12. Dezember


~Türchen 12~
12. Dezember

Die Nacht hatte sich längst in eine schwere, unbarmherzige Stille gehüllt, als Draco aus seinem leichten, unruhigen Halbschlaf gerissen wurde. Ein erstickter Laut hallte durch die Dunkelheit - ein Wimmern, das sich zu einem Keuchen steigerte. Er riss den Kopf hoch und spürte, wie sich sein Magen zusammenzog, als er die Quelle erkannte. Sie.

Die Gryffindor lag im Bett, ihr Korper verkrampft, die Hände krallten sich in die Decke, als würde sie sich an etwas Unsichtbarem festhalten. Ihre Augen waren fest geschlossen, ihr Gesicht verzerrt in einer Mischung aus Schmerz und Furcht. Ein Laut entkam ihrer Kehle, ein tiefes, rohes Geräusch, das Draco das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Draco drückte Hermine fester gegen die Matratze, seine Hände an ihren Schultern, während sie sich unter ihm wand und verzweifelt zu entkommen versuchte. Ihr Atem war keuchend und unregelmäßig, ihr Gesicht von Angst verzerrt, als ob sie in einer unsichtbaren Schlacht gefangen wäre. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn, Strähnen ihres Haares klebten daran, und ihre Augenlider flatterten, ohne sich ganz zu öffnen.

„Granger!" Dracos Stimme war rau, fast panisch, als er sie schüttelte, doch es schien nichts zu bringen. Sie war nicht hier, nicht wirklich. Ihr Kopf warf sich hin und her, ihre Hände krallten sich in die Decke, die längst zur Seite gerutscht war, und ihre Beine traten, als ob sie verzweifelt fliehen wollte.

„Nicht! Lass mich! Nein!" Ihr Schrei hallte durch den Raum, durchdringend und so voller Furcht, dass es ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.

„Granger, verdammt, wach auf!" Er kniete über ihr, sein Körper schwer gegen ihren, um sie davon abzuhalten, sich selbst zu verletzen. Sie warf sich gegen ihn, ihre Fäuste schlugen schwach gegen seine Brust, ihre Fingernägel gruben sich in seinen Unterarm, während sie sich weiter wand.

Draco spürte, wie sich seine Kehle zuschnürte. Er hatte Angst gesehen, echte Angst – auf dem Schlachtfeld, in den Augen derer, die dem Manor nicht entkommen konnten –, aber das hier war etwas anderes. Sie war nicht hier, nicht wirklich, und doch war sie es.

„Hermine!" Er versuchte es noch einmal, und dieses Mal war seine Stimme lauter, durchdringender, seine Hände schüttelten sie härter. Ihr Kopf fiel zur Seite, und für einen Moment dachte er, sie hätte aufgehört zu atmen. Doch dann keuchte sie, ein raues, panisches Geräusch, das durch ihren ganzen Körper zu vibrieren schien.

Plötzlich erstarrte sie. Ihr Atem stockte, und ihre Augen rissen auf. Die Hexe starrte ihn an, unfokussiert und panisch, bevor sich ein Schimmer von Erkenntnis in ihrem Blick zeigte.

„Granger." Sein Ton war leise, aber eindringlich. „Du bist wach. Es war ein Traum. Hör auf zu kämpfen."

Doch sie hörte ihn nicht wirklich. Ihre Brust hob und senkte sich in hektischen Stößen, und ihre Augen flackerten immer wieder, als kämpfte sie darum, die Realität zu erfassen. Erst als sie das Gewicht auf sich spürte – seine Hände, die sie noch immer festhielten, seinen Körper, der über ihr kniete –, wurde sie völlig wach.

„Runter von mir!" Ihre Stimme war heiser und zittrig, ein Schatten ihrer üblichen Schärfe, aber die Panik war unverkennbar. Sie drückte gegen seine Brust, ihre Hände noch immer schwach, aber fordernd.

