[13] Satoru
Ich rieb mir den Nasenrücken und versuchte, die Anspannung etwas zu lösen.
Wir waren vor ungefähr ein paar Stunden wieder angekommen und seither hatte man mir eine schlechte Nachricht nach der anderen überbracht.
Als mein Onkel mit der Berichterstattung fertig war, schwieg er eine Minute. Dann noch eine und dann noch eine.
Es blieb so lange ruhig, bis ich einen Schrei ausstieß und mit einem Tritt den Schrank im Arbeitszimmer zu Kleinholz verarbeitete. Ich verfluchte die Götter und raufte mir dabei angestrengt die Haare.
Herrgott, ich hatte nicht einmal meine Uniform ausgezogen und schon musste ich mich mit dem Irrsinn auseinandersetzten, den meine Frau, während meiner Abwesenheit veranstaltet hatte.
»Wie konntest du zulassen, dass sie Dais Schwester hinrichtet!«
Mein Onkel wirkte unbeeindruckt. »Sie hat zugegeben, eine Lüge verbreitet zu haben. Die Hinrichtung war ... legitim.«
»Das ist mir egal!«, brüllte ich. »Es war seine Schwester! Ihr hättet warten müssen, bis ich wieder hier war!«
Mein Onkel regte sich nicht. »Die Kaiserin hat-«
»Ach hör doch auf«, schnitt ich ihm das Wort ab, atmete tief durch und schloss die Augen. Ich wusste ja, dass er nichts tun konnte, aber ... »Und was ist die eine gute Nachricht, die du vorhin erwähnt hast?«
Er legte den Kopf schief. »Deine erste Konkubine ist schwanger. Aber ...«
Ich erstarrte. Schwanger. »Wie weit ist sie? Und was ist dieses ›aber‹?«
»Einige Wochen«, antwortete er. »Und das aber ist, dass sie seit einer guten Woche etwas kränklich zu sein scheint.«
Kränklich. So wie es immer war, bevor sie ihre Kinder verloren. Ich wusste also, worauf ich mich einstellen musste. Freude über diese Nachricht empfand ich ohnehin nicht wirklich.
Ein Erbe war für mich ... eine Pflicht.
»Schön, ich werde zuerst zu ihr gehen. Dann zu den anderen und zu guter Letzt, werde ich wohl mit meiner Frau sprechen.«
»Die Dame Fujiwara war im Übrigen auch krank.«
Ich fluchte und wandte mich ihm zu. »Ich kläre das. Bis dahin, sieh zu, das Dai nichts davon mitbekommt, was mit Saki passiert ist. Ich werde ihm das sagen.«
Mein Onkel nickte und ich lief daraufhin zielgerichtet zu Risa.
Langsam betrat ich ihr Zimmer und lief zu dem Bett, indem meine Konkubine lag. Sie schlief, doch als ich mich auf den Rand der Matratze setzte, schlug sie schwächlich die Augen auf.
»Mein Kaiser, ihr seid ... wieder zurück.« Ihre Stimme klang schwach und das Lächeln war kaum mehr als ein zucken.
Ich legte meine Hand auf ihre schweißnasse Stirn. »Du hast Fieber.«
Sie schloss die Augen. »Mir geht es gut. Ich ... werde nicht noch einmal ... versagen.«
Ich versuchte, mich an einem Lächeln. »Du weißt, dass die anderen Male ebenso ihren Lauf genommen haben. Wir sollten uns darauf vorbereiten, dass du auch dieses Kind verlieren wirst.«
Es mochte hart klingen und ich konnte nicht nachvollziehen, was das für eine Frau bedeutete, aber ich sah keinen Sinn darin, zu lügen. Was schlimmer war und wahrscheinlich der Grund für ihre Sorge, dass sie nach dieser Fehlgeburt, laut der Gesetze, fortgehen und ersetzt werden musste. Vier Versuche. Nicht einen mehr. »Ich sehe es nicht als dein versagen, sondern als meines.«
Mit viel Mühe zog sie ihre Hand aus der Decke und legte sie mir an die Wange.
»Satoru« hauchte sie, weil ich ihr erlaubt hatte, mich so zu nennen, wenn keiner bei uns war. »Ich habe dich immer verehrt. Mir nichts ... Sehnlicheres gewünscht, als dir ein Kind zu ... schenken.« Ihre Stimme brach, sie atmete ein und wieder aus. »Ich ... gebe die ... Hoffnung nicht auf.«
»Natürlich tust du das nicht«, sagte ich. »Das schätze ich ja so an dir.«
Und es stimmte- selbst wenn ich von Liebe oder ähnlichen Gefühlen weit entfernt war, mochte ich Risa. Deshalb log ich sie auch nicht an. »Deine Zofe meinte, du hast leichte Blutungen. Ich will nur nicht, dass du wieder trauerst, wenn es so weit ist.«
Ich war der Kaiser. Für mich gab es keine Tagträumerei, die mit Hoffnung versehen war. Risa würde das Kind verlieren und dann, wenn sie sich erholt hatte, gehen.
