18. Dezember


~Türchen 18~
18. Dezember

Draco lehnte sich ein wenig später am Fensterrahmen an, seine Schultern gesenkt, den Blick auf den Garten des verwahrlosten Anwesens gerichtet. Der Kuss hallte in ihm noch nach, wie ein Echo, das sich nicht vertreiben ließ. Seine Lippen fühlten sich noch warm an, als hätte sie ihn erst in diesem Moment losgelassen.

Er hätte es bereuen sollen. Das war das Seltsame. Er hatte erwartet, dass die Reue sofort über ihn hereinbrechen würde – dass er sich distanziert, abweisend oder sogar wütend fühlen würde. Stattdessen war da nur Stille. Eine Art schockierte Akzeptanz.

„Das war..." Hermines Stimme hinter ihm klang leise, fast unsicher, als hätte sie Angst, das Gleichgewicht zu stören, das sich zwischen ihnen aufgebaut hatte.

Malfoy hob den Kopf ein wenig, ohne sich umzudrehen. „Ja", gab er schlicht zu. Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte.

Ein leises Rascheln ließ ihn erkennen, dass sie vom Bett aufgestanden war. Ihre Schritte waren vorsichtig, zögernd, doch er hörte, wie sie näherkam. Schließlich blieb sie direkt hinter ihm stehen, so nah, dass er ihre Wärme spüren konnte.

„Ich dachte, du würdest es bereuen", sprach die Brünette plötzlich, ihre Stimme leise, aber klar.

Er atmete tief ein und drehte sich langsam zu ihr um. Sein Blick suchte ihren, und für einen Moment konnte er nichts sagen. Die Worte schienen schwer auf seiner Zunge zu liegen.

„Das dachte ich auch", gestand er schließlich, fast flüsternd.

Die Brünette sah ihn an, ihre Augen suchten etwas in seinem Gesicht, eine Antwort auf eine Frage, die sie nicht laut aussprach. „Und? Tust du es?"

Malfoy hielt ihrem Blick stand. Er konnte sehen, wie unsicher sie war, wie sehr sie sich bemühte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Aber er sah auch den Mut in ihren Augen – die Bereitschaft, ihn wirklich zu sehen, mit all seinen Fehlern.

„Nein", antwortete er schließlich. Die Ehrlichkeit in seiner Stimme überraschte ihn selbst. „Ich bereue es nicht."

Die Spannung zwischen ihnen wurde greifbar. Die Lippen der Hexe teilten sich leicht, als wolle sie etwas sagen, doch kein Wort kam über ihre Lippen.

Er hob eine Hand, zögerte, ließ sie dann aber sinken, bevor er ihr Gesicht berührte. „Das macht alles komplizierter, weißt du?"

„Vielleicht", flüsterte sie leise. „Aber nicht schlechter."

Ihre Worte trafen ihn wie ein Schlag. Er hatte so lange in einer Welt gelebt, in der Nähe und Zuneigung Schwächen waren, in der alles, was ihn menschlich machte, unterdrückt werden musste. Doch hier stand sie, direkt vor ihm, und sagte etwas, das sich gleichzeitig wie eine Herausforderung und wie Trost anfühlte.

„Hermine..." Sein Atem stockte, als er ihren erneut Namen aussprach, mit so einer Leichtigkeit, als wäre er ihm schon etliche Male mühelos über die Lippen gekommen.

Sie legte den Kopf leicht schräg, ein leises Lächeln auf ihren Lippen. „Ja?"

„Ich weiß nicht, wie ich..." Er brach ab und schüttelte den Kopf. „Das hier... Es ist neu. Für mich."

„Für mich auch", gab sie zu. „Aber das heißt nicht, dass es falsch ist."

Er wollte widersprechen, wollte sagen, dass sie beide keine Zeit für solche Dinge hatten. Nicht jetzt. Nicht hier. Dass sie eine Aufgabe hatten und morgen beide bereits tot sein würden. Dass dies eine Schwäche war, die sie nicht riskieren konnten. Doch als er in ihre Augen sah, verschwand jegliche Logik.

„Du machst es mir unmöglich, klar zu denken",  gestand er schließlich, ein Hauch von Frustration in seiner Stimme.

„Vielleicht ist das genau das, was du brauchst", entgegnete sie mit einem leichten Lächeln.

