[25] Satoru
Ich stand vor einer Karte und raufte mir die Haare. Das sah alles nicht gut aus.
Mein Onkel, die militärischen Oberhäupter meiner Armeen und Dai standen um den Tisch herum und sahen alle das, was ich sah.
Wir waren, bis auf das Meer in unserem Rücken, von allen Seiten eingekreist. Umzingelt. Mit einer Streitmacht, die uns bis jetzt noch überlegen war.
Götter, steht uns bei.
Ich sah diesen Gedanken in allen Gesichtern.
Allen.
Und in Dais lag zudem noch unendliche Sorge. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn Kimiko besuchen zu lassen. Hatte wirklich darüber nachgedacht. Aber ...
Ich war selbst nicht dort gewesen. Hatte weder Zeit noch meine Gefühle genug unter Kontrolle. Wäre ich zu ihr gegangen, hätte ich ihr entweder den Kopf abgeschlagen oder sie angefleht mir zu verzeihen. Mich zu lieben. NUR mich zu lieben.
Ich sah weg, als Dais Augen zu meinen huschten, und räusperte mich. Er hatte immer wieder versucht, mit mir zu reden, sich zu erklären, doch ich hatte es geschafft, die Gespräche irgendwie zu ersticken.
Wie lange würde ich das noch schaffen?
Ich richtete mich auf und kreuzte die Arme vor der Brust. »Wann kommen die neuen Soldaten noch gleich?«
Mein Onkel dehnte seinen Nacken. »In ein paar Tagen kommen die Ersten an.«
Ich nickte und sprach Dai an, ohne ihn anzusehen. »Sobald sie die Schwelle des Palastes überqueren, beginnt ihre Ausbildung. Wenn die Sonne aufgeht, werden sie auf dem Platz sein und erst wieder schlafen, wenn sie untergegangen ist.«
»Und die Kinder?«, wollte ein Heerführer wissen, von dem, wie ich glaubte, zwei Söhne kamen. »Sie werden bei dieser Behandlung binnen zwei Tagen zusammenbrechen.«
Dai erklärte: »Ist es Euch lieber, sie werden auf dem Schlachtfeld niedergemacht wie Grashalme?« Ich wusste, wie er den Mann ansah, als er fortfuhr. Hart, unnachgiebig, ehrlich. »Sie werden mehr Pausen bekommen als die Männer. Das ist alles, was wir tun können.«
Ich öffnete die Lippen, als vor der Tür Tumult ausbrach und wir alle die Köpfe auf das Holz richteten, das von Kimikos alter Zofe aufgeschoben wurde.
Sie sah uns an und fand meinen Blick. Ihr Atem ging schnell, als sei die Alte gerannt.
»Eure Hoheit ... Ich muss mit euch reden. Bitte!«
Meine Nackenhärchen stellten sich auf.
»Sprich.«
»Es geht um eure Konkubine Kimiko. Ich bitte unter vier Augen zu sprechen.«
Dai neben mir verspannte sich merklich und sein Blick wurde sofort sorgenvoll. Ich versuchte, zumindest, mich normal zu verhalten. Also nickte ich nur, lief zu der Zofe und ging mit ihr den Flur entlang.
»Was ist mit Ki ... Meiner Hure?«
Ich sah zu ihr und als Tränen in ihren Augen glitzerten, verspannte auch ich mich.
»Eure Hoheit, es ist schrecklich« begann sie zu schluchzen und jeder Muskel in meinem Körper erstarrte. »Dame Kimiko wurde vor paar Tagen von einem Fremden in ihren Gemächern angegriffen. Sie wurde so stark verprügelt, dass sie das Kind verloren hat.«
»Bei den Göttern, wieso habt ihr mich nicht gerufen?!«, brachte ich mühsam heraus und schluckte.
»Der Heiler hat mehrere Boten geschickt, aber sie wurden alle von der Kaiserin abgefangen«, erklärte sie. »Wir konnten euch nicht erreichen, weshalb Dame Kimiko mich bat, euch aufzusuchen.« Sie wischte sich über die Augen. »Bitte verzeiht mir, dass ich meine Herrin nicht beschützen konnte.«
Meine Welt verschwamm, als ich losrannte, ohne auch nur eine weitere Silbe zu sagen. Noch nie hatte ich mich mich so beeilt, wie gerade. In nur einem Gedanken stand ich vor ihrem Zimmer und riss die Tür auf.
Ich war noch keinen Schritt in den Raum getreten, da sah ich sie.
Kimiko.
Sie wandte sich mir erschrocken und verängstigt zu. Verständlich, denn ich musste aussehen wie ein Drache in menschengestallt. Schwer atmend, angespannt und mit gefährlich verzerrten Gesichtszügen.
Aber als ich sie ansah, ihr Gesicht ...
Alles in mir wurde still.
