« Ihre Wangen glühten und sie wedelte sich Luft zu, während ich einseitig grinste. »Es ist wirklich sehr heiß heute, nicht wahr?«
»Die Hitze, die wir gerade empfinden, entspringt wohl anderer Natur, meine kleine Fijiwara.«
Nun ließ ich meinen Blick über sie wandern und verbildlichte mir, wie ihr nackter Körper aussah und sich anfühlte. Wie sie schmeckte. Wie ihre Weiblichkeit so perfekt um meine Männlichkeit passte. Wie sie sich anhörte, wenn ich sie in den Himmel schickte.
Sei sah mir in die Augen und schluckte. »Scheint so.«
Sie sah weg, als sie bemerkte, dass einige interessierter in unsere Richtung starrten.
»Scheint so«, wiederholte ich und lief dann zurück auf den Platz.
Sofort richteten sich die Blicke auf mich und ich hörte, wie sie über den fein gearbeiteten Drachen auf meiner Haut sprachen.
Ich richtete mich auf und forderte Dai auf, zu mir zu kommen. Er nahm sich ebenfalls eine Waffe und zog ebenfalls die Ledermontur aus. Dann stellte er sich dicht vor mich. Rasch erklärte ich den Männern, dass mein General und ich nun einen Kampf austragen würden, um ihnen zu verdeutlichen, was sie erlernen könnten, wenn sie nur genug Energie und Wille in diese Einheiten stecken würde.
Ich sah Dai an, der kurz hinter mich spähte und fragte: »Bereit?«
»Ja.«
Ich grinste und hob das Katana.
Am Anfang waren unsere Bewegungen langsam und so ausgeführt, dass ich dabei erklären konnte, was wir taten. Dai und ich beschrieben, was wir bei welchem Hieb tun müssten, um auszuweichen zu blocken oder einen Gegenangriff zu starten. Als jegliche Manöver, die wir ihnen auf die Schnelle beibringen konnten, vorgeführt waren, atmeten mein General und ich Beie Tief durch.
Und dann wirbelten wir auch schon wie ein Sturm auf scharfen Klingen auf dem Platz umher. Mein Katana schlug gegen seines und wir duckten und drehten uns umeinander herum. Er schlug zu, ich wisch aus. Ich schlug zu, er duckte sich weg. Hin und her. Immer schneller, immer wieder.
Das erste Blut floss, als Dai einen kleinen Schnitt an meinem Oberarm hinterließ. Er lachte, durch den Kampf erregt auf und ich tat es ihm gleich.
»Vor den Neuen lässt du deinen Kaiser so schlecht aussehen?«
»Nun, der Kaiser muss sich eben ein bisschen mehr anstrengen.«
Ich lachte und verpasste ihm als Antwort darauf einen Schnitt in der Bauchgegend.
So ging es weiter und erst, als ich den dritten Treffer landete, hörten wir auf.
Mein Arm blutete und ebenso eine Wunde an meinem Oberschenkel. Dai hatte ich am Unterarm, dem Bauch und der Wade erwischt.
Wir liefen aufeinander zu und reichten uns respektvoll die Hände. »Guter Kampf.«
Er nickte. »Ja.«
Als wir auseinandergingen und ich die Männer aufforderte, sich Partner zu suchen und ein Übungsschwert zu nehmen und ebenfalls zu kämpfen, taten sie es. Ich selbst winkte einige junge Burschen zu mir und übte mit ihnen. Doch leider hatte meine Kostprobe, auf was sie später einmal zurückgreifen konnten, nicht so geholfen und motiviert, wie ich dachte. Gerade die Jüngeren hatten Angst und taten sich schwer.
Es vergingen einige Stunden und die Sonne stand nun ziemlich hoch am Himmel.
Ich zeigte gerade einem Halbstarken, wie er sich richtig abrollen konnte, als Kimiko anfing zu singen. Leises erst, doch dann immer lauter.