Draco konnte nicht anders, als schief zu grinsen. „Du bist unmöglich, Granger."

„Und du bist ein Idiot, Malfoy."

Wieder diese Stille. Nicht unangenehm, sondern aufgeladen. Die Spannung zwischen ihnen war beinahe greifbar, und der Zauberer spürte, wie sein Herz schneller schlug. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich lebendig – und das machte ihm genauso Angst, wie es ihn faszinierte.

Der Slytherin spürte, wie die Worte auf seiner Zunge brannten, Worte, die er nicht gewohnt war auszusprechen – nicht zu ihr, nicht zu irgendjemandem. Er wandte den Blick ab und starrte zurück in den verwilderten Garten.

„Das hier..." begann er leise, seine Stimme fast ein Flüstern. „Es ist ein Risiko, Granger."

Hermine schmunzelte, trat einen Schritt näher und verschränkte die Arme vor der Brust. „Malfoy, alles an diesem Krieg ist ein Risiko. Jeder verdammte Atemzug. Also erklär mir, warum genau das hier schlimmer sein sollte."

Draco fuhr sich mit einer Hand durch die blonden Haare, die noch unordentlicher wurden. „Weil ich nicht weiß, wie ich das machen soll. Nähe. Vertrauen. Diese... Sache zwischen uns."

Er konnte es nicht klar benennen, was es war – dieser Sturm aus Blicken, Gesten und Worten, der ihn unerwartet mitten in der Brust traf. Aber Hermine schien es zu verstehen. Sie lächelte nicht mehr; ihre Miene war ernst, aber sanft.

„Niemand erwartet, dass du es sofort kannst", antwortete sie schließlich. „Ich auch nicht. Aber du bist schon weiter, als du glaubst."

„Und wenn ich es kaputt mache?" Seine Stimme war plötzlich schärfer, als er wollte, ein Hauch Verzweiflung, der ihn verriet.

Die Brünette sah ihn ruhig an, und dann tat sie etwas, das ihn völlig aus der Fassung brachte. Sie legte ihre Hand auf seine – nur eine leichte Berührung, kaum mehr als ein Streifen, aber es brannte heiß auf seiner Haut.

„Dann reparieren wir es", sagte sie schlicht.

Draco starrte auf ihre Hand, die seine berührte, und sein Herz schlug schneller, wilder. Es war so einfach, so direkt – und doch zerbrach es die Mauer in ihm auf eine Weise, die ihn fast erschreckte.

„Du bist wahnsinnig", murmelte er schließlich und ließ ein kurzes, raues Lachen hören.

„Möglich", erwiderte sie trocken. „Aber du bist es auch, wenn du glaubst, du kannst alles allein durchstehen."

Ihre Worte trafen ihn wie ein Schlag. Sie waren unbequem, weil sie die Wahrheit berührten, die er immer verdrängt hatte. Er wollte widersprechen, wollte sich zurückziehen, doch ihr Blick hielt ihn fest.

„Was willst du, Granger?" fragte er schließlich, seine Stimme leise, fast brüchig.

Sie hielt kurz inne, als müsste sie ihre Antwort sorgfältig wählen, dann sah sie ihn fest an. „Dass du dir erlaubst, jemand zu sein, der nicht nur kämpft oder flieht."

Draco wollte lachen, aber die Schwere ihrer Worte ließ es nicht zu. Er schüttelte leicht den Kopf, als ob er das alles von sich abschütteln könnte. Doch dann sah er sie wieder an, wirklich ansah – ihre Augen, die voller Entschlossenheit und vielleicht etwas Hoffnung auf ihm ruhten.

Er neigte leicht den Kopf, sein Blick wanderte zu ihren Lippen, bevor er sich schnell wieder fing. „Du machst es wirklich schwer, dich nicht zu mögen, Granger."

Hermine zog eine Augenbraue hoch. „Das war ein Kompliment. Ich glaube, ich sollte mir das notieren."

„Mach das nicht zu einer Gewohnheit", murmelte er, seine Mundwinkel zu einem schwachen Lächeln verzogen.

Die Spannung zwischen ihnen knisterte erneut, wurde dichter, fast erdrückend. Hermine suchte seinen Blick, und Draco erwiderte ihn, diesmal ohne auszuweichen. Sein Atem wurde flacher, und er bemerkte, wie sich ihr Gesicht ihm unmerklich näherte – oder war es umgekehrt?

