Ihretwegen
Er ging auf und ab. Wie ein Tiger in einem Käfig aus Gold wandelte er an den Wänden entlang auf der Suche nach einem metaphorischen Ausgang.
Nicht nur er wünschte sich, all dies wäre nur ein fieser Traum, auch Shiro und Sophie dachten so. Es war einfach... wie ein schlechter Scherz, wie wahrscheinlich war es schon, dass einem die Identität geklaut wird?
Obwohl... Soweit Sophie wusste, würde sie einmal die mächtigste Person der Galaxie sein... Mit den ganzen Präsidenten der winzigen Erde mehr als nur auf Augenhöhe reden können. Einige menschliche Präsidenten waren sogar eingeweiht, natürlich nur die, die es unbedingt wissen mussten. Also pflegte ihr Vater Kontakt mit dem Präsidenten der USA, Deutschlands Kanzlerin, dem Präsidenten von Russland, dem chinesischen Staatsoberhaupt und auch dem Papst. Ihr war das alles zu viel, viel zu viel. Und sie wusste, sie konnte nicht einmal die Ausmaße dieser Macht erahnen, einige Leute würden ihre eigenen Kinder foltern um in diese Position zu kommen. Manche würden bereit sein, jeglichen Preis zu zahlen, hunderte Leben, das Leben eines ganzen Volkes und das nur für eine Aufgabe, die Sophie sich nie gewünscht hätte.
Mit einem matten Seufzer stand einer der Männer am Tisch auf. Er ging direkt auf Sophie zu und blieb kurz vor ihr stehen.
"Darf ich?" fragte er in einem fremdartigen Akzent, doch still nickte Sophie, sie hatte ihn schon einmal gesehen, sie wusste was kommen würde.
Ohne darüber nachzudenken griff sie nach der Hand ihres Bruders und hielt sie fest, eine der wenigen Dinge, die ihr noch halfen, sie selbst zu sein.
Der recht junge Mann legte seine Hand auf ihre Stirn und flüsterte "Keine Sorge, ich bin vorsichtig."
Sie hingegen schloss ihre Augen und versuchte sich zu entspannen. Wie fast jede andere Person war sie es nicht gewohnt, jemanden in ihren Kopf eindringen zu lassen, nach der Wahrheit suchen zu lassen, aber heute könnte es nur zu ihrem Vorteil sein, wenn alle ihr glaubten.
Es war ein unangenehmes Gefühl, welches sie durchströmte, doch es war nichts im Vergleich zu den Schmerzen in der Nacht.
Es war ein geringer Preis für die Wahrheit, daher wurde er oft bezahlt. Mit dieser Gabe wurden Gerichtsverhandlungen entschieden, und Sophie war sich fast sicher, diese Gabe würde "Anima Verit" heißen und damit sowas wie "Wahrheit der Seele" bedeuten. Die Wahrheit der Seele, genau das, was sie brauchte.
"Ihre Seele ist rein und ihre Intention ist keinesfalls falsch. Es ist ohne Zweifel unsere Sofia." bestätigte er und trat verlegen ein paar Schritte zurück, selbst für einen Adeligen ist solch eine Nähe zu nah um bei seiner zukünftigen Königin zu stehen.
Er war einer der wenigen Adeligen, welche als stärkstes Element die Luft haben und das Feuer nur annähernd so stark ist, deshalb, und weil sein Vater ein enger Vertrauter von Nahor Mirithral war, konnte er sich schnell aufarbeiten und zum 20-er Rat dazugehören. Stets wurde er Denehor genannt, auch wenn dies nicht sein wirklicher Name sein konnte.
"Wir werden planen müssen, ihre Reise fängt in wenigen Tagen an und wir wissen noch nicht, wie das hier passieren konnte! Niemand wird sie als Königin anerkennen und sie standesgemäß begrüßen!"