»Einst herrschte ein Drache, so mutig und rein, über ein Land aus Gold und buntem Gestein. Die Liebe zum Land lag tief in seinem Herzen, doch weit mehr liebte er die Kinder, die wandern auf Erden. Er hütet und schütz sie mit all seiner Kraft. Selbst da der Feind wartet, in finsterster Nacht.«
Langsam wurden die Männer ruhiger und jeder Kopf wandte sich ihr zu. Ich sah zu Dai, der wie erstarrt und voller Sehnsucht auf seine Liebe sah. Mein Herz stach, doch ich selbst musst sie wieder ansehen. Meine Übungswaffe sank in meiner Hand und so wie ich, hielten die meisten inne, um Kimikos lieblicher Stimme zu lauschen.
»So sammelt der Drache die Kinder im Hort, und bringt ihnen bei an sonnigem Ort. Er lehrt sie das Kämpfen, schenkt Männern Krallen uns Zähne. Seht wie der Wind weht in seiner perlweißen Mähne. Seid mutig ihr Kinder, so spricht er zu ihnen. Seit tapfer und ich werde im Kampf dienen. Die Feinde sie werden erst mich töten müssen, bevor sie an die Menschen kommen, die so ich versuch zu beschützen. Mein Feuer wird heiß sein, und Knochen werden schmelzen. Doch nur die der Feinde, sodass rote Rosen auf Schlachtfeldern welken.«
Mein Herz hüpft und ich löste meinen Blick von Kimiko, um die Männer anzusehen, die ihren Worten lauschten und kraft schöpften.
»So kämpft für den Drachen, der liebte sein Land und geht nicht in Schande, sondern mit Schwert in der Hand. Greift nach den Sternen, der Macht du dem Stolz, die der weiße Drache dem Land schenkt in perlweißem Glanz. Folgt ihm im Kampfe und zerschmettert Feind, denn die Sonne wird wieder aufgehen im goldenen Land.«
Sie sah in die Gesichter der jungen Soldaten, dann in Dais. Bei ihm blieb ihr Blick etwas länger verweilen, bevor sie dann endlich zu mir sah.
Sie lächelte.
Kimiko erhob sich, ihre Zofe folgte und hielt den kunstvollen Schirm fest, so das keine Sonne ihre Haut berührte.
Sie ging erhaben auf die Soldaten zu. »Habt keine Angst und vertraut eurem Kaiser. Ihr werdet als Helden zurückkehren. Ich werde gerne so oft, wie ihr möchtet, für euch singen.«
Mit angehaltenem Atem sah ich Kimiko an und konnte das Lächeln auf meinen Lippen nicht zügeln.
Götter, diese Frau!
Dai wandte sich ab und lief ohne ein Wort zu sagen fort. Das Lächeln auf meinen Lippen nahm ab und verlor sich in den Gefühlen, die in meiner Brust aufbrandeten.
Denn mir wurde eins klar: Egal was Dai empfand und egal, ob ich am Ende des Krieges sein Urteil noch irgendwie ändern könnte, ich würde ihm Kimiko nicht wieder geben können.
Ich liebte sie.
Ich wandte mich ihr zu und suchte ihrem Blick. Als sie ihn erwiderte, wusste ich, das meiner aufloderte.
Verlangend, erregt, Stolz und ehrfürchtig.
Ja, sie wäre eine wahrlich würdige Kaiserin.
Ich ging auf sie zu und neigte mich zu ihr. Unfähig mein Verlangen zu bremsten, raunte ich. »Wenn du bereit dazu bist, wenn du dich von allem Leid erholt hast und mir die Erlaubnis gibst, dich zu berühren, hält keine Macht der Welt mich auf, dich so oft den kleinen Tod sterben zu lassen, bis du unter mir zu einer Pfütze aus reiner Lust dahinschmilzt. Ich werde dir so viel Lust bereiten, dass du den Namen jedes Gottes vergessen wirst und nur noch mein Namen in deinen Gedanken kreist.«
Ich lehnte mich näher an sie heran. »Wenn ich dir nicht schon längst verfallen wäre, dann hätte ich mich spätestens jetzt in dich verliebt, Kimiko.«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top