Risa strich mir über die Wange. »Auch, wenn du mich jetzt darauf ..... vorbereitest... Werde ich trauern. Du ... kannst das nicht verhindern. Ja, der Hofarzt, kann sich das nicht ... erklären. Ich... habe viel Blut verloren.« Sie versuchte, wieder zu lächeln. »Aber... so lange das Kind lebt... werde ich es schaffen.«
Ich schenkte ihr ein trauriges Lächeln. »Nein, das wirst du nicht, Risa«, bestand ich auf die Wahrheit. Ich hasste Lügen, und auch, mich an eine zu klammern. Mir wäre es auch lieber, sie behielte das Kind. Denn wenn ein Erbe da wäre, könnte ich diesen Mist mit den Konkubinen und den Sex mit meiner verhassten Gemahlin endlich abhaken. Nicht das mir der Sex mit den Damen zuwider war, aber ... es wäre Stressfreier. Ich nahm ihre Hand von meiner Wange und legte sie zurück unter die Decke. »Aber ich bewundere deinen Optimismus. Vielleicht geschieht ja doch ein Wunder.«
Risa sah mich an. Traurig seufzte sie leise. »Ich ... wollte es diesmal schaffen. Ich wollte auch... Kimiko nicht enttäuschen.«
Ein trauriges winziges Lächeln zuckte an meine Mundwinkel, während ihre Augen sich mit Tränen füllten. »Du hättest sie sehen sollen, Satoru. Sie ... war ... Unglaublich. Sie hat sich der Kaiserin entgegengestellt, ohne Angst zu zeigen. Doch der Tod ... des Mädchens, ... der Name ist mir entfallen – hat sie gebrochen.« Sie sah mich wieder an. »Kannst du ... kannst du Kimiko ausrichten, dass es mir leidtut. Das ihre Mühen, mich zu ... schützen ... umsonst waren? Ich ... bin ihr dennoch dankbar. Durch sie ... hatte ich den Mut, mich ebenfalls ... von der Kaiserin nicht kleinkriegen ... zu lassen-«.
Ihre Stimme brach wieder ab und sie schloss ihre Augen.
»Eure Hoheit, ich denke, Konkubine Suzuki benötigt Ruhe.«
Die Dienerin verbeugte sich vor mir.
Ich nickte und stand auf. Ich bat jedoch die Zofe, mit mir zu kommen, ehe ich ging. Ich fragte sie, was Risa meinte.
Die ältere Dienerin tat sich sichtlich schwer mir eine Antwort zu geben, doch als ich sie kaiserlich autoritär ansah, berichtete sie mir endlich, was ich wissen wollte. Und bei den Göttern, es war eine Menge.
Meinen Plan verwerfend, zuerst zu der zweiten Hure zu gehen, steuerte ich nun direkt Kimikos Zimmer an und betrat es. Ich suchte den Raum ab und fand sie aber nicht. Die Wache, die für Dai den Dienst übernommen hatte, sagte mir, ich fände sie beim Tempel.
Ich machte mich also dorthin auf den Weg und um den Respekt des Ortes zu wahren, ließ ich meine sieben Wachen draußen vor der Tür stehen. Ich wusch mir die Hände, zog meine Stiefel aus und betrat demütig den Göttertempel.
Ich fand Kimiko in ein Gebet vertieft, die Stirn auf den Boden gedrückt. Ich wartete, bis sie fertig war, und sah zu, wie ihre Zofe Kimiko aufhalf. Als sie mich sah, meinte ich, so etwas wie Erleichterung zu erkennen. »Eure Hoheit. Ihr seid gesund und munter zurückgekehrt. Ein Glück.«
Sie verbeugte sich, gestützt von ihrer Zofe.
Ich ging zu ihr, übernahm die stützende Hilfe und bat die Zofe, uns alleine zu lassen. Sie war keine Sekunde aus dem Tempel verschwunden, da lief ich um Kimiko herum. Ich fragte sie nicht nach ihrem Einverständnis, das ich ohnehin nicht brauchte – und löste den Stoff ihrer Kleidung.
Sie schaffte es, ihr Gewand vorne festzuhalten, sodass nur der Rücken nun frei lag. »Bitte«, setzte sie kleinlaut an. »Seht mich nicht an. Ich ... bin entstellt.«
Ich ließ meinen Blick über ihren Rücken wandern und verbiss mir einen Fluch, während ich zählte. »Fünfzehn Schläge. Drei davon so fest, dass der Heiler dich nähen musste.« Keine Frage, sondern eine sachliche Feststellung. »Die Wunden sind nicht entzündet, aber auch noch nicht verheilt.«
Mit einem Mal bereute ich es unglaublich, sie zuvor mit dem Stock betraft zu haben. Selbst wenn die Schläge weniger grausam waren, als das, musste es diese Strafe, wegen der sowieso gereizten Haut, verschlimmert haben.