Draco wich sofort zurück, ließ sie los und setzte sich aufrecht hin, die Hände in einer beschwichtigenden Geste gehoben. „Beruhig dich, Granger. Es war ein Albtraum. Mehr nicht."

Hermine schob sich hastig zurück, bis ihr Rücken gegen die Wand stieß. Sie zog die Knie an ihre Brust, ihre Arme umklammerten sie fest, und ihr Körper zitterte unkontrolliert. Ihr Atem war noch immer zu schnell, und Tränen liefen über ihre Wangen, als sie die Hände gegen ihr Gesicht drückte.

„Es war nicht echt..." Ihre Stimme war kaum ein Flüstern, die Worte wiederholte sie immer wieder, wie ein Mantra, das sie vor dem Wahnsinn bewahren sollte. „Es war nicht echt..."

Der Zauberer sah sie an, unsicher, was er tun sollte. Er hatte das Gefühl, dass jede Bewegung, jedes Wort alles nur noch schlimmer machen könnte. Also blieb er still, seine Augen auf sie gerichtet, während er sich langsam zurücklehnte.

„Granger", sagte er schließlich, seine Stimme ungewohnt sanft. „Du bist hier. Nicht dort. Es war bloß ein Traum."

Aber sie antwortete nicht. Stattdessen wippte sie leicht vor und zurück, während ihr Atem allmählich langsamer wurde, aber die Tränen weiterhin flossen. Draco sah zu, unfähig, etwas zu tun, und fühlte zum ersten Mal in seinem Leben eine Hilflosigkeit, die ihn beinahe erdrückte.

Er saß noch immer über ihr, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, als würde er sich zwingen, ruhig zu bleiben. Doch sein Blick war unverwandt auf Hermine gerichtet, ihre zitternde Gestalt, die Art, wie sie sich selbst umklammerte, als würde sie auseinanderfallen, wenn sie losließe. Die Schreie, die sie im Schlaf ausgestoßen hatte, hallten immer noch in seinem Kopf nach, und er spürte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte, als sie endlich aufsah.

Ihre Augen, immer noch glasig vor Tränen, trafen seine. Es war ein Blick, der ihn durchbohrte, voller Schmerz, Scham und etwas, das er nicht deuten konnte – etwas, das ihn innehalten ließ. Ihre Wangen waren nass, ihre Lippen leicht geöffnet, als ob sie etwas sagen wollte, aber keine Worte fand. Der Raum war so still, dass er ihren Atem hören konnte, wie er immer noch ungleichmäßig ging.

„Warum...?" Ihre Stimme war ein Flüstern, kaum hörbar. „Warum bist du noch hier?"

Draco hob eine Augenbraue, doch in seinen grauen Augen flackerte etwas Unsicheres. „Weil du geschrien hast, Granger. Als ob dir jemand das Leben nehmen wollte. Glaubst du, ich hätte das ignorieren können?"

Sie biss sich auf die Unterlippe, ihre Finger vergruben sich fester in den Stoff ihrer Kleidung. Ihre Wangen liefen rot an, als sie realisierte, wie nah er ihr gewesen sein musste. Die Vorstellung, dass er sie gehalten, sie geschüttelt hatte, während sie hilflos um sich geschlagen hatte, ließ ihr Herz erneut schneller schlagen – diesmal aus einem anderen Grund.

„Ich... ich wollte nicht–" Sie hielt inne und sah weg, unfähig, ihm weiter in die Augen zu sehen.

„Wolltest nicht, was? Einen Albtraum haben?" Seine Stimme war ruhig, fast sanft, aber da war ein Unterton von etwas, das wie Besorgnis klang. „Das liegt nicht in deiner Kontrolle, Granger. Du bist... du bist nicht aus Stein."

„Das sagst ausgerechnet du?" Sie schnaubte, und ihre Stimme gewann an Schärfe, ein verzweifelter Versuch, die Oberhand zu gewinnen. Doch die Röte auf ihren Wangen und die Art, wie sie den Blick mied, verrieten sie. „Du bist doch derjenige, der sich hinter einer Maske versteckt, Malfoy. Was weißt du schon davon?"

