The Doctor's Song
In der Abstellkammer war es dunkel und staubig. Große Spinnweben wurden vom schwachen, orangefarbenen Glimmen der Wände beleuchtet. Sie schauderte. Spinnweben? Wie waren Spinnen hier hereingekommen? Sie hatte schon lange eine Abneigung gegen diese Biester gehabt, und war ihnen doch leider immer wieder begegnet, ob auf dem Mond, in London oder auf Metebelis III. Erst neulich war ihre Arachnophobie wieder aufgefrischt worden, als sie in Sheffield einigen besonders großen Exemplaren begegnet war. Schnell griff sie nach einen Hebel mit einem großen roten Knubbel an der Wand, drückte ihn herunter, und augenblicklich ging das Licht mit einem Flackern an.
Nun konnte sie das ganze Ausmaß der Unordnung in der Abstellkammer erkennen. Wobei „Abstellhalle" angesichts seiner enormen Größe die treffendere Bezeichnung gewesen wäre.
Unglaublich viel Gerümpel hatte sich über die Jahrhunderte angehäuft, und türmte sich nun zu Hügeln von Krusch auf.
Hier ein halbes Raumschiff, dort ein rosafarbener Kleiderschrank, weiter hinten ein verstaubtes Portrait, das ein gewisser Renaissancemaler von ihr angefertigt hatte, auch wenn die Augen, die sie von dem Bild aus ansahen, längst nicht mehr die ihren waren.
Erleichtert stellte sie fest, dass es sich bei den Spinnweben nur um die Überbleibsel einer sontoranischen Netzbombe handelte, die augenscheinlich irgendwann einmal losgegangen sein musste, und ihren Inhalt über den Gegenständen verteilt hatte.
Sie stemmte die Hände in die Hüfte.
Das würde die Suche nach dem fehlenden Werkzeug nicht gerade erleichtern.
Vor einigen Stunden war ein Partikelbeschleunigungsmodul der T.A.R.D.I.S. kaputt gegangen, und da es das einzige seiner Art in diesem Universum war, konnte sie nicht schnell auf einen interstellaren Markt fliegen, und sich ein neues kaufen.
„Das könnte länger dauern...", meinte sie und ließ die Knöchel ihrer ausgestreckten Hände knacken.
Glücklicherweise war eine vergangene Inkarnation von ihr auf den schlauen Gedanken gekommen, die Gegenstände thematisch zu sortieren, auch wenn diese Ordnung nur noch grob erkennbar war.
Sie steuerte auf die Ecke mit dem elektronischen Krimskrams zu, und fing an zu wühlen.
Während sie all die Objekte sortierte, kamen unzählige Erinnerungen an ihre vergangenen Leben wieder hoch, die sie damit verband, doch sie versuchte, sich nicht davon ablenken zu lassen.
Sie scheiterte schon bei dem dritten Gegenstand.
Als sie der lange Hals der roten E-Gitarre aus dem Haufen anblickte, flüsterte sie ein Wort.
„Brilliant!"
Alle Sorge darum, dass sich womöglich durch das Fehlen eines funktionierenden Partikelbeschleunigermoduls ein schwarzes Loch im Kontrollraum bildete, war wie weggeblasen, und sie hängte sich das Instrument um die Schultern.
Es war schwerer, als sie es in Erinnerung hatte.
Sie setzte sich auf eine angekokelte Waschmaschine, strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, griff einen Akkord, und ließ ihren Finger über die Seiten gleiten.
Dank ein paar technischen Eingriffen hatte sie es damals geschafft, dass die Gitarre keinen Verstärker brauchte, um verstärkt zu werden, und so klang der Ton unnatürlich laut und klar in der Halle, die eine wahnsinnig gute Akustik hatte.
Ein Lächeln huschte über ihre Lippen.
Sie fing an, eine Melodie zu spielen.
Sie entschied sich nicht bewusst dafür, welche Melodie es war, die sie spielte, es schien vielmehr eine einstudierte Bewegung zu sein, als hätte sie schon 1000 mal genau diese Noten gespielt.
Das Lied klang traurig, und sehnsüchtig. Die Noten flogen langsam über die Berge aus Gerümpel, und brachten Erinnerungen mit sich, die schmerzten.
Sie erkannte, welches Lied es war.
Es war tatsächlich ein sehr trauriges Lied. Sie hatte es damals geschrieben, als sie eine gute Freundin verloren hatte. Schlimmer noch, sie hatte sogar vergessen, wer sie war.
Die Akkorde wurden langsamer, doch an der Stelle, an der das Lied früher geendet hatte, spielte sie weiter. Intuitiv wusste sie, welche Note wohin gehörte, und dieses Mal klangen die Noten fröhlicher. Sie setzte die Geschichte fort, doch es war keine Geschichte von Tränen und bittersüßer Melancholie, auch wenn sich hier und da eine Dissonanz mit dem Melodiegeflecht verwob.
Es war ein Lied der Freude, der Güte, der Hoffnung; eine Musik der Sphären, erhebend wie der Chorgesänge der großherzigen Oods.
Sie stand auf, spielte schneller, härter, hitziger, erinnerte sich an all die Zeiten, als sie in Rockbands gespielt hatte, an all die Musiker und Künstler, die sie mit sich auf Reisen genommen, und ihnen die Sterne gezeigt hatte.
Dann wurden die Noten langsamer, und mit einem finalen Akkord endete das Stück.
Sie stand da, und ließ den Ton nachhallen.
Nur sie, mit ihrer Gitarre in einem Raum voller Gerümpel und Erinnerungen und Träume.
Sie lächelte.
Es würde ein tolles neues Leben werden!
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