14. Dezember
~Türchen 14~
14. Dezember
Hermine wachte langsam auf. Das erste Licht des Morgens drang durch die Vorhänge und warf sanfte, warme Streifen über den Raum. Einen Moment lang lag sie still da, unfähig, sich zu rühren, während die Ereignisse der letzten Nacht schwer auf ihr lasteten.
Ihr Körper fühlte sich seltsam an – wie nicht ganz ihr eigener. Sie blinzelte und drehte den Kopf, doch die andere Seite des Bettes war leer. Draco war weg.
Ein leises Ziehen in ihrer Brust machte sich bemerkbar, etwas zwischen Erleichterung und... Enttäuschung? Sie schüttelte den Gedanken ab, schob die Decke beiseite und richtete sich vorsichtig auf.
Ihr Blick fiel sofort auf den Stuhl in der Ecke des Zimmers. Dort lagen, wie versprochen, frische Kleider ordentlich zusammengelegt. Ein schlichtes, graues Hemd, eine schwarze Hose – nichts Besonderes, aber sauber und in ihrer Größe. Daneben standen ein Paar abgetragene, aber robuste Stiefel.
Hermine schluckte schwer. Es war absurd, wie diese kleine Geste etwas in ihr auslöste. Draco Malfoy, der Mann, der ihr so viele Jahre das Leben schwer gemacht hatte, hatte tatsächlich daran gedacht, ihr Kleidung zu bringen. Und das nach einer Nacht, die sie – wie hatte das überhaupt passieren können? – zusammen in einem Bett verbracht hatten.
Sie. Mit Draco Malfoy.
Ihr Gesicht wurde heiß, und sie schlug sich innerlich für den Gedanken. Es war nichts passiert. Gar nichts. Und doch fühlte sich alles anders an.
Sie griff nach den Kleidern, hielt sie in den Händen, während ihr Blick auf die Tür fiel. Wo war er überhaupt? Hatte er die Nacht nur abgewartet, bis sie einschlief, um sich dann zurückzuziehen? Oder war er einfach gegangen, weil er nicht wusste, wie er mit dem unausgesprochenen Chaos zwischen ihnen umgehen sollte?
Hermine ließ sich wieder auf die Bettkante sinken, die Kleidung immer noch in der Hand. Sie wusste nicht, was sie fühlen sollte. Dankbarkeit? Misstrauen? Oder diese unbehagliche Wärme, die sich wie ein heimlicher Schatten in ihr ausbreitete?
Sie hatte die Nacht mit Draco Malfoy verbracht. Und sie wusste nicht, wie sie das jemals vergessen sollte.
Die Brünette zwang sich, tief durchzuatmen, bevor sie langsam die frische Kleidung anzog. Das graue Hemd fühlte sich ungewohnt weich auf ihrer Haut an- es roch dezent nach Seife, und die Hose war erstaunlich bequem, wenn auch etwas zu weit an der Taille. Sie zog die Stiefel an und versuchte, sich auf die positiven Dinge zu konzentrieren, anstatt auf die Gedanken, die unaufhörlich in ihrem Kopf kreisten.
Doch während sie das Bett in Ordnung brachte – mehr aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit – kam die Erinnerung an die letzte Nacht zurück. Die Wärme seines Körpers, der Moment, in dem er sie angesehen hatte, als hätte er etwas erkannt, das sie selbst nicht sehen konnte.
Sie biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Es hatte nichts bedeutet.
Trotzdem spürte sie ein seltsames Kribbeln, das sich nicht so einfach abschütteln ließ. Es war, als hätte die Nähe zu ihm etwas in ihr ausgelöst, das sie nicht verstand – und noch weniger verstehen wollte.
Sie strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht, trat dann zögernd zur Tür und öffnete sie langsam. Der Korridor war leer, kein Geräusch außer dem Knarren der alten Dielen unter ihren Stiefeln. Langsam machte sie sich auf den Weg in Richtung der kleinen Küche, die sie vom Vortag kannte.
Als sie den Raum betrat, fiel ihr Blick sofort auf den groben Holztisch. Dort, inmitten der kaum benutzten Oberfläche, lag ein Stück zusammengerolltes Pergament. Ihre Schritte stockten, und ein unwillkürliches Zittern durchlief ihren Körper.
Langsam griff sie nach dem Pergament, ihre Finger zögerlich, als würde sie befürchten, dass es in Flammen aufgehen könnte. Sie entrollte es und erkannte sofort die krakelige, aber dennoch elegante Handschrift:
„Ich bin zurück, bevor du es merkst. Verhalte dich unauffällig. – D. Malfoy"
Hermine starrte die Worte an, und eine seltsame Mischung aus Panik und Unbehagen breitete sich in ihr aus. Unauffällig. Was bedeutete das überhaupt, wenn man in einem Versteck war, fernab von allem, was normal war?
