Straight Outta Compton

TEIL I

*diese Story spielt in an alternate universe - enjoy*

Solltet ihr mal in Los Angeles unterwegs sein, beachtet folgende zwei Regeln. Erstens: Je näher ihr an der Küste seid, desto sicherer sind die Gebiete. Zweitens: Nach Sonnenuntergang solltet ihr sämtliche Strände meiden. Ein romantischer Spaziergang am Venice Beach zu später Abendstunde? Verzichtet drauf! Die Menschen, denen ihr dort über den Weg laufen werdet, sind keine angenehmen Zeitgenossen.

Auch an den anderen Stränden, die weiter südlich verlaufen, solltet ihr euch nicht aufhalten. Playa Del Rey Beach, Dockweiler Beach – und an der Grenze von Los Angeles – El Segundo Beach. Während tagsüber das Meer glitzert und der Sand die Füße wärmt, tun sich nachts die gesellschaftlichen Abgründe auf. Die Stadt der Engel – bekannt für Hollywood, Sonne und Glamour – ist in manchen Teilen eher weniger von Schutz gesegnet. Dafür gibt es zu viele gefallene Engel.

Noch weiter südlich findet ihr Manhattan Beach. Eine gemütliche Gemeinde, die zum Los Angeles County gehört. Dort findet ihr nicht nur moderne Villen und Volleyballfelder, sondern auch mich. In einem beigefarbenen Haus mit viel zu vielen Zimmern. Früher habe ich es geliebt, dass sie mir unzählige Versteckmöglichkeiten geboten haben. Aber je älter ich wurde, desto seltener wollte ich mich verstecken. Weder in der Waschküche noch generell im Haus. Ich wollte die Streitigkeiten der Nachbarn nicht nur durch das gekippte Fenster belauschen. Das Tosen des Meeres in unruhigen Nächten aus nächster Nähe betrachten. Menschen begegnen, Freundschaften schließen, mich verlieben.

Wächst man in einer kleinen Gemeinde auf, ist es immer schwierig etwas Neues zu sehen – etwas Unbekanntes für sich zu entdecken. Vielleicht wisst ihr, was ich meine. Jeder kennt jeden – zumindest glauben es die Leute. Wer kennt seinen Nachbarn schon wirklich, wenn man ihn nur beim Blumengießen beobachtet. Vielleicht wisst ihr, wie oft der Postbote nebenan klingelt. In welcher Form die Hecken gestutzt werden. Wann die ungezogenen Blagen aus dem Mittagsschlaf aufwachen. Wer Yoga macht und wer lieber die Volleyballfelder nutzt. Aber vielleicht kennen sich nicht einmal die Menschen, die in einem Haus zusammenleben. Es ist schwierig aus dem Trott auszubrechen und das zu machen, was einem gefällt – ohne von allen schief angesehen zu werden.

Die Arme um meine kalten Schultern schlingend stapfe ich durch den dunklen Sand. Von weitem weht Gelächter, Rauch und ein süßlicher Duft zu mir herüber. Der rote Punkt am Wasser deutet darauf hin, dass jemand ein Feuer entfacht hat. Keiner mit gesundem Menschenverstand würde weiterhin in diese Richtung laufen – geschweige denn auf die Gruppe zusteuern. Meinen Verstand habe ich aber wahrscheinlich schon vor einigen Wochen verloren, als ich mich das erste Mal zu dieser Truppe dazugesellt habe.

Je näher ich dem Feuer komme, desto lauter werden die Gespräche – desto schneller pocht mein Herz. Die dunklen Stimmen versprechen Abenteuer, Adrenalin und eine der Stimmen verspricht noch so viel mehr. „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr", empfängt mich die raue Stimme des Dunkelhaarigen. Seine Finger verschränken sich mit meinen und halten mich an Ort und Stelle. „Mein Dad ist auf dem Sofa eingeschlafen und ich musste noch warten bis er hoch ins Schlafzimmer geht", lasse ich mich auf seinen Schoß ziehen. Momentan ist die Terrassentür im Wohnzimmer die Einzige, die nicht alarmgesichert ist.

„Du bist ein unartiges Mädchen, Alice", raunt mir der Junge amüsiert in mein Ohr. Alice. Der Name klang mir immer schon zu brav. Deswegen nennen mich die meisten Al. Aber wenn Jacob meinen vollen Namen ausspricht – mein Name aus seinem Mund – bereitet es mir jedes Mal aufs Neue Gänsehaut. Auf meiner Unterlippe kauend betrachte ich sein Gesicht einen Moment. Der Schein der Flammen spiegelt sich in seinen braunen Augen wider und lässt seine Haare glänzen. Über seiner Augenbraue prangt eine Schürfwunde, was daraufhin deutet, dass er schon wieder in einer Meinungsverschiedenheit involviert gewesen ist.