Der König schien nachdenklich "Aber.... nun entspricht sie auch nicht mehr der Prophezeiung. Wir haben viel zu bereden, auch Sachen, die nicht an die Ohren der Prinzen und Prinzessinnen gehören. Es wäre im Interesse aller, wenn ihr nun gehen würdet. Sofia, du solltest nur wissen, dass dieser Gesichtswechsel auch ungeahnte Möglichkeiten aufweist, mache dir diese bewusst und lerne deine Mitmenschen unter deinem 'Decknamen' Sophie kennen. Ihre wahren Gesichter zu sehen ist uns meistens nicht möglich, nutze dieses Gesicht als deine Stärke."
Das Mädchen hingegen war total überfordert von der ganzen Situation, der Satz ihres Vaters ging ihr lange durch den Kopf, welcher versuchte, ihn zu verarbeiten. Aber für den Geist war es nunmal schwierig, urplötzlich ein komplett anderes Erscheinungsbild zu haben und für das Bewusstsein das Geschehene zu verarbeiten war noch schwieriger, denn der menschliche Körper war nicht darauf ausgelegt, sein Äußeres auf eine so radikale Weise zu ändern, es entsprach nicht der Natur.
Und so in Gedanken versunken bemerkte Sophie kaum, dass Shiro sie mit aus dem Saal zog und ihre kurzen Beine sich fast wie automatisch bewegten.
Jegliches Zeitgefühl schien verloren und Sophie, sie schwebte in der Unendlichkeit. Aus dieser unendlichen Weite wurde sie abprubt gerissen, als Shiro ihr Handgelenk plötzlich losließ und sich erschöpft auf seine Knie sinken ließ.
Erst dann bemerkte sie, dass sie in seinem Zimmer angekommen waren und wie erschöpft sie eigentlich war.
Es waren noch 4 Tage bis zu ihrem 16. Geburtstag, der Tag, an dem sie traditioneller Weise, wie alle Königinnen und Könige der Sonne, ihre einjährige Reise durch die vielen Ebenen der Sonne beginnen würde. Am Geburtstag würde eine "schlichte" Feier stattfinden und am Tag danach würde sie mit einer noch nicht feststehenden Person aufbrechen, die Reise anzutreten.
Wie weit würden sich diese Pläne ändern? Würde sie überhaupt noch als Königin akzeptiert werden und was war überhaupt geschehen?
Wer hatte das Spektakel inszeniert und warum? Wer hatte Vorteile, wenn Sophie nicht anerkannt werden würde als die Königin?
"Shiro." sagte sie zaghaft, wo sein Gesicht doch abgewandt von ihr war. Langsam richtete er sich auf, seine Arme zitterten und als er sich umdrehte, war sein Gesicht rot und mit Tränen überströmt. Mit glasigen Augen schaute er seine Schwester an, in seinen Augen Unglaube und Schmerz. Zu oft schon hatte er Enttäuschungen durchstehen müssen, zu oft schon gehen lassen, obwohl er selbst an jemandem hing.
Er hatte den Gedanken eine Schwester zu haben ebenso geliebt, wie verabscheut, denn auch wenn er es nicht zugeben wollte, er wusste schon, dass Sophie besonders war, bevor sie seine Schwester genannt wurde.
Und das Wissen tat weh, sein Herz lag noch so eng bei dem ihren und trotzdem war sie nun nicht die Person, die er sich erhofft hatte. Er hatte sich gewünscht, einmal im Leben keine Geheimnisse zu haben, sich wie in einer normalen Familie mal streiten zu können und eine Stunde aufeinander sauer sein zu können, nur um sich danach wieder zu vertragen.
Und er wusste nun genau, sowas würde nie passieren, es war ihm noch nie und es wird ihm nie vergönnt werden, ein Leben zu führen, welches ihm gefiel.
Schon als kleines Kind wurde er erzogen, der perfekte Prinz und vielleicht auch Thronfolger zu werden. Er war neidisch und gleichzeitig auch wütend auf Sophie, ihr war eine Kindheit geblieben, doch für diese Kindheit hatte er mit der Seinen zahlen müssen. Keine Freunde, keine Liebe, keine Schwäche und kein Spaß.
Ihretwegen.
Souuu
Ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen und vergesst nicht zu kommentieren und voten. <3
Was haltet ihr von Shiros Sichtweise auf die Dinge?
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