[2] Kimiko Fujiwara


»Ihr seid wunderschön, verehrte Kimiko« schmeichelte mir meine Dienerin.

Doch ich reagierte nicht. Mein Blick war nach draußen gerichtet. Die Sonne schien und eine leichte Brise bewegte die Vorhänge. Und obwohl heute ein wunderschöner Tag wäre, ist er es für mich nicht. Ich senkte den Blick, während meine Dienerin weiter meine Haare kämmte. Meine Fingernägel krallten sich in den teuren Stoff meines Kleides und ich biss die Zähne zusammen.

Wieso musste es so weit kommen?!

Wieso!

»Tochter!« ertönte die Stimme meines Vaters.
Die Dienerin nahm sofort Abstand und kniete sich auf dem Boden. Sie verbeugte sich, als mein Vater in mein Zimmer eintrat. Ich sah ihn an, ließ mir meine Trauer und Enttäuschung nicht anmerken. »Ja, Vater?«

Er musterte mich und nickte zufrieden. »Die kaiserliche Kutsche ist soeben angekommen. Lass den Kaiser nicht warten, beeil dich«
Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte er schon meine Räumlichkeiten verlassen.

Meine Hände fingen an zu zittern. Ich wollte doch meinen Kindheitsfreund....

»Verehrte Kimiko?« fragte meine Dienerin.

Ich presste die Lippen zusammen, sah in den Spiegel. Meine tiefschwarzen langen Haare waren bereits zurechtgemacht. Meine stechend grünen Augen erwiderten meinen verzweifelten Blick. Die grüne Haarnadel steckte perfekt in meinen oben halb zusammengebundenen Haaren.

Ich will das nicht.

Wieso ich?

Wieso!

Ohne etwas zu sagen, erhob ich mich und verließ mein Zimmer. Die Dienerin folgte mir schnell und half mir, meine Schuhe anzuziehen.

»Tochter!« hielt mich mein Vater auf.

Ich drehte mich nicht herum.

»Enttäusch mich nicht. Diene dem Kaiser gut. Die Kaiserin kann keinen Erben bekommen, also liegt es an dir, diese Aufgabe zu erfüllen. Mach deinen Vater stolz« seine tiefe Stimme drang in mein Ohr und ließ mich regelrecht erzittern.

Ich wollte doch eigentlich meinen Kindheitsfreund....

»Ja, Vater« erwiderte ich widerwillig und verließ mein zu Hause.

Ich trat hinaus in die Sonnenstrahlen. Unsere Diener packten bereits mein Gepäck auf die Kutsche. Ich richtete mein Kleid und versuchte mir nichts anmerken zu lassen, als ich durch unsere Tore auf die Straße trat.

Selbstverständlich war durch das schöne Wetter auf den Straßen viel los. Und jeder kannte diese Kutsche, die mich heute in die Hölle fahren würde.

Mir entging das Geflüster nicht, als die Menschen mich erblickten.

»Das ist die Tochter vom Haus Fujiwara«

»Sie soll die nächste Konkubine des Kaisers werden«

»Mal sehen, ob sie länger leben wird als die vorherige Konkubine«

»Schrecklich. Ich habe wirklich geglaubt, sie würde den General...«

»Shhh! kein Wort. Das ist Vergangenheit.«

Meine Hände verkrampften sich.

Selbstverständlich hatten die Menschen um unser anwesend bemerkt, wem ich eigentlich versprochen war.

Ich versuchte dennoch würdevoll zu sein.

Aber als ich meinen Kindheitsfreund und General des Kaisers, Dai Kazuko, vor meiner Kutsche stehen sah, schmilzt meine Würde davon.

Mein Herz fing wie verrückt an zu schlagen und meine Lippen wurden trocken.

Ich liebte ihn.

Doch ich durfte es nicht zeigen. Ich gehörte ihm nicht länger, sondern dem Kaiser. Und niemand würde es wagen, sich einem Befehl vom Kaiser zu widersetzen.

Ich schluckte schwer, senkte den Blick und begrüßte meinen Kindheitsfreund, den ich eigentlich liebte und dem ich versprochen war.

»Kazuko«

Ich durfte ihn nicht mehr mit Vornamen ansprechen.

Es schmerzt so.