»Zieh dich aus.«
Sie sah mich an, als schämte sie sich und sagte: »Ich möchte nicht.«
Ich schlug gegen den Rahmen der Tür. »Ich habe dich nicht gefragt und keine Zeit für diese Spiele, Fijiwara!« Ich Kosename schlüpfte einfach so über meine Lippen, doch es kümmerte mich nicht. »Zieh dich aus. JETZT und ALLES.«
Wenn sie Angst bekam, dann war das so, doch ich musste es sehen.
Sie zuckte zusammen, ihre Unterlippe begann zu zittern und sie blinzelte offenkundig die aufkommenden Tränen weg. Dann jedoch öffnete Kimiko widerwillig das Gewand. Es fiel zu Boden und gab somit die freie Sicht auf ihren mit Wunde übersäten Körper.
Ich gefror zu einer Eissäule.
So wie ihr Gesicht, war auch ihr Körper fast vollständig mit Prellungen und Blutergüssen übersäht. Ich ließ meinen Blick an jeder Verfärbung entlanggleiten und prägte mir Farbe und Form ein, als müsste ich darin später ein Muster erkennen oder es auf eine Leinwand übertragen.
Ihr Bauch.
Ich schluckte hart und knurrte dann.
Einen Schritt auf sie zumachend, wurde dieses Geräusch lauter. Wilder. Bösartiger. Ein Monster in mir erwachte und streckte sich und rekelte sich wie eine Katze. Und als dieses Wesen nun ebenfalls diese zarte Frau betrachtete, deren Körper nur noch aus Blessuren bestand, brüllte es seinen Zorn hinaus.
Rache.
Blut.
Tot.
Ohne diese Dinge würde die Bestie nicht wieder schlafen.
Dicht vor ihr, blieb ich stehen. Meine Hand hob sich und ich zwangs sie so sanft wie ein Windhauch, den Kopf zu heben. Ich wischte ihr eine Träne weg und fragte nur ein einziges Wort.
»Wer?«
»Ein Mann ... es war ein Mann, aber wir wissen beide, wer wirklich dahinter steckt«, wisperte sie.
Ich sah ihr entgegen. Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Jahre. Wie lange es war, konnte ich nicht sagen. Ich sah einfach in diese jadegrünen Augen, die mich von Anbeginn an verzaubert hatten.
»Das Kind«, sagte ich, obwohl ich fragen sollte.
Oder wollte? Ich wusste es nicht. Verstand die Wut und die Trauer und die Sorge und den Hass nicht mehr. Konnte nichts davon trennen oder daran hindern, sich zu einem Brei aus Emotionen zu vermengen. »Ich ... Es tut mir leid. Du ...«
Dann verfinsterte sich mein Gesicht. »Wo waren die Wachen, als man dich misshandelt hat?«
»Bitte verzeih mir. Ich konnte es nicht beschützen«, sagte sie und presste die Lippen zusammen, als müsste sie sich daran hindern, zu weinen. Dann atmete Kimiko tief ein und antwortete: »Ich weiß es nicht. Ich habe nach ..... Hilfe gerufen, aber niemand kam.«
Ich beugte mich hinab. Folgte den Instinkten und ließ mich durch diesen Strudel an Gefühlen treiben. Meine Lippen berührten ihre federleicht, dann lehnte ich mich zurück und klärte sie auf: »Nie wieder, wirst du dich für etwas entschuldigen, über das du keine Macht hast, hast du das verstanden, Kimiko Fujiwara?«
Die Antwort wartete ich nicht ab, sondern rief die Wachen hinein, nachdem ich ihr eine ihrer Decken ungelegt hatte. Sie traten ein und die eben empfundene Liebe, wurde zu Wut.
»Hattet ihr Dienst, als die Dame Fujiwara überfallen wurde?«
Die Männer würden blass, nickten jedoch. Und das reichte. Ich wollte ihre Ausflüchte nicht hören, sondern gab mich dem Rauschen in meinen Ohren hin. Dann ging alles schnell.
»Ich verurteile euch hiermit zum sofortigen Tode, da ihr eure einzige Pflicht, die Frau hinter diesen Türen zu schützen, missachtet habt.«
Sie konnten nicht mal blinzeln, so schnell ging es. Mein Dolch sauste durch die Luft wie eine Sternschnuppe und ich durchtrennte beiden sauber die Kehle. Blut spritzte und einer der Männer fiel nach vorne und der andere nach hinten. Sie zuckten, röchelten und erstickten mit weit aufgerissenen Augen an ihrem eigenen Blut.
Ich wandte mich Kimiko zu und steckte den Dolch weg. Sie kniff die Augen zusammen und drehte sich zu mir. Sie griff mein Gewand, drückte es an ihr Gesicht und atmete ein.
