11. Dezember
~Türchen 11~
11. Dezember
Draco ließ Hermine in seinem Bett schlafen.
Draco lehnte an der Tür seines alten Schlafzimmers, die Arme vor der Brust verschränkt, und beobachtete, wie Hermine sich widerwillig in die Decke wickelte, die viel zu groß für sie war.
Der Kontrast hätte ihn beinahe zum Lachen gebracht, wäre die Situation nicht so verdammt hoffnungslos gewesen. Sie sah fehl am Platz aus – wie ein Schatten ihrer selbst, eingehüllt in der Dunkelheit seines Zimmers, auf einem Bett, das ihr Feind gehörte. Und doch war sie hier. Lebendig.
„Hör auf, mich so anzustarren", murmelte die Brünette und zog die Decke enger um sich. Ihre Stimme war leise, müde, aber sie schwang immer noch diese unverkennbare Schärfe mit, die ihn gleichermaßen irritierte und faszinierte.
„Ich starre nicht", erwiderte Draco, ohne den Blick abzuwenden. Er wusste, dass er log, aber es war ihm egal. „Ich versuche nur herauszufinden, wie jemand wie du hier gelandet ist."
Hermine schnaubte leise und drehte sich auf die Seite, sodass sie ihm den Rücken zuwandte. „Frag dich das lieber selbst, Malfoy. Du hast mich hergebracht, schon vergessen?"
Er seufzte und drückte sich von der Tür ab. Die Dunkelheit des Zimmers schien ihn zu verschlucken, als er ein paar Schritte näher trat. „Es ist nicht so, als hätte ich viele andere Optionen gehabt." Er hielt inne und fügte leiser hinzu: „Und du auch nicht."
Hermine drehte sich halb zu ihm um, nur genug, dass er ihr Profil sehen konnte, wie die schwachen Schatten der Nacht sich über ihre Wangen legten. „Du tust so, als wäre das hier ein Akt der Gnade", flüsterte sie, ihre Stimme nun kaum mehr als ein Flüstern. „Aber wir beide wissen, dass du mich nur hier hast, weil du nicht weißt, was du sonst tun sollst."
Draco ließ die Worte unkommentiert, weil sie die Wahrheit waren. Stattdessen ließ er sich in den Sessel sinken, der in der Ecke des Zimmers stand, und betrachtete sie weiter. „Schlaf",
antwortete er schließlich. „Morgen wird nicht einfacher, und ich bin mir sicher, dass du mich dann wieder für irgendetwas verantwortlich machen willst."
„Das werde ich", erwiderte sie leise, zog die Decke noch enger um sich und schloss die Augen. Aber die Spannung in ihrer Haltung verriet ihm, dass sie genauso wenig schlafen würde wie er.
Anstatt in ein anderes Zimmer zu gehen, wie es sich gehörte, saß er reglos im Sessel, die Dunkelheit des Zimmers schwer auf seinen Schultern. Die Stille war fast erdrückend, unterbrochen nur von Hermines flachem Atem. Sie tat so, als würde sie schlafen, aber er wusste es besser. Ihre Finger hielten die Decke zu fest, ihre Haltung war zu angespannt.
Er sollte etwas sagen. Irgendetwas. Doch was? Alles, was ihm einfiel, würde die Mauer zwischen ihnen nur weiter verstärken, und vielleicht war das auch besser so. Nähe war gefährlich. Nähe war tödlich.
Schließlich brach Hermine die Stille, ihre Stimme kaum mehr als ein Murmeln in der Dunkelheit. „Warum hast du ein Bett wie dieses?"
Draco blinzelte, überrascht von der Frage. „Was meinst du damit?"
„Das hier." Sie bewegte eine Hand, um die weiche Decke und das hochwertige Bettzeug zu betonen. „Es ist... luxuriös. Selbst jetzt, wo die Welt brennt."
Er lehnte sich im Sessel zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ ein leises, bitteres Lachen hören. „Das ist der Vorteil, wenn man in einer Familie wie meiner aufwächst. Komfort ist eine Konstante. Egal, wie viele Leichen sich draußen türmen."