Er sah mich an und sein Kiefer spannte sich an.
»Fräulein Fujiwara«, begrüßte er mich, obwohl er mich wohl lieber an sich gezogen hätte. »Last mich euch in die Kutsche helfen.«

Er bot mir nicht die Hand an, denn als neue Konkubine des Kaisers, dürfte mich kein anderer Mann mehr berühren. Dennoch öffnete er die Tür der Kutsche.

Als er mich so förmlich ansprach, wurde all das hier nur realistischer.

Ich sah zu ihm hoch, seine dunkelbraunen Haare, die fast schwarz wirkten, und seine wunderschönen dunkelblauen Augen, in denen ich so viel Liebe für mich erblickte.
Ich wollte ihm in die Arme springen, ihn küssen, ihn lieben.....

Aber das ging nicht, nicht mehr.

»Danke« flüsterte ich nur und stieg in die Kutsche.

Angespannt setzte ich mich hin und sah Dai wieder an.

Er erwiderte mein Blick, doch als ich hinter ihm meinen Vater erblickte, der mich ermahnend ansah, senkte ich den Kopf.

Dai sah über seine Schulter zu meinem Vater. Dann betrachtete er mich und folgte mir in die Kutsche. Als ein niederer Wachmann Anstalten machte, zu sprechen, sagte er in knappem Befehlston: »Ich fahre auf Anweisung des Kaisers in der Kutsche mit. Um die Sicherheit der kaiserlichen Konkubine zu gewährleisten.«
Zu mehr ließ er sich nicht herab und schlug die Tür zu.

Überfordert sah ich ihn an. »Was machst du hier? Du weißt, was passiert, wenn man erfährt, dass wir....« meine eh schon leise Stimme brach ab.

»Zieh die Vorhänge zu«, verlangte er und sah mich nicht an.

Ich dagegen sah ihn geschockt an. »Nein! Wenn das jemand mitbekommt, dann werden wir hingerichtet.« Mein Versuch, entschlossen zu wirken, funktionierte nicht.

Nun hob Dai den Blick und sah mir mit rasendem Herzen entgegen. Dann beugte er sich vor und schloss die Vorhänge. Sein Augenmerk huschte über meine Züge.
»Du bist wunderschön, Kimiko.«

Als er meinen Namen mit seiner wundervollen Stimme sagte, erweichte mein Herz. Und bevor ich realisierte, was ich tat, saß ich seitlich auf seinem Schoß und küsste ihn. »Ich liebe dich...wieso... musste das nur so weit kommen«

Er legte seine Arme um mich und presste mich an sich. »Ich liebe dich auch. Gott ... ich kann dir nicht beschreiben, wie sehr ich dich liebe.«

»Dai...« hauchte ich und strich ihm sanft über die Wange. »Ich will nicht zum Kaiser....können wir nicht einfach abhauen?« Es war eine dumme Frage, ich wusste, dass er sie nicht mit ja beantworten würde. Dennoch bestand vielleicht eine kleine Hoffnung, dass wir irgendeine Chance hatten, dem hier zu entkommen.

Er legte seine Stirn an meine und ließ seine Hände über meinen Körper gleiten. »Du solltest an meiner Seite sein. Du ... Verdammt!« Wieder legte er seine Lippen auf meine. Er hob mich hoch, sodass ich nun rittlings auf mir saß. Er flüsterte, wie sehr er mich liebte, als seine Hände den Stoff meiner Gewände hochschob, hauchte er gegen meine Lippen. »Kimiko«

Er atmete hektisch, schüttelte aber den Kopf. »Es gibt keinen Ort, an dem wir uns verstecken könnten.«

Dai küsste mein Kinn, meinen Hals, schob den Stoff beiseite, um an meinem Schlüsselbein zu knabbern. »Der Kaiser, er ... ist, wie er eben ist.«

»Dai« hauchte ich wieder und auch ich atmete schnell. Doch als er meinen Stoff hochschob, hielt ich ihn auf.

»Wenn das so ist... dann dürfen wir nicht... mehr weitergehen.« flüsterte ich traurig.

Ich wollte mich wegdrücken. »Ihr seid Freunde....Dai....« Ich sah zur Seite. Der Kaiser und Dai waren in den letzten Jahren Freunde geworden. Das Jahr, in dem ich auf ihn wartete. Wir wollten heiraten und nun...