Er lehnte sich zurück, setzte sich auf den Boden neben das Bett, ließ den Kopf gegen die Bettkante sinken und beobachtete sie mit einer Mischung aus Müdigkeit und Frustration. „Ich weiß, dass du seit Wochen alles in dir verschließt, bis es dich auffrisst. Ich weiß, dass du dich zwingst, wach zu bleiben, weil du Angst hast, was passiert, wenn du die Augen schließt."

Die Gryffindor öffnete den Mund, doch keine Worte kamen heraus. Sie fühlte sich ertappt, entblößt, als hätte er sie durchschaut, ohne dass sie es bemerkt hatte. Sie zog die Knie noch näher an sich, ihre Fingernägel gruben sich in ihre Haut, um die Scham zu verdrängen, die in ihr aufstieg.

„Und ich weiß", fuhr er leiser fort, „dass du mir nicht vertraust. Und das solltest du auch nicht." Sein Blick war intensiv, fast durchdringend, als wollte er sie zwingen, ihn anzusehen.

Schließlich hob sie den Kopf, ihre braunen Augen trafen seine grauen, und die Luft im Raum schien für einen Moment stillzustehen. Sie waren so nah, dass sie die Wärme seines Körpers spüren konnte, die rauen Konturen seiner Stimme, die Art, wie er sie ansah, als ob er genauso zerrissen war wie sie.

„Dann warum... warum hilfst du mir?" Ihre Stimme brach bei seinem Namen, das erste Mal, dass sie ihn so nannte, und die Wirkung war beinahe greifbar.

Seine Lippen verzogen sich zu einem schwachen, fast traurigen Lächeln. „Weil ich vielleicht noch einen Funken Anstand habe, Granger. Oder weil ich so tief gefallen bin, dass ich nichts anderes mehr habe."

Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, und für einen Moment herrschte nur Stille. Doch die Spannung zwischen ihnen war fast greifbar – ein schmaler Grat zwischen Nähe und Distanz, zwischen Verbundenheit und der Kluft, die sie beide geschaffen hatten.

Er drehte sich um und sah sie noch einmal an, bevor er sich langsam erhob. „Du solltest schlafen. Und keine Ausreden mehr, Granger. Ich bleibe hier. Falls... falls das wieder passiert."

Sie wollte widersprechen, ihn wegschicken, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Stattdessen nickte sie nur schwach, zog die Decke um sich und ließ sich wieder zurücksinken. Ihr Herz klopfte immer noch zu schnell, und sie konnte seinen Blick auf ihr spüren, selbst als sie die Augen schloss und er vom Boden aufstand und zum Sessel in der Ecke lief.

~*~

Der Malfoy ließ sich schwer in den Sessel fallen, der in der Ecke des Zimmers stand. Das Polstern knarrte leise unter seinem Gewicht, und seine Bewegungen verrieten die Müdigkeit, die sich in seinen Gliedern eingenistet hatte. Er legte einen Arm über die Lehne und betrachtete Hermine, die reglos auf dem Bett lag, die Decke eng um sich geschlungen. Doch selbst aus dieser Entfernung konnte er sehen, wie ihre Finger nervös an den Stoffenden zupften, als würde sie sich zwingen, ruhig zu bleiben.

Er wusste, dass sie nicht schlafen würde. Nicht wirklich. Ihre Schultern waren noch immer angespannt, ihre Atmung zu flach, zu unregelmäßig.

„Schlaf", sagte er leise, fast ein Befehl, aber ohne die Kälte, die seine Worte sonst begleiteten.

Sie zuckte kaum merklich zusammen, aber sie antwortete nicht. Stattdessen drehte sie den Kopf ein Stück zur Seite, sodass ihr Gesicht halb im Schatten lag. Die Stille zwischen ihnen wuchs und dehnte sich aus, bis sie beinahe greifbar war.