Ich nickte für mich, half ihr dabei, sich wieder anzuziehen. Dann drehte ich sie zu mir herum. »Wieso hast du das getan? Dir muss klar gewesen sein, dass die Kaiserin dich bestrafen wird.«
Sie sah mich an. »Selbstverständlich. Aber das war mir gleich. Ich ... Nein Risa. Ich musste Risa vor dieser schrecklichen Frau schützen. Sie wollte sie und dem Baby schaden«, erklärte sie mir und sah mich ernst an. »Wenn sie es nicht schon längst getan hat«, meinte Kimiko nun leiser. Dann sah sie verzweifelt zu Boden. »Und ... Saki ... Dais Schwester ist meinetwegen tot. Ich sollte einfach sterben. Ich wollte, dass die Kaiserin mich nimmt. Aber sie weigerte sich und richtete Saki hin.«
»Es ist nicht deine Schuld, das Dais Schwester starb. Sie hat mit dieser Lüge ihr Schicksal besiegelt, Kimiko. Sie wäre demselben Schicksal erlegen, wenn ich hier gewesen wäre«, hielt ich dagegen.
Sie sollte sich keine Schuldgefühle machen. Nicht jetzt. Ihr ganzer Rücken war ein Schlachtfeld und würde für immer Narben behalten. Doch ... ich richtete mich auf und sagte: »Du wirst jede diese Narben mit stolz tragen, hörst du? Sie zeigen, dass du mutig bist und das dein Herz das einer Heldin ist. Es zeigt, dass du für Schwächere einstehst und Ungerechtigkeit dein Feind ist. Du bist keinesfalls ›entstellt‹, Kimiko. Du bist als rechtschaffen gezeichnet.« Ich sah ihr in die grünen Augen und legte so viel Ernsthaftigkeit in meine Stimme, wie es mir möglich war. »Und wer auch immer etwas anderes behauptet, und sei es auch nur hinter vorgehaltener Hand, wird meinen Zorn spüren.«
hre Augen weiteten sich. Sie trat näher an mich heran, und mit Tränen, die sich scheinbar einfach den Weg bahnten, drückte Kimiko ihr Gesicht an meine Brust. Sie krallte sich in meine Rüstung und weinte, ließ dem Schmerz freien Lauf.
»Ich bin ... so froh«, schluchze sie. »Dass ihr wieder hier seid.«
Ich ließ sie weinen und als sie ihre Trauer nachließ. Hob ich mit zwei Finger in Kinn an und sah ihre entgegen. »Ich bin ebenfalls froh, dass wir wieder hier sind.« Vorsichtig beugte ich mich zu ihr hinab und legte zart meine Lippen auf ihre. Es war weniger ein Kuss, als eine tröstende Geste und hielt nur zwei, maximal drei Sekunden an.
Dann richtete ich mich wieder auf und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. »Und jetzt, sei tapfer und geh zu deinem Freund.« Ich sah ihre Haare an und folgte meiner Hand, die über die schwarze Seide glitt. Dann begegnete ich den Blick der mutigen Konkubine wieder. »Der General liegt in seinem Zimmer. Er wurde ... verwundet.« Bevor sie etwas erwidern konnte, erklärte ich noch schnell: »Dai weiß noch nicht, was mit Saki geschehen ist, und ich werde derjenige sein, der es ihm sagt, also schweig bitte, was das Thema betrifft.«
Sorge spiegelte sich in ihren wunderschönen Augen wider, aber Kimiko nickte. Sie war so tapfer, so mutig, so ... Ich schluckte gegen die Wärme in meiner Brust an. Als mir erzählt wurde, was sie getan hatte, um Risa zu verteidigen, hatte mein Herz gehüpft. Ich kannte diese Gefühle bezüglich einer Konkubine nicht. Ich mochte sie, aber ich fühlte nichts für eine von ihnen. Aber ... Nein, nein das passierte nicht.
»Ja, ich werde nichts sagen. Danke, dass ihr mir davon berichtet.« Sie nahm wieder Abstand, verneigte sich kurz und sah dann wieder auf. »Ich werde jetzt gehen und nach General Kazuko schauen.« Sie drehte sich weg, aber bevor sie den Tempel verließ, sah sie mich noch einmal an. »Ich habe mich entschieden. Ich werde euch meine Entscheidung mitteilen, wenn ihr mich das nächste Mal aufsucht.«
Ich nickte, lief aber noch mal auf sie zu. Ich stellte mich dicht vor sie und ... Mein Gott, ich wollte sie küssen. Wirklich und wahrhaftig küssen. Aber ... »Ich warte auf deine Antwort, meine kleine Fijiwara. Beschützerin der Schwachen und Trägerin der Naben der Gerechtigkeit.« Ich verneigte mich tief und blieb in dieser Position, länger als es der Kaiser sollte.
Dann erhob ich mich, wandte mich ab und ging zum Tempelschrein zurück, um selbst ein paar Worte an die Götter zu richten.
Denn weiß Gott, wir würden ihre Unterstützung brauchen, bei all dem, was ich und Dai in Erfahrung gebracht hatten.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top