»Sato- ... ich meine, der Kaiser erfährt es nicht.« Er zog meine Lippen wieder auf seine. »Ein letztes Mal, Kimiko. Bitte«, hauchte er und schob seine Zunge in meinen Mund. »Ich habe dich schon ein ganzes Jahr nicht mehr gesehen. Ich ... brauche dich.«

Ein Klopfen ließ uns beide Zusammenfahren, als seine Finger gerade dabei waren, sein Ziel zu finden.

»General Kazuko, wir fahren gleich im Palast ein.«

»Oh nein. Bitte nicht. Ich will nicht. Ich will weg... Ich muss...« Ich sah mich hektisch um. Drückte mich von Dai weg und setzte mich wieder ihm gegenüber. Mein Kleid wieder zurechtgemacht, sah ich ihn unsicher an. »Wenn du mich wirklich willst, dann würdest du sowas nicht zulassen« fuhr ich ihn an.

Dai verzog das Gesicht. »Du weißt, dass ich keine Macht über solche Entscheidungen habe, Kimiko. Und du weißt ebenfalls, dass ich deinen Vater angefleht habe, es nicht zu tun. Allein das hätte mich den Kopf kosten können. Ich ...«, schluckend ballte er die Hände zu Fäusten. »Ich bin zwar der erste General des Kaisers, aber ... Satoru tut, was er will. Ich kann ihm genauso wenige sagen, was er macht und was nicht, wie sonst wer. Also sei nicht ungerecht, Kimiko.«

»Ihr seid Freunde! Du hättest ihm sagen können, dass...« Ich stoppte und versuchte, meine Emotionen zu kontrollieren. Ich atmete tief ein und sprach ruhiger weiter. »Du hättest ihm sagen können, dass wir uns lieben. Aber stattdessen willst du mich noch einmal .....« ich schüttelte enttäuscht den Kopf. »Der Kaiser hätte es vielleicht verstanden, wenn du ehrlich gewesen wärst«

Er lachte auf und rieb sich die Haare, als die Kutsche ruckeln zum Stehen kam. Er sah kurz aus dem Fenster, bevor er den Blick zurück auf mich richtete. »Du kennst den Kaiser nicht, Kimiko. Ja, er und ich sind Freunde, und dass ich in nur einem einzigen Jahr den Rang eines Generals erlangt habe, habe ich ihm zu verdanken. Allein ihm. Aber ... Ich stehe nicht in der Position ihn auch nur ansatzweiße, um irgendetwas zu bitten oder ihm DAS zu sagen. Selbst als sein Freund nicht. Er wusste, dass wir verlobt waren, und hat mir netterweise Bescheid gesagt, dass du von nun an ihm gehörst. Mehr kann ich nicht verlangen. Aber das Angebot deines Vaters abzulehnen, hätte ihm politisch Probleme bereitet. Gerade in dieser Zeit, kurz vor ...« Er zwang sich, den Mund zu halten. Als hätte er fast etwas gesagt, was er nicht sagen durfte. »Er braucht jeden Verbündeten. Jeden. Er kann und wird weder auf meine noch auf deine Gefühle achten. Selbst wenn er davon wüsste. Und wenn du willst, dass wir uns hin und wieder sehen, dann sagts du kein Wort darüber, was wir füreinander fühlen. Verstehst du?«

»Dai« wiederholte ich seinen Namen. »Ich habe auf dich gewartet, ein Jahr lang. Ich dachte, wenn du zum General wirst, dann... dann hätte unsere Verlobung endlich mehr wert«
Meine Finger krallten sich in mein Kleid fest. »Ich versteh das alles nicht. Wenn er doch wusste, dass wir verlobt waren, wie konnte er so etwas tun!« Wütend verzog ich das Gesicht. »Ich werde ihm das nicht verzeihen. Mir sind die politischen Probleme vollkommen egal!«
Mein Körper spannte sich an. »Selbstredend werde ich nichts sagen. Nachher rollen unsere Köpfe noch. So dumm bin ich nicht.«