Hermine wandte den Blick ab, und er konnte ihre Gedanken beinahe greifen. Sie war zu stolz, um Mitleid zu empfinden, aber zu klug, um die Wahrheit in seinen Worten zu ignorieren. „Und du hasst es?" fragte sie schließlich, ihre Stimme vorsichtig.
„Ich hasse alles daran." Draco sprach die Worte leise, ohne die geringste Spur von Zögern. „Ich hasse, dass ich noch hier sitze, in einem warmen Zimmer, mit einem Dach über dem Kopf, während Menschen wie du kämpfen mussten, um auch nur einen Tag länger zu überleben."
Die Gryffindor war für einen Moment still, dann antwortete sie: „Menschen wie ich? Ich bin nicht mehr das, was ich war, Malfoy. Du hast es selbst gesagt – ich bin die Letzte. Das ist kein Kampf mehr. Es ist... ein Überleben. Nicht mehr und nicht weniger."
Er lehnte sich vor, seine Ellbogen auf die Knie gestützt, und sah sie mit einem Ausdruck an, den sie nicht deuten konnte. „Und trotzdem liegst du in meinem Bett, Granger. Irgendwo auf dem Weg hast du es geschafft, mehr zu überleben, als alle anderen konnten. Du bist hier. Das zählt."
Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber sie konnte es nicht. Vielleicht, weil ein Teil von ihr wusste, dass er recht hatte. Stattdessen schloss die Hexe die Augen und drehte sich wieder von ihm weg, den Rücken fest in die Decke gedrückt.
Der Malfoy lehnte sich zurück, der Geschmack seiner vorherigen Worte noch immer bitter auf der Zunge. Das Zischen in seinem Kopf, der Lärm von Schuld und Zweifel, ließ ihn nicht los. Er wusste, dass sie hier nicht sicher war. Nirgendwo war sie sicher. Aber zumindest diese eine Nacht... zumindest jetzt konnte er dafür sorgen, dass sie lebte.
Draco schloss die Augen, ließ den Kopf gegen die Rückenlehne des Sessels fallen und versuchte, den Sturm in seinem Inneren zu beruhigen. Aber die Gedanken ließen ihn nicht los. Hermine, die hier lag, in seinem Bett, in einer Umgebung, die nur für ihn sicher war – zumindest vorerst. Das war falsch. Alles daran war falsch.
„Warum bist du noch wach?" Hermines Stimme durchschnitt die Dunkelheit, leise, fast brüchig. Sie drehte sich nicht zu ihm um, aber ihre Worte trugen ein Gewicht, das ihn traf.
„Warum schläfst du nicht?" konterte er und öffnete die Augen. Er sah sie nur als vage Silhouette im schwachen Licht, das durch die Vorhänge sickerte.
„Vielleicht, weil ich jede Sekunde damit rechne, dass du mich auslieferst", sagte sie scharf, ohne wirklich scharf klingen zu wollen. Es war mehr eine Feststellung als ein Vorwurf.
Draco starrte sie an, bevor er leise lachte, ein raues, kaltes Geräusch. „Wenn ich dich ausliefern wollte, hätte ich das längst getan. Glaub mir, Granger, mein Leben wäre dann um einiges einfacher."
Sie drehte den Kopf, gerade genug, dass er ihr Gesicht sehen konnte, wie ihr Blick sich fest in seinen bohrte. „Einfacher. Aber nicht besser."
Er zuckte leicht zusammen, überrascht von ihrer Antwort. Es war eine Tatsache, so simpel und doch so komplex, dass sie ihm den Boden unter den Füßen wegzog. „Besser?", wiederholte er schließlich, und seine Stimme klang hohl. „Was weißt du schon davon? Nichts wird besser, Granger. Nicht für mich. Nicht für dich. Nicht für irgendjemanden."
Hermine richtete sich langsam auf, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Kopfstütze des Bettes und zog die Decke fest um sich. „Ich weiß genug, um zu sehen, dass du dich selbst in etwas zerfleischst, das du nicht ändern kannst. Aber du tust es trotzdem." Ihre Augen glitzerten im Halbdunkel. „Warum, Malfoy? Warum hast du mich gerettet, wenn du glaubst, dass nichts besser werden kann?"