Sie ließ das Pergament sinken, drehte sich um und lehnte sich gegen den Tisch. Der Raum war kühl, und die Kälte kroch ihr unter die Haut, doch ihre Gedanken wirbelten wie ein Sturm. Er war also nicht einfach verschwunden. Aber wo war er, und warum ließ sie das überhaupt nicht los?
Hermine schob das Pergament in die Tasche ihrer Hose und schaute sich in der Küche um. Ein paar alte Tassen standen auf einem Regal, der alte Wasserkrug auf der Arbeitsfläche. Alles wirkte karg und verstaubt, wie ein Ort, der nur geduldet wurde, anstatt wirklich bewohnt zu sein.
Sie fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und atmete tief durch. Wohin auch immer Draco Malfoy gegangen war, sie war nun allein in einem fremden Haus.
Die Brünette stand am Tisch, das Pergament immer noch in der Hand, während ihre Gedanken rasteten. Draco war weg, hatte sie allein gelassen. Diese plötzliche Leere in ihrem Inneren war ein beklemmendes Gefühl, das sie nicht abwenden konnte. Panik stieg in ihr auf.
Die Hexe schluckte und schob das Pergament in ihre Tasche, um sich zu beruhigen. Ein flimmerndes Gefühl der Unsicherheit kroch in ihr hoch. Warum beschäftigte sie sich überhaupt mit ihm? Warum war er plötzlich so... wichtig für sie?
Hermine nahm einen tiefen Atemzug und versuchte, sich zu sammeln. Die Antwort war einfach. Es war, weil er der einzige war, der da war. Der Einzige, mit dem sie noch reden konnte, der Einzige, der sie gerettet hatte- mehr oder weniger. Sie hatte immer noch ein mulmiges Gefühl, wenn es um Malfoy ging, doch irgendwie hatte sie das Gefühl, dass dieser Moment der letzten Nacht etwas zwischen ihnen verändert hatte. Sie wusste nur noch nicht, was.
~*~
Hermine atmete tief ein, versuchte sich zu sammeln und ihre Gedanken zu ordnen. Sie konnte sich nicht länger in der Küche aufhalten. Irgendetwas zog sie nach draußen, in die Räume des Hauses.. Aber solange er nicht zurück war, würde sie die Zeit irgendwie überbrücken müssen. Sie musste es. Durfte nicht an die Einsamkeit denken, die sie nun wieder umgab.
Also beschloss sie, das Haus zu erkunden. Es war merkwürdig ruhig, fast still, und doch hatte der Ort etwas an sich, das Hermine sowohl beruhigte als auch beunruhigte. Vielleicht war es die Abgeschiedenheit, vielleicht die Tatsache, dass sie sich hier wie in einer anderen Welt fühlte – einer Welt, in der sie sich nicht ganz sicher war, wie sie sich verhalten sollte.
Der Flur, der sich vor ihr erstreckte, war schmal und dunkel, die Wände mit altmodischen Tapeten bedeckt, die an einigen Stellen zu blättern begannen. Hermine folgte dem Gang, unsicher, wohin sie gehen sollte, bis sie schließlich das Wohnzimmer erreichte. Sie zögerte kurz, bevor sie eintrat.
Das Wohnzimmer war nicht groß, aber es hatte einen gewissen Charme. Ein Kamin stand in der Mitte des Raumes, die Reste eines früheren Feuers noch schwach zu erkennen. Die Möbel waren alt, abgenutzt, doch sie schienen funktional zu sein. In einer Ecke des Raumes stand ein Sessel, der vor dem Kamin ausgerichtet war, als ob jemand regelmäßig dort gesessen und das Feuer betrachtet hätte. Alles wirkte leer, verlassen – und doch irgendwie einladend.
Hermine trat weiter ein, ihr Blick wanderte über den Raum. Es war ein wenig wie ein Museum, ein Ort, der für lange Zeit keine wirkliche Bedeutung gehabt hatte, aber dennoch Spuren einer Vergangenheit in sich trug. Dann blieb ihr Blick an einem kleinen Regal hängen. Es war eher unscheinbar, versteckt in der Ecke zwischen einem Fenster und einem Bücherstapel, und es schien kaum bemerkbar. Aber es war da.