„Malfoy?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, so leise, dass er sich fragte, ob er es sich eingebildet hatte. Er richtete sich auf, seine Augen verengten sich leicht, während er sie betrachtete.

„Was?" Seine Antwort klang rauer, als er beabsichtigt hatte, und er biss die Zähne zusammen, als er bemerkte, wie sie erneut zusammenzuckte.

Die Brünette schwieg einen Moment, und er dachte schon, sie würde nicht weitersprechen. Doch dann kam es, stockend und fast unverständlich, aber die Worte trafen ihn wie ein Schlag.

„Kannst... kannst du hierbleiben?"

Er blinzelte. „Ich bin hier, Granger."

„Nicht dort." Sie drehte den Kopf leicht, und obwohl sie ihn nicht direkt ansah, konnte er die Röte auf ihren Wangen erkennen, selbst im schummrigen Licht. „Ich meine... hier. Neben mir."

Draco erstarrte. Ihre Worte hingen zwischen ihnen wie eine unausgesprochene Bitte, und er wusste nicht, was er sagen sollte. Er lehnte sich zurück, ließ den Kopf gegen die Sesselrücklehne fallen und schloss die Augen für einen Moment, als müsste er die Bedeutung dessen verarbeiten, was sie gerade gesagt hatte.

„Ich..." begann er, aber seine Stimme versagte, und er räusperte sich. „Warum?"

Hermine presste die Lippen zusammen, als würde sie es sofort bereuen, überhaupt etwas gesagt zu haben. Ihre Hände zitterten leicht, und sie drückte die Decke fester an sich.

„Vergiss es." Ihre Stimme klang nun fester, aber er erkannte die brüchige Kante darin. „Ich hätte nicht fragen sollen."

Doch Draco rührte sich nicht. Irgendetwas in ihrem Ton – die Verletzlichkeit, die sie normalerweise so sorgfältig verbarg – ließ ihn zögern. Schließlich stand er langsam auf, die Dielen knarrten leise unter seinen Schritten, als er sich dem Bett näherte.

„Granger..." Er hielt inne, seine Hände ruhten an den Seiten des Bettrahmens, und er sah sie mit einem Ausdruck an, den sie nicht deuten konnte. „Das hier ist keine gute Idee."

„Ich weiß." Ihre Stimme klang dünn, und sie drehte den Kopf zur Seite, sodass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. „Aber... bitte."

Draco ließ einen langen, müden Atemzug entweichen, als würde er gegen einen unsichtbaren Gegner kämpfen. Schließlich bewegte er sich langsam, fast zögerlich, und setzte sich auf die Kante des Bettes. Es fühlte sich falsch an – zu nah, zu vertraut –, aber er blieb trotzdem.

Hermine rührte sich nicht, ihr ganzer Körper war steif, und sie hielt den Atem an, als würde jede Bewegung die Spannung zwischen ihnen noch unerträglicher machen.

„Schieb dich ein Stück rüber", murmelte Draco schließlich, und seine Stimme klang rau, als ob ihm jedes Wort schwerfiel.

Sie gehorchte, rutschte ein paar Zentimeter zur Seite, während er sich langsam hinlegte, eine unangenehme Steifheit in jeder seiner Bewegungen. Er hielt sich an den Rand der Matratze, den Blick zur Decke gerichtet, und legte die Arme über die Brust, als wolle er jeglichen weiteren Kontakt vermeiden.

Die Stille war fast ohrenbetäubend, nur ihr beider Atem durchbrach sie. Die Hexe wagte nicht, sich zu bewegen, wagte kaum, ihn anzusehen. Aber da war eine seltsame, ungreifbare Wärme, die sich zwischen ihnen auszubreiten schien, ein Bewusstsein für die Nähe, die sie beide nicht ignorieren konnten.

„Das ändert nichts", sagte Draco schließlich leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

„Ich weiß", antwortete sie, und ihre Stimme klang so müde dabei.

Aber beide wussten, dass dies eine Lüge war.

tbc...

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