Bevor ich mit meinem Finger darüberstreichen kann, befreit Jacob mit seinem Daumen meine Lippe von meinen Schneidezähnen. Nur um kurz darauf seine vollen Lippen auf meine zu pressen. Obwohl er bei anderen gerne zuschlägt – rund um die Uhr offensichtlich Dreck am Stecken hat – kann er auch unheimlich sanft sein. Doch das will ich gar nicht. Ungeduldig vergrabe ich meine Finger in seinen weichen Haaren, bis er das Tempo anzieht. Seine Küsse sind verlangend und dennoch darauf bedacht, dass ich damit einverstanden bin.

Ein Rütteln, das durch meinen Körper fährt, lässt mich hochschrecken. Dabei beiße ich aus Versehen auf Jacobs Unterlippe, was ihm ein leises Lachen anstatt eines Fluchens entlockt. Erneut schüttelt jemand an Jacobs Schulter. „Dann eben nicht, bleibt mehr für uns", freut sich Bene, da sich der Dunkelhaarige immer noch auf mich konzentriert. Zwischen den Fingern hält der Lockenkopf einen glimmenden Joint. Seine Augen sehen so aus als hätte er bereits genug gehabt. „So siehst du aus. Gib her", lehnt sich Jacob zu seinem Kumpel hinüber.

Nachdem die beiden miteinander gerungen haben, hält der Junge unter mir triumphierend die Tüte in die Höhe. Mit geschlossenen Augen zieht Jacob an ihr und ein Knistern erfüllt die Luft zwischen uns. Verschmitzt grinsend bläst er mir vorsichtig den Rauch ins Gesicht. In den letzten Wochen habe ich viel Scheiße gebaut. Aber dazu, an einem Joint zu ziehen, konnte ich mich noch nicht überwinden. Auch heute muss ich meinen Kopf wegdrehen und husten, obwohl ich mein bestes gebe, normal weiter zu atmen.

„Al", wiederholt eine zarte Stimme meinen Spitznamen einige Male, „komm her, du heiße Schnitte." Mit glühenden Wangen klopft Angelina neben sich auf den Sand. Ihre langen Haare hat sie in zwei Zöpfe eingeteilt und mit pinker Farbe besprüht. Ihre Augenringe sind noch dunkler als vorgestern und mein Herz wird schwer. Im Feuerschein sieht sie unglaublich zerbrechlich aus. Es ist bittersüß, dass ihr Freund sie Angel nennt. Der Heiligenschein, den er durchgehend bei ihr sieht, mag vielleicht existieren – doch wohl eher schwach. Denn eigentlich ist sie ein weiterer gefallener Engel, der hofft, seine Flügel würden durch Medikamente schneller heilen.

Lächelnd erhebe ich mich, komme jedoch nicht weit. „Lass mich nicht einfach hier so zurück", schmollt der Dunkelhaarige. Dabei sieht er vollkommen unschuldig, beinahe kindlich, aus. Doch ich weiß genau, dass er auch ganz anders kann. Mit einem leichten Ruck zieht er mich zu sich zurück. Ohne lange zu fackeln streicht er mit seiner Zunge über meine Lippen und schiebt sie meiner entgegen, als ich meinen Mund öffne. Durch den Joint schmeckt sein Atem nach frischen Mangos und es erweckt die Idee, dass Kiffen vielleicht doch nicht so eklig ist.

„Lass los, Jacob, genug rumgeleckt", meldet sich Aleandra zu Wort. Angelinas Zwillingsschwester stützt sich auf ihre Ellenbogen, um ihn böse anzufunkeln. Viele können die beiden nicht auseinanderhalten. Dabei sind sie grundverschiedenen Personen. „Okay, okay", hebt Jacob beschwichtigend seine Hände in die Höhe, „bitte schlag mich nicht." Daraufhin fangen beide an zu lachen. Soweit ich es beurteilen kann, würde sich keiner innerhalb der Gruppe mit Ernsthaftigkeit prügeln. „Lass dir von ihnen nichts Komisches andrehen", flüstert er mir noch zu, bevor er mich gehen lässt.