Er fuhr sich durch die Haare und stand auf, begann ruhelos im Zimmer auf und ab zu gehen. „Weil ich dich damals schreien gehört habe, verdammt!" Seine Stimme war plötzlich laut, und er zwang sich, leiser zu sprechen. „Weil ich nicht ein zweites Mal zusehen werde. Weil ich an einem Punkt gewesen war, an dem es mir egal war, ob es mich das Leben kostet. Ist das die Antwort, die du hören wolltest?"
Er sprach von Bellatrix Folter damals im Manor.
Die Gryffindor chwieg, und er blieb stehen, drehte sich zu ihr um, seine Hände zu Fäusten geballt. „Ich habe keine edlen Gründe, Granger. Ich bin kein Held. Ich habe dich nicht gerettet, weil ich an irgendeinen noch lebenden Widerstand glaube. Ich habe dich gerettet, weil ich den Anblick von Menschen, die in Stücke gebrochen werden, nicht mehr ertragen kann. Und vielleicht auch, weil du die Einzige bist, die mich daran erinnert, dass es mal etwas anderes gab als das hier."
Sie hielt seinem Blick stand, und für einen Moment war da etwas, das wie Verständnis wirkte. Aber auch etwas anderes – eine Art Trauer, die er nicht ganz deuten konnte. Schließlich sagte sie leise: „Das klingt fast so, als würdest du bereuen, dass du noch lebst."
Draco starrte sie an, seine Kehle trocken, die Worte auf seiner Zunge zu schwer, um ausgesprochen zu werden. Schließlich drehte er sich abrupt um, ging zur Tür und legte die Hand auf die Klinke. „Du solltest schlafen, Granger", murmelte er.
Bevor sie ihm sagen konnte, dass sie das nicht konnte, niemals wieder richtig können würde, war er verschwunden, und die Dunkelheit verschlang ihn.
~*~
Hermine starrte noch lange auf die Tür, die Draco hinter sich geschlossen hatte, und lauschte seinen Schritten, die leiser wurden, bis sie schließlich in der Ferne verklangen. Die Dunkelheit des Zimmers fühlte sich plötzlich noch schwerer an, und die Stille schien sie erdrücken zu wollen. Sie ließ sich zurück in die Kissen sinken, zog die Decke fest um sich und versuchte, die flackernden Gedanken in ihrem Kopf zu ordnen.
Aber da war nichts, was sich ordnen ließ. Nur Erinnerungen. Stimmen, Schreie, Gesichter, die nie wieder da sein würden. Diejenigen, die sie verloren hatte. Der Widerstand, den sie aufgebaut, an den sie geglaubt hatte, ausgelöscht, bis nur sie übrig war. Und jetzt war sie hier – in Draco Malfoys Bett, in einem Haus, das genauso eine Falle sein könnte wie das Manor.
Ihr Körper war müde, aber ihre Gedanken ließen sie nicht los. Sie konnte sich nicht erlauben, zu schlafen. Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht bei ihm.
Draußen hörte sie einen schwachen Wind, der durch die Ritzen der Fenster kroch. Und irgendwo in der Ferne das leise Knarzen von Holz – vielleicht Draco, der irgendwo im Haus auf und ab ging, genauso ruhelos wie sie.
Sie drückte ihr Gesicht in die Kissen und schloss die Augen, auch wenn sie wusste, dass es nichts nützen würde. Schlaf war ein Luxus, den sie nicht mehr kannte. Nicht, seit sie das letzte Mal ins Manor gebracht worden war. Ihre Hände zitterten unter der Decke, als sie daran dachte. Sie presste die Lippen aufeinander und zwang sich, ruhig zu atmen, aber ihr Herzschlag raste trotzdem.
Vielleicht hatte Draco recht. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn er sie nicht gerettet hätte. Aber das hieß nicht, dass sie ihm dankbar war. Nicht wirklich. Sie hatte nicht darum gebeten, hier zu sein, genauso wenig wie sie darum gebeten hatte, die Letzte zu sein. Doch hier war sie. Und sie konnte nicht aufgeben, nicht jetzt.
„Du bist nicht wie er", flüsterte sie in die Dunkelheit, mehr zu sich selbst als zu irgendjemandem sonst. Ihre Stimme klang hohl und fremd. „Du kannst nicht so sein."
Aber selbst diese Worte fühlten sich an wie eine letze Hoffnung.
tbc...
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