„Draco", sagte sie leise, fast so, als wollte sie ihn vor sich selbst warnen.

Aber er wich nicht zurück. „Sag es noch mal."

„Was?"

„Meinen Namen."

Sie blinzelte verwirrt, als hätte sie nicht bemerkt, dass sie ihn überhaupt gesagt hatte, aber dann tat sie es erneut, weicher, vertrauter: „Draco."

Und das war der Moment, in dem er aufhörte zu denken. Seine Hand hob sich, berührte vorsichtig ihre Wange, während sein Daumen sanft über ihre Haut strich. Es fühlte sich surreal an – wie etwas, das er nicht verdient hatte, aber nie mehr loslassen wollte.

Sie rührte sich nicht, hielt einfach still, während ihre Augen sich schlossen. Der Abstand zwischen ihnen wurde kleiner, fast verschwunden, als er schließlich flüsterte: „Sag mir, dass das hier nicht vollkommen verrückt ist."

„Es ist verrückt", antwortete sie, ihre Lippen so nah an seinen, dass ihre Worte mehr wie ein Hauch klangen. „Aber manchmal ist verrückt genau das, was man braucht."

Und dann küsste er sie. Diesmal war es anders – keine Unsicherheit, kein Zögern. Es war intensiv, fast verzweifelt, als würde er versuchen, sie in diesem Moment zu halten, bevor die Welt sie beide wieder auseinanderreißen konnte.

~*~

Der Kuss war alles andere als zögerlich. Es war eine Explosion von Gefühlen, eine Mischung aus Lust, Angst und Erleichterung. Draco drängte sich fest gegen Hermine, als ob er sich in ihr verankern wollte, um sicherzustellen, dass sie nicht mehr entkommen konnte. Seine Hände glitten über ihre Arme, ihre Schultern, als würden sie ihre Konturen in die Luft zeichnen, um sich festzuhalten.

Hermine erwiderte den Kuss ohne Zögern. Ihre Finger krallten sich in die Seiten seines Hemdes, als ob sie sich selbst ebenso festhielt wie ihn. Es war ein hungriger, stürmischer Kuss, voller Verlangen und der ungesagten Angst, dass sie dieses Gefühl verlieren konnten, sobald sie voneinander losließen.

Sie spürte die Warme seiner Lippen, den vertrauten Geschmack seiner Haut, und jeder Kuss brannte wie ein Versprechen in ihren Knochen.

Dracos Küsse waren wild und leidenschaftlich, als ob er alle seine Zweifel, all seine Angste und die Erinnerung an ihre ständigen Kämpfe in diesen Moment pressen wollte. Seine Zunge stieß zaghaft gegen ihre, und Hermine erwiderte es, als ob sie versuchte, ihm zu zeigen, dass sie ebenfalls keine Ausreden mehr suchte, dass auch sie ihre Mauern fallen ließ. Sie konnten die Anziehungskraft zwischen ihnen förmlich spüren, eine elektrische Spannung, die sich durch ihre Körper zog und die Luft zum Knistern brachte.

Als sie voneinander abließen, um Atem zu holen, sahen sie sich kurz an. Dracos Augen funkelten im Morgenlicht , das durch die schmalen Fensterfugen fiel, sein Blick war ernst und doch sanft, ein seltsames, neues Gefühl, das sich in seiner Miene widerspiegelte. Hermine spürte die Hitze auf ihren Wangen, die Intensität dieses einen Augenblicks, als ob die Welt für sie beide aufhörte zu existieren.

Die Anziehungskraft zwischen ihnen war greifbar, sie kroch langsam von ihren Fingerspitzen bis in den tiefsten Teil ihres Bauchs. Hermine konnte nicht anders, als sich weiter auf ihn zu zubewegen, ihre Körper schienen magnetisch voneinander angezogen. Jede Berührung fühlte sich intensiver an als die letzte, als würden sie sich gegenseitig aufladen, als wären sie die einzigen beiden Menschen auf der Welt.

Draco starrte sie mit intensiven, schwermütigen Augen an, während sie sich weiter über das Bett neigten. Die Spannung in der Luft war fast körperlich spürbar, eine Hitze, die durch die dünne Stoffschicht ihrer Kleidung schlich. Seine Lippen berührten sanft ihren Hals, bevor sie sich wieder in einen stürmischen Kuss verfingen. Diesmal war es sanfter, langsamer, als ob sie versuchten, die Intensität der vorherigen Küsse zu genießen und zu festigen, was sie soeben entdeckt hatten.

