Identität

Wie konnte das die Wahrheit sein? Woher konnte Shiro wissen, wem er trauen konnte? War er jemals jemandem begegnet, der ihn wirklich ehrlich behandelt und ihm seine ehrliche Meinung gesagt hat?
Ihm war klar, wie viel Gutes Sophie doch erlebt haben muss, doch er hatte keine Ahnung von ihren Problemen. Er sah nur das Gute in dem neuen Gesicht, denn niemand kannte und erkannte sie so, daher würde ihr niemand Honig um den Mund schmieren und ihr die dreistesten Lügen auftischen, nur um etwas Einfluss zu haben. Was er nicht sah, war der Identitätsverlust, denn niemand würde ihr glauben, wenn sie etwas sagte und nichtmal ihre menschliche Freundin Jenny, die sie schon 1 1/2 Jahre nicht mehr gesehen hatte um sie zu beschützen, selbst sie würde Sophie nicht wiedererkennen.
Es war alles so traurig und irgendwie niederschmetternd, alles was sie sich aufgebaut hatte war nun, mit einem Schlag, weg. Sie war ein Niemand, ein Geist in der Gesellschaft, eine Fremde im eigenen Königreich.

Aber macht einen wirklich das Äußere aus? Es kommt doch auf die inneren Werte an, es kommt doch auf die Seele an und auf die Intentionen.
Dieser Gedanke gab Sophie Kraft und ließ sie eine Hand nach ihrem Bruder ausstrecken. Doch er, er ignorierte sie und sah sie weiter mit glasigem Blick an.
"Wieso muss immer alles so schwer sein?" fragte er leise.
"Wieso muss immer alles so verdammt schwer sein?
Wieso? Wieso? WIESO?
Ich wollte immer nur ein ganz normales Leben haben, aber kaum wendet es sich zum Guten, wird alles wieder zerstört! Es ist einfach so deprimierend, dass ich nichts dagegen tun kann."

Energisch richtete Shiro sich auf und wischte die Tränen von seinem Gesicht. In seiner Miene zeichneten sich Eifer, Entschlossenheit und vielmehr noch unendlicher Wille ab, niemand würde ihn je aufhalten können, wenn er sich wirklich etwas vorgenommen hatte. Seine Emotionen hatte er wieder im Griff, hatte wieder seine Maske aus Eis aufgelegt, die er sonst so gerne als sein echtes Gesicht trug.
Seine Muskeln waren angespannt und Sophie wusste, wenn sie ihn nun in seiner Konzentration störte, würde er sich nicht mehr halten können und all seine Bürden, Frust, Leid und Hass, Liebe Schmerz und Trauer, all' die Emotionen die er nie zeigen sollte, die ihm praktisch verboten wurden, würden hervorbrechen und sie erdrücken.

Er würde Schuldgefühle haben, doch wenn er seine Emotionen nie blicken lassen würde, wären diese irgendwann entweder übermächtig, fast unkontrollierbar oder nicht mehr vorhanden, je nachdem, wer den Kampf gewinnt.
Emotion oder Wille.

"Shiro, bitte, rede mit mir, bitte! Was ist los?" fragte Sophie, sie ging ein paar Schritte auf ihn zu und legte ihre Hand auf die Schulter des Jungen.
Ruckartig schlug er sie weg, seine Miene verhärtete sich und seine Fingerknöchel liefen beim Ballen einer Faust weiß an. "Ich brauche etwas Zeit um mich zu fangen." knurrte er angespannt und setzte, kläglich scheiternd, seine sonst so perfekte Maske aus gleichgültiger Langeweile und deutlicher Überlegenheit auf.