Dai biss die Zähne zusammen und wiederholte auch meinen Namen. »Kimiko, glaub mir, wenn ich dir sage, dass auch ich dachte, das alles läuft anders als jetzt.« Er atmete tief ein und als einer seiner Soldaten die Tür öffnete, riss er an der Klinke und fauchte. »Einen verdammten Moment noch!« Die Tür knallte zu und er rieb sich übers Gesicht, bevor er mir wieder entgegensah. »Er konnte es tun und er musste. Es ... passieren gerade Dinge, Kimiko, über die wir keine Gewalt haben. Dinge, die ... Die Zukunft steht auf wackeligen Beinen. Aber das sind alles nicht deine Belange. Hör mir bitte zu, okay? Der Kaiser hängt nicht sonderlich an seinen Kurtisanen. Und er wird auch nicht an dir hängen. Also versuche, einfach durchzuhalten. Ich werde mein Bestes geben, mit ihm zu sprechen. Ich ...« Er biss die Zähne wieder zusammen. »Ich will das hier genauso wenig wie du. Ich liebe dich, Herrgott! Denkst du, mir gefällt es, was er und du ... wenn ihr ...« Verzweiflung packte ihn und er stützte sich auf den Knien ab. »Ich liebe dich so sehr, dass es wehtut, aber das Reich und der Kaiser stehen über allem.«

Meine Augen weiteten sich und ich konnte nicht verhindern, dass mir die Tränen kamen. Schnell tupfte ich mir mit meinem Ärmel die aufkommenden Tränen weg. Sie durften meine Schminke nicht verschmieren.

Leise erhob ich mich und setzte mich neben ihn hin. Sanft nahm ich seine Hand »Ich liebe dich auch so sehr. Dai, du bist die Liebe meines Lebens. Ich verspreche, ich werde nichts mit dem Kaiser machen. Er soll mich nicht anfassen. Ich will nur dich« ich drückte seine Hand.

Er schüttelte den Kopf, als es ein weiteres Mal klopfte. Er richtet sich auf und wurde wieder der General, der er sein musste. Dann sah er mich an und öffnete die Tür.

»Du wirst tun, was dein Kaiser verlangt. Ganz gleich, was es für dich bedeutete.«

Ich wusste, dass das ‚dich' eigentlich ‚uns' bedeutete.

Er stieg aus und setzte sich in Bewegung, ohne mich noch einmal anzusehen.
Ich öffnete meinen Mund, wollte ihm widersprechen. Aber als er die Kutsche verließ, konnte ich ihm nur noch nachsehen.

»Fräulein Fujiwara, willkommen im kaiserlichen Palast« begrüßte mich eine der unzähligen Dienerinnen.

Ich sah sie an, erhob mich widerwillig und stieg aus der Kutsche.

»Bitte folgt mir, ich werde euch in euere neuen Gemächer bringen« lächelte sie freundlich.

Ich nickte nur.

Sie lief vor, ich ihr hinterher und 6 weitere Dienerinnen, 3 auf jeder Seite hinter mir. Alle trugen das gleiche Gewand und ihre Haare waren ebenfalls gleich zusammengesteckt.

»Der Kaiser wird euch heute Abend bereits besuchen. Ihr werdet dafür selbstverständlich dementsprechend hergerichtet« erklärte sie mir und ließ mich kurz darauf in ein sehr traditionelles Haus eintreten. Sie schob die Türen zu jeder Seite auf und zeigte mir mein neues zu Hause.

Ich besaß einen Empfangsraum. Ein Schlafraum und ein weiteren Raum, der zu einem sehr prachtvollen japanischen Garten führte, und einen Ankleideraum, wie auch einen großen Baderaum. Ich sah mich um und es war wirklich hübsch hergerichtet.

»Ist alles zu eurer Zufriedenheit?« fragte sie mich.

Wieder nickte ich.

»Dann möchte ich mich vorstellen. Ich bin eure oberste Zofe, bitte nennt mich Yui.« stellte sie sich vor.

Dann stellte sie auch die anderen Dienerinnen vor, aber ich hörte gar nicht mehr richtig zu. Meine Gedanken waren bei Dai. Ich vermisse ihn.

Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich hier war.

».....ir dienen Euch ab heute« sprachen alle gleichzeitig und verbeugten sich.

Ich sah sie nur ausdruckslos an.

Bis die oberste Dienerin in die Hände klatschte. »Dann wollen wir euch Mal für den Kaiser hübsch herrichten« lächelte sie.

Ich will das nicht.

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