Die Gryffindor hielt sich an ihm fest, ihre Arme um seinen Nacken geschlungen, während sie sich in die Umarmung des anderen drängten. Jedes Lächeln, jedes Lachen, jedes Flüstern war ein Bekenntnis zu dem, was sie für einander empfinden. Es war mehr als körperliche Anziehung; es war eine Verbindung auf einer tieferen Ebene, die Hermine selbst überraschte.

Doch dann, als als die Intensität des Moments sie beide zu verschlingen drohte, brach Draco den Kuss ab und atmete schwer, als er versuchte, die Worte zu finden, die er sprechen wollte. „Wir sollten aufhören", erkannte er schließlich, seine Stimme rau und unsicher. „Nicht hier. Nicht so."

Er klang nicht überzeugt. Ganz und gar nicht. Aber es war besser so.

Hermine schluckte, ein seltsames Gefühl von Enttäuschung mischte sich mit der Klarheit der Situation. Sie wusste, dass er recht hatte, dass sie vielleicht nicht so weit gehen sollten. Nicht weil sie es nicht wollten, nein. Einfach weil dies, weder der richte Ort, noch die richtige Zeit war.

Aber es war schwer, sich zu trennen, selbst für diesen kurzen Moment. „Merlin", entwich es ihr, noch immer schnell atmend.

„Granger...falls....", fing er an.

Sie bemerkte die plötzliche Angespanntheit in seiner Stimme.

„Falls ich es nicht schaffen sollte, will ich, dass du meine Mutter rettest und rennst, okay? Schau nicht auf mich zurück. Renn so schnell, wie weit deine Füße, dich tragen können und bleibt erst dann stehen, wenn alles ruhig wird. Falls du die Kraft hast, disappariere direkt."

„Draco...was?"

„Bitte", flehte er.

„Nein Malfoy. Dazu wird es erst gar nicht kommen, hörst du. Wir beide gehen da zusammen wieder raus. Einschließlich deiner Mutter."

„Nein, ich kann nicht zulassen, dass du verletzt wirst. Nicht für mich."

„Und ich kann nicht zulassen, dass du verletzt wirst, nur weil du das nicht zulassen willst." Sie ging einen Schritt auf ihn zu, ihre Wut und Entschlossenheit kämpften um ihre Stimme. „Also, hör auf, dich wie ein  Idiot zu benehmen und akzeptiere, dass wir das gemeinsam durchstehen. Entweder wir schaffen es zusammen, oder gar nicht."

Draco starrte sie an, sein Blick hart und voller Unsicherheit. „Du bist wirklich unmöglich, Granger."

„Ja", erwiderte sie scharf. Und bevor er noch etwas erwidern konnte, trat sie näher und packte seine Hand, die sich wie ein Fels in der Brandung anfühlte. „Wir schaffen das zusammen, Malfoy, verstehst du?"

„Versprich es mir einfach."

„Zwing mich doch", erwiderte sie scharf.

„Wir stehen das durch. Zusammen. Und wenn das bedeutet, dass wir alles riskieren müssen, dann tun wir es." Sie trat noch näher, ihre Augen bohrten sich in seine. „Wir schaffen das, verstehst du?" Sie wiederholte es, immer und immer wieder, nicht nur zu ihm, sondern bis sie es selbst auch irgendwann glaubte.

„Und was ist, wenn wir es nicht schaffen?", fragte Draco, seine Stimme brüchig, ein Ausdruck von Angst in seinen Augen, den Hermine bis dahin noch nie bei ihm gesehen hatte. „Wenn ich dich verliere, Granger, das kann ich nicht ertragen."

„Dann sterben wir eben zusammen", erwiderte sie, ihre Stimme sanft, aber fest. „So wie wir alles andere auch durchstehen werden."

Der Zauberer sah sie an, dann nickte er stumm und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Plan, den sie entwickeln würden. Denn in wenigen Stunden, vielleicht sogar Minuten, wenn der Zeitpunkt günstig genug wäre, würden sie da raus gehen. Hoffentlich mit einem ausgeklügelten Plan. Es war kein Spiel – nur sie beide, zusammen. Gegen den Rest der Welt, die noch übrig war...

tbc...

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