»Er ... es war ein Er« flüsterte sie, ohne mich anzusehen. Ich versteifte mich und legte eine Hand auf ihren Rücken. Zog sie enger an mich. Umarmte sie. Hielt sie fest. »Ein weißhaariger Junge.«
Meine Dämme brachen. Und wenn ich zuvor dachte, dass meine Gefühle verrückt speilten, so war es jetzt noch schlimmer.
Ich fühlte alles. So viel und so intensiv, das mir kurz schwarz vor Augen wurde. Ich hatte schon Kinder verloren, die meine waren. Allein Risa trug drei Mal meine Frucht, doch ...
»Mein Kind, nicht Dais«, wiederholte ich für mich und klang heißer und rau.
»Ja, dein Kind. Es war dein Kind und es war ein Junge. Ein kleiner unschuldiger Junge, der nichts falsch gemacht hat.«
Ich schob Kimiko von mir und stieg über die Leichen, ohne sie anzusehen. Ich rief weitere Wachen und befahl ihnen, alles nötige in diesem Raum in meine Gemächer zu bringen. Inklusive Kimiko selbst.
Dann lief ich auch schon durch die Gänge, bis ich vor dem Nächsten Zimmer stand, das ich einfach so betrat.
Ich blaffte Suikos Zofen harsch an, sie sollen verschwinden und bei den Göttern, sie taten gut daran, zu hören. Kreischend sprangen sie von ihrem Teekränzchen auf und zurück blieb einzig die Kaiserin.
Sie blicket mich an – die Ruhe selbst. »Was soll das, Satoru? Hat dir jemand die Suppe versalzen?«
Ich stürmte auf sie zu und riss sie aus ihrer sitzenden Position. Meine Gemahlin schrie und riss die Augen auf, während sie mich am Arm packte. Meine Hände lagen um ihre Kehle und ich schlug sie regelrecht mit dem Rücken an die nächste Wand.
Ich knurrte so tief und laut, dass die Tassen bebten. »Du elendes Miststück!«
»Sa ... tour, wa-«.
Mein Griff wurde fester und sie verstummte noch immer in meinem Handgriff zappelnd. »Wen hast du geschickt?!«
Ihr entsetzter Blick nahm eine Spur entzücken an und sie wagte es, zu lächeln. »W-wovon redest du?«
Ich hob sie an, zog sie von der Wand zurück und schlug sie erneut fest dagegen. Suikos Kopf schlug an das Holz, doch auch das wischte das Grinsen nicht aus ihrem Gesicht. »Ich habe n-nichts getan, mein Gemahl.«
»Lüge! Du versprühst dein Gift schon so viele Male, Kindsmörderin«, raunte ich und brachte mein Gesicht dicht an ihres. Unsere Nasenspitzen berührten sich fast.
»Ich habe nie auch nur ein Kind umgebracht, Satoru. Wenn deine Huren keine Föten bei sich behalten können, ist das nicht mein Problem.«
Fauchend presste ich sie mit meinem ganzen Körpergewicht an die Wand. »Lüg mich nicht an. Ich weiß, was du getan hast.«
Sie kicherte. »Nur fehlen dir die Beweise, nicht wahr?«
Ich knurrte bösartig, doch Suiko lachte nur. Sie lehnte den Kopf fester in meinen Würgegriff und küsste mich einmal wild und voller hass. Dann biss sie mir harsch in die Lippe und meine Haut platzet auf. Suiko leckte das Blut ab und zischte. »Solange du mir diese Taten nicht nachweisen kannst, mein Kaiser, werden deine Huren niemals deine Kinder austragen. Besteig sie, so oft du willst. Pump sie mit deinem Samen voll und schwänger eine nach der anderen so oft du willst. Sie werden niemals einen Erben austragen. Nicht vor mir.«
Ich starrte sie an. Wut und Verachtung in den Augen, denn ...
»Du spielst deine Karten gut, Suiko«, erklärte ich mit tödlicher Ruhe. Dann legte auch ich die Lippen auf ihre. Hass und Raserei ließen meine Zunge in ihren Mund gleiten, bevor ich mich löste und sie achtlos fallen ließ. »Doch selbst ein schlaues Miststück wie du macht Fehler. Und wenn es so weit ist, Frau wird kein Gott der Welt, dich noch vor meinem Zorn retten.«
Ich wandte mich an und lief zurück zu Tür. Über meine Schulter sehend drohte ich: »Fasst oder siehst du Kimiko nur noch ein einziges Mal falsch an, dann werde ich deinen Tod wie einen Unfall aussehen lassen. Hast du mich verstanden?«
Suiko richtete sich empört auf und warf eine Tasse nach mir. Sie traf mich im Gesicht und ein Schnitt klaffte auf. Ich rührte mich nicht.
»Drohst du deiner Kaiserin?«
Ich betrachtete sie wie ein stinkendes Insekt. »Nein, ich bin nur so gnädig, dich zu warnen.«
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