Prom Is Cancelled

[19.12.2021]

TEIL IV

„Kommst du zurecht?", wende ich mich an Paula - auch wenn ich weiß, dass sie das ganz sicher tut. „Ich schau mal, ob Jacob jemanden zum Quatschen braucht. Lasst euch ruhig Zeit." Zwinkernd - was auch immer sie glaubt, was passieren wird - verabschiedet sie sich von uns. Leise grunzend folge ich dem Jungen in sein Zimmer. Erstaunlicherweise verstummen die Partygeräusche beinahe gänzlich, als er die Tür hinter uns schließt. Die Musik ist nun so leise, dass meine Ohren direkt anfangen zu pochen. Auf dem Weg ins Bad, lasse ich meinen Blick flüchtig über die herrschende Unordnung huschen. „Mutig, vor einer Party nicht aufzuräumen", kommentiere ich. „Ich bin halt unordentlich", dreht Tim den Wasserhahn auf. „Nichts, was die Welt noch nicht gewusst hätte", sieht er mich kess an. Scheinbar hat er vorhin einiges mehr von Paulas und meinem Gespräch mitbekommen.

Während er sich seine Hände wäscht, ziehe ich mir vorsichtig mein Sweatshirt aus. Im Winter trage ich immer noch ein T-Shirt unter meinen Pullis. Man könnte jetzt von Glück sprechen. Aber vielleicht hätte mir Tim auch eins von seinen angeboten. Einfach mal ein Oberteil eines Elevator Boys abstauben, wenn man sich schon sonst nirgendwo eins borgen kann. Nachdem er das Badezimmer verlassen hat, halte ich mein Sweatshirt unter den Wasserstrahl. Da man bei schwarzem Stoff gar nicht so genau sagen kann, ob ein Fleck nun entfernt ist oder nicht, schalte ich irgendwann das Wasser einfach ab. Wird schon passen. Beim Auswringen kann ich es mir nicht verkneifen, einen genauen Blick in die Dusche zu werfen.

Überrascht stelle ich fest, dass Tim mich nicht ganz allein gelassen hat, als ich zurück in sein Zimmer komme. Entspannt sitzt er auf seinem Bett und beobachtet das Partytreiben. „Wenn man von innen rausschauen kann, ist es gar nicht so schlimm, wenn andere von außen reinschauen", lässt mich der Braunhaarige scheinbar an seinen Gedanken teilhaben. Stirnrunzelnd lege ich mein nasses Sweatshirt über die Lehne eines Stuhls. „Weil man viel näher am Geschehen ist als die anderen?", rate ich, während ich an das Bett trete. „Wenn man weiß, wer man selbst ist - wenn man die Möglichkeit hat, die Reaktionen der anderen abzuschätzen, weiß man in etwa wie viel man von sich preisgeben sollte. Man kann kontrollieren, was die anderen sehen, wenn sie von außen reinschauen."

„So die Theorie. Menschen sehen das, was sie sehen wollen", gebe ich zu bedenken. Nickend gibt mir Tim mit einer einfachen Handbewegung zu verstehen, dass ich mich ruhig setzen kann. „Es tut weniger weh, was die von außen sagen, wenn man auf sich selbst vertrauen kann", flüstert er schließlich, nachdem wir einen Moment stumm nebeneinandergesessen haben. „Das ganze macht wahrscheinlich gar nicht wirklich Sinn", winkt er leise lachend ab. „Doch", versichere ich ihm, „es macht Sinn." Dann verstummen wir wieder. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Jeder beobachtet, was draußen auf der Party so los ist. Am liebsten würde ich mich mitten auf das Bett werfen, weil es einfach verdammt gemütlich aussieht. Jedoch bleibe ich artig auf der Kante sitzen.

„Da haben sich zwei gefunden", nimmt der Junge neben mir das Gespräch wieder auf und mein Blick schweift sofort zu Jacob und Paula. Angeregt unterhalten sich die beiden. Vielleicht über ihre TikToks. Vielleicht darüber, dass er ihre liked aber kein Kommentar dalässt. Vielleicht auch über etwas vollkommen anderes. Kreativität. Disneyfilme. Zukunftspläne. „Widder und Jungfrau passen auf Dauer nicht zusammen", gebe ich von mir, während ich die beiden weiterhin anstarre. Dabei sind Sternzeichen nicht wirklich mein Ding. „Ist das so?", hakt Tim nach. In seiner Stimme schwingt eindeutig Belustigung mit. „Ja, keine Ahnung, sagt meine Mitstudierende ständig", zucke ich mit meinen Schultern. „Männliche Widder sollen ganz schlimm sein", gebe ich das wieder, worüber wir in den letzten Monaten in der Uni andauernd geredet haben. „Da mein Bruder aber auch Widder und ganz normal ist, gebe ich Jacob mal eine Chance."

Grinsend mustert mich Tim, als ich zu ihm hinübersehe. Stöhnend lasse ich mich nach hinten fallen. Nicht, weil das Bett gemütlich ist, sondern weil es dem Erdboden am nächsten kommt. Fertig von dem Blödsinn, den ich gerade geredet habe, inspiziere ich die Zimmerdecke ganz genau. Vielleicht erbarmt sie sich und fällt herunter. Bevor Tim auf die Idee kommt zu fragen, was es mit seinem Sternzeichen auf sich hat, richte ich mich wieder auf. „Laut euren TikToks passen die beiden aber auch nicht zusammen", versuche ich ein besseres Argument als Astrologie zu finden. „Aber wenn du sagst, dass die beiden sich gefunden haben, dann wiegt deine Stimme mehr", betrachte ich ihn aus zusammengekniffenen Augen.

Fortsetzung folgt...

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