"Shiro...!" hauchte sie leicht.
Doch ihr Bruder schnaubte nur trotzig "Bruder, ja, Geschwister verbindet mehr als nur das Blut! Ihre Erfahrungen, wie sie aufgewachsen sind und all' das verbindet Geschwister! Während du auf der Erde eine entspannte und sorglose Kindheit erlebt hast, habe ich schon als Kleinkind Verantwortung, Kämpfen, Verhalten und alles andere Gelernt, was sicherlich nicht in die Kindheit eines Kindes gehört! Ich habe das aber nichtmal gelernt, um später mal das Sagen zu haben, und das will ich auch nicht, aber es geht um das Prinzip, ich habe Jahre meiner Kindheit aufgeben müssen um ein Ersatz zu sein, um DEIN Ersatz zu sein und dieses Gefühl ist schrecklich." total in Rage verfallen wurde er laut, schrie seinen Schmerz hinaus in die Welt und die Mauer um sein Herz war für einen Herzschlag zertrümmert.

"Bitte Sophie, bitte gib mir nur einen Grund, einen Grund um dich als meine Schwester zu sehen, erkläre es mir!"
Und da fing sie an zu realisieren, ihre eigene Kindheit, sie war so einsam, zwar hatte ihre eigene Seele, sie selbst, sich alles erfüllt, was sie sollte und musste, aber es war einsam. Früher hatte sie noch keine Ahnung, dass sie dieses Gefühl jemals fühlen würde, dass sie es jemals mir ihrem zu Hause in Verbindung bringen würde, aber rückblickend betrachtet war es sehr einsam, ihre Familie war für sie alles gewesen, aber nun? Nun hatte sie nurnoch sich, war eine Einzelkämpferin, mit der Mission  zu überleben und irgendwann die Welten nicht nur zu regieren, sondern sogar, wenn man der Prophezeiung glauben schenkte, die Welten entweder in den Untergang zu führen, oder sie zu retten. Der Druck lastete mit einem Mal schwer auf ihrer Brust und ihr fiel das Atmen schwer.
Was war mit ihr nur passiert, dass ihr Leben so ernst geworden war? Sie hätte sich vor anderthalb Jahren nicht träumen lassen können, dass sie jemals eine der mächtigsten Personen und in einem Schloss in mitten der Sonne sein würde. Sie hätte sich nichtmal vorstellen können, dass es möglich war zu zaubern. Es war alles so erstaunlich und rasant und jene Sachen, die ihr damals noch so groß und mächtig erschienen, wirkten nun klein und unbedeutend.

Was wirklich wichtig war, das wusste sie nun seit wenigen Stunden, war das Sein, die eigene  Identität und Glück.
Man könnte meinen, Glück gäbe es in einer Welt nicht, wo Prophezeiungen wie Meilensteine im Sein das Glück einschränken, aber trotzdem, die kleineren, eigentlich  noch viel wichtigeren Momente im Leben, denen bedarfte es an Glück.

Sophie wusste nicht, ob ihre Veränderung mit etwas Glück nicht stattgefunden hätte, oder ob es ein Fixpunkt in dem Zeitfluss war.
Die Philosophie gab es zwar schon vor tausenden von Jahren, aber sie schien heute noch aktuell zu sein, die grundlegenden Fragen doch so gewaltig und unaussprechlich wie kaum etwas. Im Grunde waren die Fragen in der Philosophie auf der Erde und auf der Sonne ähnlich, doch da die Kultur und Wissenschaft auf diesem Planeten so viel weiter fortgeschritten war als auf der Erde, konnten brillante Verbindungen geknüpft werden, die auf der Erde kaum denkbar waren.

Die Philosophie, sie versuchte solche Fixpunkte zu finden und somit in der Meta-Ebene weitere Durchbrüche zu erreichen.
Doch jeder Person auf diesem Planeten war klar, Sofia, Sophie, ihre Königin musste ein Fixpunkt sein. Ihr Vorgehen würde das Leben der Zivilisationen in der ganzen Galaxie beeinflussen und damit stand ihre Sicherheit an oberster Stelle, denn wer Sophie unter seiner Kontrolle hatte, der hatte Macht und Möglichkeit die Galaxiengeschichte maßgeblich zu ändern.

- 1072 Wörter

Lasst ein paar Sternchen und Kommis da<3

LG
Eure Dämmer 💟

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