Vorsichtig setze ich mich zwischen die Schwestern, da sie extra auseinandergerückt sind. Im Augenwinkel sehe ich, wie der Joint erneut bei Jacob landet. Dann fällt mein Blick auf Aleandras Hände. Ihre Knöchel sind aufgeschürft und ich kann nicht abschätzen, ob sie sich kürzlich an ihrem Boxsack oder etwas Lebendigen abgeregt hat. Etwas fahrig bringt sie ihre Kurzhaarfrisur durcheinander. „Hast du Durst?", bietet mir Angelina ein Bier an – was ich grundsätzlich als harmlos erachte – von dem ich jedoch nur wenige Schlucke nehme, ehe ich mich in den Sand lege.

Unter meinem Kopf liegt ein Pullover, der eindeutig Angelina gehört. Der Duft ihres Parfüms umhüllt mich sofort. Während Aleandra einen Song von Billie Eilish summt – was nicht ganz zu ihrem Erscheinungsbild passt – blicken wir einfach nur in den Himmel. „Ich würde so gerne mal die Milchstraße sehen", seufzt Angelina leise. „Da musst du auf den nächsten Stromausfall warten", nuschle ich, obwohl ich ebenfalls nach möglichen Sternbildern Ausschau halte. Aber auch hier, etwas außerhalb, werden die Sterne von den Lichtern der Stadt vertrieben. Nach einer Weile fallen mir meine Augen zu – nur kurz. Es ist nicht meine Zeit, um noch wach zu sein.

„Yo, einer muss das Feuer ausmachen", zerdrückt Tim plötzlich seine Bierdose, während er sich etwas schwerfällig erhebt. Empörung macht sich in der Gruppe breit. „Sei mal nicht so ein Spielverderber", beschwert sich Bene sofort. „Sei du morgen mal lieber nüchtern", kontert der Braunhaarige. „Wir haben morgen früh noch einen Job zu erledigen. Und ich will wenigstens noch ein bisschen pennen zwischendurch." Locker schmeißt er die zerdrückte Dose in die Richtung des Lockenkopfs. Grummelnd raffen sich die ersten auf und packen ihre Sachen zusammen.

Es ist wie ein ungeschriebenes Gesetz – immer der, mit dessen Auto sie fahren, darf bestimmen, wann aufgebrochen wird. Auch wenn gemeckert wird, hat jeder dafür Verständnis, dass Tim nach Hause will. Keiner möchte verantworten, dass er bei seinem Job unaufmerksam ist und erwischt wird – oder etwas noch Schlimmeres passiert –, nur weil er noch ein weiteres Bier am Meer genießen wollte. Und erneut wird mir klar, nicht nur bei Nacht bewegen sich zwielichtige Gestalten durch die Stadt. Die Kriminalität schläft nie – außer sie haut sich wie Tim für ein paar Stunden aufs Ohr.

Da es sonst keiner tut, kümmert sich Luis um das Löschen des Feuers. Luis ist mehr der rationale Typ. Jemand, der euch sachlich erklären kann, wieso die Menschen so unterschiedlich und ungerecht nebeneinanderher leben und es nicht einmal merken – es nicht merken wollen. Er kennt von jeder Person aus der Gruppe bis ins kleinste Detail die Geschichte, die sie auf Abwege gebracht hat. Nur meine Beweggründe lassen ihn seit Wochen grübeln. Wenn ihr ihn nett fragt, erklärt er euch sicherlich, wie die Welten miteinander verstrickt sind. Während sich Jacob schnell von Emotionen leiten lässt, behält Luis in jeder Situation einen kühlen Kopf.

Nachdem ich mein Sommerkleid glattgestrichen habe, ziehe ich meine Strickjacke enger um mich. Der Wind, der über das Meer geweht wird, lässt mich etwas frösteln. Unerwartet legen sich zwei starke Arme von hinten um mich und spenden mir sofort Wärme – als hätte er meine Gedanken gelesen. „Kommst du noch mit zu mir?", raunt mir Jacob in mein Ohr. Augenblicklich fängt es in meinem Bauch an zu kribbeln. Ich weiß, dass ich nicht mitten in der Nacht Manhattan Beach verlassen sollte. Eigentlich sollte ich nicht einmal hier draußen sein. Dennoch nicke ich aufgeregt, „wenn du das möchtest, gerne."

Fortsetzung folgt...

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Ich präsentiere: Krimineller Jacob. Was sagt ihr dazu, Party People?

Bitte verzeiht mir, wenn der nächste Teil etwas auf sich warten lassen sollte, aber es nimmt echt Zeit in Anspruch mich in diese Storyline hineinzuversetzen und Recherche zu betreiben. So please, habt Geduld 😀

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