Sie ging näher, neugierig. Es war ein kleines Regal, kaum breiter als ihre Schultern, aber vollgestopft mit verschiedensten Büchern – einige von ihnen sahen so aus, als seien sie schon sehr alt. Hermine streckte die Hand aus, nahm das erste Buch, das ihr ins Auge fiel, und blätterte es vorsichtig auf.
Die Brünette blätterte mechanisch durch das Buch, ihre Finger streiften über die vergilbten Seiten, doch dann stockte sie. Ihr Blick fiel auf den Text – etwas, das sie in all der Zeit, die sie durch die Wirren des Krieges und ihrer eigenen inneren Kämpfe gegangen war, fast vergessen hatte. Es war ein echtes Buch, und plötzlich, ohne Vorwarnung, durchbrach die Erinnerung an eine andere Zeit die Dunkelheit in ihrem Kopf.
Es war eigentlich eine ganz gewöhnliche Sache, aber für Hermine war es wie ein seltener Schatz. Ein Buch. Sie hatte so lange keines mehr in den Händen gehalten, so lange nicht mehr einfach nur gelesen. Ihre Gedanken hatten sich in den letzten Jahren stets um Überlebensstrategien, Verstecke und Fluchtpläne gedreht, und das war alles gewesen, was ihre Welt ausgemacht hatte. Aber jetzt, in diesem Moment, hielt sie wieder ein Buch, einen vertrauten Freund der Vergangenheit, etwas, das sie fast vergessen hatte, wie es war, nur zu lesen, ohne ständig an das Ende der Welt denken zu müssen.
Ihre Finger blieben auf einer der Seiten hängen, als sie den Text las. Die Worte flossen in ihre Gedanken wie eine beruhigende Melodie, ein sanftes, vertrautes Rauschen, das sie tief atmen ließ. Für einen Moment vergaß sie, wo sie war. Vergaß, dass sie sich in einem verfallenen, fremden Haus befand, das von der Stille und der Einsamkeit erdrückt wurde.
Das Gefühl der Freude, ein Buch in den Händen zu halten, war überwältigend. Es war so lang her, dass sie sich nicht einmal mehr richtig erinnern konnte, wann sie zuletzt in der Stille eines Raumes so vertieft gewesen war, dass nichts anderes sie störte. Sie hatte in der Vergangenheit so viel gelesen – ihre Nase war ständig in einem Buch gewesen, als Kind, als Jugendliche, als sie sich auf ihre Prüfungen vorbereitet hatte. Aber nach all den Jahren, die sie mit Kämpfen, Fluchten und Überleben verbracht hatte, war das eine Erinnerung an eine Zeit, die längst verloren schien.
Für einen Augenblick war sie wieder die alte Hermine Granger. Die Hermine, die in der Bibliothek verbrachte, mit einem Buch in der Hand und einem Blick, der die Welt um sie herum vergas. Die Hermine, die durch die Seiten blätterte, als könnten diese ihr alles beibringen, was sie wissen musste. Die Hermine, die mit einem Lächeln ein neues Abenteuer begann, ohne sich über das Ende Sorgen zu machen.
Sie konnte das Lächeln kaum unterdrücken. Es war fast kindlich, diese Freude über etwas so Einfaches. Ein Buch. Nur ein Buch, aber für sie war es ein Moment der Normalität, der ihr so lange gefehlt hatte.
Die Gryffindor hielt das Buch fester, als wollte sie es nie wieder loslassen. Und in diesem Moment war sie nicht mehr nur eine Überlebende, sie war wieder jemand, die das Leben mit all seinen kleinen, verlorenen Freuden schätzte.
Sie setzte sich auf den kleinen Sessel, der in der Nähe stand, und begann, das Buch aufmerksam zu studieren. Sie war so in den Text vertieft, dass sie die Zeit vergaß, die wie im Fluge verstrich.
Die Hexe hatte sich vollkommen in das Buch vertieft, ihre Finger glitten über die Seiten, als ob sie jede einzelne Silbe aufsaugen wollte. Die Worte, die vor ihr tanzten, entführten sie in eine Welt, die sie lange nicht mehr betreten hatte. Eine Welt, die von nichts anderem als Wissen, Geschichten und der einfachen Freude am Lesen geprägt war.
Doch plötzlich hörte sie ein leises Knarren der Dielen hinter ihr. Sie erstarrte. Ihr Herz schlug schneller, und ohne es zu wollen, klappte sie das Buch hastig zu, als ob sie dabei ertappt worden wäre. Der Moment der Freude war zerbrochen, so schnell wie er auch gekommen war.
„Was....was machst du da?"
tbc...
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